TE UVS Niederösterreich 1999/08/13 Senat-KS-99-423

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Veröffentlicht am 13.08.1999
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Spruch

Gemäß §66 Abs4 AVG 1991 in Verbindung mit §24 VStG 1991 wird der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

 

Der Berufungswerber hat gemäß §64 Abs2 VStG S 200,-- (20 % der verhängten Geldstrafe) als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens binnen 2 Wochen zu bezahlen.

 

Gemäß §59 Abs2 AVG 1991 sind innerhalb der gleichen Frist der Strafbetrag und die Kosten erster Instanz zu bezahlen.

Text

Mit Straferkenntnis vom 21.5.1999, Zl I/6-****-98, wurde Herr K N für schuldig befunden, daß er am 18.7.1998, 16,15 Uhr, auf der B *, Strkm ***,* im Gemeindegebiet von S************, Fahrtrichtung S****, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Personenkraftwagens, keinen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug eingehalten hat, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre.

 

Wegen Übertretung §18 Abs1 StVO wurde gemäß §99 Abs3 lita StVO 1960 eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden) verhängt.

Als Beitrag zu den Kosten des Verfahrens erster Instanz wurde gemäß §64 Abs2 VStG 1991 ein Strafbetrag in der Höhe von S 100,-- vorgeschrieben.

 

Die Erstbehörde hat die Entscheidung auf die Anzeige von Straßenaufsichtsorganen nach einem Auffahrunfall mit verletzten Personen gestützt.

 

Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Berufung eingebracht.

 

Im wesentlichen wird ausgeführt, daß das Straferkenntnis nicht den Straßenverlauf und die erhebliche Einschränkung des Reaktionsweges, die durch ein grob fahrlässiges Verhalten des Vordermannes bewirkt worden sei, berücksichtige. Nach der leichten Rechtskurve hätte er eine Sicht auf die Unfallstelle in einer Entfernung von etwa 70 m gehabt. Es hätten keine Bremslichter geleuchtet und hätte er den Eindruck gehabt, der Pkw würde sich in Fahrt befinden. Es seien keine Warnblickleuchten eingeschaltet und kein Pannendreieck aufgestellt gewesen. Die Länge der Fahrstrecke ab Rechtskurve bis Unfallstelle hätte genau ermittelt werden und die Länge der Bremsspur in Bezug gebracht werden müssen.

 

Hiezu wurde von der Berufungsbehörde erwogen:

 

Gemäß §18 Abs1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

 

Aus der Verkehrsunfallanzeige des Gendarmeriepostens **** S**** an der ***** geht hervor, daß am 18.7.1998, gegen 16,15 Uhr, der Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Personenkraftwagens, auf der B , auf Höhe der Ortschaft S***********, bei Strkm ***,*, vor einem Fußgängerübergang angehalten hat, weil zwei Fußgänger diesen überqueren wollten. Ein nachfolgender Pkw-Lenker hat ebenfalls das Fahrzeug zum Stillstand gebracht. Ein weiterer Pkw-Lenker - Fahrzeug vor dem Berufungswerber - konnte ebensowenig anhalten, wie der Berufungswerber selbst. Der Berufungswerber hat anläßlich der niederschriftlichen Einvernahme am 24.7.1998 beim Gendarmerieposten Spitz angegeben, daß er die Strecke zwischen A*******-M**** und xx sehr gut kenne, weil seine Tochter in A*******-M**** wohnhaft sei und er beim Hausbau helfe. Aufgrund des Marillenverkaufes in der Wachau hätte starkes Verkehrsaufkommen in beiden Richtungen geherrscht. Ab A*******-M**** sei er in einer Kolonne hinter einem großen schwarzen Pkw nachgefahren. Die Fahrgeschwindigkeit der Kolonne sei aufgrund des Verkehrsaufkommens eher langsam gewesen. Auf Höhe der Ortschaft S************ sei er mit einer Fahrgeschwindigkeit von maximal 50 bis 60 km/h gefahren. Der große schwarze Pkw hätte ihm jegliche Aussicht nach vorne versperrt und sei er deshalb in einigem Abstand nachgefahren. Plötzlich und für ihn ohne Grund hätte der schwarze Pkw vor ihm eine Vollbremsung durchgeführt und hätte er trotz einer von ihm durchgeführten Vollbremsung einen Zusammenprall nicht mehr verhindern können. Ein oder zwei Sekunden vor dem Zusammenprall hätte er eine Frau auf Höhe der Unfallstelle stehen sehen, die mit den Händen offensichtlich Zeichen geben wollte.

