TE UVS Burgenland 1999/08/27 018/06/99009

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Veröffentlicht am 27.08.1999
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch den

Kammervorsitzenden Dr

Traxler und die Mitglieder Mag Waniek-Kain und Mag Obrist über die

Berufung des

Herrn   , geboren am      ,    wohnhaft in A-                   ,

vertreten

durch die Herren Rechtsanwälte           , vom 26 07 1999, gegen das

Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung vom

07 07 1999,

Zl 300-8460-1996, wegen Bestrafung und Erklärung des Verfalles nach

dem

Glücksspielgesetz zu Recht erkannt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs 1 VStG wird der Berufung Folge

gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten in Spruchpunkt I

zur Last gelegt, er habe in der Zeit von Anfang September 1996 bis zum 30 10

1996 in einem Raum in einer näher bezeichneten Gastgewerbebetriebsanlage drei

ebenfalls näher umschriebene Glücksspielapparate, welche geeignet gewesen seien,

Spielern bei einer vermögensrechtlichen Leistung von mehr als ATS 5,-- (Geräte 1 und 3 bis je ATS 50,-- und Gerät 2 bis ATS 64,-- pro Spiel) einen Gewinn von

mehr als ATS 200,-- (Gerät 1: max ATS 50000,--, Gerät 2: max ATS 64000,-- und Gerät 3: max. ATS 40000,--) zu ermöglichen, die somit dem Glücksspielmonopol des Bundes unterliegen, außerhalb einer Spielbank in betriebsbereitem Zustand

aufgestellt und auf eigene Rechnung betrieben, indem einem unbestimmten Kreis

von Personen die Möglichkeit zum Spielen gegeben wurde. Im Tatzeitraum sei zwei

näher genannten Personen mehrere Male die Möglichkeit zum Spielen geboten worden

und hätten diese mehrere tausend Schilling verspielt. Wegen Übertretung des § 52 Abs 1 Z 5 (erster Fall) Glücksspielgesetz wurde eine Geldstrafe von

ATS 70000,--

Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen) verhängt.

In Spruchpunkt II des angefochtenen Straferkenntnisses wurden die

drei

Glücksspielapparate sowie der mit diesen verbundene ebenfalls näher umschriebene

Papiergeldscanner gemäß § 17 Abs 1 VStG in Verbindung mit § 52 Abs 2 Glücksspielgesetz für verfallen erklärt.

 

Der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung kommt aus folgenden Gründen Erfolg

zu:

 

Gemäß § 52 Abs 1 Z 5 Glücksspielgesetz begeht eine Verwaltungsübertretung und

ist von der Behörde mit Geldstrafe bis zu ATS 300000,-- zu bestrafen, wer

Glücksspielapparate oder Glücksspielautomaten, die dem Glücksspielmonopol

unterliegen, außerhalb einer Spielbank betreibt (Veranstalter) oder

zugänglich

macht (Inhaber).

 

Nach Abs 2 dieser Bestimmung unterliegen Gegenstände, mit deren Hilfe in das Glücksspielmonopol eingegriffen wurde, sofern sie nicht gemäß § 54

einzuziehen

sind, dem Verfall.

 

Gemäß § 168 Abs 1 StGB ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit

Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, wer ein Spiel, bei dem Gewinn

und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das

ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen

Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um aus dieser Veranstaltung oder

Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden, es sei

denn, daß bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib

und um

geringe Beträge gespielt wird.

