TE UVS Steiermark 1997/10/22 303.12-7/97

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Veröffentlicht am 22.10.1997
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch die Kammermitglieder Dr. Ganglbauer, Dr. Hütter und Dr. Thaller über die Berufung der Frau Gerlinde P, vertreten durch Dr. Reinhard T, Rechtsanwalt in G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Murau vom 05.06.1997, GZ.: 15.1 1996/3780, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird 1.) der Berufung zu Punkt 1.) Folge gegeben, das Straferkenntnis diesbezüglich aufgehoben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt;

2.) die Berufung zu Punkt 2.) dem Grunde nach abgewiesen. Hinsichtlich der Strafhöhe wird der Berufung diesbezüglich dahin Folge gegeben, daß die Geldstrafe nach § 19 VStG wie folgt neu bemessen wird:

Betreffend Punkt 1.) und 2.) des neu gefaßten Spruches jeweils mit S 7.500,-- (Ersatzarrest je 1 Tag, 12 Stunden).

Der Kostenbeitrag für das Verfahren der ersten Instanz beträgt S 1.500,--. Der Berufungswerberin wird aufgetragen, die Geldstrafe und den Kostenbeitrag binnen 4 Wochen bei Exekution zu bezahlen. Der Spruch des Straferkenntnisses wird in der Sachverhaltsumschreibung wie folgt neu gefaßt:

1.)

Frau Gerlinde P hat nicht dafür gesorgt, daß während ihrer Abwesenheit am 05.08.1996 vom Gasthaus K, in T, eine dort anwesende Person die Besichtigung der gesamten Betriebsstätte ermöglicht, da nach einer ca. 1-stündigen Dauer der Kontrolle der Betriebsstätte durch die beiden Organe des Arbeitsinspektorates Leoben, Herrn Ing. R und Herrn Ing. C, Herr Erwin P telefonisch die Anweisung erteilte, daß Frau Silvia della P nichts mehr sagen darf, bis er selbst kommt, wodurch die weitere Besichtigung unmöglich gemacht wurde.

2.)

Frau Gerlinde P hat weiters nicht dafür gesorgt, daß eine in der Betriebsstätte anwesende Person den Arbeitsinspektoren Einsicht in folgende Unterlagen gewährt:

Aushang der betrieblichen Arbeitszeiten- und Ruhezeitenregelung im Sinne des Arbeitszeitgesetzes und Arbeitsruhegesetzes, Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden gemäß § 26 Arbeitszeitgesetz für den Zeitraum 01. Feber 1996 bis 05. August 1996,

Verzeichnis der Jugendlichen gemäß § 26 Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetz, Urlaubsaufzeichnungen für die erwachsenen Arbeitnehmer,

Nachweise über die Ersthelferausbildung im Sinne des § 81 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung,

Prüfbücher bzw. Prüfvermerke für die Zentralheizungsanlage, die Flüssiggasanlage, die elektrische Anlage, den Blitzschutz, die Kälteanlagen, die Lüftungsanlage sowie die Wasseraufbereitungsanlage."

Die verletzte Rechtsvorschrift lautet: Punkt 1.) § 4 Abs 5 1. Fall Arbeitsinspektionsgesetz 1993 - ArbIG, Punkt 2.) § 4 Abs 5 4. Fall leg. cit. (§ 24 Abs 1 Z 1 b ArbIG als bei Verhängung der Geldstrafe angewendete Gesetzesbestimmung bleibt unberührt.)

Text

Die belangte Behörde (Bezirkshauptmannschaft Murau als erste Instanz) bestrafte die nunmehrige Berufungswerberin mit Straferkenntnis wegen folgender Sachverhalte:

Anläßlich einer beabsichtigten Kontrolle des Arbeitsinspektorates Leoben am 05.08.1996, gegen 12.45 Uhr, "im Bereich des Gasthof K" in T 120 sei festgestellt worden, daß

1.) sie als Arbeitgeberin nicht dafür gesorgt habe, daß die im "§ 4 Abs. 1" angeführten Räumlichkeiten und Stellen sowie die Betriebseinrichtungen und Betriebsmittel den Arbeitsinspektionsorganen jederzeit zugänglich sind,

2.) sie während ihrer "betrieblichen" Abwesenheit nicht dafür gesorgt habe, daß eine dort anwesende Person den Arbeitsinspektionsorganen die Besichtigung ermöglicht, sie auf deren Verlangen begleitet, die erforderlichen Auskünfte im Sinne des § 7 Arbeitsinspektionsgesetz erteilt sowie Einsicht in Unterlagen im Sinne des § 8 ArbIG gewährt.

