TE UVS Steiermark 2000/11/29 20.3-34/2000

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Veröffentlicht am 29.11.2000
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erich Kundegraber über die Beschwerde des W R, vertreten durch Dr. W R, Dr. M R, Mag. G S, Mag. G D, alle Rechtsanwälte in G, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wie folgt entschieden:

Die Anhaltung des Beschwerdeführers am 26. Mai 2000 von 8.30 Uhr bis zirka 9.00 Uhr am Gendarmerieposten L auf Grund eines Vorführungsbefehles der belangten Behörde vom 17. Mai 2000 war rechtswidrig.

Rechtsgrundlagen:

§§ 19 Abs 3, 67a Abs 1 Z 2, 67c Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), §§ 2 Abs 1 und 7 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG).

Die Bezirkshauptmannschaft D hat dem Beschwerdeführer gemäß § 79a AVG in Verbindung mit der Aufwandersatzforderung UVS, BGBl Nr 855/1995, die Kosten des Verfahrens in der Höhe von S 18.800,-- binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Text

I.1. In der Beschwerde vom 5. Mai 2000 wird Nachfolgendes vorgebracht:

Der Beschwerdeführer wurde aufgrund eines Bescheides der BH D, Geschäftszahl 9.25 19/2000 vom 17.05.2000 am 26.05.2000 in Gendarmeriegewahrsam genommen. Dieser Akt der Befehls- und Zwangsgewalt durch die BH D stellt sich als rechtswidrig dar, und fühlt sich der Beschwerdeführer dadurch in seinen Rechten verletzt.

Zum Sachverhalt

Der Beschwerdeführer wurde am 26.05.2000 durch Beamte des Gendarmerieposten L in Gewahrsam genommen, und über mehrere Stunden festgehalten.

Die gegenständliche Vorführung erfolgte offenbar aufgrund eines Vorführungsbefehles der BH D, GZ 9.25 19/2000 vom 17.05.2000. Dieser Vorführungsbefehl ist dem Beschwerdeführer niemals zugestellt worden. Im gegenständlichen Vorführungsbefehl vom 17.05.2000 wird Bezug genommen auf einen Bescheid, GZ 9.25 19/2000 vom 14.04.2000, wodurch der Beschwerdeführer aufgefordert worden sein soll, zur belangten Behörde zu erscheinen.

Auch ein solcher Bescheid ist dem Beschwerdeführer niemals zugestellt worden, und hatte dieser auch keinerlei Kenntnis von einem solchen Verhandlungs- bzw. Vernehmungstermin. Keinesfalls ist davon auszugehen, daß die Voraussetzungen gem. § 19 Abs. 3 AVG erfüllt gewesen sind, zumal der Beschwerdeführer davon ausgeht, daß eine Zustellung der Ladung zu eigenen Handen nicht vorgelegen sein kann. Grund der gegenständlichen verwaltungsbehördlichen Verfügung war, daß der Beschwerdeführer einen Verkehrsunfall erlitten hatte, und aufgrund zu diesem Zeitpunkt fehlender Krankenversicherung Rechnungen von Seiten der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt Graz gestellt wurden. Diese Forderungen von Seiten der AUVA wurden von der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners anerkannt, und nach ihrem Einlangen mit einer gewissen Verzögerung aufgrund Überprüfung der Rechnungen über die rechtsfreundlichen Vertreter des Beschuldigten an die AUVA überwiesen.

Dieser Sachverhalt war sowohl der AUVA, als auch der belangten Behörde bekannt. Dies nicht zuletzt deswegen, als diesbezüglich mit der AUVA laufende Korrespondenz gepflogen wurde. Keinesfalls klar bzw. einsehbar ist für den Beschwerdeführer bis heute der Zweck der Vernehmung bei der BH D. Weder aus dem, dem Beschwerdeführer nunmehr vorliegenden Bescheid der BH D, noch aus irgendeiner sonstigen Korrespondenz in dieser Angelegenheit geht hervor, aufgrund welchen Sachverhaltes bzw. aufgrund welcher gesetzlichen Grundlage der Vorführungsbescheid bzw. die vorausgehende Ladung erlassen wurde bzw. zu welchem Zweck die gegenständliche Einvernahme hätte dienen sollen. Dies insbesondere, zumal die AUVA in jedem Falle über den Fortgang der Angelegenheit informiert war, und in keiner Weise mitgeteilt hat mit der vorgeschlagenen Vorgangsweise nicht einverstanden zu sein.