 

Folgender Sachverhalt liegt dem gegenständlichen Verfahren zu Grunde:

 

Laut Anzeige des Gendarmeriepostens        wurden bei einer

Überprüfung am 30 10

1996 im Gasthaus      in         die verfahrensgegenständlichen

Spielapparate

und der Geldwechsler vorgefunden. Diese befanden sich in einem

versperrten

Nebenraum, welcher laut Auskunft des Gastwirtes an den

Berufungswerber um den

Betrag von ATS 8000,-- monatlich vermietet worden sei. Die

Spielapparate  - laut

Anzeige als "Kartenpoker" bezeichnet - seien an das Stromnetz angeschlossen und

mit dem Geldwechsler verbunden gewesen. Im erstinstanzlichen Verfahren wurden

zwei Personen, welche an diesen Spielapparaten gespielt haben, als Zeugen

einvernommen. Sie haben ausgesagt, daß sie Geldscheine in den Wechsler

eingegeben hätten. Ein Zeuge gab an, er hätte bei seinen Spielen jedes Mal

einige hundert Schilling verspielt. Der andere Zeuge berichtete, er habe ab

September 1996 insgesamt etwa ATS 4000,-- verspielt. Die gegenständlichen

Spielapparate und der Geldwechsler wurden auch einer Überprüfung durch einen Sachverständigen unterzogen. Er hat u.a. die im Straferkenntnis angeführten

Gewinn- und Verlustmöglichkeiten bei den jeweiligen Apparaten festgestellt und

mitgeteilt, daß im Geldwechsler der Betrag von ATS 38000,-- vorgefunden wurde.

In diesen hätten Banknoten bis ATS 1000,-- eingegeben werden können und habe man

per Knopfdruck auswählen können, auf welchem Apparat der

eingeworfene Betrag als

"Credit" erscheint.

 

Die oben bezeichnete Anzeige des Gendarmeriepostens wurde auch an das

Bezirksgericht           übermittelt. Am 26 07 1997 langte bei der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung eine Benachrichtigung dieses

Gerichtes von der Beendigung des Strafverfahrens ein, aus der hervorgeht, daß

das gerichtliche Verfahren wegen § 168 StGB, welches ua gegen den Beschuldigten

dieses Verwaltungsstrafverfahrens geführt wurde, gemäß § 90 StPO

eingestellt

worden ist.

 

Art 4 Abs 1 des siebenten Zusatzprotokolles zur Europäischen Menschenrechtskonvention lautet (in seiner deutschen Übersetzung):

 

Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder

freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates

erneut vor

Gericht gestellt oder bestraft werden.

 

Dazu hat die Republik Österreich als Vorbehalt gemäß Art 64 EMRK eine Erklärung

abgegeben, daß sich Art 4 des siebenten Zusatzprotokolles "nur auf Strafverfahren im Sinne der Österreichischen Strafprozeßordnung" bezieht. Der Verfassungsgerichtshof sah sich jedoch bereits in seinem Erkenntnis VfSlg 14696/1996 (und diesem folgend im Erkenntnis vom 11 03 1998, G 262/97 ua)

veranlaßt, dem EGMR (Urteil vom 23 10 1995, abgedruckt in JBl 1997, 577 ff) zu

folgen, wonach diese "Erklärung" nicht den Anforderungen des Art 64 Abs 2 EMRK

entspricht, weil es an einer erschöpfenden Beschreibung der Gesetze fehlt, von

denen gesagt werden soll, daß sie mit Art 4 des siebenten Zusatzprotokolles

nicht im Einklang stehen.  Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hielt

daher diese besagte Erklärung Österreichs für ungültig. Dies bedeutet, daß Art 4

des siebenten Zusatzprotokolles zur EMRK in Österreich unbeschränkt - also auch

für Doppelbestrafungen zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden - Geltung hat.

 

Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 11 03 1998, G 262/97,

ausführte, besteht die verfassungsrechtliche Grenze, die Art 4 Abs 1 des

siebenten Zusatzprotokolles zur EMRK für eine Doppel- oder Mehrfachbestrafung

zieht, darin, daß eine Strafdrohung oder Strafverfolgung wegen einer strafbaren

Handlung dann unzulässig ist, wenn sie bereits Gegenstand eines Strafverfahrens

war. Dies ist der Fall, wenn der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodaß ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt

des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfaßt. Strafverfolgungen bzw Verurteilungen wegen mehrerer Delikte, die auf Straftatbeständen fußen, der

einander wegen wechselseitiger Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion

jedenfalls bei eintätigem Zusammentreffen ausschließen, bilden verfassungswidrige Doppelbestrafungen, wenn und weil dadurch ein und dieselbe

strafbare Handlung strafrechtliche mehrfach geahndet wird.

