Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alfred Stöbich über die Berufung der R. gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck, vom 17.10.2000, ZI ST-VU-787/00, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs4 AVG iVm §§ 24, 51, 51c und 51e VStG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs1 Z2 eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin zur Last gelegt, sie sei am 12.05.2000 um ca 12.30 Uhr in Innsbruck, Amraser-See-Straße auf Höhe der Kreuzung mit der Geyrstraße, Fahrtrichtung Osten, als Lenkerin des PKW SR- auf das vor ihr verkehrsbedingt angehaltene Fahrzeug aufgefahren, welches dabei erheblich beschädigt worden sei und habe es nach diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden unterlassen, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle zu verständigen, obwohl es zu keinem Identitätsaustausch mit der Geschädigten gekommen sei.
Die Berufungswerberin habe dadurch gegen § 4 Abs5 StVO verstoßen und wurden über sie eine Geldstrafe gem. § 99 Abs3 litb StVO in Höhe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) sowie Verfahrenskosten verhängt.
In der dagegen binnen offener Frist erhobenen Berufung brachte die Berufungswerberin im Wesentlichen vor, dass sie bei dem Verkehrsunfall vom 12.05.2000 sehrwohl stehengeblieben sei und nicht weitergefahren sei. Sie habe auch ihre Personaldaten weitergegeben, und habe der Unfallgegnerin angeboten, die Polizei zu rufen, was diese für nicht nötig gehalten habe. Diese habe gesagt, dass ?wir es auch unter uns ausmachen könnten?. Dies sei dann auch so geschehen.
Aus dem dem Verwaltungsstrafverfahren zurgrundeliegenden Verwaltungsstrafakt ergibt sich folgendes:
Die am 12.05.2000 bei dem Unfall Zweitbeteiligte Person, T., erstatte am selben Tag folgende Anzeige bei der Bundespolizeidirektion Innsbruck:
?Ich fuhr am 12.05.00 um 12.30 Uhr mit dem PKW SZ-(A) auf der Amraser See Straße in östliche Richtung. Ich war alleine im Fahrzeug und angegurtet. Es regnete leicht, die Fahrbahn war nass. Vor mir fuhr ebenso wie ich auf dem rechten Fahrtstreifen eine Fahrzeugkolonne. Ich mußte auf Höhe der Kreuzung mit der Geyrstraße verkehrsbedingt anhalten, als mir plötzlich von hinten ein PKW auffuhr. Ich stieg dann ebenso wie die beteiligte Lenkerin des auffahrenden Fahrzeuges aus. Die beteiligte Lenkerin sah sich meinen PKW an und meinte, dass ich keinen Schaden an meinem PKW habe. Ich sagte der Lenkerin noch, dass ich nahe der Unfallstelle in eine Ausweiche fahren werde, um dort den Datenaustausch zu machen.
Dann fuhr ich mit meinem PKW zu eben dieser Ausweiche, als die beteiligte Lenkerin plötzlich neben mir vorbei- und dann weiterfuhr, obwohl diese an ihrem PKW einen offensichtlichen Schaden hatte. Ich fuhr dann zum Posten nach Hall und wurde von dort wieder nach Innsbruck verwiesen. Während dieser Zeit bekam ich dann Schmerzen im Genick und ich werde mich nach der Unfallsaufnahme in das Krankenhaus Schwaz (gemeint offensichtlich: begeben). Ich konnte mir das Kennzeichen des flüchtigen Fahrzeuges noch beim Vorbeifahren und auch schon vorher merken. Ich fühle mich an diesem Unfall in keinster Weise schuldig und werde Forderungen stellen. Der von mir gelenkte PKW wurde im Heckbereich erheblich beschädigt.?
Dem erstinstanzlichen Akt liegt weiters eine Verletzungsanzeige durch das Krankenhaus Schwaz bei, wobei bei der Verletzten eine Zerrung der Halswirbelsäule und der Brustwirbelsäule unbestimmten Grades diagnostiziert wurde.
Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat über gegenständliche Berufung wie folgt erwogen:
Gemäß § 4 Abs5 StVO haben die im Abs1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
Im gegenständlichen Fall steht fest, dass die Anzeigerin auch eine Verletzung der Hals- und Brustwirbelsäule erlitten hat, auch wenn sie dies, wie sie selbst angegeben hat, selbst nicht sofort bemerkt hat. Da § 4 Abs5 StVO aber lediglich anzuwenden ist, wenn bei einem Verkehrsunfall ?nur Sachschaden? entstanden ist, ist das Tatbild des § 4 Abs5 StVO jedenfalls nicht erfüllt.
Richtigerweise wäre zu prüfen gewesen, inwieweit die Berufungswerberin gegen § 4 Abs2 StVO verstoßen hat. Diese Bestimmung lautet wie folgt:
?Sind bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden, so haben die im Abs1 genannten Personen Hilfe zu leisten; sind sie dazu nicht fähig, so haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. Ferner haben sie die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen. Wenn bei einem Verkehrsunfall, an dem ein Schienenfahrzeug oder ein Omnibus des Kraftfahrlinienverkehrs beteiligt ist, sich erst nach dem Wegfahren des Schienenfahrzeuges bzw des Omnibusses nach dem Unfall eine verletzte Person meldet, kann auch das Unternehmen, dem das Schienenfahrzeug bzw der Omnibus gehört, die Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigen.?
Dabei wäre in subjektiver Hinsicht darauf abzustellen gewesen, ob für die Berufungswerberin erkennbar war bzw unter Außerachtlassung der nötigen Sorgfalt fahrlässiger Weise nicht erkennbar war, dass diese einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verursacht hat. Da der diesbezüglich anzuwendende Sorgfaltsmaßstab sehr hoch gesetzt ist, besteht für die im § 4 Abs1 StVO genannten Personen bereits bei dem geringsten Zweifel, es könnte ein Personenschaden entstanden sein, die Verpflichtung, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.
Fest steht und wird von der Berufungswerberin auch keineswegs bestritten, dass sie gegenständlichen Verkehrsunfall vom 12.05.2000 verursacht hat. Bei dem Fahrzeug der Berufungswerberin entstand ein mittelschwerer Sachschaden in unbestimmter Höhe, wobei die Motorhaube gestaucht wurde sowie im Bereich des Kühlergrills Beschädigungen aufgetreten sind. Dieser Schaden war jedenfalls sofort erkennbar. Beim Fahrzeug der Zweitbeteiligten T. wurde die Heckpartie des Pkws beschädigt/verzogen, sodass sich der Kofferraum laut Aussage der Geschädigten nicht mehr öffnen ließ. Die Geschädigte bezifferte den an ihrem Fahrzeug entstandenen Sachschaden mit ca S 26.000,--.
Eine Verständigungspflicht besteht bereits dann, wenn mit der Möglichkeit eines Schadenseintrittes bei einem Dritten gerechnet werden muss. Die Verursachung eines Sachschadens beim Fahrzeug der T. war im vorliegenden Fall offensichtlich. Zudem lagen Anhaltspunkte vor, auf Grund derer durchaus auf die Möglichkeit eines Personenschadens geschlossen werden hätte können.
Gerade die Verletzung der Hals- und Brustwirbelsäule ist häufige Folge bei Auffahrunfällen, wobei der Eintritt einer solchen Verletzung erfahrungsgemäß auch bei bereits relativ ?harmlosen? Unfällen oft in Erscheinung tritt.
Wenngleich die Berufungsbehörde keine Bedenken hat, dass die Berufungswerberin diesen Sorgfaltsmaßstab verletzt hat, und somit den Tatbestand des § 4 Abs2 StVO in objektiver sowie in subjektiver Hinsicht erfüllt hat, so ist eine Auswechslung der Strafnorm in gegenständlichem Fall nicht mehr möglich, da ein derartiger Vorwurf der Berufungswerberin im gesamten Verwaltungsstrafverfahren innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist von 6 Monaten nie zur Last gelegt wurde. Eine Richtigstellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses war daher nicht mehr möglich, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.