Dadurch sei zu Punkt 1.) § 24 Abs 1 Z 1 a ArbIG und zu Punkt 2.) § 24 Abs 1 Z 1 b leg. cit. verletzt worden. Zu beiden Punkten wurden Geldstrafen von jeweils S 15.000,-- (Ersatzarrest je 8 Tage) verhängt. Die Beschuldigte berief und brachte vor, daß der Tatvorwurf keinesfalls stimme, da die Arbeitsinspektoren den gesamten Betrieb ungehindert besichtigen hätten können. Es seien aus dieser Kontrolle 19 Übertretungen resultiert.

Bei der Kontrolle sei die Seniorchefin, Frau E, dabeigewesen. Diese habe den Gatten der Beschuldigten nach einiger Zeit aufgeregt angerufen und erklärt, die beiden Arbeitsinspektoren gingen so vor wie seinerzeit die SS, es werde der gesamte Betrieb zerlegt und Drohungen gegen den Gatten der Beschuldigten ausgestoßen. Insbesondere sei die Bemerkung gefallen, "den P werden wir schon noch niederziehen". Herr P habe daraufhin erklärt, daß er in 20 Minuten an Ort und Stelle sei. Die Arbeitsinspektoren hätten das Eintreffen des Herrn P aber nicht abgewartet. Der Tatbestand liege deswegen nicht vor, weil Herr P nach 20 Minuten den Zugang zu allen Urkunden gestattet hätte. Die Anzeige sei nur eine Schikane des Arbeitsinspektorates. Als Beweis wurde die Einvernahme folgender Personen beantragt: Theresia E, Alois T, Erwin P, Frau della P, sämtliche per Adresse der Beschuldigten und Einvernahme der Berufungswerberin. Überdies sei die Strafe bei weitem zu hoch, daher sei das bekämpfte Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen, in eventu eine geringere Strafe zu verhängen. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark als örtlich zuständige Berufungsbehörde verhandelte die Berufungssache am 05. und 30.09.1997, beim ersten Termin in Gegenwart der Berufungswerberin, ihrer Vertreterin und eines Vertreters der mitbeteiligten Partei des Arbeitsinspektorates Leoben, beim zweiten Termin in Abwesenheit der Berufungswerberin. Es wurden die Berufungswerberin als Partei sowie folgende Personen als Zeugen einvernommen: Der Ehegatte, Herr Erwin P, die beiden Arbeitsinspektoren, Herr Ing. Günter R und Herr Ing. Harald C, die Arbeitnehmerin, Frau Silvia della P, die Mutter der Berufungswerberin, Frau Theresia E, der Küchenchef, Herr Alois T, sowie die zur Tatzeit beschäftigt gewesene Frau Gerhild St. Aufgrund der Beweisergebnisse kommt die Berufungsbehörde zu folgenden Feststellungen:

Die Berufungswerberin ist mit 50 % an der Hotel K GesbR beteiligt, die den Gasthof K betreibt. Weiterer Gesellschafter ist ihr Ehegatte, Herr Erwin P. Am 05.08.1996 war der Betrieb geöffnet. Die Berufungswerberin und ihr Ehegatte waren um 12.45 Uhr, als die beiden Kontrollorgane des Arbeitsinspektorates Leoben, Herr Ing. R und Herr Ing. C, die Kontrolle des Betriebes begannen, nicht anwesend. Von den Arbeitnehmern waren zumindest der Lehrling, Frau Silvia della P, der Küchenchef, Herr Alois T, und in der Rezeption Frau Gerhild St anwesend. Letztere war erst seit Anfang Juli im Betrieb beschäftigt. Der Lehrling della P war im zweiten Lehrjahr. Überdies war die Mutter der Berufungswerberin, Frau Theresia E, anwesend, die den Gasthof K vor ihrer vor 13 Jahren erfolgten Pensionierung noch durch 7 Saisonen geführt hat und bei Abwesenheit der Ehegatten P vom Hotel dort als "Seniorchefin" gilt. Sie ist oft im Hotel K anwesend und arbeitet hin und wieder mit. Sie wurde aber durch die Berufungswerberin (und ihren Ehegatten) nicht dahingehend instruiert, wie sie sich im Fall einer Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat zu verhalten habe, insbesondere wurde ihr auch der Ordner mit den Untelagen nicht gezeigt. Frau della P führte die beiden Arbeitsinspektoren durch das Haus, sodaß der Großteil der Räumlichkeiten und Anlagen besichtigt werden konnte. Der Betrieb war aufgrund des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft

Murau vom 21.12.1994, GZ.: 4.1 Po 4/94, genehmigt worden. Mit

Bescheid vom 21.08.1995, GZ.: 4.1 Po 6/94, wurde eine Änderung der Betriebsanlage genehmigt. Die Überprüfung am 05.08.1996 war nun die erste Überprüfung des Betriebes nach der Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage und hätte dazu dienen sollen, die Erfüllung der Bescheidauflagen zu kontrollieren, was relativ genau vor sich zu gehen hat, da sich weitere Kontrollen an dieser ersten Kontrolle zu orientieren hatten.

Beim Rundgang hatte Frau Silvia della P die beiden Arbeitsinspektoren begleitet. Nach ca. einer Stunde erteilte Herr Erwin P, der von dieser Kontrolle telefonisch erfahren hatte, Frau Silvia della P die Anweisung, den Arbeitsinspektoren nichts mehr zu sagen, da er selbst kommen werde. Wo sich Herr P zum Zeitpunkt des Anrufes befand - nämlich in Murau oder in Judenburg -, konnte nicht geklärt werden. Zu diesem Zeitpunkt wären noch die Kälteanlagen, wo die Kompressoren stehen, der Heizraum, die Ölfeuerungsanlage, der Heizölraum und die Heizöllagerbehälter zu kontrollieren gewesen, was dann nicht mehr möglich war. Von keinem der anwesenden Arbeitnehmer konnten den Arbeitsinspektoren Unterlagen vorgewiesen werden.

Als Frau Theresia E beigezogen wurde bzw. den Arbeitsinspektoren begegnete, verlief die bis dahin ruhige Kontrolle nicht mehr in einer solchen Atmosphäre, da sich Frau E furchtbar aufgeregt hat und die Arbeitsinspektoren gegenüber Frau St Bemerkungen machten wie, daß diese in der Küche nichts zu tun habe.

Frühestens eine halbe Stunde nachdem Herr P Frau della P gesagt hatte, daß sie nichts mehr sagen dürfe, kam Herr P zum Gasthof K zurück. Die beiden Arbeitsinspektoren hatten aber zu diesem Zeitpunkt den Gasthof bereits verlassen und waren weggefahren.

Diese Feststellungen gründen sich auf folgende Beweismittel:

Die Arbeitgebereigenschaft von Frau P ergibt sich aus deren Aussage. Die Durchführung der Kontrolle am 05.08.1996 wurde durch alle Beteiligten bestätigt. Bezüglich der für den Tatbestand wesentlichen Sachverhaltselemente stimmen die Aussagen der vernommenen Personen überein. Insbesondere ergibt sich aus der Aussage des Herrn Erwin P, der Frau della P und des Herrn Ing. R übereinstimmend, daß Herr Erwin P nach ca. einer 1-stündigen Dauer der Kontrolle die telefonische Anweisung erteilt hat, daß den Arbeitsinspektoren nichts mehr gesagt werden dürfe, bis er selbst im Betrieb sei.

