TE UVS Steiermark 2000/06/14 30.9-172/1999

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Veröffentlicht am 14.06.2000
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Christian Erkinger über die Berufung der Frau R G, vertreten durch Rechtsanwalt W G, D-S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 16.11.1999, GZ.: 15.1 1999/194, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird die Berufung abgewiesen.

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von S 200,-- (EUR 14.53) binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.

Text

Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 16.11.1999, GZ.:

15.1 1999/194, wurde der Berufungswerberin zur Last gelegt, sie habe am 28.12.1998, um 13.35 Uhr, im Gemeindegebiet Unterpremstätten, auf der A 9, Höhe Strkm 191,0, Richtung Graz, als Lenkerin des Personenkraftwagens mit dem Kennzeichen zu einem vor ihr fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre. Es sei mittels Videomessung ein zeitlicher Abstand von 0,28 Sekunden festgestellt worden.

Wegen dieser Übertretung wurde über die Berufungswerberin eine Geldstrafe mit einer Strafhöhe von S 1.000,-- (36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall der Uneinbringlichkeit) verhängt. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Berufungswerberin durch ihren ausgewiesenen Vertreter rechtzeitig Berufung erhoben und darin angeführt, dass sie keineswegs ein Geständnis abgelegt habe und sich auch nicht geweigert habe an der Ermittlung des tatsächlichen Fahrzeugführers mitzuwirken. Aus diesem Grund habe sie auch um Übersendung der Videoaufzeichnung sowie der Fotos gebeten. Wie sie auch bereits in der Einspruchsbegründung ausgeführt habe, haben zum fraglichen Zeitpunkt mehrere Personen das zu Versuchszwecken überlassene Fahrzeug geführt. Nach der verstrichenen Zeitdauer könne sich die Betroffene aber beim besten Willen nicht mehr ohne Kenntnis der Beweismittel erinnern, wer das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt habe. Insgesamt hätten noch folgende weiter angeführten Personen, wie in der Berufung des Näheren angeführt, das gegenständliche Fahrzeug im Besitz gehabt. Des Weiteren glaube sie sich erinnern zu können, dass möglicherweise eine männliche Person das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt habe. Nach den Rechtsgrundsätzen in Deutschland bestehe im Übrigen ein Rechtsanspruch auf Akteneinsicht sowie Übersendung der Videoaufzeichnung und sei sie nach wie vor grundsätzlich aussagebereit.

Insgesamt gesehen sei somit das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben.

Zur Verifizierung des näheren Berufungsvorbringens wurde durch den Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark eine öffentliche, mündliche Berufungsverhandlung anberaumt, doch sind weder die Berufungswerberin, noch ihr ausgewiesener Vertreter, noch die beiden aus Deutschland geladenen, beantragten Zeugen M und M erschienen. Der Vertreter der Berufungswerberin teilte in einem Schriftsatz vom 2.5.2000 vor der Verhandlung mit, dass die Wahrnehmung des Termins in Graz in keiner Relation zur Bedeutung des Vorganges stünde. Nachdem der Fahrzeuglenker anhand der Fotos wegen deren

Undeutlichkeit

müsse nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" der Berufung stattgegeben werden. Seine Mandantin bleibe dabei, das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt nicht gelenkt zu haben, vielmehr habe eine männliche Person dieses Fahrzeug gelenkt.

Dem erstinstanzlichen Verfahrensakt ist sachverhaltsmäßig neben der Anzeige des Landesgendarmeriekommandos Steiermark, Verkehrsabteilung, vom 28.12.1998 eine bildliche Fotoabfolge der der Berufungswerberin angelasteten Übertretung zu entnehmen, wonach darauf ein Fahrzeug der Marke Mercedes mit dem Kennzeichen ersichtlich ist. Zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Messung ergibt sich zwischen dem vor der Berufungswerberin fahrenden Fahrzeug und ihrem ein zeitlicher Abstand von lediglich 0,28 Sekunden und daraus eine deutliche Unterschreitung des im § 18 Abs 1 StVO festgehaltenen Mindestabstandes. Ein Lenker ist auf dieser Bildabfolge nicht zu identifizieren. Diese getroffenen Feststellungen resultieren aus der unbedenklichen Anzeige des Landesgendarmeriekommandos für die Steiermark vom 28.12.1998, die sich im erstinstanzlichen Verfahrensakt befindet.