Faktum ist, daß die belangte Behörde offensichtlich die polizeiliche Vorführung des Beschwerdeführers ohne ausreichende Begründung bzw. wider die gesetzlichen Bestimmungen angeordnet und durchgeführt hat.

Es sei explizit ausgeführt, daß es sich bei der Vorführung und somit Freiheitsentziehung des Beschwerdeführers um einen massiven Eingriff in ein Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers handelt, und wären in diesem Sinne die gesetzlichen wie faktischen Voraussetzungen vor Durchführung der Festnahme besonders genau zu prüfen gewesen. Im gegenständlichen Falle hat die Behörde offensichtlich ohne jegliche Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen die Vorführung veranlaßt, und damit rechtliche Interessen des Beschwerdeführers massiv beeinträchtigt."

Der Beschwerdeführer beantragte weiters eine öffentliche, mündliche Verhandlung durchzuführen, die Einvernahme des Beschwerdeführers, der Beschwerde Folge zu geben und den Verwaltungsakt der belangten Behörde vom 26. Mai 2000 für rechtswidrig zu erklären und stellte den Kostenantrag für Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand.

2. Die Bezirkshauptmannschaft D gab hiezu am 4. August 2000 folgende Stellungnahme ab:

Am 21.12.1999 langte bei der Bezirkshauptmannschaft D ein Schreiben der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, Unfallkrankenhaus Graz, ein mit der Bitte, die Pflegegebühren für den stationären Aufenthalt sowie Ambulanzkosten des Herrn W R zu übernehmen, weil dieser keinen Anspruch auf Leistung durch einen Krankenversicherungsträger habe. Diese Meldung wurde geschäftsordnungsgemäß dem Sozialhilfereferat zur Durchführung eines Verfahrens gemäß § 31 SHG 1998, LGBl. Nr. 29/1998, zugeteilt.

Am 18. Jänner 2000 hat die zuständige Bearbeiterin Anfragen an den Hauptverband der Sozialversicherungsträger gerichtet mit dem Ergebnis, dass Herr W R im relevanten Zeitraum nicht versichert war.

Am 14.4.2000 erging an Herrn W R ein Ladungsbescheid mit dem Auftrag, in Angelegenheit 'Krankenhauskosten und Ambulanzkosten' persönlich am 2.5.2000, 9.00 Uhr, in die Bezirkshauptmannschaft D zu kommen. Bei dieser Ladung wurde das amtliche Formblatt mit der Lagerzahl 2220 verwendet und der Geladene darüber belehrt, dass er im Falle der Nichtbefolgung der Ladung mit der zwangsweisen Vorführung rechnen müsse. Der Ladungsbescheid wurde ihm zu eigenen Handen am 18.4.2000 zugestellt. Herr R hat der Ladung für den 2.5.2000 ohne Angabe von Gründen keine Folge geleistet und ist sohin unentschuldigt ferngeblieben.

