TE UVS Steiermark 2000/07/06 30.14-64/1999

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Veröffentlicht am 06.07.2000
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Monika Gasser-Steiner über die Berufung des Herrn R S, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 19.7.1999, GZ.: III/S-42139/98, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird die Berufung abgewiesen.

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von S 140,-- (EUR 10,17) binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten.

Text

Mit dem bekämpften Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 19.9.1998, um 15.50 Uhr, in Graz 4, Südtiroler Platz, Höhe Haus Nr. 9 als Führer des EGTW Nr. der Linie die Fahrgeschwindigkeit nicht den gegebenen Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen angepasst, wodurch es zu einem Verkehrsunfall gekommen sei. Wegen Übertretung der Rechtsvorschrift des § 20 Abs 1 VStG wurde über den Berufungswerber gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO eine Geldstrafe von S 700,--, bei deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag verhängt und als Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens der Betrag von S 70,-

- vorgeschrieben.

Die belangte Behörde stützte ihren Strafbescheid auf die Anzeige des Verkehrsunfallkommando der Bundespolizeidirektion Graz vom 22.10.1998, sowie auf das von ihr durchgeführte Ermittlungsverfahren. Demnach habe der Berufungswerber bei der gegenständlichen Fahrt einen vor ihm fahrenden Radfahrer mit dem von ihm gelenkten Triebwagen angefahren, als der Radfahrer seine Fahrgeschwindigkeit vermindert habe. Der Radfahrer sei zu Sturz gekommen und sei leicht verletzt worden. An beiden beteiligten Fahrzeugen sei Sachschaden entstanden (Anzeige Seite 2).

Im fristgerecht erhobenen Rechtsmittel führte der Berufungswerber im Wesentlichen aus, ihn treffe an dem gegenständlichen Verkehrsunfall kein Verschulden. Er sei mit dem EGTW an die Geleise gebunden und dem gemäß in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Er sei in Schrittgeschwindigkeit hinter dem Radfahrer nachgefahren, der dann plötzlich ohne ersichtlichen Grund das Fahrrad abgebremst habe. Er habe einfach nicht anders reagieren können. Er sei dies sein erster Verkehrsunfall mit Personenschaden. Der Berufungswerber ersuchte, das Verfahren gegen ihn einzustellen bzw. von einer Bestrafung abzusehen. Am 5. Juli 2000 hat vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat eine mündliche Verhandlung unter Mitwirkung des Berufungswerbers stattgefunden, in der Herr H K (Radfahrer), Herr C M und Herr J R (beide Augenzeugen des Vorfalls) zur Sache befragt worden sind.

Auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens werden folgende Feststellungen getroffen:

Der Südtiroler Platz in Graz ist eine Fußgängerzone, die nur von Radfahrern und Straßenbahnen befahren wird. Straßenbahnen haben den Südtiroler Platz mit einer maximalen Fahrgeschwindigkeit von 20 km/h zu durchfahren. Für Radfahrer existiert keine eigene Verkehrsfläche, sodass diese den Gleiskörper der Schienenfahrzeuge als Fahrbahn zu benutzen haben. Die Gleiskörper werden an beiden Seiten von Häuserreihen, denen auch Gastgärten von Lokalen vorgelagert sind, gesäumt. In lockeren Abständen sind entlang des Gleiskörpers Beleuchtungsmasten aufgestellt. In Fahrtrichtung Osten (stadteinwärts) befindet sich am Ausgang des Südtiroler Platzes rechter Hand die Straßenbahnhaltestelle "Südtiroler Platz". Am 19.9.1998, gegen 15.50 Uhr ereignete sich am Südtiroler Platz, Höhe Haus Nr. 9 (Mooren-Apotheke) am südlichen Gleiskörper ein Verkehrsunfall, an dem der Berufungswerber als Lenker des EGTW Nr. und Herr H K als Lenker eines Fahrrades beteiligt waren. Der Berufungswerber wurde erstmals auf den Radfahrer aufmerksam, als dieser auf Höhe des Schuhhauses Baumgartner (Beginn des Südtiroler Platzes in Fahrtrichtung des Berufungswerbers) am Gleiskörper stehen blieb, um zwei älteren Damen, die aus einer Seitengasse auf die Fußgängerzone stießen, eine Querung der Fahrbahn zu ermöglichen. Der Berufungswerber musste sein Schienenfahrzeug abbremsen und kurz zum Stillstand bringen. Nachdem der Radfahrer seine Fahrt am Gleiskörper stadteinwärts fortsetzte, folgte ihm der Berufungswerber mit dem EGTW mit einem Abstand von etwa 2 bis 3 Metern und einer Geschwindigkeit von 15 bis 20 km/h, die auch der Radfahrer einhielt. Bis zur späteren Unfallstelle - zwischen dem Schuhhaus Baumgartner und der Mooren-Apotheke liegen etwa 70 Meter - gab der Berufungswerber mehrmals Streckenwarnsignale ab, um den Radfahrer zum Verlassen des Gleiskörpers zu bewegen. Der Radfahrer verstand das Läuten so, dass etwas an seinem Fahrrad auffällig sein müsse, möglicherweise etwas von seinem Rad herunterhänge. Nachdem das Läuten nicht aufhörte, verminderte der Radfahrer seine Fahrgeschwindigkeit. Als er gerade im Begriffe war, sein Fahrrad auf Höhe der späteren Unfallstelle rechts auszulenken und stehenzubleiben - der Radfahrer hatte schon einen Fuß am Boden zum Abtippen - wurde sein Hinterrad vom Schienenfahrzeug erfasst. Herr K erlitt beim anschließenden Sturz Hautabschürfungen und Prellungen. An beiden beteiligten Fahrzeugen entstand Sachschaden.

