TE UVS Steiermark 2000/08/16 30.12-42/2000

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Veröffentlicht am 16.08.2000
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Wigbert Hütter über die Berufung des Herrn E G, vertreten durch Dr. E B, Dr. P Z, Rechtsanwälte in B, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leoben vom 4. April 2000, GZ.: 15.1 98/1337, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird die Berufung mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Ersatzfreiheitsstrafe nach § 16 VStG auf 2 Stunden herabgesetzt wird.

Der Spruch des Straferkenntnisses wird in der Sachverhaltsumschreibung neu gefasst und hat zu lauten:

Herr E G, K ist schuldig, als handelsrechtlicher Geschäftsführer der H-M F-Gesellschaft mbH mit Sitz in K nicht dafür gesorgt zu haben, dass bei der verpackten Ware "Sungold-Delikatess-Gurken" das Ursprungsland Kroatien gekennzeichnet war. Die Ware wurde am 23.10.1987 im Werk W, W durch Lagern in Verkehr gebracht und war für den Letztverbraucher bestimmt."

Die verletzte Rechtsvorschrift lautet: § 4 Z 2 Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 - LMKV 1993 Weiters wird ausgesprochen, dass die Geldstrafe nach § 74 Abs 5 Z 2 Lebensmittelgesetz - LMG und die Ersatzfreiheitsstrafe nach § 16 VStG verhängt wurde.

Der übrige Spruch bleibt unverändert.

Text

Die Bezirkshauptmannschaft Leoben warf dem nunmehrigen Berufungswerber mit Straferkenntnis Folgendes vor:

1. Sie haben als der zur Verantwortung nach außen Berufene und somit im Sinne des § 9 VStG strafrechtlich Verantwortliche der Fa. H-M F GesmbH. mit Sitz in K - diese ist Importeur der verpackten Ware "Sungold-Delikatess-Gurken" (Ursprungsland Kroatien) nicht dafür gesorgt, dass bei der angeführten Ware die Bestimmungen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung iVm. dem Lebensmittelgesetz eingehalten wurden.

Die Ware war zur Auslieferung an die Fa. A T bestimmt und wurde somit in Verkehr gebracht.

Am 23.10.1997 wurde im o.e. Betrieb eine Probe dieser Ware entnommen.

Die B Graz stelle folgende Kennzeichnungsmangel fest:

Wie aus dem Probenbegleitschein hervorgeht wird die vorliegende Warenprobe in Kroatien erzeugt.

Gem. LMKV 1993 § 4 (2) ist bei ausländischen, nicht aus einem EWR-Mitgliedstaat importierten Waren, das Ursprungsland anzugeben.

Die Angaben des Ursprungslandes fehlt bei der vorliegenden Probe.

Die Kennzeichnung der Probe entspricht daher nicht den Bestimmungen der LMKV 1993.

2. Gem. § 45 Abs 2 Lebensmittelgesetz haben Sie die Untersuchungskosten von S 650,-- zu ersetzen."

Dadurch sei § 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975 iVm § 19 Abs 1 LMG 1975 iVm § 4 Abs 2 LMKV 1993 verletzt worden.

Weiters wurde dem Berufungswerber nach § 45 Abs 2 LMG der Ersatz der Untersuchungskosten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Höhe von S 650,-- auferlegt. Der Beschuldigte berief und wendete Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens ein:

Die Ausführungen der Beschuldigtenvertreter seien ignoriert worden, auf das Vorbringen, dass für Kennzeichnungsfragen der Prokurist W J zuständig sei, sei nicht eingegangen worden. Unter "Unrichtige Rechtsansicht" kritisierte der Berufungswerber, die erste Instanz ignoriere das Gemeinschaftsrecht, die Bestimmung des "§ 4 Abs 2 Z 3 LMKV" widerspreche Gemeinschaftsrecht und eine Bestrafung nach dieser Bestimmung sei daher nicht zulässig.