Ob Herr P in Murau oder Judenburg war, ist von untergeordneter Bedeutung, wie sich dies bei der rechtlichen Beurteilung noch zeigen wird. Diesbezügliche Feststellungen und insbesondere eine Abwägung der widersprüchlichen Aussagen können daher unterbleiben. Übereinstimmung in den Aussagen herrscht insbesondere aber auch darin, daß keiner der anwesenden Arbeitnehmer, und auch Frau E nicht, den Arbeitsinspektoren Unterlagen zur Einsicht vorlegen konnte und Übereinstimmung herrscht bei den Aussagen von Frau Gerlinde P und Frau Theresia E auch darin, daß letztere von ersterer für den Fall deren Abwesenheit nicht "ins Einzelne" instruiert wurde und ihr auch der Ordner für die Unterlagen nicht gezeigt wurde. Im vorstehenden Fall sind folgende Rechtsvorschriften relevant: Nach § 4 Abs 1 ArbIG sind die Organe der Arbeitsinspektion zur Durchführung ihrer Aufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Arbeitsstellen sowie die von Arbeitgebern/ Arbeitgeberinnen den Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen zur Verfügung gestellten Wohnräume und Unterkünfte sowie Wohlfahrtseinrichtungen jederzeit zu betreten und zu besichtigen. Dies gilt auch dann, wenn im Zeitpunkt der Besichtigung an der Betriebsstätte oder auf der Arbeitsstelle keine Arbeitnehmer/innen beschäftigt werden. Nach § 4 Abs 5 haben die Arbeitgeber/innen dafür zu sorgen, daß bei ihrer Abwesenheit von der Betriebsstätte oder von der Arbeitsstelle eine dort anwesende Person den Arbeitsinspektionsorganen die Besichtigung ermöglicht, sie auf deren Verlangen begleitet, die erforderlichen Auskünfte (§ 7) erteilt sowie Einsicht in Unterlagen (§ 8) gewährt. Nach § 24 Abs 1 ist, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung bildet, wegen Begehung einer Verwaltungsübertretung von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von S 500,-- bis S 50.000,--, im Wiederholungsfall von

S 1.000,-- bis S 50.000,--, zu bestrafen, wer als Arbeitgeber/in

a) nicht dafür sorgt, daß den Arbeitsinspektionsorganen die in § 4 Abs 1 angeführten Räumlichkeiten und Stellen in einer Weise zugänglich sind, durch die eine wirksame Überwachung möglich ist;

b) entgegen § 4 Abs 5 nicht dafür sorgt, daß bei seiner/ihrer Abwesenheit eine in der Betriebsstätte oder auf der Arbeitsstelle anwesende Person dem Arbeitsinspektionsorgan die Besichtigung ermöglicht, das Arbeitsinspektionsorgan auf dessen Verlangen begleitet, die erforderlichen Auskünfte erteilt sowie Einsicht in Unterlagen gewährt.

Weiters ist auf § 22 VStG hinzuweisen, der unter anderem bei eintätigem Zusammentreffen (Idealkonkurrenz) vorsieht, daß für jedes Delikt eine Strafe zu verhängen ist. Dies trifft aber nicht zu im Fall von Scheinkonkurrenz, zu der unter anderem Konsumtion zu rechnen ist. Diese bedeutet, daß ein Deliktstatbestand regelmäßig nicht anders als auf die Weise verwirklicht werden kann, daß gleichzeitig auch gegen eine andere Strafdrohung verstoßen wird. In diesem Fall erfaßt der erste Deliktstatbestand auch das im zweiten Deliktstatbestand typisierte Unrecht, sodaß die Anwendung des ersten Deliktstatbestandes jene des zweiten Deliktstatbestandes ausschließt (Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II (1992) FN 4 zu § 22 VStG). Es müssen dabei somit zwei Deliktstatbestände in einem typischen Zusammenhang in dem Sinn stehen, daß das eine Delikt notwendig oder doch in der Regel mit dem anderen verbunden ist (vgl. beispielsweise VwGH 23.09.1970, 678/68). Konsumtion erfordert also, daß eine wertende Beurteilung ergibt, daß der Unwert des einen Delikts von der Strafdrohung gegen das andere Delikt miterfaßt wird, wie dies insbesondere im Fall der Verletzung desselben Rechtsgutes anzunehmen ist.

Die beiden Arbeitsinspektoren des Amtes Leoben haben am 05.08.1996 um 12.45 Uhr eine Kontrolle begonnen und im wesentlichen bis 13.45 Uhr auch in ungestörter Atmosphäre durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt war die Besichtigung aber noch nicht beendet. Es wären noch Teile der Betriebsanlage zu besichtigen gewesen. Unterlagen waren den Arbeitsinspektoren überhaupt nicht vorgewiesen worden.

