TE UVS Steiermark 2000/02/11 30.11-1/2000

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Veröffentlicht am 11.02.2000
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Gerhard Wittmann über die Berufung des Herrn Mag. W L, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 22.11.1999, GZ.: 15.1. 1997/2506, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird die Berufung dem Grunde nach abgewiesen.

Hinsichtlich der Höhe der Geldstrafe wird der Berufung insoweit Folge gegeben, als die in erster Instanz verhängte Geldstrafe auf einen Betrag von S 300,-- (? 21,80) (im Uneinbringlichkeitsfall 12 Stunden Ersatzarrest) herabgesetzt wird. Dadurch vermindern sich die Verfahrenskosten erster Instanz auf einen Betrag von S 30,-- (? 2,18). Die nunmehr herabgesetzte Geldstrafe sowie die Verfahrenskosten erster Instanz sind binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Text

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 22.11.1999, GZ: 15.1 1997/2506 wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe am 22.2.1997, um 23.19 Uhr, in J, Rgasse , als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen W (PKW) im Bereich einer unübersichtlichen Kurve gehalten. Dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung gemäß § 24 Abs 1 lit b StVO begangen und wurde über ihn von der Erstbehörde eine Geldstrafe von S 700,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 30 Stunden Ersatzarrest) verhängt.

In seiner Berufung führte der Berufungswerber aus, dass er wegen des gegenständlichen Vorfalles bereits wegen einer Übertretung des § 24 Abs 1 lit a StVO mit einer Geldstrafe von S 500,-- bestraft worden sei, und dass nunmehr eine neuerliche Bestrafung nach § 24 Abs 1 lit b StVO unzulässig sei. Die beiden Vorschriften würden zueinander im Verhältnis der Konsumtion stehen und können durch eine Tathandlung nicht mehrere Delikte verwirklicht werden. Eine Doppelbestrafung würde gegen den Rechtsgrundsatz "ne bis in idem" verstoßen. Weiters verwies der Berufungswerber darauf, dass einige Milderungsgründe vorliegen würden und jedenfalls eine Herabsetzung der Geldstrafe gerechtfertigt wäre. Außerdem sei unter Berücksichtigung aller Umstände auch die Anwendung des § 21 Abs 2 VStG in Betracht zu ziehen. Er ersuche um eine gerechte und angemessene Entscheidung.

Da das an den Berufungswerber zugestellte Straferkenntnis der Erstbehörde zunächst hinterlegt wurde, war die Rechtzeitigkeit der eingebrachten Berufung zu prüfen. Der Berufungswerber konnte aber glaubhaft machen, dass er zum Zeitpunkt der Zustellung bzw. Hinterlegung ortsabwesend war und wird daher seine Berufung als rechtzeitig eingebracht angesehen. Die Berufungsbehörde holte von der Stadtgemeinde J die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde J vom 14.3.1977 ein, aus der sich ergibt, dass für die gesamte Gemeindestraße "R-gasse" in J ein beiderseitiges Halteverbot erlassen wurde. Mit Schreiben des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 28.1.2000 wurde der Berufungswerber aufgefordert, seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse bekanntzugeben. Der Berufungswerber antwortete mit Schreiben vom 5.2.2000, worin er angab, dass er über ein monatliches Einkommen in der Höhe von S verfüge. An Mietzins werde ihm monatlich S vorgeschrieben und habe er monatliche Belastungen auf Grund einer Kreditverpflichtung in der Höhe von S . Er habe weder Sorgepflichten noch besitze er, abgesehen von geringfügigen Ersparnissen in der Höhe von S, irgendein Vermögen.

Die Durchführung einer Berufungsverhandlung konnte gemäß § 51 e Abs 3 Z 3 VStG unterbleiben, da im angefochtenen Bescheid keine S 3.000,-- übersteigende Geldstrafe über den Berufungswerber verhängt wurde und überdies keine der Parteien die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat.

Die Berufungsbehörde geht bei ihrer Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

Der Berufungswerber hielt am 22.2.1997, um 23.19 Uhr, in J, auf Höhe des Hauses R-gasse das Fahrzeug mit dem Kennzeichen W im Bereich einer unübersichtlichen Kurve. Für die gesamte Rgasse gilt beidseits ein durch entsprechende Verkehrszeichen kundgemachtes Halteverbot.

Der Berufungswerber erhielt eine Anonymverfügung, weil er am 22.2.1997, um 23.19 Uhr sein Fahrzeug im Bereich des dort durch Vorschriftszeichen "Halten und Parken verboten" kundgemachten Halte- und Parkverbotes hielt. Die Strafe von S 500,-- zahlte der Berufungswerber ein.