Wenn die LMKV die Kennzeichnung des Ursprungslandes verlange, sei die Frage der Gemeinschaftsrechtskonformität dieser Verordnung eine Rechtsfrage, eine mündliche Verhandlung zur Beweisaufnahme sei nicht nötig. Es werde aber angeregt, ein Vorabentscheidungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof nach Art. 234 EG-Vertrag in die Wege zu leiten.

Gleichzeitig werde eine Kopie der Vereinbarung vom 30.12.1991 vorgelegt, aus der sich ergebe, dass W J für die Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften im Zusammenhang mit der Funktion (Produktion), wozu zweifellos auch die Kennzeichnung der Produkte gehöre verantwortlich sei. Weiters wurde beantragt, der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark gelangt zu folgenden Feststellungen:

Der Berufungswerber ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der H-M F-Gesellschaft mbH mit Sitz in K. Zur Gesellschaft gehört auch das Werk W, W. Dort wurden am 23.10.1997 in der Lagerhalle etwa 827.000 Gläser Sungold-Delikatess-Gurken gelagert, die zur Auslieferung an das A-Zentrallager bestimmt waren. Die Gurken waren in Kroatien abgefüllt und nach Österreich importiert worden. Auf dem Etikett der Gurkengläser war das Ursprungsland Kroatien nicht angegeben.

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Firmenbuchauszug, dem Probenbegleitschreiben vom 23.10.1997 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, Fachabteilung für das Gesundheitswesen und dem amtlichen Untersuchungszeugnis der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Graz (BALMU) vom 14. November 1997, UZ 5819/97.

Rechtliche Beurteilung:

§ 4 LMKV:

Verpackte Waren sind wie folgt zu kennzeichnen, sofern die §§ 5

bis 7 nicht anderes bestimmen:

(1) ..

(2) Der Name (Firma oder Firmenschlagwort) und die Anschrift der erzeugenden oder verpackenden Unternehmung oder eines in einem EWR-Mitgliedsstaat niedergelassenen Verkäufers; den Ursprungs- oder Herkunftsort, falls ohne diese Angabe ein Irrtum des Verbrauchers über die tatsächliche mögliche Herkunft möglich wäre. Bei ausländischen - nicht aus einem EWR-Mitgliedsstaat importierten Waren - ist jedenfalls das Ursprungsland anzugeben;

(3) - (10) ..."

Der Berufungswerber brachte am 23.10.1997 im Werk W ca. 827.000 Gläser Sungold-Delikatess-Gurken durch Lagern in der Lagerhalle in Verkehr, wobei die Etiketten auf den Gläsern das Herkunftsland der Gurken Kroatien nicht aufwiesen. Dies bildet einen Verstoß gegen § 4 Z 2 LMKV.

Zum Einwand des Berufungswerbers § 4 Z 2 LMKV widerspreche der EG-Etikettierungsrichtlinie, ist Folgendes auszuführen:

Nach Art. 3 Abs 1 der Richtlinie 79/112/EWG enthält die Etikettierung der Lebensmittel nach Maßgabe der Art. 4 bis 14 und vorbehaltlich der dort vorgesehenen Ausnahmen nur die in den Ziffern 1 - 9 genannten zwingenden Angaben, darunter nach Ziffer 7 "den Ursprungs- oder Herkunftsort, falls ohne diese Angabe ein Irrtum des Verbrauchers über den tatsächlichen Ursprung oder die wahre Herkunft des Lebensmittels möglich wäre."