Über eine Lenkeranfrage vom 9.2.1999 teilte die Zulassungsbesitzerin - Daimler Benz AG in Stuttgart - mit, dass zum angefragten Zeitpunkt die Berufungswerberin das verfahrensgegenständliche Fahrzeug lenkte. Es erfolgte in weiterer Folge mit 19.3.1999 eine Strafverfügung gegen die Berufungswerberin, die von ihr mit dem wesentlichen Inhalt beeinsprucht wurde, dass es richtig sei, dass sie sich an diesem Wochenende zum Jahreswechsel in Graz aufgehalten habe, es hätten auch mehrere Personen außer ihr das Fahrzeug im Besitz gehabt und könne sie ohne Kenntnis der Videoaufzeichnung derzeit keine verlässliche Aussage treffen, wer das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt habe. Sie glaube sich dunkel daran erinnern zu können, dass möglicherweise ein Mann gefahren sei. Sie ersuche um Akteneinsicht, insbesondere um Überlassung von Fotos sowie der Videoaufzeichnung. Es erfolgte sodann durch die belangte Behörde die Erlassung des nunmehr angefochtenen Straferkenntnisses.

Über die Berufungsbehörde erfolgte mit Anfrage vom 13.1.2000 eine Recherche an die Zulassungsbesitzerin, mit dem wesentlichen Inhalt, ob beurteilbar sei, dass die Berufungswerberin das Fahrzeug in ihrer alleinigen Verfügungsgewalt gehabt habe oder ob allenfalls noch andere Personen dieses Fahrzeug zum verfahrensgegenständlichen Zeitpunkt nutzen durften. Zur Erleichterung der gestellten Fragen wurden Kopien der Lenkerauskunft sowie der ausgewerteten Lichtbilder der Verkehrsabteilung übermittelt. In Reaktion auf diese Anfrage teilte die Zulassungsbesitzerin unter Vorlage einer Kopie der gegenständlichen Wagenanforderung mit, dass nach deren Unterlagen die Berufungswerberin Fahrerin des gegenständlichen Fahrzeuges gewesen sei. In weiterer Folge wurde sodann, wie erwähnt, durch die Berufungsbehörde eine Berufungsverhandlung anberaumt, zu der jedoch keiner der geladenen Personen erschienen ist.

Die Berufungsbehörde hat beweiswürdigend sowie in rechtlicher Hinsicht wie folgt erwogen:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Gemäß § 18 Abs 1 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird. Aus der Mitteilung der Zulassungsbesitzerin hat sich einwandfrei ergeben, dass das verfahrensgegenständliche Fahrzeug zwischen dem 23.12.1998 und 4.1.1999 der Berufungswerberin übergeben wurde und aus dieser Wagenanforderung lediglich sie als Lenkerin hervorgeht. Somit trifft wohl die Berufungswerberin die Hauptbeweispflicht, sollte sie, wie in ihrer wechselnden Verantwortung angegeben, das Fahrzeug tatsächlich selber in diesem Zeitraum weitergegeben haben. Zunächst führt sie in ihrem Einspruch vom 12.4.1999 an, dass sie sich dunkel zu erinnern glaube, dass möglicherweise ein Mann gefahren sei. In ihrer Berufung gegen den angefochtenen Bescheid macht sie nunmehr zwei Personen namhaft, die das gegenständliche Fahrzeug auch im Besitz gehabt hätten. Weiters glaube sie sich erinnern zu können, dass möglicherweise eine männliche Person das Fahrzeug zur Tatzeit gelenkt habe.