Am 17.5.2000 hat die Behörde einen Vorführungsbefehl für den 26.5.2000, 9.00 Uhr, erlassen und an das Gendarmeriepostenkommando L den Auftrag erteilt, Herrn W R eine Ausfertigung zu übergeben und ihn vorzuführen. Der Vorführungsbefehl vom 17.5.2000 wurde mit einem frei formatierten Schriftsatz, jedoch in Anlehnung an die amtlichen Formblätter der Lagerzahlen 2227 und 2228 ausgefertigt. Herr RI H, p.A. GPK L, hat auf Anfrage des Amtes mitgeteilt, dass Herrn R einige Tage vor dem 26.5.2000 eine schriftliche Verständigung des GPK L zugegangen sei, wonach er sich an diesem Tage am Posten einfinden möge. Tatsächlich hat er sich um ca. 08:30 Uhr dort gemeldet. Nach einem Telefongespräch zwischen der zuständigen Bearbeiterin FI M H und dem Rechtsanwalt Dr. M R, worin dieser um die Rücknahme des Vorführungsbefehls gebeten hatte, wurde der Posten in L um ca. 08:55 Uhr benachrichtigt und der Auftrag, Herrn R vorzuführen, bis zur endgültigen Klärung der Sachlage, zurückgenommen. In einem Fax des Rechtsanwaltes um 9:01 hat dieser sein telefonisches Ersuchen schriftlich bestätigt und neuerlich ersucht, Herrn R aus der Gendarmeriegewahrsam zu entlassen.

Zum Zeitpunkt der Erlassung des Ladungsbescheides vom 14.4.2000 und des Vorführungsbefehles am 17.5.2000 hatte die Bezirkshauptmannschaft D keine Kenntnis von der Korrespondenz zwischen Herrn W R bzw. seiner rechtsfreundlichen Vertretung und dem Unfallkrankenhaus Graz. Erst im Zuge eines Telefongespräch zwischen Frau FI H und der Verwaltung des Unfallkrankenhauses Graz am 21.6.2000 wurde bekannt, dass sämtliche Kosten der Unterbringung von W R am 6.6.2000 von der Rechtsanwaltskanzlei Dr. R und P bezahlt wurden."

Zu dem wurde der dortige Verwaltungsakt, GZ.: 9.25 19-00, vorgelegt. Dem Akt ist zu entnehmen ein Schreiben der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, Unfallkrankenhaus Graz vom 21.Dezember 1999, eingelangt bei der Bezirkshauptmannschaft D am 23. Dezember 1999, worin der Antrag auf Erstattung der Pflegegebühren gemäß § 31 Steiermärkisches Sozialhilfegesetz wegen Kosten für den Beschwerdeführer gestellt wurde. Hiezu wurde eine Kostenaufstellung, sowie der Grund der Einlieferung in das Unfallkrankenhaus (Verkehrsunfall am 14. Dezember 1999), ein stationärer Erstbericht und der Zeitraum der stationären Aufnahme, sowie der ambulanten Behandlungen beigegeben. Ebenfalls im Akt aufliegend war der Ladungsbescheid vom 14. April 2000, GZ.: 9.25 19-00, der Vorführungsbefehl vom 17. Mai 2000, GZ.: 9.25 19/2000, wonach der Beschwerdeführer zur belangten Behörde unter Mitwirkung des Gendarmeriepostenkommandos L am 26. Mai 2000, um 9.00 Uhr, 2. Stock, Zimmer Nr 21, vorgeführt werden sollte, sowie ein Schreiben vom 26. Mai 2000, welches mittels Telefax vom Vertreter des Beschwerdeführers an die belangte Behörde erging, wonach mitgeteilt wurde, dass die Kosten bezahlt würden und der Antrag gestellt wurde, dass der Beschwerdeführer "aus dem Gewahrsam der Gendarmerie" entlassen werden sollte. Mit Schreiben an die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt vom 7. Juni 2000 wurde von der Bezirkshauptmannschaft D mitgeteilt, dass die Krankenhaus- bzw Ambulanzkosten in der Höhe von S 34.300,-- von der "Kanzlei Dr. R" bezahlt werden.

Der Vertreter des Beschwerdeführers legte weiterhin ein Schreiben an die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Unfallkrankenhaus Graz, vom 9. Februar 2000 vor, wonach er in der Angelegenheit mitteilte, dass er die rechtsfreundliche Vertretung übernommen hat und die vorgelegten Rechnungen bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung eingereicht habe, jedoch die Schadensliquidation auf Grund des Schadensfalles mit Beteiligung eines ausländischen Fahrzeuges sich verzögere. Er ersuchte in dem Schreiben ihm "vom weiteren Fortgang dieser Angeleinheit wiederum Mitteilung zu machen".