Zur Person von Frau Theresia E ist auszuführen, daß sie in Abwesenheit der beiden Besitzer des Gasthofes dort Dienst versah, von den Besitzern aber nicht im einzelnen und damit nicht wirksam für den Fall einer Kontrolle des Arbeitsinspektorates instruiert worden war. Eine Vorsorge der Arbeitgeber, insbesondere der Arbeitgeberin, im Sinne des § 4 Abs 5 ArbIG wurde in der Berufung nicht einmal behauptet, denn dort findet sich in Bezug auf Frau E lediglich die Bemerkung, daß diese Seniorchefin sei, was aber mit der Vorsorge im Sinn des § 4 Abs 5 ArbIG nicht gleichzusetzen ist. Obwohl Frau della P von der Berufungswerberin oder ihrem Ehegatten keinen entsprechenden Auftrag hatte, hat sie den Arbeitsinspektoren die Betriebsbesichtigung bis zu dem Zeitpunkt ermöglicht, an dem Herr P die telefonische Anweisung gab, daß nichts mehr gesagt werden dürfe. Es ist klar, daß ab diesem Zeitpunkt eine weitere Betriebsbesichtigung nicht mehr möglich war, da selbst ein Auffinden bestimmter Räumlichkeiten durch die Anweisung, nichts zu sagen, nicht mehr möglich war.

Die Berufungswerberin selbst behauptete, daß ihr Ehegatte in Murau gewesen sei, die beiden Arbeitsinspektoren gaben an, sie hätten bei der Kontrolle in Erfahrung gebracht, er sei in Judenburg und hätten deswegen nicht auf sein Eintreffen gewartet, da in diesem Fall mit einer 1-stündigen Anreise zu rechnen gewesen wäre. Auch von Murau aus hatte der Berufungswerber eine mindestens halbstündige Autofahrt in Kauf zu nehmen. Es gibt keine gesetzliche Bestimmung, die den Arbeitsinspektoren eine Wartezeit bei Durchführung einer Kontrolle auferlegt. Es wäre ihnen daher auch bei einer Anreise des Herrn P aus Murau nicht zumutbar gewesen, auf sein Eintreffen zu warten, sodaß sie die Kontrolle zu Recht abgebrochen haben (vgl. VwGH 27.04.1979, 1054/78, 18.06.1990, 90/19/0180).

Ab der Erteilung der telefonischen Anweisung lag daher eine dezidierte Untersagung einer weiteren Betriebsbesichtigung vor, was eine Verwirklichung des objektiven Tatbestandes darstellt. Eine solche liegt aber auch darin, daß den Inspektionsorganen keine Unterlagen vorgewiesen wurden.

§ 4 Abs 5 ArbIG enthält vier voneinander zu unterscheidende Fälle, von denen hier zwei, nämlich Unterlassung der Vorsorge, daß eine im Betrieb anwesende Person die Besichtigung ermöglicht (1. Fall) und diese Person Einsicht in Unterlagen gewährt (4. Fall), sachverhaltsmäßig verwirklicht wurden. Daß es sich bei § 4 Abs 5 nicht nur um einen einzigen Tatbestand handelt, ergibt sich auch daraus, daß das Unterlassen der Vorsorge, die Räumlichkeiten zugänglich zu machen, nach § 24 Abs 1 Z 1 a), das Unterlassen der Begleitung bei der Besichtigung nach § 24 Abs 1 Z 2 b), die Nichtgewährung der Einsicht in Unterlagen nach § 24 Abs 1 Z 2 c) und die Nichterteilung von Auskünften nach § 24 Abs 1 Z 3 zu bestrafen sind. Ist nun der Arbeitgeber nicht selbst im Betrieb anwesend, und ermöglicht die dort an seiner Stelle anwesende Person die vier angeführten Kontrollmaßnahmen nicht, kann dies nicht dazu führen, daß der Arbeitgeber nur ein einziges Delikt begeht, denn in diesem Fall wäre er bei persönlicher Abwesenheit immer besser gestellt und in geringerem Ausmaß verantwortlich bzw. strafbar als bei Anwesenheit.

