TE UVS Steiermark 2000/12/27 30.15-49/2000

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.12.2000
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Renate Merl über die Berufung der Frau E T, vertreten durch Mag. M G, K, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Knittelfeld vom 21.9.2000, GZ.: 15.1 1146/2000, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) i.d.F. BGBl. 1998/158 wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurden der Berufungswerberin in ihrer Funktion als gemäß § 9 Abs 1 VStG verantwortliche handelsrechtliche Geschäftsführerin der Firma H H GesmbH mit dem Sitz in K, diese wiederum persönlich haftende Gesellschafterin der Firma H H GesmbH & Co KG, Sitz ebendort und Arbeitgeberin eine Übertretung des § 87 Abs 2 Bauarbeiterschutzverordnung (Dacharbeiten ohne Absturzsicherungen) zur Last gelegt und über sie wegen dieser Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe von S 5.000,-- verhängt. In ihrer dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung bestritt die Berufungswerberin die ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen dem Grunde nach nicht, wandte jedoch in rechtlicher Hinsicht ein, dass sie sich durch die rechtswirksame Bestellung von Herrn F N zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 VStG rechtswirksam exkulpiert habe. In eventu wurde um Herabsetzung der Strafe ersucht.

Mit Bescheid vom 13.11.2000, GZ.: UVS 30.15-49/2000-2, wurde nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung ein gegen die Berufungswerberin anhängiges Verwaltungsstrafverfahren wegen der gleichen Verwaltungsübertretung mit der Begründung eingestellt, dass Herr F N mit Bestellungsurkunde vom 24.4.1996 rechtswirksam zum verantwortlichen Beauftragten bestellt wurde. Da dem nunmehr anhängigen Berufungsverfahren die gleiche Rechtsfrage zu Grunde liegt und sowohl die Berufungswerberin mit Schreiben vom 14.11.2000 als auch die mitbeteiligte Partei mit Schreiben vom 1.12.2000 ausdrücklich der Übernahme der Verfahrensergebnisse aus dem Vorverfahren zustimmten, wird der gegenständlichen Entscheidung nachstehende Sach- und Rechtslage zu Grunde gelegt:

Die Berufungswerberin ist handelsrechtliche Geschäftsführerin der Firma H H GesmbH, mit dem Sitz in K, welche wiederum persönlich haftende Gesellschafterin der Firma H H GesmbH & Co KG, mit dem Sitz ebendort, ist. Im Betrieb sind insgesamt ca. 35 Mitarbeiter beschäftigt, welche ca. je zur Hälfte in den beiden Zweigen des Betriebes, nämlich einerseits in der Tischlerei und andererseits in der Zimmerei beschäftigt sind. Die Berufungswerberin selbst übt im Unternehmen rein kommerzielle Aufgaben aus (Buchhaltung, Kalkulation, Anbotserstellung etc.) und ist insbesondere mit der Abwicklung und Kontrolle der Baustellen nicht befasst. Mit Straferkenntnis vom 12.7.1996, GZ.:

15.1 1996/1889 wurde der Berufungswerberin erstmals rechtswirksam als gemäß § 9 Abs 1 VStG Verantwortliche des Unternehmens wegen einer Übertretung des § 87 Abs 5 Bauarbeiterschutzverordnung bestraft. Durch dieses Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin ihre verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit als Firmeninhaberin erst bewusst und beschloss sie über Anraten des Arbeitsinspektorates ihre Verantwortlichkeit auf die beiden gewerberechtlichen Geschäftsführer J N und Ing. C R-H zu übertragen, welche die beiden Zweige des Betriebes, nämlich die Tischlerei und die Zimmerei leiten und auch die Vorgesetzten der dort beschäftigten Arbeitnehmer sind. In diesem Sinne füllte die Berufungswerberin zwei vom Arbeitsinspektorat Leoben übermittelte Formulare aus, mit welchen sie einerseits Herrn J N zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 23 Abs 1 ArbIG für den Bereich der Zimmerei und andererseits ihre Schwester Ing. C R-H zur verantwortlichen Beauftragten für den Bereich der Tischlerei bestellte. Beide Bestellungsurkunden wurden von den verantwortlichen Beauftragten am 24.4.1996 unterschrieben und samt einem Begleitschreiben am 29.4.1996 eingeschrieben an das Arbeitsinspektorat Leoben übermittelt, wo sie am 30.4.1996 mit einem Eingangsstempel versehen wurden. Die beiden Bestellungsurkunden waren beim Arbeitsinspektorat zunächst längere Zeit aus nicht näher bekannten Gründen nicht auffindbar und wurden erst nachdem die Berufungswerberin in mehreren Strafverfahren die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten eingewendet hatte, dem richtigen Akt zugeordnet. Das von der Berufungswerberin verwendete Formular enthält in der Rubrik betrifft

