TE UVS Steiermark 1997/10/15 30.16-76/97

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Veröffentlicht am 15.10.1997
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karl Heinz Liebenwein über die Berufung des Herrn Gerald T, vertreten durch Dr. Maximilian E, Dr. Dieter N, Dr. Georg W und Dr. Raimund C, Rechtsanwälte in W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 18.4.1997, GZ.: 15.1 1996/11110, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird aus Anlaß der Berufung vom 30.4.1997 der angefochtene Bescheid infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe es als bevollmächtigter Vertreter einer näher bezeichneten Firma zu verantworten, daß in deren Geschäftsräumlichkeiten am 27.6.1996 Lebensmittel (Hühnerjunges) feilgehalten wurden, welche aufgrund der Untersuchungsergebnisse der BALMU Graz als verdorben im Sinne des § 8 lit b LMG 1975 beurteilt wurden, ohne daß dieser Umstand deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht worden wäre.

Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 8 lit b iVm § 7 Abs. lit b LMG 1975 zu verantworten und wurde über ihn daher auf der Rechtsgrundlage des § 74 Abs 3 Z 1 LMG eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,--, im Falle deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von einem Tag, verhängt. Neben dem Ersatz der Untersuchungskosten (§ 45 Abs 2 LMG) wurden ferner gemäß § 64 VStG S 300,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.

Gegen dieses Straferkenntnis wurde fristgerecht Berufung erhoben und in dieser neben mangelndem Verschulden unter anderem im wesentlichen ausgeführt, daß die Ausführungen im angefochtenen Straferkenntnis im Widerspruch mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stünden, der in seinem Erkenntnis vom 3.8.1995, Zl. 94/10/0026, ausgesprochen habe, daß durch Kennzeichnung des Ablaufdatums dem Verbraucherschutz Genüge getan worden wäre. So sei es für jedermann klar gewesen, daß bei Überschreitung des Ablaufdatums nicht mehr von frischer Ware gesprochen werden könnte.

Der Unabhängiger Verwaltungssenat für die Steiermark hat erwogen:

Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51 c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben.

Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung konnte unter Hinweis auf § 51 e Abs 1 VStG entfallen.

Da der angefochtene Bescheid bereits aus nachstehenden Erwägungen aufzuheben war, erübrigt sich ein näheres Eingehen auf das konkrete Berufungsvorbringen.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Die Berufungsbehörde hat im Hinblick auf § 66 Abs 4 AVG grundsätzlich immer in der Sache selbst zu entscheiden. Eine bloße Kassation ist nur in einem Falle zulässig; dann nämlich, wenn die erstinstanzliche Strafbehörde zu ihrer Entscheidung unzuständig war. Diesfalls hat der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark diese Unzuständigkeit wahrzunehmen und den angefochtenen Bescheid zu beheben; "Sache" seines Verfahrens ist nur die Zuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde, sodaß eine Entscheidung über die Strafbarkeit nicht in Frage kommt (siehe dazu Thienel, "Das Verfahren der Verwaltungssenate", Österreichische Staatsdruckerei, Wien 1992, 2. Auflage, Seite 340).

Im konkreten Fall ist festzustellen, daß dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren der belangten Behörde eine Anzeige des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, Fachabteilung für das Gesundheitswesen vom 13.8.1996, zugrunde liegt, die wiederum auf diversen Gutachten der BALMU Graz vom 22.7.1996 fußt. Allen Gutachten zufolge wurden die im Geschäft jener Firma, für die der Berufungswerber offenbar die Funktion eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs 2 VStG zur Tatzeit ausübte, gezogenen und dort feilgehaltenen Warenproben (Hühnerjunges Proben Sche 139/96; 140/96 und 141/96) als verdorben im Sinne des § 8 lit b LMG 1975 beurteilt. Verdorbene Lebensmittel im Sinne der erwähnten Bestimmung unterliegen gemäß § 7 Abs 1 lit b LMG 1975 dem Verbot des Inverkehrbringens, soferne dieser Umstand nicht deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht ist. Feststeht, daß derartige Hinweise bei den gezogenen Proben nicht vorhanden waren.

Rechtlich unerheblich ist, daß die belangte Behörde die zuvor geschilderten Umstände völlig verfehlt darüber hinaus § 74 Abs 3 Z 1 LMG 1975 subsumiert hat. Von verfahrensrelevanter Bedeutung ist vielmehr, daß die Strafnorm für eine vermeintliche Übertretung nach § 7 Abs 1 lit b LMG die Bestimmung des § 63 Abs 1 Z 1 LMG 1975 darstellt, vor allem aber, daß es sich bei den nach § 63 LMG zu verfolgenden Deliktsfällen um gerichtlich zu ahndende Sachverhalte handelt, die die Befassung einer Verwaltungsstrafbehörde ausschließen.

Das Lebensmittelgesetz 1975 hat für eine Übertretung wie die gegenständliche auch keine allenfalls subsidiär anzuwendende Verwaltungsstrafnorm im § 74 LMG vorgesehen, findet sich doch in der zuletzt genannten Bestimmung kein Verweis auf § 7 Abs 1 lit b LMG 1975.

Aus all dem ergibt sich somit, daß die belangte Behörde zu der nunmehr angefochtenen Entscheidung eine Zuständigkeit in Anspruch genommen hat, die ihr nicht zukommt, weshalb diese Unzuständigkeit im Sinne der eingangs der Begründung erwähnten Ausführungen vom Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark wahrzunehmen und der angefochtene Bescheid daher zu beheben war.

Der Ordnung halber ist noch ergänzend darauf hinzuweisen, daß seitens der BALMU Graz - jeweils auf Seite 3 der zitierten Gutachten vom 22.7.1996 - unmißverständlich auf das Vorliegen eines gerichtlich zu ahndenden Tatbestandes zumindest insoferne hingewiesen wurde, als expressis verbis Untersuchungskosten im Wege des (gerichtlichen) Strafverfahrens beansprucht wurden. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Verdorbenheit Kennzeichnungspflicht Gerichtsdelikt Unzuständigkeit
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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