TE UVS Steiermark 1999/11/19 30.12-73/1999

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Veröffentlicht am 19.11.1999
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Hütter über die Berufung des Herrn A P, A, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur vom 12.07.1999, GZ.: 15.1 1999/1299, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird die Berufung betreffend die Punkte 1.) und 4.) dem Grunde nach abgewiesen.

Hinsichtlich der Strafhöhe wird der Berufung dahin Folge gegeben, dass nach § 19 Abs 1 und 2 VStG im Punkt 1.) die Geldstrafe auf S 3.500,-- (? 254,35) (gemäß § 16 VStG 2 Tage Ersatzfreiheitsstrafe im Uneinbringlichkeitsfall der Geldstrafe) und im Punkt 4.) die Geldstrafe auf S 5.000,-- (? 363,36) (nach § 16 VStG 3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe im Uneinbringlichkeitsfall der Geldstrafe) herabgesetzt wird.

Dadurch vermindert sich der Kostenbeitrag für das Verfahren der ersten Instanz auf S 850,-- (? 61,77).

Dem Berufungswerber wird aufgetragen, die Geldstrafen und den Kostenbeitrag für das Verfahren der ersten Instanz binnen vier Wochen bei Exekution zu bezahlen.

Hinsichtlich der Punkte 2.) und 3.) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Der Spruch des Straferkenntnisses wird wie folgt korrigiert:

In der Sachverhaltsumschreibung wird das Wort "Verantwortlicher" durch die Worte "handelsrechtlicher Geschäftsführer" und werden die Worte in der sechsten und siebenten Zeile "die tägliche Lenkzeit, bezeichnende Gesamtlenkzeit" durch die Worte "die als tägliche Lenkzeit bezeichnete Gesamtlenkzeit" ersetzt. Im Punkt 1.) wird ausgesprochen, dass die tägliche Lenkzeit im angeführten Zeitraum 15 Stunden 55 Minuten betragen hat. Im Punkt 4.) wird ausgesprochen, dass die Einsatzzeit im angeführten Zeitraum 37 Stunden 40 Minuten betragen hat. Der übrige Spruch bleibt unberührt.

Text

Die belangte Behörde warf dem Berufungswerber mit Straferkenntnis vor, er sei als Verantwortlicher der P T GesmbH, etabliert in A, dafür verantwortlich, dass

1.)

der Arbeitnehmer A S als Lenker eines LKWs mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t die tägliche Lenkzeit, bezeichnende Gesamtlenkzeit überschritten habe. Sie habe vom 02.03.1998 bis 04.03.1998 insgesamt 27 Stunden 21 Minuten betragen;

2.)

der genannte Lenker die erforderliche Mindestdauer der Unterbrechung/Lenkpause nicht eingehalten habe;

3.)

von diesem Lenker innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden die erforderliche zusammenhängende Ruhezeit nicht eingehalten worden sei und

4.)

die Einsatzzeit des Lenkers überschritten worden sei, sie habe im Zeitraum 02.03.1998 06.20 Uhr bis 04.03.1998 20.00 Uhr insgesamt 55 Stunden 35 Minuten betragen.

Dadurch seien folgende Rechtsvorschriften verletzt worden:

1.)

Artikel 6 Abs 1 der EWG-Verordnung 3820/85

2.)

Artikel 7 Abs 2 dieser Verordnung

3.)

Artikel 8 Abs 1 2. Satz dieser Verordnung

4.)

§ 16 Abs 3 Arbeitszeitgesetz - AZG

Hiefür wurden folgende Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen verhängt:

1.)

nach § 28 Abs 1 a Z 4 AZG S 6.000,-- (6 Tage)

2.)

nach § 28 Abs 1 a Z 6 AZG S 2.000,-- (2 Tage)

3.)

nach § 28 Abs 1 a Z 2 AZG S 6.000,-- (6 Tage)

4.)

nach § 28 Abs 1 a Z 7 AZG S 10.000,-- (10 Tage)

Die belangte Behörde wertete mehrere einschlägige Vorstrafen als erschwerend und bezeichnete die verhängten Strafen als "dem Unrechtsgehalt der Übertretungen schuldangemessen". In der Berufung wurde geltend gemacht, dass der Fahrer A S laut Beilage zur Berufung genauestens über die Lenkzeiten, Lenkpausen und Einsatzzeit instruiert worden sei und angehalten worden sei, diese auch zu befolgen. Dies habe der Fahrer auch mit seiner Unterschrift bestätigt. Die Geldstrafe von insgesamt S 26.400,-- erscheine ihm unverhältnismäßig hoch, da er seiner Meinung nach den Obsorgepflichten eines Unternehmers sehr wohl nachgekommen sei. Er ersuche daher um nochmalige Überprüfung und Herabsetzung der erlassenen Strafe. Der Berufung waren zwei A4-Seiten mit dem Titel "Lenkzeitenrecht für Lenker von Fahrzeugen im Güterbeförderungsgewerbe" beigeschlossen.