Beauftragten gemäß § 23 Abs 1 ArbIG". Der Punkt 3.) des Formulars ("sachlicher/räumlicher Bereich") wurde von der Berufungswerberin wie folgt ausgefüllt: Für Herrn J N: "Gesamte Zimmerei samt Fuhrpark". Für Frau Ing. C R-H: "Gesamte Tischlerei samt Maschinenpark". Das verwendete Formular enthält auf der Rückseite Erläuterungen, in welchen unter Punkt 5.) unter Angabe von Fallbeispielen und Judikaturhinweisen ausgeführt wird, dass die Bestellung für einen klar abgegrenzten Bereich erfolgen muss und nicht eindeutige Festlegungen die Bestellung unwirksam machen.

Die von der Berufungswerberin vorgelegten Bestellungsurkunden wurden von der mitbeteiligten Partei kommentarlos zur Kenntnis genommen und im Vorverfahren GZ.: 15.1 1996/2564 im Zuge der erfolgten Stellungnahme ebenfalls kommentarlos akzeptiert. Dieses Vorverfahren war zunächst gegen die Berufungswerberin eingeleitet worden und endete mit der Erlassung eines Einstellungsbescheides gegen Herrn J N. Die Berufungswerberin führte im Vertrauen auf die rechtswirksame Bestellung von zwei verantwortlichen Beauftragten für die beiden Zweige des Unternehmens keine Arbeitnehmerschutzkontrollen mehr durch. Mit der für das gegenständliche Verfahren allerdings nicht mehr relevanten Bestellungsurkunde vom 6.4.2000 wurde nunmehr nach dem Ausscheiden von Frau Ing. C R-H Herr F N zum alleinigen verantwortlichen Beauftragten bestellt.

Rechtliche Beurteilung:

Die Bestimmung des § 9 Abs 2 VStG hat folgenden Wortlaut:

Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden (Hervorhebungen durch UVS).

Die Bestimmung des § 23 Abs 1 ArbIG verweist hinsichtlich der inhaltlichen Erfordernisse für eine Bestellungsurkunde ausdrücklich auf § 9 Abs 2 und 3 VStG und normiert als zusätzliches formelles Gültigkeitskriterium, dass Bestellungen von verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes erst rechtswirksam werden, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt ist.

Im vorliegenden Fall ist erwiesen, dass die beiden Bestellungsurkunden rechtzeitig, nämlich vor Begehung der gegenständlichen Verwaltungsübertretung beim Arbeitsinspektorat eingelangt sind, von den beiden verantwortlichen Beauftragten und der Berufungswerberin unterfertigt sind und die beiden verantwortlichen Beauftragten aufgrund ihrer Stellung im Betrieb (gewerberechtliche Geschäftsführer und Vorgesetzte der im unterstellten Bereich beschäftigten Arbeitnehmer) über die vom Gesetz (§ 9 Abs 4 VStG) und der Judikatur geforderte Anordnungsbefugnis verfügten. Fest steht ebenfalls, dass die beiden Bestellungsurkunden einen klar abgegrenzten räumlichen Bereich (J N: Gesamte Zimmerei samt Fuhrpark, Ing. C R-H: Gesamte Tischlerei samt Maschinenpark) enthalten. Aus dieser räumlichen Abgrenzung folgt zugleich, dass auch das Erfordernis des § 9 Abs 2 letzter Satz VStG erfüllt ist, demzufolge Personen, welche wie Herr N und Frau Ing. C R-H nicht zum Kreis der gemäß § 9 Abs 1 VStG verantwortlichen Personen zählen, nur für Teilbereiche des Unternehmens verantwortlich gemacht werden können.

