TE UVS Steiermark 1998/02/11 413.5-2/97

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Veröffentlicht am 11.02.1998
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch die Kammermitglieder Dr. Erich Kundegraber, Dr. Reingard Steiner und Dr. Karl Ruiner über die Berufung des Herrn Thomas W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes der Steiermark vom 8.9.1997, GZ.: 11 - 39 Wa 15 - 1997, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) wird der Berufung Folge gegeben.

Text

Mit dem im Spruch näher bezeichneten Bescheid wurde der Devolutionsantrag des nunmehrigen Berufungswerbers mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, eine schuldhafte Verzögerung der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg, welche das dem Devolutionsantrag zugrunde liegende Führerscheinentzugsverfahren durchzuführen und zu entscheiden habe, liege nicht vor. Die säumige Behörde sei gemäß § 38 AVG berechtigt gewesen, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des gerichtlichen Strafverfahrens, sowie des Verwaltungsstrafverfahrens auszusetzen, da das der Entziehung zugrunde liegende Alkoholdelikt eine Vorfrage für das Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung darstelle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung vom 8.10.1997, worin darauf hingewiesen wird, es sei dem Berufungswerber unzumutbar, den Ausgang des Strafprozesses, in welchem noch medizinische Gutachten eingeholt würden, abzuwarten. Da bereits ungefähr ein Jahr vergangen sei, liege eine erhebliche Überschreitung der dreimonatigen Entscheidungsfrist des § 75 Abs 5 KFG vor.

Dazu ist zunächst auszuführen, daß über die vorliegende Berufung gemäß § 67 a Abs 2 AVG der Unabhängige Verwaltungssenat durch eine Kammer zu entscheiden hat. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark ist bei seiner Entscheidung von nachstehenden Erwägungen ausgegangen:

Auf Grund der Aktenlage kann festgestellt werden, daß mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 20. November 1996, GZ.: 11.1/543-1996, gegenüber den Berufungswerber eine Entziehung der Lenkerberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von drei Jahren ausgesprochen wurde. Anlaß hiefür war der Vorfall vom 15. November 1996 bei welchem, wie der diesbezüglichen Anzeige des Gendarmeriepostens Lannach zu entnehmen ist, der Berufungswerber einen PKW in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht haben soll, wobei er ohne das Eintreffen der bereits verständigten Verkehrsüberwachungsorgane abzuwarten, nach Hause gefahren sei. In der Folge habe er die Vornahme einer Atemluftprobe verweigert. Gegen diesen Mandatsbescheid hat der Berufungswerber die Vorstellung vom 3. Dezember 1996 erhoben. Mit Schreiben vom 11. Dezember 1996 teilte die Bezirkshauptmannschaft dem Berufungswerber mit, daß über seine Vorstellung das Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei und der bekämpfte Bescheid bis zu dem nunmehr neu zu erlassenden Bescheid in Geltung bleibe. Zugleich wurden bei der DASTA-Sicherheitsdirektion für Steiermark sowie beim Gendarmeriepostenkommando Preding Erhebungen durchgeführt. Wie von der belangten Behörde festgestellt, wurde im Akt vermerkt, daß der Strafakt sich beim Unabhängigen Verwaltungssenat befinde und ist aus dem Fristvermerk zu entnehmen, daß der Ausgang dieses Strafverfahrens abgewartet werden sollte. Ebenso hat bereits die belangte Behörde darauf hingewiesen, daß offensichtlich auch die noch ausständige Entscheidung des Bezirksgerichtes Stainz im Verfahren Gu 5/97 einen Aussetzungsgrund darstellte, wobei der für 1. August 1997 anberaumte Hauptverhandlungstermin vermerkt worden ist. Es kann somit davon ausgegangen werden, daß die Säumigkeit der erstinstanzlichen Behörde im Verfahren betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung in der Absicht begründet war, ihre Entscheidung erst nach rechtskräftigen Abschluß einerseits des zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits bei der Berufungsbehörde anhängigen Verwaltungsstrafverfahrens hinsichtlich des den Anlaßfall bildenden Alkoholdeliktes und andererseits des auf Grund dieses Vorfalles anhängigen gerichtlichen Verfahrens zu treffen.