Aufgrund der am 15.11.1999 durchgeführten Berufungsverhandlung, der dabei abgelegten Aussage des Berufungswerbers als Partei und der verlesenen Urkunden gelangt die Berufungsbehörde zu folgenden Feststellungen:

Der Berufungswerber ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der P T G.m.b.H. mit Sitz in A. Die Gesellschaft beschäftigte im März 1998 unter anderen den Fahrer A S. Dieser lenkte vom 02.03.1998 bis 04.03.1998 einen LKW 15 Stunden 55 Minuten lang. Er absolvierte vom 02.03.1998 06.20 Uhr bis 04.03.1998 20.00 Uhr eine Einsatzzeit von 37 Stunden 40 Minuten.

Die Angaben zur Firma ergeben sich aus dem Firmenbuchauszug, die Lenkzeit und Einsatzzeit aus den Schaublättern und aus dem Schreiben des Arbeitsinspektorates Leoben vom 21.10.1999. Tageslenkzeit und Einsatzzeit im angeführten Ausmaß wurden im Übrigen auch vom

Berufungswerber bestätigt.

Rechtliche Beurteilung:

Nach Artikel 6 Abs 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 darf die Gesamtlenkzeit zwischen zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit (Tageslenkzeit) 9 Stunden nicht überschreiten. Sie darf zweimal pro Woche auf 10 Stunden verlängert werden.

Da der Lenker A S vom 02.03.1998 bis 04.03.1998 eine Gesamtlenkzeit von 15 Stunden 55 Minuten erreichte, liegt ein Verstoß gegen diese Bestimmung vor.

Nach § 16 Abs 3 AZG kann der Kollektivvertrag für Lenker von Kraftfahrzeugen, die

 1. zur Güterbeförderung dienen und deren zulässiges Gesamtgewicht einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger 3,5 t übersteigt, oder

 2. zur Personenbeförderung dienen und die nach ihrer Bauart und Ausstattung geeignet und dazu bestimmt sind, mehr als 9 Personen einschließlich des Fahrers zu befördern,

für Betriebe, für die kein Kollektivvertrag wirksam ist, die Betriebsvereinbarung eine Verlängerung der Einsatzzeit (über 12 Stunden hinaus) so weit zulassen, dass die vorgeschriebene tägliche Ruhezeit eingehalten wird.

Danach war im gegenständlichen Fall eine Einsatzzeit von höchstens 16 Stunden zulässig. Da die Einsatzzeit aber im angeführten Zeitraum 37 Stunden 40 Minuten betrug, liegt ein Verstoß gegen § 16 Abs 3 AZG vor.

Für diese beiden Übertretungen haftet der Berufungswerber im Grunde des § 9 Abs 1 VStG.

Der Tatvorwurf im Punkt 2.) hat zu entfallen, da sich nachträglich herausstellte, dass der LKW mit zwei Fahrern besetzt war. Das Arbeitsinspektorat Leoben zog seine Strafanzeige zurück, da die erforderlichen Lenkpausen eingehalten wurden. Das Verfahren war nach § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen.

Im Punkt 3.) wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, der Lenker A S habe innerhalb eines Zeitraums von 24 Stunden mehrmals die Mindestruhezeit nicht eingehalten. Auch hier stellte sich heraus, dass das Fahrzeug mit zwei Lenkern besetzt war. Anders als Artikel 8 Abs 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 die Einhaltung einer Mindestruhezeit innerhalb eines Zeitraums von 24 Stunden vorsieht, bestimmt Abs 2, dass, wenn sich mindestens zwei Fahrer im Fahrzeug befinden, während eines Zeitraums von 30 Stunden jeder von ihnen eine tägliche Ruhezeit von mindestens 8 zusammenhängenden Stunden einlegen muss. Da die Berufungsbehörde im Sinne des § 66 Abs 4 AVG bei ihrer Entscheidung an die Sache, wie sie in der ersten Instanz fixiert wurde, gebunden ist und Artikel 8 Abs 1 der Verordnung wegen doppelter Besetzung des LKWs nicht zum Tragen kommt, würde die Bestrafung des Berufungswerbers wegen Verletzung des Artikel 8 Abs 2 - für diese Tat liegt keine rechtzeitige Verfolgungshandlung vor - eine Auswechslung der Sache darstellen. Da dies der Berufungsbehörde wegen § 66 Abs 4 AVG verwehrt ist, war Punkt 3.) ebenfalls aufzuheben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen.