 

Von der Gendarmerie wurden Fotos und eine Skizze von der Unfallstelle angefertigt. Das Fahrzeug des Berufungswerbers kam demnach ca 12 m vor dem Schutzweg zum Stillstand. Die seinem Fahrzeug zurechenbare Bremsspur ist rechtsseitig ca 9 m und linksseitig ca 8 m lang. Bei der Unfallsörtlichkeit handelt es sich um einen, in Fahrtrichtung Krems gesehen, leicht links verlaufenden Straßenabschnitt. Vor der Unfallstelle verläuft die Fahrbahn - wie vom Berufungswerber ausgeführt - in eine leichte Rechtskurve, wobei jedoch die Sichtweite nach Kurvenende bis zu dem Schutzweg sich aufgrund der beigebrachten Skizze und Fotos nicht genau zuordnen läßt. Die vom Berufungswerber angegebene Entfernung zu dem schwarzen zum Stillstand gebrachten Personenkraftwagen von 70 m dürfte in etwa diese Entfernung richtig wiedergeben.

 

Die Lenker hintereinander fahrender Fahrzeuge sind grundsätzlich verpflichtet, das vor ihnen fahrende Fahrzeug stets im Auge zu behalten, da sie ihre Fahrweise so einzurichten haben, daß sie jederzeit anhalten können, auch dann, wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

Wer sich in einer Kolonne bewegt, muß mit einem plötzlichen Anhalten des Vorderfahrzeuges rechnen, wenn er den vor seinen Vorderfahrzeugen befindlichen Verkehrsraum nicht zu überblicken vermag. Als Sicherheitsabstand ist mindestens der Reaktionsweg einzuhalten, der in Metern 3 Zehntel der Höhe der eingehaltenen Geschwindigkeit in km/h beträgt (siehe VwGH vom 21.9.1984, Zl 84/02/0198).

 

Bei einer Geschwindigkeit von 50 bis 60 km/h wäre demnach ein Sicherheitsabstand von mindestens 15 bis 18 m einzuhalten gewesen. Der Berufungswerber ist hinter dem vor ihm fahrenden schwarzen großen Pkw (Geländewagen) bereits einige Kilometer nachgefahren und konnte er das Verkehrsgeschehen vor ihm, außer in den Kurven, nicht beobachten. Aufgrund dieses Umstandes hätte er nicht nur den vor ihm fahrenden Fahrzeug eine erhöhte Aufmerksamkeit beimessen, sondern auch den Abstand vergrößern müssen. Das vor ihm fahrende Fahrzeug wurde nicht unvorhergesehen und auch nicht ohne zwingenden Grund zum Stillstand gebracht, sondern mußte dieser Fahrzeuglenker ebenfalls verkehrsbedingt wegen des vor ihm anhaltenden Fahrzeuges abbremsen. Der Berufungswerber ist zudem ortskundig und war sohin in Kenntnis des Schutzweges über die B *. Nicht zuletzt aufgrund des unmittelbar angrenzenden Parkplatzes und möglicher Passanten, mußte er damit rechnen, daß die vor ihm fahrenden Fahrzeuge abgebremst werden. Da er aufgrund des vor ihm fahrenden Geländewagens nicht vorausschauend fahren konnte, stellte die Bremsung und das unfallbedingte zum Stillstand bringen des vor ihm fahrenden Fahrzeuges ein jähes Abbremsen dar. Die Lenker der zwei vor dem Schutzweg vorschriftsmäßig angehaltenen Fahrzeuge haben zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Aufprallgeräusche wahrgenommen. Inwieweit der Lenker des vor dem Berufungswerber fahrenden Fahrzeuges die Warnblinkleuchte einschalten hätte können, oder dieser oder ein anderer Fahrzeuglenker ein Pannendreieck aufstellen hätte können, vermag die Berufungsbehörde nicht nachzuvollziehen, zumal die Auffahrunfälle in derart kurzer Abfolge erfolgten, sodaß eine Reaktion in diese Richtung nicht zu erwarten ist. Der Berufungswerber hat vielmehr dem vor ihm fahrenden Fahrzeug nicht jene Aufmerksamkeit beigemessen, sodaß er das bereits zum Stillstand gebrachte Fahrzeug hätte rechtzeitig erkennen können. Der Berufungswerber verantwortet sich dahingehend, daß die Bremsleuchten des vor ihm fahrenden Fahrzeuges nicht f