Der Bundesgesetzgeber hat sich zur Umsetzung dieser Bestimmung entschlossen, die Regelung des § 4 Z 2 LMKV 1993 zu treffen, die LMKV stellt daher die Umsetzung der Etikettierungsrichtlinie dar (VwGH 97/10/0196 vom 26.1.1998). Dies unabhängig davon, dass der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates eine vergleichbare Umsetzung der Etikettierungsrichtlinie für die BRD abgelehnt hat. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark teilt nicht die Bedenken des Berufungswerbers, § 4 Z 2 LMKV widerspreche der Etikettierungsrichtlinie, wie er dies insbesondere in seiner Äußerung vom 4.8.1998 im erstinstanzlichen Verfahren näher ausführte. Nach Art. 3 Abs 1 Z 7 Etikettierungsrichtlinie ist unter der dort genannten Voraussetzung der Ursprungs- oder Herkunftsort zwingend anzugeben. Wenn es auf dem Etikett heißt Vertrieb: A Österreich Handels AG 1120 Wien, Österreich nicht erkennbar, dass die Gurken aus dem Ausland importiert wurden; ein Verbraucher könnte daher über den tatsächlichen Ursprungsort Kroatien in Irrtum geführt werden.

Der Berufungswerber bestritt aber auch seine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit und behauptete, die erste Instanz habe sein Vorbringen ignoriert, dass W J zum verantwortlichen Beauftragten bestellt worden sei. Es ist zwar richtig, dass er dies bereits in erster Instanz geltend machte, mit Schreiben vom 22. April 1998 wurde er aber von der Bezirksverwaltungsbehörde aufgefordert, eine entsprechende Urkunde mit der Zustimmungserklärung des Herrn J an die erste Instanz zu schicken. Es ist richtig, dass die belangte Behörde in der Begründung des Straferkenntnisses auf dieses Vorbringen nicht eingegangen ist, allerdings hat es der Berufungswerber auch versäumt, die Zustimmungserklärung an die Behörde zu schicken und hat dies erst im Berufungsverfahren nachgeholt.

Die Vereinbarung vom 30.12.1991 lautet wie folgt:

Vereinbarung

zwischen der H M, F-GmbH und Herrn Prokurist W J.

Herr Prok. W J, geb. am, wohnhaft in T

ist als Gesamtleiter der Produktion für folgende Bereiche

verantwortlich:

Produktionstechn. Oberleitung und Organisation

Personaleinstellung

Einhaltung des LMG

Oberleitung des Einkaufs (Qualität)

Techn. Investitionsplanung

Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften im Zusammenhang mit

Funktion (Produktion)

Kontrolle der Betriebsleiter der Werke Kammern und Weitendorf Herr Prok. W J nimmt seine Bestellung und die Verantwortung, die Firma auch nach außen hin zu vertreten, zustimmend zur Kenntnis."

Darunter befindet sich eine Unterschrift und darunter das Wort

Unterschrift

In der Berufung heißt es, dass die Kennzeichnung der Produkte zur Produktion gehöre und W J für die Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften in Zusammenhang mit der Produktion verpflichtet sei. Dies ist unrichtig: Die Delikatess-Gurken wurden nicht im Werk W erzeugt, sondern in Kroatien und von dort nach Österreich importiert. Dass W J auch für die Kennzeichnung von importierten Waren zuständig sei, geht aus der Vereinbarung nicht hervor. Darüber hinaus ist der Behörde mit dem Zustimmungsnachweis auch die Anordnungsbefugnis

nachzuweisen (VwGH 95/07/0095 vom 14.12.1995). Über eine Anordnungsbefugnis sagt aber die Vereinbarung vom 30.12.1991 nichts aus. Die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit für die Einhaltung der LMKV verblieb somit beim handelsrechtlichen Geschäftsführer.