Zur Beweiswürdigung: Die Feststellungen zu den örtlichen Verhältnissen waren den Lichtbildern im erstinstanzlichen Akt zu entnehmen; jene zum Geschehen vor dem Verkehrsunfall gründen sich auf die Angaben der späteren Unfallsbeteiligten, die sich inhaltlich im Wesentlichen decken. Die Feststellungen zum Unfallshergang stützen sich auf Schilderungen des unbeteiligten Augenzeugen C M, der sehr glaubhaft und gut nachvollziehbar das von ihm beobachtete Geschehen beschrieb, welches sich unmittelbar vor seinen Augen abspielte. Die Aussagen des Zeugen J R waren nicht beweisbildend, weil dieser gleich zu Beginn seiner Einvernahme den Eindruck erweckte, zur Sachverhaltsermittlung nichts mehr beitragen zu können. So war dem Zeugen nicht mehr erinnerlich, aus welcher Richtung die Straßenbahn gekommen sei. Der Zeuge wollte weiters den Radfahrer vor dem Unfall etwa auf Höhe der Fa. Anker auf den Gleisen fahren gesehen haben, an einer Stelle, die erst nach der späteren Unfallstelle stadteinwärts gelegen ist.

Zur rechtlichen Beurteilung ist Folgendes auszuführen:

Gemäß § 20 Abs 1 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen,

insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Bei der Wahl der Geschwindigkeit ist auf die konkreten Umstände abzustellen.

Im vorliegenden Fall durchfuhr der Berufungswerber mit seinem EGTW eine Fußgängerzone im Stadtzentrum von Graz, die auch von Radfahrern befahren werden darf. Demnach hatte sich der Berufungswerber bei der Wahl der Geschwindigkeit auf eine verkehrsberuhigte Zone im Stadtgebiet mit Fußgänger- und Radfahrerbeteiligung einzustellen, bremsbereit zu fahren und dabei die ihm vorgegebene Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h einzuhalten. Das Fahrverhalten des vor ihm fahrenden Radfahrers war für den Berufungswerber - wie er sagte - nicht ganz einschätzbar. Die von ihm tatsächlich eingehaltene Geschwindigkeit hat aber weder den umschriebenen Verkehrsverhältnissen (Ortsgebiet, Fußgängerzone, Radfahrer, dessen Fahrverhalten für den Berufungswerber nicht zur Gänze einschätzbar war) noch den Eigenschaften des Schienenfahrzeuges (insbesondere längerer Bremsweg) entsprochen: Der Berufungswerber ist dem Radfahrer mit dem Schienenfahrzeug ohne Bremsbereitschaft und unter ständiger Abgabe von Streckenwarnsignalen mit einem Abstand von nur wenigen Metern gefolgt. Diese Fahrweise war nicht nur situationsinadäquat, sondern ist auch nachträglich betrachtet unverständlich, zumal der Radfahrer ohnehin eine Geschwindigkeit an der Grenze der für Straßenbahnen dort geltenden Maximalgeschwindigkeit einhielt und die nächste vom Berufungswerber anzufahrende Haltestelle der Straßenbahn wenige Meter von der späteren Unfallstelle entfernt lag. Der erfolgte Zusammenstoß ist zum einen auf eine Reaktionsverspätung des Berufungswerbers - dieser hat offenbar das Langsamerwerden des Radfahrers nicht bemerkt - und zum anderen auf die der Eigenschaft des Schienenfahrzeuges nicht angemessenen Wahl der Geschwindigkeit zurückzuführen. Der Berufungswerber hätte somit eine Geschwindigkeit wählen müssen, die es ihm ermöglicht hätte, das Schienenfahrzeug nach Erkennen der Gefahrensituation (Radfahrer vermindert seine Fahrgeschwindigkeit, um stehen zu bleiben) noch rechtzeitig anhalten zu können. Daran vermag auch die für andere Straßenbenützer geltende Verpflichtung gemäß § 28 Abs 2 StVO, die Gleise jedenfalls so rasch wie möglich zu verlassen, um einem Schienenfahrzeug Platz zu machen, nichts ändern. Diese Räumungsverpflichtung kann nur dann entstehen, wenn die örtlichen Verhältnisse ein gefahrloses Verlassen des Gleiskörpers zulassen, was im gegenständlichen Fall über die Nachfahrstrecke von etwa 70 Metern hin aufgrund der dortigen Gegebenheiten (Gehsteigkanten, Gastgärten, Beleuchtungsmasten, Fußgänger) eher zweifelhaft erscheint. Ob der Radfahrer dieser Räumungsverpflichtung zuwider gehandelt hat, war allerdings nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Zusammengefasst: Die belangte Behörde hat den Berufungswerber - und hier wird auf die obigen Ausführungen

