TE Vfgh Beschluss 1998/12/1 G289/97

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Veröffentlicht am 01.12.1998
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/02 Kraftfahrgesetz 1967, Führerscheingesetz

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
KFG 1967 §66
KFG 1967 §73

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des KFG 1967 betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung mangels Legitimation infolge Anhängigkeit eines - Gelegenheit zur Anregung einer Gesetzesprüfung bietenden - Beschwerdeverfahrens

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 25. Juli 1997 wurde über den nunmehrigen Antragsteller eine Geldstrafe von S 7.000,-, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Tagen verhängt, weil er mit einem Motorrad am 11. Oktober 1996 um 16.10 Uhr auf der Kobernaußer Landesstraße in Fahrtrichtung Höcken bei Strkm 6,976 im Ortschaftsbereich Hocheck, Gemeinde Pöndorf, die auf Freilandstraßen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 77 km/h überschritten hatte.

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich bestätigte mit Erkenntnis vom 20. März 1998 das erstinstanzliche Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 25. Juli 1997 in der Schuldfrage und setzte die verhängte Geldstrafe auf S 5.000,- herab. Das Verwaltungsstrafverfahren ist rechtskräftig abgeschlossen.

1.2. Mit dem beim Verfassungsgerichtshof am 21. April 1997 eingelangten Antrag begehrt der Einschreiter die gänzliche bzw. teilweise Aufhebung des §66 Abs2 liti KFG 1967 sowie des §73 Abs3 KFG 1967, jeweils idF der 18. KFG-Novelle, BGBl. 1995/162, als verfassungswidrig.

Die Bundesregierung bestreitet in einer Äußerung die Zulässigkeit des Antrages und verteidigt die Verfassungsmäßigkeit der genannten Bestimmungen.

1.3. Der Landeshauptmann von Oberösterreich wies mit Bescheid vom 7. Mai 1998 die Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 6. August 1997, mit welchem dem nunmehrigen Antragsteller die Lenkerberechtigung für die Gruppen A, B und F wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit vorübergehend entzogen und gleichzeitig ausgesprochen wurde, daß ihm für die Dauer von zwei Wochen, vom 1. August 1997 bis 15. August 1997, keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe, sowie einer allfälligen Berufung gemäß §64 Abs2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, als unbegründet ab.

Dagegen richtet sich die zu B946/98 protokollierte, am 19. Mai 1998 beim Verfassungsgerichtshof eingelangte Beschwerde, in der neuerlich die gänzliche bzw. teilweise Verfassungswidrigkeit des §66 Abs2 liti KFG 1967 und des §73 Abs3 KFG 1967, jeweils idF der 18. KFG-Novelle, BGBl. 1995/162, releviert wird.

2. Über die Zulässigkeit des Antrages nach Art140 Abs1 B-VG wurde erwogen:

2.1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die "Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist; ...".

2.2.1. Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur - beginnend mit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 - ausführte, erfordert die Antragslegitimation nicht nur, daß die antragstellende Partei behauptet, unmittelbar durch die als verfassungswidrig angefochtene Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sondern auch, daß dieses Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation bildet dabei der Umstand, daß das angefochtene Gesetz die Rechtssphäre der betreffenden Person berührt und - im Falle der Verfassungswidrigkeit - verletzt. Jedoch nicht jedem Normadressaten kommt die Anfechtungsberechtigung zu; es ist vielmehr auch notwendig, daß unmittelbar durch das Gesetz selbst - tatsächlich - in die Rechtssphäre des Antragstellers eingegriffen wird. Ein solcher, die Antragslegitimation begründender Eingriff in die Rechtssphäre einer Person muß jedenfalls nach Art und Ausmaß durch das Gesetz eindeutig bestimmt sein und die rechtlich geschützten Interessen des Betroffenen nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigen. Ein derartiger "unmittelbarer" Eingriff fehlt dann, wenn dem Antragsteller zur Abwehr der - ihm durch die angebliche Verfassungswidrigkeit des angefochtenen Gesetzes entstandenen - Rechtsverletzung ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung steht. Dazu legte der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt dar (vgl. etwa VfSlg. 8890/1980, 11505/1987, 11684/1988, 14672/1996), daß das mit Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen Normunterworfenen eingeräumte Rechtsinstrument dafür bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen - gleichsam lückenschließend - nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht in Betracht kommt; allenfalls gelangte man zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit der grundsätzlichen Aufgabe des Individualantrages, bloß subsidiärer Rechtsbehelf zu sein, keineswegs im Einklang stünde.

2.2.2. Ein solcher - die Antragslegitimation ausschließender - zumutbarer Weg besteht grundsätzlich dann, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren bereits anhängig ist, das dem von der generellen Rechtsnorm Betroffenen letztlich Gelegenheit bietet, die Einleitung eines amtswegigen Normenprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof anzuregen; eine Ausnahme besteht nur für den Fall, daß besondere, außergewöhnliche Umstände vorliegen, um der Partei des gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahrens trotz der ihr dort offenstehenden Möglichkeit das Recht auf Einbringung eines Normenprüfungsantrages einzuräumen (vgl. etwa VfSlg. 8312/1978, 8552/1979, 10251/1984, 11684/1988). Ist aber ein Verfahren über die Entziehung der Lenkerberechtigung anhängig, so muß es dem Beschuldigten durchaus zugemutet werden, den administrativen Instanzenzug auszuschöpfen und sodann beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde nach Art144 B-VG zu erheben und darin seine Bedenken gegen die generelle Norm vorzubringen.

2.3. Der Antragsteller machte - nach Ausschöpfung des administrativen Instanzenzuges - mit der beim Verfassungsgerichtshof zu B946/98 protokollierten Beschwerde seine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der genannten Bestimmungen geltend. Damit aber erweist sich der vorliegende (Individual-)Antrag als unzulässig.

Der Antrag war daher zurückzuweisen.

3. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Kraftfahrrecht, Lenkerberechtigung, Führerschein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:G289.1997

Dokumentnummer

JFT_10018799_97G00289_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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