 

Was nun das Verhältnis des § 52 Abs 1 Z 5 erster Fall Glücksspielgesetz und des § 168 Abs 1 StGB betrifft, hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis

vom 19 06 1998, Zl G 275/96, ausgeführt, daß zwar Fallkonstellationen denkbar

seien, die unter die Strafdrohung der erstgenannten Norm, nicht aber unter

jene der zweitgenannten Bestimmung fallen. Dies allein schon deshalb, weil nach § 168 Abs 1 StGB die Veranstaltung von Glücksspielen und die Förderung von zur Abhaltung von Glücksspielen veranstalteten Zusammenkünften von der Strafbarkeit

ausgenommen sind, wenn "bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird". Dennoch werde es freilich

nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr die Regel sein, daß eine (an sich) unter

die Strafdrohung des § 52 Abs 1 Z 5 erster Fall Glücksspielgesetz fallende

Handlung in Tateinheit mit einer unter die Strafdrohung des § 168 Abs. 1 erster

oder zweiter Fall StGB fallenden Handlung begangen wird. In diesem Fall ist in

der Regel davon auszugehen, daß das Delikt des Glücksspieles gemäß § 168 Abs 1

StGB den Unrechts- und Schuldgehalt des Deliktes des § 52 Abs 1 Z 5

erster Fall

Glücksspielgesetz vollständig erschöpft.

Die Bestrafung nach § 168 Abs 1 erster oder zweiter Fall StGB

schließt die Bestrafung wegen desselben Verhaltens nach § 52 Abs 1 Z 5 erster

Fall

Glücksspielgesetz aus.

 

Dieser Rechtsansicht hat sich auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem

Erkenntnis vom 22 03 1999, Zl 98/17/0134, angeschlossen. Darin wird ua ausgeführt, daß auch das vom EGMR vorausgesetzte Gebot des Art 4 des 7 ZPMRK,

die Gefahr unterschiedlicher Beurteilungen einer einzigen Tat durch verschiedene

Behörden zu vermeiden, für die vom Verfassungsgerichtshof gewählte Interpretation sprechen könnte.

 

Gebietet aber nach dem Vorgesagten eine verfassungskonforme Auslegung unter

Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 1 des 7 ZPMRK die Annahme einer unechten

Idealkonkurrenz in Erscheinungsform der stillschweigenden Subsidiarität des § 52 Abs 1 Z 5 Glücksspielgesetz gegenüber § 168 Abs 1 StGB, so folgt daraus, daß

eine Bestrafung nach der erstgenannten Norm dann zu unterbleiben hat, wenn sich

der Täter nach der zweitgenannten Bestimmung strafbar gemacht hat.

 

Im vorliegenden Fall hat das Gericht das Strafverfahren gegen den Beschuldigten

gemäß § 90 StPO eingestellt. Diesfalls hat die Verwaltungsstrafbehörde die Frage, ob die von ihr dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat einen gerichtlich

zu ahndenden Tatbestand bildet, selbst zu beurteilen (VwSlg 10276A/1980).

 

Nach dem einleitend geschilderten Sachverhalt handelt es sich bei den

verfahrensgegenständlichen Spielapparaten um solche, bei denen die Entscheidung

über Gewinn und Verlust zufallsabhängig und selbsttätig herbeigeführt wurden.

Demnach lag im Sinne des § 168 Abs 1 StGB ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust

ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen, vor. Dem Beschuldigten wird

weiters angelastet, er sei der Veranstalter der auf diesen Apparaten betriebenen

Spiele. Der Begriff des Veranstalters eines Glücksspieles im Sinne des § 168 Abs 1 StGB ist mit jenem des Betreibers der Apparate (Veranstalter gemäß § 52 Abs 1 Z 5 Glücksspielgesetz) identisch (VfGH vom 19 06 1998, Zl G 275/96).