verwiesen - zu Recht eine Übertretung des § 20 Abs 1 StVO

vorgehalten.

Zur Strafbemessung ist auszuführen:

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Die vom Berufungswerber übertretene Bestimmung der StVO verfolgt gerade den Zweck, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen und Verkehrsunfälle zu vermeiden. Dadurch, dass der Berufungswerber eine nicht den Verkehrsverhältnissen und Fahrzeugeigenschaften angepasste Geschwindigkeit gewählt hat, hat er einen Unfall verursacht und damit gerade jenen Nachteil verwirklicht , der durch die Einhaltung des § 20 Abs 1 StVO vermieden werden soll.

§ 19 Abs 2 VStG normiert, dass bei der Bemessung der Strafhöhe nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommende Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen sind, wobei auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen ist. Im Verfahren ist deutlich hervorgekommen, dass sich der Berufungswerber über den am Schienenkörper weiterfahrenden Radfahrer geärgert und sich zu einem die Aufmerksamkeit herabsetzenden Fahrverhalten hinreißen ließ. Der Berufungswerber hat Streckenwarnsignale abgegeben, obwohl vom Radfahrer für den Straßenbahnzug keine erkennbare Gefahr ausging. Gerade durch das insistierende Klingeln

eingeleitet, zu deren Bewältigung letztendlich eine vorsichtigere - langsamere - Fahrweise vonnöten gewesen wäre. In diesem Sinne hat der Berufungswerber grob fahrlässig gehandelt.

Als Milderungsgrund ist die bisherige Unbescholtenheit des Berufungswerbers anzuführen; straferschwerend wirken die Folgen der Tat. Die von der belangten Behörde vorgenommene Strafbemessung entspricht jedenfalls den zitierten Zumessungskriterien, die auch ein höheres Strafausmaß rechtfertigten würden. Das von der belangten Behörde als Milderungsgrund angeführte "Mitverschulden des Radfahrers am Zustandekommen des Unfalles" kann nicht ohne weiteres angenommen werden. Weder liegen entsprechende

Beweisergebnisse hiefür vor, noch hatte die belangte Behörde in diesem Verfahren derartige Feststellungen zu treffen. Die persönlichen Verhältnisse des Berufungswerbers (verheiratet, ca. S monatlich an Einkommen, Einfamilienhaus zur Hälfte, keine Sorgepflichten, keine Belastungen) wurden bei der Strafbemessung ausreichend berücksichtigt. Das Absehen von einer Bestrafung kam nicht in Betracht, weil hiefür die gesetzlichen Voraussetzungen des § 21 VStG nicht vorliegen. Weder ist das Verschulden des Berufungswerbers am Zustandekommen der Übertretung als gering zu achten, noch sind die Folgen der Tat unbedeutend. Mit der Verhängung einer Strafe soll dem Berufungswerber unmissverständlich vor Augen geführt werden, dass es nicht genügt, sich auf die Bestimmung des § 28 Abs 2 StVO (Räumungsverpflichtung anderer Straßenbenützer gegenüber Schienenfahrzeugen) zu verlassen, sondern dass die eigene Fahrgeschwindigkeit den jeweiligen Verkehrserfordernissen und Örtlichkeiten anzupassen ist. Die Bemessung des Kostenbeitrages des Verwaltungsstrafverfahrens zweiter Instanz ergibt sich aus § 64 Abs 1 und 2 VStG, wonach im Fall der vollinhaltlichen Bestätigung des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz durch die Berufungsbehörde dieser Betrag mit 20 % der verhängten Strafe festzusetzen ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Fahrgeschwindigkeit Schienenfahrzeug
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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