Im letzten Schriftsatz vom 2.5.2000 vor der anberaumten Berufungsverhandlung teilte die Berufungswerberin nunmehr mit, dass sie das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt nicht gelenkt habe, vielmehr habe eine männliche Person dieses Fahrzeug gelenkt. Dieser sich im Laufe des Verfahrens ändernden Berufungsverantwortung kommt insoferne keine derartige Beweiskraft zu, dass die Berufungsbehörde davon ausgehen hätte können, eine andere möglicherweise männliche Person, habe das gegenständliche Fahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt. Vielmehr hat es die Berufungswerberin in ihren ersten Verantwortungsschritten selbst nicht ausgeschlossen, dass sie selbst auch das Fahrzeug gelenkt habe und erst im Laufe des weiter geführten Verfahrens ihre Verantwortung immer weiter aufweichte, wonach sie angab, sich dunkel daran erinnern zu können, dass möglicherweise ein Mann gefahren sei und später in ihrem letzten Schreiben vom 2.5.2000 mitteilte, dass sie nun offenbar sicher sei, das Fahrzeug nicht gelenkt zu haben. Vielmehr habe eine männliche Person den Personenkraftwagen gelenkt. Diese Verantwortung erscheint im Sinne des Umstandes, dass sie als im gegenständlichen Verfahren hauptbeweispflichtig anzusehen ist, zu unkonkret und kann für die Berufungsbehörde insoferne keine weitere Ermittlungspflicht im Sinne von einzuholenden Erkundigungsbeweisen auslösen. Im Übrigen ist sie auch zur anberaumten Berufungsverhandlung nicht erschienen, wobei sie selbst anführte, dass die persönliche Wahrnehmung des Termines in Graz in keiner Relation zur Bedeutung des Vorganges stünde, woraus auch zu ersehen ist, dass ihr an der tatsächlichen Aufklärung nicht mit letzter Konsequenz gelegen zu sein scheint.

Demgegenüber ist die Berufungsbehörde ihrer in den Verfahrensrechtsgesetzen verankerten Ermittlungspflicht sehr wohl nachgekommen, weswegen auch in der Annahme, die Berufungswerberin sei beim derzeitigen Stand der Ermittlungen als Lenkerin des gegenständlichen Fahrzeuges anzusehen, keine Rechtswidrigkeit gesehen werden kann. Demgegenüber steht, wie bereits erwähnt, die im Zuge des Verfahrens laufend abgeänderte Verantwortung der Berufungswerberin, der aus diesem Grund kein verfahrensrelevanter Glaubwürdigkeitswert beizumessen war. Sie hat somit die ihr zur Last gelegte Übertretung zu verantworten. Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

§ 18 Abs 1 StVO bestimmt, dass der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten hat, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird. Wie schon die Erstinstanz in der Begründung ihres Straferkenntnisses ausgeführt hat, dient diese Bestimmung der Verkehrssicherheit, zumal vor allem das Nichteinhalten eines entsprechenden Abstandes vom nächsten Fahrzeug zu den häufigsten Verkehrsunfallursachen zu zählen ist.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Demgegenüber war als erschwerend nichts, als mildernd, wie auch bereits von der belangten Behörde, die Unbescholtenheit zu werten. Die ausgesprochene Strafe entspricht bei einem möglichen Strafrahmen von bis zu S 10.000,-- durchaus dem Unrechtsgehalt der Übertretung sowie dem gesetzten Verschulden und wird für erforderlich angesehen, um die Berufungswerberin zumindest in Hinkunft von der Begehung gleichartiger weiterer Übertretungen abzuhalten. Als durchaus grenzüberschreitend bekannt darf angenommen werden, dass es durch

Übertretungen, wie die gegenständliche, zu schweren und schwersten Verkehrsunfällen mit eklatanten Unfallsfolgen kommen kann. Auch aus diesem Grund kann das Verschulden nicht als geringfügig angesehen werden, weshalb die im untersten Bereich bemessene Geldstrafe gerechtfertigt und angepasst erscheint. Da die Berufungswerberin zur anberaumten Berufungsverhandlung nicht erschienen ist, erfolgte eine Einschätzung ihres Einkommens mit einer Höhe von S 20.000,-- monatlich. Wird, wie im vorliegenden Fall, bei der Strafbemessung von einem geschätzten Einkommen ausgegangen, hat es der Berufungswerber seiner unterlassenen Mitwirkung zuzuschreiben, wenn die Behörde bei dieser Einschätzung zu seinem Nachteil Umstände unberücksichtigt gelassen hat, die ihr ohne seine Mitwirkung nicht zur Kenntnis gelangen konnten (VwGH 14.1.1981, 3033/80).

In Anbetracht sämtlicher objektiver und subjektiver Strafbemessungsgründe war somit auf Basis der zitierten gesetzlichen Bestimmungen, wie aus dem Spruch ersichtlich, zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 64 Abs 1 und 2 VStG, wonach als Beitrag für das Verfahren erster Instanz 10 % der verhängten Strafe und für das Berufungsverfahren weitere 20 % der verhängten Strafe zu bemessen sind.

Schlagworte
Sicherheitsabstand hintereinanderfahren Konkretisierung Tatbestandsmerkmal
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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