II.1. Auf Grund der öffentlichen, mündlichen Verhandlung vom 28. September 2000, in dem der Beschwerdeführer einvernommen wurde, sowie aus dem vorgelegten Akteninhalt geht der Unabhängige Verwaltungssenat von nachfolgendem entscheidungsrelevantem Sachverhalt aus:

Am 21. Dezember 1999 wurde die belangte Behörde von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, Unfallkrankenhaus Graz, gebeten die Pflegegebühren für den stationären Aufenthalt, sowie Ambulanzkosten des Beschwerdeführers zu übernehmen, da der Beschwerdeführer keinen Antrag auf Anspruch auf Leistung durch einen Krankenversicherungsträger habe. Der Antrag gründet sich auf § 31 Steiermärkisches Sozialhilfegesetz, LGBl Nr 29/1998. Die Bezirkshauptmannschaft D hat sodann bis 18. Jänner 2000 festgestellt, dass der Beschwerdeführer im relevanten Zeitraum nicht versichert war.

Am 9. Februar 2000 teilte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, Unfallkrankenhaus Graz, mit, dass in der Causa die Vertretung vorliege und es deshalb zur Verzögerung der Bezahlung von Verhandlungskosten gekommen sei, da sich die Schadensliquidation verzögere, weil es sich um einen Verkehrsunfall mit einem ausländischen Kraftfahrzeug gehandelt habe. Es wurde um Verständnis der Verzögerung ersucht und bekannt gegeben, dass über den weiteren Fortgang Mitteilung gemacht werde. Dieses Schreiben wurde der belangten Behörde nicht zur Kenntnis gebracht.

Vielmehr erließ die Bezirkshauptmannschaft D einen Ladungsbescheid vom 14. April 2000, GZ.: 9.25 19/00, wonach der Beschwerdeführer in der Angelegenheit "Krankenhauskosten und Ambulanzkosten im Unfallkrankenhaus Graz" persönlich am 2. Mai 2000, um 9.00 Uhr in ein bestimmtes Zimmer der Bezirkshauptmannschaft D kommen sollte. Bei Nichterescheinen wurde die zwangsweise Vorführung angedroht (Zustellformularverordnung 1982, Formular 2 zu § 19 AVG). Das Schreiben hat der Beschwerdeführer persönlich mittels RSa-Brief am 18. April 2000 übernommen und kam dem Termin ohne Angabe von Gründen nicht nach.

Am 17. Mai 2000, GZ.: 9.25 19/2000, erging sodann von der belangten Behörde der Vorführungsbefehl an das Gendarmeriepostenkommando L, wonach der Beschwerdeführer am 26. Mai 2000, um 9.00 Uhr in ein bestimmtes Zimmer der Bezirkshauptmannschaft D vorgeführt werden sollte. Als Rechtsgrundlage wurde § 19 AVG und § 7 VVG angeführt. Am 26. Mai 2000 kam der Beschwerdeführer, um 8.30 Uhr auf den Gendarmerieposten L, da er zuvor schriftlich vom Gendarmeriepostenkommando L gebeten wurde. Am

Gendarmerieposten wurde der Beschwerdeführer, um 8.30 Uhr in Gewahrsam genommen und fernmündlich mit der zuständigen Bearbeiterin der Bezirkshauptmannschaft D Kontakt

aufgenommen, die um 9.01 Uhr auf Grund eines Gespräches mit dem Vertreter des Beschwerdeführers die Entlassung aus der Gendarmeriegewahrsam verfügte. Hiezu kam es deshalb, da von Seiten des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers der belangten Behörde mitgeteilt wurde, dass die Kosten des Verkehrsunfalles übernommen werden und wurde auch am 6. Juni 2000 der entsprechende Betrag bezahlt.

2. Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf die Einvernahme des Beschwerdeführers und dem vorliegenden Akteninhalt. Soweit von der Beschwerde ausgegangen wurde, dass der Beschwerdeführer "keinerlei Kenntnis" vom Verhandlungstermin am 2. Mai 2000 bei der belangten Behörde hatte, steht dem die Einvernahme des Beschwerdeführers bei der öffentlichen, mündlichen Verhandlung entgegen, wonach er angab, dass er den Ladungsbescheid am 18. April 2000 persönlich übernommen habe. Die erkennende Behörde geht somit davon aus, dass dem Beschwerdeführer der Inhalt des Ladungsbescheides vom 14. April 2000 sehr wohl bekannt gewesen sein muss. Dass dem Beschwerdeführer der Vorführungsbefehl vom 17. Mai 2000, GZ.: 9.25 19/2000, nicht ausgehändigt wurde, ist für die betroffene Entscheidung nicht relevant und wurde offensichtlich der Beschwerdeführer bereits zuvor durch eine Verfügung der Sachbearbeiterin der Bezirkshauptmannschaft D von der - unbestrittenen -

Gendarmeriegewahrsame

III. Die Rechtsbeurteilung ergibt Folgendes:

1. Gemäß § 67a Abs 1 Z 2 AVG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate bei Beschwerden von Personen, die behaupten, durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes.

Die Beschwerde langte beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark am 10. Juli 2000 (Postaufgabestempel 6. Juli 2000) ein, wodurch die sechswöchige Beschwerdefrist gemäß § 67c Abs 1 AVG gewahrt wurde. Auch ist die örtliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark gegeben, da die von Beamten des Gendarmerieposten L vorgenommene Handlung in dessen Sprengel durchgeführt wurde.

2. Gemäß § 19 Abs 3 AVG hat derjenige, der nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse von Erscheinen abgehalten ist, die Verpflichtung der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war; sie obliegt den Vollstreckungsbehörden.

In concreto steht fest, dass der Beschwerdeführer den Ladungsbescheid der belangten Behörde persönlich am 18. April 2000, GZ:: 9.25 19/00, zugestellt bekommen hat und ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes den Ladungstermin nicht wahrgenommen hat. Der Ladungsbescheid entspricht den Voraussetzungen des § 19 AVG.

Die Behörde kann für Ladungen zwei verschiedene Formen verfügen, nämlich eine "einfache Ladung" oder die Form des Ladungsbescheides (§19 AVG). Der Ladungsbescheid von der belangten Behörde enthielt die Androhung eines Zwangsmittels (Vorführung), sodass ein verfahrensrechtlicher Bescheid (VwGH 22.6.1990, 88/17/0009; 16.9.1993, 92/01/0077) und nicht bloß eine einfache Ladung vorlag. Der Ladungsbescheid war gemäß § 19 Abs 4 AVG nicht mit einem ordentlichen Rechtsmittel anfechtbar.

Durch die Nichtbefolgung des Ladungsbescheides wurde ein Vorführungsbefehl - gestützt auf § 19 Abs 3 AVG - vom 17. Mai 2000, GZ.: 9.25 19/2000, erlassen, der die Grundlage für die tatsächliche Vorführung bildete. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 21.12.1988, 85/10/0153) ist die Vorführung einer Person eine Maßnahme, die als "Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt" gemäß § 67c AVG bekämpft werden kann. Dass die Vorführung eine Folgemaßnahme eines ordnungsgemäß ergangenen Ladungsbescheides darstellt, ist hiebei ohne Belang (VfSlg 8323, 8667; VwGH 6.3.1989, 87/10/0060). Ein derartiger Vorführungsbefehl wird nicht als Bescheid qualifiziert und daher ist die tatsächliche Vorführung nicht als Vollstreckung des Ladungsbescheides zu deuten. Die Vorführung des Beschwerdeführers ist ab dem - auf Grund des schriftlichen Ersuchens - freiwilligen Erscheinen am Gendarmerieposten L am 26. Mai 2000, um 8.30 Uhr beginnend und endete um 9.00 Uhr, mit der entsprechenden Mitteilung der Sachbearbeiterin der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer nicht zur Behörde vorzuführen sei. Während der Zeit war der Beschwerdeführer in Gewahrsame, da er den Gendarmerieposten nicht verlassen durfte.