Der Spruch des Straferkenntnisses war aus folgenden Gründen neu zu fassen:

Ein Zuwiderhandeln gegen die Kennzeichnungspflichten der LMKV stellt ein Unterlassungsdelikt dar. Ein solches Delikt wird zu der Zeit und an dem Ort begangen, zu der und an dem der Täter hätte handeln sollen. Tatort ist in diesem Fall der Sitz der H M F-GmbH in K, wie dies im Straferkenntnis richtig ausgeführt ist. Der Satz

Die Ware war zur Auslieferung an die Fa. A T bestimmt und wurde somit in Verkehr gebracht" hingegen ist insofern unrichtig, als das Bestimmen einer Ware zur Auslieferung als eine Form des Inverkehrsbringens dargestellt wird, sich eine solche Form des Inverkehrbringens aber dem § 1 LMG nicht entnehmen lässt. Als relevante Tathandlung war vielmehr das Lagern der Ware in der Lagerhalle anzuführen. Irrelevant und unrichtig ist auch der Satz, dass am 23.10.1997 "im o.e. Betrieb" eine Probe der Ware entnommen worden sei - die Entnahme einer Warenprobe sagt über das Inverkehrbringen nichts aus, darüber hinaus wurde die Ware nicht im "o.e. Betrieb" entnommen, denn das wäre der Sitz der Firma in K gewesen, sondern die Probe wurde im Werk W gezogen.

Dass die Ware im Werk W gelagert war und dort am 23.10.1997 in Verkehr gebracht wurde, ist dem Probenbegleitschreiben vom 23.10.1997 zu entnehmen, das von der Akteneinsicht des Vertreters des Berufungswerbers am 24.7.1998 umfasst war, weshalb innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist diesbezüglich eine ausreichende Verfolgungshandlung gesetzt wurde.

Strafbemessung:

Nach § 74 Abs 5 Z 2 LMG macht sich einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen, wer den Bestimmungen einer auf Grund der §§ 15 Abs 7 oder 8 lit a oder b, 19 oder 31 Abs 1 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt, sofern die Tat nicht nach den §§ 56 bis 64 oder nach anderen Bestimmungen einer strengeren Strafe unterliegt. Die LMKV wurde unter anderem auf Grund des § 19 Abs 1 LMG erlassen.

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Die Verletzung des Schutzzweckes besteht darin, dass Verbraucher durch das fehlende Kennzeichnungselement über den Herkunftsort irre geführt werden konnten, dies bei einer großen Anzahl von Waren.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Erschwerend ist nichts, mildernd die Unbescholtenheit. Zum Verschulden ist auszuführen, dass der Beschuldigte nicht geltend gemacht hat, dass er Maßnahmen getroffen hat, die Einhaltung des § 4 Z 2 LMG sicherzustellen, er hat daher im Sinne des § 5 Abs 1 VStG Fahrlässigkeit zu verantworten. Zu den Einkommens- , Vermögens- und Familienverhältnissen liegen keine Angaben vor. Es ist anzunehmen, dass der Beschuldigte als handelsrechtlicher Geschäftsführer zumindest ein durchschnittliches Einkommen hat.

Die belangte Behörde setzte bei einem Strafrahmen bis zu S 50.000,-- die Geldstrafe in einem äußerst niedrigem Ausmaß fest, eine Rechtswidrigkeit zu Lasten des Beschuldigten ist darin nicht zu erkennen.

Nach § 16 VStG ist die Ersatzfreiheitsstrafe ebenso nach den Grundsätzen der Strafbemessung festzusetzen, sofern die Strafbestimmung keine Freiheitsstrafe vorsieht, beträgt das Höchstmaß 14 Tage. Dies bedeutet, dass eine Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Stunden dem § 16 VStG nicht entspricht, da § 74 Abs 5 LMG keine Freiheitsstrafe vorsieht. Sie war auf 2 Stunden herabzusetzen. Dadurch entfällt ein Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren.

Die Vorschreibung der Untersuchungskosten der BALMU im Betrag von S 650,-- stützt sich auf § 45 Abs 2 zweiter Satz LMG. Die Berufung ist daher abzuweisen.

Schlagworte
Kennzeichnung Ursprungsland verantwortlich Beauftragter Bestellungsurkunde Leiter Produktion Inverkehrbringen Auslieferung lagern Tatzeit Unterlassungsdelikt
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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