Zum Verschulden ist auszuführen, dass der Arbeitgeber vorbrachte, er habe den Lenker schriftlich belehrt. Im Sinne des § 5 Abs 1 VStG hat aber der Arbeitgeber die Arbeitnehmer nicht nur zu belehren, sondern er hat alle Maßnahmen darzulegen, die er zur Einhaltung der Bestimmungen getroffen hat. Dazu zählt insbesondere auch eine wirksame Kontrolle der Anweisungen im Sinne eines betrieblichen Kontrollsystems. Der Berufungswerber sagte selbst aus, dass es ein Fehler seinerseits gewesen sei, dass er nicht immer kontrolliert habe. Er hat im Übrigen in seiner Berufung zu allfälligen Kontrollen keine Angaben gemacht. Da ein wirksames Kontrollsystem nicht glaubhaft gemacht werden konnte, hat der Berufungswerber Fahrlässigkeit zu verantworten.

Strafbemessung:

§ 28 Abs 1 a AZG:

Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die

 1. die tägliche Ruhezeit gemäß § 15 a oder § 15 b Abs 2 oder 3 nicht gewähren;

 2. die tägliche Ruhezeit gemäß Art. 8 Abs 1, 2, 6 oder 7 oder Art. 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 nicht gewähren;

 3. Lenker über die gemäß § 14 Abs 2 oder 3 zulässige Lenkzeit hinaus einsetzen;

 4. Lenker über die gemäß Art. 6 Abs 1 Unterabsatz 1 oder Abs 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 zulässige Lenkzeit hinaus einsetzen;

5.

Lenkpausen gemäß § 15 Abs 1 bis 4 nicht gewähren;

6.

Lenkpausen gemäß Art. 7 Abs 1, 2 oder 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 nicht gewähren;

 7. Lenker über die gemäß Art. 16 Abs 2 bis 4 zulässige Einsatzzeit hinaus einsetzen;

 8. die Pflichten betreffend das Fahrtenbuch gemäß § 17 Abs 1 und 2 verletzen;

 9. die Pflichten betreffend den Linienfahrplan und den Arbeitszeitplan gemäß Art. 14 Abs 1 bis 6 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 verletzten;

 10. Verordnungen gemäß § 15 e Abs 1 oder § 17 Abs 3 oder Regierungsübereinkommen gemäß § 15 e Abs 2 übertreten oder

 11. Bescheide gemäß § 14 Abs 4, § 16 Abs 5 oder § 17 Abs 4 nicht einhalten,

sind, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde, soweit es sich um Betriebe handelt, die der bergbehördlichen Aufsicht unterstehen, von der Berghauptmannschaft mit einer Geldstrafe von S 1.000,-- bis S 25.000,-- zu bestrafen."

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Eines der wesentlichen Ziele der verletzten Vorschriften besteht in der Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr und der Arbeitsbedingungen der Fahrer. In beiden bestätigten Punkten liegt ein Ausmaß der Verletzung der geschützten öffentlichen Interessen vor, das der Überschreitung der zulässigen Grenzen entspricht.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde wertete, wie angeführt, zu Unrecht mehrere einschlägige Vorstrafen als erschwerend, da zur Tatzeit nur eine einschlägige Vorstrafe rechtskräftig und damit erschwerend war. Milderungsgründe sind nicht vorhanden.

Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse:

Monatliches Einkommen: netto S, Vermögen: Geschäftsanteil an der GmbH laut Firmenbuchauszug und ein Einfamilienhaus im Wert von ca. S, Belastungen: Darlehensforderung der Sparkasse (nur Hypothekarhaftung, die Tilgung erfolgt durch die GmbH) in offener Höhe von ca. S, keine Sorgepflichten.

Durch die gegenüber dem Straferkenntnis eingetretene Reduzierung des Ausmaßes der Überschreitungen in

beträchtlichem Ausmaß und die Berücksichtigung lediglich eines Erschwerungsgrundes konnten die Geldstrafen auf das im Spruch ersichtliche Ausmaß herabgesetzt werden.

Der Berufung war daher zu den Punkten 2.) und 3.) Folge zu geben, in den Punkten 1.) und 4.) war ihr lediglich hinsichtlich der Strafhöhe teilweise Folge zu geben.

Schlagworte
Mindestruhezeit Fahrer Doppelbesetzung Sache Auswechslung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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