Zur strittigen Frage der sachlichen Abgrenzung ist Folgendes auszuführen:

Aus dem Wortlaut des § 9 Abs 2 VStG folgt eindeutig, dass eine Zuständigkeitsabgrenzung in räumlicher oder sachlicher Hinsicht und nicht wie von der mitbeteiligten Partei vermeint, für beide Bereiche erfolgen muss. Auch der umfangreichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 VStG ist nicht zu entnehmen, dass eine Abgrenzung beider Bereiche zwingend erforderlich ist, wenngleich dies in der Praxis häufig so gehandhabt wird. Auch der Bestimmung des § 23 Abs 1 ArbIG ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen, da diese Bestimmung hinsichtlich der Zuständigkeitsabgrenzungen ausdrücklich auf § 9 Abs 2 VStG verweist. Auch das vom Arbeitsinspektorat Leoben aufgelegte Formular lässt durch die Textierung ("sachlicher/räumlicher Bereich") nicht erkennen, dass beide Bereiche ausgefüllt werden müssen, ebenso wenig enthalten die Erläuterungen auf der Rückseite des Formulars einen entsprechenden Hinweis. Hinzu kommt, dass nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark der Betreff des vom Arbeitsinspektorat aufgelegten Formulares mit der Formulierung Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 23 Abs 1 ArbIG" ohnedies bereits eine Umschreibung des sachlichen Bereichs enthält. Aus dieser Textierung ergibt sich nämlich, dass der unter Verwendung dieses Formulars bestellte verantwortliche Beauftragte jedenfalls für die Einhaltung des ArbIG sowie aller übrigen Arbeitnehmerschutzvorschriften, welche im Sinne von § 1 ArbIG der Kontrolle der Arbeitsinspektorate unterliegen, verantwortlich ist. Zu diesen Rechtsvorschriften zählt jedenfalls auch die Bauarbeiterschutzverordnung. Der Verantwortungsbereich des Herrn J N ist somit in räumlicher und sachlicher Hinsicht ausreichend umschrieben, weshalb sich die Berufungswerberin durch die Bestellung dieses verantwortlichen Beauftragten rechtswirksam exkulpieren konnte.

Es war daher das Verfahren gegen die Berufungswerberin einzustellen.

Bezüglich der neuen für die gegenständliche Berufungsentscheidung noch nicht relevanten Bestellungsurkunde vom 6.4.2000 sei die Berufungswerberin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Bestellung von Herrn J N zum verantwortlichen Beauftragten für das gesamte Unternehmen in rechtswirksamer Weise nicht möglich ist, da Herr F N nicht zum Kreis der gemäß § 9 Abs 1 Verantwortlichen des Unternehmens gehört. Eine rechtswirksame Bestellung würde voraussetzen, dass neben Herrn N noch ein zweiter verantwortlicher Beauftragter bestellt wird oder sich die Berufungswerberin selbst bestimmte Teilbereiche der Unternehmensleitung vorbehält.

An die Adresse der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei sei noch ausgeführt, dass gemäß § 32 Abs 3 VStG (in Kraft getreten am 1.1.1999) eine Fortführung des Verfahrens gegen den verantwortlichen Beauftragten möglich ist.

Schlagworte
Beauftragter Bestellungsurkunde Verantwortungsbereich Abgrenzung örtlich sachlich
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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