unktioniert hätten. Dies kann aufgrund des nunmehr verstrichenen Zeitraumes nicht mehr einwandfrei festgestellt werden. Der Lenker dieses Fahrzeuges hat sich dahingehend verantwortet, daß er anläßlich der Rückreise bei der Tankstelle neben der Kontrolle des Ölstandes, der Scheibenwaschanlage und Bereifung auch die Lichter kontrolliert habe. Zudem habe sein Fahrzeug ein drittes Bremslicht auf der Heckklappe. Der Ausfall aller drei Bremslichter erscheint sohin eher als unwahrscheinlich. Im Kolonnenverkehr und aufgrund des die B * querenden Schutzweges mußte der Berufungswerber zudem mit einem Abbremsen des vor ihm fahrenden Fahrzeuges rechnen, sodaß selbst ein tatsächlicher Ausfall der Bremslichter des vor ihm fahrenden Fahrzeuges - hinter welchem der Berufungswerber schon einige Kilometer nachgefahren war - nicht entscheidend zu seinen Gunsten gewertet werden kann. Ein starkes Bremsmanöver ist auch durch eine Schaukelbewegung (Einfedern im Frontbereich und Ausfedern im Heckbereich) wahrnehmbar. Für die Berufungsbehörde ist sohin der dem Berufungswerber zur Last gelegte Sachverhalt als erwiesen anzunehmen.

 

Die eingesehene Wegstrecke und die Länge der Bremsspuren waren nicht näher zu untersuchen, zumal dem Berufungswerber keine Übertretung gemäß §20 Abs1 oder 2 StVO 1960 (nicht angepaßte oder überhöhte Fahrgeschwindigkeit) zur Last gelegt worden ist.

Weiters war von der Berufungsbehörde zu prüfen.

 

Gemäß §19 VStG ist die Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.

Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens -, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Zur subjektiven Tatseite wird ausgeführt, daß für die Strafbarkeit dieser Verwaltungsübertretung Fahrlässigkeit genügt, weil über das Verschulden nicht anderes bestimmt ist. Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Täter zufolge Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt verkennt, daß er einen tatbildmäßigen Sachverhalt verwirklichen könne. Das Maß der gebotenen Sorgfalt ist einerseits objektiv an der Anwendung jener Sorgfalt, zu der der Täter nach den Umständen des einzelnen Falles verpflichtet ist, und andererseits subjektiv nach der Befähigung des Täters zur Sorgfaltsausübung und der Zumutbarkeit der Sorgfaltsausübung zu bestimmen.

 

Die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift der der Täter zuwider gehandelt hat, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Der Berufungswerber konnte nicht darlegen, daß ihm die Einhaltung eines rechtmäßigen Verhaltens nicht möglich gewesen wäre. Als geprüfter Fahrzeuglenker ist von der Kenntnis der Verkehrsvorschriften auszugehen. Er hat jene Sorgfalt außer Acht gelassen, die von einem Lenker eines Kraftfahrzeuges erwartet werden kann. Es ist jedenfalls ein größerer Sicherheitsabstand dann einzuhalten, wenn in einer Kolonne gefahren wird und ein unmittelbar vorausfahrendes größeres Fahrzeug die Sicht auf den übrigen Fahrzeugverkehr und somit eine vorausschauende Fahrweise erschwert oder unmöglich macht. Die Berufungsbehörde geht sohin von einem fahrlässigen Verhalten des Berufungswerbers aus. Der vom Berufungswerber verwirklichte Tatbestand ist gemäß §99 Abs3 lita StVO 1960 mit einer Geldstrafe bis zu S 10.000,-- im Fall der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen bedroht. Von der Erstbehörde wurde die Strafhöhe im unteren Bereich festgesetzt, sodaß selbst unter Berücksichtigung der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Berufungswerbers keine weitere Herabsetzung der Strafhöhe vorzunehmen war. Bei der Strafbemessung wurden die allseitigen Verhältnisse - Einkommen ca S 20.000,--, Sorgepflicht für die Gattin, kein Vermögen - berücksichtigt.

 

Die Strafhöhe wurde vom Berufungswerber nicht dezidiert bekämpft.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß §51e VStG 1991 Abstand genommen werden, weil im Bescheid eine S 3.000,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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