Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Monika Gasser-Steiner über die Berufung des Herrn Helmut S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Weiz vom 23.2.1998, GZ.: 15.1 1997/2468, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
I.) Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber unter den Spruchpunkten 1. - 3. zur Last gelegt, er sei am 17.4.1997 um 12.20 Uhr in Weinitzen, auf der B 72, bei Strkm. 9.100, in Fahrtrichtung Weiz als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen (LKW) mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und sei in der Folge seiner daraus resultierenden Anhaltepflicht, Mitwirkungspflicht und Verständigungspflicht im Sinne der §§ 4 Abs 1 lit. a und lit. c sowie § 4 Abs 5 StVO nicht nachgekommen. Unter Hinweis auf die einschlägigen Verwaltungsstrafbestimmungen wurden über den Berufungswerber drei Geldstrafen in der Höhe von insgesamt S 4000,--, bei deren Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen verhängt. Die belangte Behörde gründete den Strafbescheid im wesentlichen auf die Anzeige des Gendarmerieposten K vom 22.4.1997 sowie auf das von ihr durchgeführte Ermittlungsverfahren. Demnach habe der Beschuldigte zur angeführten Tatzeit am genannten Tatort mit dem von ihm gelenkten LKW Fiat Ducato das vor ihm fahrende Fahrzeug, einen PKW Opel Kadett, gelenkt von Frau Susanne K, überholt. Dabei habe er einen zu geringen Seitenabstand zum überholten Fahrzeug eingehalten, so daß es zu einer Streifung, bei der der Außenspiegel des PKWs beschädigt worden sei, gekommen sei. Trotz entsprechender Hub- und Lichtzeichen der Fahrzeuglenkerin K sei der Beschuldigte nicht stehengeblieben.
II.) In seinem fristgerecht erhobenen Rechtsmittel knüpfte der Berufungswerber an sein bisheriges Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren (Angaben vom 30.5. und vom 8.9.1997) an, in denen er zwar das in Rede stehende Überholmanöver nicht in Abrede stellte, jedoch behauptete, dabei einen genügenden Seitenabstand zum überholten Fahrzeug eingehalten zu haben. Er habe daher überhaupt keine Veranlassung gesehen, auf die abgegebenen Warnzeichen zu reagieren, da er sich keiner Schuld bewußt gewesen sei. Der Berufungswerber beantragte, daß Strafverfahren gegen ihn zur Einstellung zu bringen.
III.) Am 21. Oktober 1998 fand vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Mitwirkung des Berufungswerbers statt, in der als Zeugin Frau Susanne K (Lenkerin des überholten Fahrzeuges), Herr Walter H, (Zeuge des Vorfalles) und Rev. Insp. L (als Anzeigenerstatter) zur Sache befragt wurden. Auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens werden folgende Feststellungen getroffen:
Am 17.4.1997 gegen 12.20 Uhr führte der Berufungswerber als Lenker eines LKWs der Marke Fiat Ducato Planenwagen mit dem Kennzeichen auf der B 72 bei Strkm 9.100 in Fahrtrichtung Weiz ein vorschriftswidriges Überholmanöver durch, bei dem er zum überholten Fahrzeug der Zeugin K keinen der Verkehrssicherheit entsprechenden seitlichen Abstand eingehalten hat, zumal es beim Überholvorgang zu einer Streifung mit dem linken Außenspiegel des PKWs der Zeugin K kam, dessen Kugelgelenk dadurch aus der Halterung gehoben worden ist. Die betroffene Fahrzeuglenkerin brachte den Vorfall am Gendarmerieposten K zur Anzeige. Im Zuge der von Rev. Insp. L durchgeführten Erhebungen wurden am LKW des Berufungswerbers keine Beschädigungen bzw. Unfallspuren festgestellt. Der linke Außenspiegel des PKWs von Frau K konnte von seinem
Kollegen, Bez. Insp. H wieder händisch in die ursprüngliche Position gebracht werden. Damit war der Spiegel wieder funktionsfähig, ohne daß er repariert oder erneuert werden hätte müssen.
Die rechtliche Beurteilung ergibt folgendes:
Voraussetzung für die dem Berufungswerber vorgehaltenen Pflichtverletzungen gemäß § 4 der StVO ist als objektives Tatbestandsmerkmal der unfallsbedingte Eintritt eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen vom Eintritt eines derartigen Schadens, wobei die Tatbestände schon dann gegeben sind, wenn dem Täter objektive Umstände zum Bewußtsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zum Bewußtsein hätten kommen müssen, aus dem er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte.
Im vorliegenden Fall liegt schon das objektive Tatbestandsmerkmal eines Sachschadens nicht vor. Bereits die Anzeige des Gendarmerieposten K vom 22.4.1997 enthält im beigelegten Verkehrsunfallsbericht unter der Rubrik
Gendarmerieerhebung
Spiegel des PKW aus der Verankerung gesprungen und heruntergehangen sei. Er habe von Bez. Insp. H wieder eingehängt werden können, weshalb vermutlich keine bleibende Beschädigung festzustellen sei. Die belangte Behörde hat diesem Hinweis offenbar keine Bedeutung beigemessen und ist ohne nähere Prüfung von einem Sachschaden ausgegangen. In der mündlichen Verhandlung erklärte Rev. Insp. L die von ihm verwendete Wortwahl damit, er habe zum Zeitpunkt der Anzeigenerstattung noch nicht ausschließen können, daß dennoch ein bleibender Schaden, etwa in Form einer Benützungseinschränkung des Spiegels (schwerere Verstellbarkeit) eingetreten sei. Frau Susanne K gab dazu an, ihr sei es nie um Schadenersatzansprüche gegangen. Der Spiegel sei nach dem Einrenken durch den Gendarmeriebeamten wieder vollständig in Ordnung gewesen. Laut der Zeugenaussage von Rev. Insp. L konnte dieser nicht einmal Abschürfungen am Spiegel feststellen.
Anhand dieser glaubwürdigen Zeugenaussagen ist davon auszugehen, daß kein Schaden an einer fremden Sache mit Verkehrswert eingetreten ist, der Berufungswerber somit auch nicht an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden ist, der die ihm zur Last gelegten Pflichten gemäß § 4 StVO auslösen hätte können. Es war daher das Straferkenntnis in allen drei Punkten unter Verweis auf die Bestimmung des § 45 Abs 1 Zi. 2 VStG zu beheben und das Strafverfahren gegen ihn einzustellen, weil der Berufungswerber die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht begangen hat. Die offensichtliche Mißachtung der Bestimmung des § 15 Abs 4 StVO, wonach beim Überholen ein der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit entsprechender seitlicher Abstand vom Fahrzeug, das überholt wird, einzuhalten ist, wurde von der Behörde nicht innerhalb der Verjährungsfrist des § 31 Abs 2 VStG verfolgt, deshalb es der Berufungsbehörde auch verwehrt war, diesen Tatvorwurf aufzugreifen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.