Die rechtliche Beurteilung des dem anhängigen Verwaltungsstrafverfahren zugrunde liegenden Verhaltens des Berufungswerbers beim Vorfall vom 15. November 1996 stellt eine unabdingbare, das heißt notwendige Grundlage für die anstehende Entscheidung über die Entziehung der Lenkerberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit im Rahmen der Überprüfung des Vorliegens erwiesener bestimmter Tatsachen und ihrer Wertung im Sinne des § 66 KFG und somit eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG dar. Richtig ist, daß die rechtskräftige Entscheidung der Vorfrage grundsätzlich die Aussetzung des Verfahrens rechtfertigt. Die Behörde ist aber bei der Wahlmöglichkeit, entweder eine Vorfrage gemäß § 38 AVG selbst zu beurteilen oder das Verfahren auszusetzen, nicht ungebunden, sondern hat sich dabei vornehmlich von Überlegungen der Verfahrensökonomie leiten zu lassen, hat jedoch das erhebliche rechtliche Interesse der betroffenen Partei - im vorliegenden Fall an einer raschen Beendigung des Entziehungsverfahrens - mitzuberücksichtigen (siehe VwGH vom 12.2.1986, Zl. 85/11/0239 u.a.). Von der belangten Behörde wäre daher im Rahmen der Klärung der Frage, ob die Säumigkeit der Behörde auf deren alleiniges Verschulden beruht, zu prüfen gewesen, ob es verfahrensrechtlich zweckmäßig und entgegen den rechtlichen Interessen des Berufungswerbers vertretbar war, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage auszusetzen. Gemäß § 75 Abs 5 KFG war die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg verpflichtet über die am 6. Dezember 1996 einlangende Vorstellung im Führerscheinentzugsverfahren innerhalb von drei Monaten, das heißt bis zum 6. Februar 1997 zu entscheiden. In dem über die Vorfrage anhängigen Verwaltungsstrafverfahren hat die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg mit Straferkenntnis vom 2.1.1997, GZ.: 15.1 1996/7676, dahingehend entschieden, daß sie die dem Berufungswerber angelastete Übertretung des § 99 Abs 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs 2 StVO, wonach der Berufungswerber einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursachte und eine Atemluftuntersuchung auf Alkoholgehalt verweigerte, als erwiesen angenommen hat. Die gegen diese Entscheidung eingebrachte Berufung richtete sich in erster Linie gegen die Höhe der verhängten Strafe. Die Verweigerung der Durchführung des Alkomatentestes wurde nicht bestritten, sondern im wesentlichen lediglich eingewendet, daß dem Berufungswerber eine Blutprobe nicht angeboten worden sei, ein Einwand, welcher von der Berufungsinstanz schließlich im Rahmen einer rechtlichen Beurteilung mit Bescheid vom 31.10.1997, GZ.: UVS 303.2-2/97, abschlägig zu beurteilen war.

Die Bestimmung des § 38 AVG regelt zwar nicht im einzelnen, unter welchen Voraussetzungen die Behörde nach dem ersten Satz die Vorfrage selbst zu beurteilen hat oder von der Möglichkeit der Aussetzung nach dem zweiten Satz Gebrauch machen kann. Sie ist aber deswegen, wie vorausgeführt, nicht völlig ungebunden. Es war daher im vorliegenden Berufungsfall zu überprüfen, ob die Entscheidung der Behörde, das Verfahren auszusetzen, im Sinne des Gesetzes getroffen hat. Im Rahmen dieser Überprüfung sieht die erkennende Behörde keinen Grund, weshalb es der Erstbehörde als Führerscheinentziehungsbehörde ab dem Zeitpunkt der Fällung des Straferkenntnisses vom 22.1.1997 nicht möglich gewesen wäre, die Beweisfrage, ob der Berufungswerber am Vorfallszeitpunkt den Alkotest verweigert und einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht hat und somit die Vorfrage, ob er eine Übertretung nach § 5 Abs 2 StVO begangen hat, im Sinne des § 38 AVG im Rahmen der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid über die Vorstellung des Berufungswerbers zugrunde zu legen. Das bedeutet, daß sie ab diesem Zeitpunkt nicht mehr berechtigt gewesen wäre, aus diesem Grund das Verfahren auszusetzen, zumal bei den gegebenen Verfahrensstand nicht mehr der Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie, sondern das beträchtliche rechtliche Interesse des Berufungswerbers an einer raschen Beendigung des Entziehungsverfahrens im Vordergrund stand. Sie war daher nunmehr nicht berechtigt, mit der Entscheidung bis zur rechtskräftigen Beendigung des betreffenden Verwaltungsstrafverfahrens zuzuwarten. Dies trifft auch auf das anhängige gerichtliche Verfahren über denselben Vorfall zu. Das Vorliegen eines Verschuldens der Erstbehörde an der Verzögerung des Entziehungsverfahrens kann daher unter Bedachtnahme auf diesen Verfahrensstand allein mit dem Hinweis auf die diesbezüglich anhängigen Strafverfahren nicht verneint werden. Der gegenteiligen Rechtsmeinung der belangten Behörde wird daher nicht beigetreten, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Schlagworte
Aussetzung Devolutionsantrag Vorfrage Lenkerberechtigung Entziehung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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