Somit war die Vorgangsweise der belangten Behörde formal gesehen korrekt.

Eine Rechtswidrigkeit der Amtshandlung wird jedoch in Anbetracht des § 2 Abs 1 und 7 VVG festgestellt.

Gemäß § 2 Abs 1 VVG haben die Vollstreckungsbehörden bei Handhabung die in diesem Bundesgesetz geregelten Zwangsbefugnisse an dem Grundsatz festzuhalten, dass jeweils das gelindeste noch zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden ist.

Gemäß § 7 leg cit kann der einem Bescheid entsprechende Zustand durch Anwendung unmittelbaren Zwanges hergestellt werden, sofern die Gesetze nichts anderes bestimmen, wenn dies auf andere Weise nicht oder nicht rechtzeitig möglich ist. Im Fall der Festnahme ist der Festgenommene ehestens, womöglich bei seiner Festnahme, in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe seiner Festnahme zu unterrichten. Für diese Festnahme gilt weiters § 36 Abs 2 und 3 VStG.

Der § 7 VVG kommt bei der zwangsweisen Vorführung, bei Nichtbefolgung einer Ladung zur Anwendung, wobei die - wie oben ausgeführt - Vollstreckungsverfügung keinen Bescheid darstellt. Die Anwendbarkeit des § 10 Abs 2 VVG bleibt daher ausgeschlossen. Es wurde somit ein ummittelbarer Zwangsakt ohne Vollstreckungsverfügung gesetzt und war daher mit Beschwerde an den UVS bekämpfbar (Artikel 129a Abs 1 Z 2 B-VG). Die Anwendung des unmittelbaren Zwanges (§ 7 VVG) hat sich jedoch an den im § 2 VVG normierten "Grundsatz der Verhältnismäßigkeit" zu orientieren. Dieses aus § 2 Abs 1 VVG ableitbare "Schonungsprinzip" (VwGH 7.11.1995, 95/05/0260) ist zwar nicht bei der Schaffung eines Exekutionstitels anwendbar, jedoch nach ständiger Judikatur bei einer Erlassung einer Vollstreckungsverfügung bzw der Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt. Dass in concreto Gefahr im Verzug vorlag bzw die belangte Behörde den Beschwerdeführer durch Vorschreibung und Vollstreckung von Geldleistungen dazu zu bringen versuchte in der Angelegenheit bei der belangten Behörde zu erscheinen, wird selbst von dieser nicht behauptet und geht aus dem vorgelegten Akt auch kein Anhaltspunkt hiefür hervor. Die Anhaltung des Beschwerdeführers am Gendarmerieposten L von 8.30 Uhr bis 9.00 Uhr verstößt somit gegen den Grundsatz "das jeweils das gelindeste noch zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden". Auf die weitere bedeutsame Frage, ob es zu Lasten der belangten Behörde gehe, wenn der Beschwerdeführer bereits vor Erlassung des Ladungsbescheides mit dem Schreiben vom 9. Februar 2000 an die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Unfallkrankenhaus Graz, über die Vertretung in der Causa Mitteilung machte und daher man bei Würdigung der Umstände von einem persönlichen Erscheinen des Beschwerdeführers - es gibt keinen zwingenden Grund offenbar dazu - absehen hätte können, braucht daher nicht mehr näher eingegangen werden.

Die im Rahmen der Vorführung vorgenommene Anhaltung des Beschwerdeführers war daher unter dem Gesichtpunkt der Verhältnismäßigkeit

3. Als Kosten wurde gemäß § 79a AVG in Verbindung mit der Aufwandersatzforderung UVS, BGBl Nr 855/1995, dem Beschwerdeführer ein Betrag von S 18.800,-- zugesprochen. Dem Beschwerdeführer gebührt S 8.400,-- an Schriftsatzaufwand und S 10.400,-- an Verhandlungsaufwand.

Schlagworte
Vorführung Festhaltung Verhältnismäßigkeit Schonungsprinzip
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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