Schließlich wird dem Beschuldigten im Straferkenntnis vorgeworfen, daß er die Apparate auf eigene Rechnung betrieben hat und daß von zwei angeführten Personen

mehrere tausend Schilling verspielt wurden. Damit wird ihm jedenfalls auch

vorgeworfen, die Apparate betrieben zu haben, um sich einen Vermögensvorteil -

wie er zum Tatbild des § 168 StGB gehört -  zuzuwenden.

 

Somit hat der Beschuldigte tatbildmäßig im Sinne des § 168 Abs 1 (erster Fall)

gehandelt, es sei denn, es wäre "bloß zum Zeitvertreib und um

geringe Beträge"

gespielt worden.

 

Zur Interpretation dieser Ausnahmebestimmung hat der Oberste Gerichtshof (Urteil vom 28 06 1983, Zl 11 Os 109/83) ausgeführt, daß die Beurteilung, ob um "geringe

Beträge" gespielt wird, am Einzelspiel bzw am einzelnen, jeweils über Gewinn

oder Verlust entscheidenden Spielgang zu orientieren ist. Nach der Judikatur des OGH liegt ein geringer Betrag im Sinne dieser Bestimmung vor, solange der Gesamteinsatz eines Spielers im Zuge einer Spielveranstaltung im

dargelegten

Sinn die Summe von ATS 200,-- nicht übersteigt.

 

Auf der Basis der im erstinstanzlichen Verfahren getroffenen Feststellungen

wurde im vorliegenden Fall nicht bloß um "geringe Beträge" gespielt:

Einer der Zeugen hat ausgesagt, daß er bei jedem Spielgang mehrere hundert Schilling

verspielt hat. Auch beim anderen Zeugen beliefen sich seine Einsätze im Zeitraum

von zwei Monaten auf rund ATS 4000,--. Nach den Feststellungen des Sachverständigen war es bei allen drei Glücksspielapparaten möglich, den Einsatz

aufzubonieren (bei zwei Apparaten in ATS 100,-- Schritten und beim dritten

Apparat in ATS 10,-- Schritten). Außerdem waren die gegenständlichen Spielapparate mit einem Papiergeldscanner verbunden, in den Banknoten im Wert

von ATS 20,-- 50,--, 100,--, 500,-- und 1000,-- eingegeben werden konnten und

per Tastendruck ausgewählt werden konnte, auf welchem Apparat der eingeworfene

Betrag als "Credit" erscheint. Demnach ist davon auszugehen, daß der Berufungswerber zu "Serienspielen" Gelegenheit bot und damit Spieler ansprechen

wollte, denen es nicht bloß um den Zeitvertreib, sondern um die Lukrierung von

theoretisch erzielbaren Gewinnen ging (VwGH vom 22 03 1999, Zl 98/17/0134). Nach

diesem Sachverhalt ist - selbst wenn auch die Möglichkeit bestand um einen, am

Einzelspiel gemessen, geringen Betrag zu spielen -  aufgrund der zu "Serienspielen" verleitenden Ausstattung der Geräte und dem Umstand, daß der

theoretisch erzielbare Gewinn bei allen drei Apparaten in fünfstelliger Höhe

lag, anzunehmen, daß das Gewinnstreben der Spieler im Vordergrund lag. Von einem Spielen nur zum Zeitvertreib kann daher nicht gesprochen werden. Demnach lagen

die Voraussetzungen für eine Ausnahme von § 168 StGB nicht vor.

 

Aufgrund dieser Erwägungen ist davon auszugehen, daß das dem Berufungswerber zur Last gelegte Verhalten den Tatbestand des § 168 Abs 1 StGB und damit einer in

die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Mag es auch

unverständlich sein, daß dies vom Gericht nicht geahndet wurde, ist die Tat aber

von der Verwaltungsbehörde infolge stillschweigender Subsidiarität des

Tatbestandes nach § 52 Abs 1 Z 5 Glücksspielgesetz nicht zu verfolgen. Das Straferkenntnis war daher zur Gänze aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren

einzustellen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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