Der Sachverhalt ergibt sich auf Grund der Anzeige des Gendarmeriepostens J vom 4.3.1997. Dass der Berufungswerber bereits wegen eines Deliktes nach § 24 Abs 1 lit a StVO bestraft wurde und diese Strafe bezahlt hat, ergibt sich auf Grund seines eigenen Vorbringens. Die Feststellungen über das in der R-gasse durch Straßenverkehrszeichen normierte Halteverbot konnte auf Grund der eingeholten Verordnung getroffen werden. Der Berufungswerber selbst bestritt nicht im Bereich einer Kurve gehalten zu haben.

Rechtliche Beurteilung:

Nach § 24 Abs 1 lit a StVO ist das Halten und Parken im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten" nach Maßgabe der Bestimmungen des § 52 Z 13 b verboten.

Nach § 24 Abs 1 lit b StVO ist das Halten und Parken auf engen Stellen der Fahrbahn, im Bereich von Fahrbahnkuppen oder von unübersichtlichen Kurven sowie auf Brücken, in Unterführungen und in Straßentunnels verboten.

Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes ist als erwiesen anzunehmen, dass der Berufungswerber am 22.2.1997, um

23.19 Uhr, in J, im Bereich des Hauses R-gasse, im Bereich einer unübersichtlichen Kurve sein Fahrzeug gehalten hat. Rechtlich wendet der Berufungswerber ein, dass die Rechtsansicht der Bezirkshauptmannschaft J, dass das Halten im Bereich einer unübersichtlichen Kurve neben dem Halten im Halteverbot eine eigene Verwaltungsübertretung darstelle, verfehlt sei. Grundsätzlich normiere das VStG zwar das Kumulationsprinzip, dies aber nicht für die Fälle der Scheinkonkurrenz, die auch zwischen § 24 Abs 1 lit a und § 24 Abs 1 lit b StVO bestehen würden. Sowohl das Halteverbot nach Z 1 lit a als auch jenes nach Z 1 lit b würden der Leichtigkeit und Flüssigkeit, sowie der Sicherheit des Verkehrs dienen. Durch die Kundmachung des gegenständlichen Halteverbotes in der Rgasse sollen genau die aus der unübersichtlichen Kurve drohenden Gefahren hintangehalten werden. Da die beiden Rechtsvorschriften im vorliegenden Fall somit zueinander im Verhältnis der Konsumtion stehen würden, können durch eine Tathandlung nicht mehrere Delikte verwirklicht werden. Eine Doppelbestrafung würde gegen den Rechtsgrundsatz "ne bis in idem" verstoßen.

§ 22 Abs 1 VStG lautet:

Hat jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so sind die Strafen nebeneinander zu verhängen.

Hat der Täter mehrere Verwaltungsübertretungen begangen, so gilt im Verwaltungsstrafverfahren das sogenannte Kumulationsprinzip. Das bedeutet, dass für jedes Delikt eine eigene Strafe, somit nebeneinander mehrere Strafen zu verhängen sind. Hiebei macht es keinen Unterschied, ob der Täter durch verschiedene Taten mehrer Verwaltungsübertretungen begangen hat - sei es solcher gleicher oder verschiedener Art - oder durch ein und dieselbe Tat mehrere verschiedene Delikte verwirklicht werden (Idealkonkurrenz). Von unechter (scheinbarer) Idealkonkurrenz spricht man dann, wenn der Täter zwar nur eine deliktische Handlung begangen hat, die jedoch Merkmale mehrere Deliktstypen aufweist, wobei aber mit der Unterstellung unter einen Deliktstypus der Unrechtsgehalt voll erfasst wird. Eine Konsumtion zweier Deliktstatbestände liegt vor, wenn eine wertende Beurteilung ergibt, dass der Unwert des einen Deliktes von der Strafdrohung gegen das andere Delikt mit erfasst wird, wie dies insbesondere im Falle der Verletzung desselben Rechtsgutes anzunehmen ist. Dies trifft aber nicht zu, wenn die Delikte in keinem typischen Zusammenhang stehen, mit anderen Worten, wenn das eine Delikt nicht notwendig oder doch nicht in der Regel mit dem anderen verbunden ist (vgl. VwGH 30.6.1977, 1049/76; 21.12.1988, 88/03/0080).