Die Ausführungen zu Punkt 1.) der Spruchneufassung sind dahin fortzusetzen, daß durch Verwirklichung des objektiven Tatbestandes jedenfalls den Arbeitsinspektoren die Möglichkeit, den Betrieb (weiter) zu besichtigen, genommen wurde und damit notwendigerweise auch die Verwirklichung des Tatbestandes zu § 4 Abs 1 ArbIG verbunden ist. Der gesamte Unrechtsgehalt des § 4 Abs 1 ArbIG scheint vom Unrechtsgehalt des § 4 Abs 5 ArbIG erfaßt. Es ist nicht denkbar, daß - bezogen auf das Tatbestandsmerkmal des § 4 Abs 5 "eine dort anwesende Person den Arbeitsinspektionsorganen die Besichtigung ermöglicht" - dieser Tatbestand verwirklicht wird,

ohne daß auch das Tatbestandsmerkmal des § 4 Abs 1 "......... sind

berechtigt, Betriebsstätten ......... jederzeit .......... zu

besichtigen" verwirklicht wird. Es liegen daher nur scheinbar zwei Sachverhaltsverwirklichungen vor, da der Tatbestand zu Punkt 1.) des ursprünglichen Spruches durch jenen zu Punkt 1.) des neu gefaßten Spruches konsumiert ist. Dies führte dazu, daß das Straferkenntnis zu Punkt 1.) aufzuheben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen war.

Für die erwiesenen Übertretungen aber haftet die Berufungswerberin als Arbeitgeberin. Sie hat hiebei Fahrlässigkeit zu vertreten, da es sich bei den Verstößen gegen § 4 Abs 5 ArbIG um Ungehorsamsdelikte handelt und sie nicht glaubhaft machte, daß sie an der Verletzung der Vorschrift kein Verschulden trifft. Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Als verletztes Rechtsgut ist das Inspektionsrecht der Arbeitsinspektoren zur Ausübung ihrer gesetzlichen Pflichten anzusehen. Da es sich um eine erste Betriebsbesichtigung nach der Genehmigung einer Änderung der Betriebsanlage gehandelt hat und diese Kontrolle maßgeblich war für allfällige spätere Kontrollen, liegt eine entsprechende Verletzung vor. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß nicht die gesamte Besichtigung des Betriebes verhindert wurde, sondern nur eines restlichen Teiles. Weiters wurden überhaupt keine Unterlagen vorgelegt.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Es liegen weder Erschwerungs- noch Milderungsgründe vor. Es ist der erste, von S 500,-- bis S 50.000,-- reichende Strafsatz anzuwenden. Die belangte Behörde verhängte, wie angeführt, zu Punkt 2.) (des Straferkenntnisses) für zwei Delikte eine Geldstrafe von S 15.000,--. Es ist zu berücksichtigen, daß es sich zwar um eine wichtige Kontrolle handelte, aber nur ein Teil der Besichtigung vereitelt wurde. Andererseits kommt der Nichtgewährung der Einsicht in die angeführten Unterlagen ein vergleichbares Gewicht zu, sodaß Unrechts- und Schuldgehalt ein gleich hohes Strafausmaß zulassen. Bei einem durchschnittlichen Ausmaß des Verschuldens und insbesondere bei Fehlen einschlägiger rechtskräftiger Vorstrafen zum Tatzeitpunkt war eine gleichteilige Aufteilung der Geldstrafe auf die beiden verbliebenen Delikte vorzunehmen. Der Ersatzarrest war jeweils mit 1 Tag, 12 Stunden festzusetzen, was eine Herabsetzung gegenüber dem Straferkenntnis bedeutet. Auch die Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (monatliche

Barentnahmen: S 10.000,--, 50-%-Anteil an der Hotel K GesbR -

Gesamtwert: ca. S 20 Mio., Belastungen: ca. S 20 Mio., Sorgepflichten für zwei studierende Kinder) führt zu keiner anderen Beurteilung. Insbesondere erscheint dieses Strafmaß auch noch dem Präventionszweck zu genügen.

Der Sachverhalt war neu zu fassen, wobei dies durch die Strafanzeige des Arbeitsinspektorates Leoben vom 02.09.1996, die der Berufungswerberin innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vollinhaltlich zur Kenntnis gebracht wurde, gedeckt erscheint. Wegen Herabsetzung der Ersatzarreststrafen entfällt ein Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren (§ 65 VStG).

Schlagworte
Arbeitgeber Arbeitsinspektionsorgane Besichtigung Einsichtnahme Abwesenheit Kumulation Konsumption
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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