Eine gleichzeitige Bestrafung wegen der Übertretungen nach § 24 Abs 1 lit a und § 24 Abs 1 lit b StVO ist zulässig. Diese beiden strafbaren Tatbestände schließen einander nicht aus, weil sie nicht in einem solchen Verhältnis zueinander stehen, dass die Verwirklichung des einen Tatbestandes zwingend die Verwirklichung des anderen nach sich zieht, und weil die Bestrafung wegen des einen Deliktes nicht den gesamten Unrechtsgehalt des Tatverhaltens erfassen würde, verfolgt doch das Halte- und Parkverbot des § 24 Abs 1 lit b StVO auch den besonderen Zweck, anderen KFZ-Lenkern das Befahren einer unübersichtlichen Kurve ohne Sichtbeeinträchtigungen durch abgestellte Fahrzeuge zu erleichtern und die Gefahr eines daraus entstehenden Schadens zu vermindern (vgl. VwGH 8.11.1995, 95/03/0149).

Die Berufungsbehörde kann sich auch nicht der Argumentation des Berufungswerbers anschließen, dass durch die Kundmachung des gegenständlichen Halteverbotes in der Rgasse genau die aus der unübersichtlichen Kurve drohenden Gefahren hintangehalten werden sollen. Die gegenständliche Verordnung über das durch Vorschriftszeichen kundgemachte Halteverbot bezieht sich nämlich auf den gesamten Verlauf der Rgasse und ist nicht nur auf den Bereich der unübersichtlichen Kurve in der R-gasse beschränkt, sodass das Halteverbot keinesfalls nur wegen der unübersichtlichen Kurve erlassen wurde. Die Berufungsbehörde kommt daher zum Schluss, dass im gegenständlichen Fall nicht gegen den Rechtsgrundsatz "ne bis in idem" verstoßen wird.

Bei der Beurteilung, ob die über den Berufungswerber in erster Instanz verhängte Geldstrafe als schuld- und tatangemessen anzusehen ist, geht die Berufungsbehörde von folgenden Überlegungen aus:

Die Erstbehörde wertete nichts als strafmildernd und nichts als straferschwerend. Der Berufungswerber weist zurecht darauf hin, dass er verwaltungsstrafrechtlich unbescholten ist und ist dieser Umstand als mildernd zu werten. Zum Verschulden ist auszuführen, dass dem Berufungswerber bei gehöriger Aufmerksamkeit auffallen hätte müssen, dass er sein Fahrzeug im Bereich einer unübersichtlichen Kurve gehalten hat. Dabei kommt dem Umstand, dass der Berufungswerber möglicherweise nur zirka 10 Minuten an dieser Stelle gehalten hat, sowie dem Vorbringen, dass er die am Tatort angebrachten Vorschriftszeichen übersehen habe, keine Relevanz zu. Im Bereich der unübersichtlichen Kurve war das Halten grundsätzlich verboten und wird der Berufungswerber im gegenständlichen Verfahren nicht wegen des verordneten Halte- und Parkverbots bestraft, sondern wegen des Haltens in einer unübersichtlichen Kurve. Das Verschulden kann somit als nicht bloß geringfügig angesehen werden, sodass bereits aus diesem Grund eine Anwendung des § 21 VStG (Absehen von der Strafe) nicht in Betracht kommt.

Dem Berufungswerber ist zuzustimmen, wenn er rügt, dass das Verfahren aus einem nicht von ihm zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert hat. Auch für die Berufungsbehörde ist es völlig unverständlich, warum zwischen dem 4.8.1997 und dem 22.11.1999 (Erlassung des Straferkenntnisses) überhaupt keine Verfahrensschritte der Erstbehörde getätigt wurden.

Dem Vorbringen des Berufungswerbers, er habe sich seit der Tat wohlverhalten, ist zu entgegnen, dass im Strafregister der Bundespolizeidirektion Wien mit Datum 25.6.1997 eine Verwaltungsstrafe wegen einer Übertretung des § 52 Z 11 a StVO aufscheint.

Der Strafrahmen für die dem Berufungswerber vorgeworfene Verwaltungsübertretung beträgt gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO bis zu S 10.000,--. Hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse wird von jenen Angaben ausgegangen, die der Berufungswerber im Schreiben vom 5.2.2000 bekanntgab. Unter Berücksichtigung der eben aufgelisteten Strafzumessungskriterien ist die von der Erstbehörde verhängte Geldstrafe von S 700,-- als deutlich überhöht anzusehen und war die Geldstrafe nunmehr auf einen Betrag von S 300,-- herabzusetzen. Durch die Herabsetzung der Geldstrafe waren auch die Verfahrenskosten erster Instanz auf einen Betrag von 10 % der herabgesetzten Geldstrafe zu mindern. Da die Berufung nicht vollinhaltlich abgewiesen wurde, entstanden für den Berufungswerber keine Kosten für das Berufungsverfahren.

Schlagworte
Halteverbot Kumulation Schutzzweck
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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