TE UVS Steiermark 2001/11/07 30.8-21/2001

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Veröffentlicht am 07.11.2001
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Helmut Pollak über die Berufung des Herrn P P W, vertreten durch Dr. R & P, Rechtsanwälte, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 4.1.2001, Zl.:

III/S-17.330/99, wie folgt entschieden:

Die Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) abgewiesen.

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von ? 43,60 binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten.

Text

Mit dem angeführten Straferkenntnis ist Herr W in seiner Eigenschaft als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten Sattelkraftfahrzeuges wegen einer Übertretung des § 4 Abs 1 lit c StVO an einem genau angegebenen Tatort und Tatzeitpunkt mit einer Geldstrafe in Höhe von ? 218,02 bestraft worden.

Binnen offener Frist erhob er dagegen das Rechtsmittel der Berufung und brachte vor, das ihm vorgeworfene Verhalten wäre nicht unter die Bestimmung des § 4 Abs 1 lit c StVO zu subsumieren, da im eigentlichen Sinne ein Verkehrsunfall nicht vorgelegen habe. Das bei dem Unfall beschädigte Fahrradwrack ordnete der Berufungswerber immer als herrenloses Gut zu und läge somit die begründete Annahme vor, fremdes Vermögen sei nicht zu Schaden gekommen. Somit habe für den Beschuldigten auch keinerlei Veranlassung bestanden, an einer weiteren Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken, da er auch darauf habe vertrauen können, keinen Verkehrsunfall verursacht zu haben. Im Speziellen fehle dem Berufungswerber auch die Möglichkeit diesen Verkehrsunfall wahrgenommen zu haben. Der Berufung kommt keine Berechtigung zu. Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine ? 726,--übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51 c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben. Gemäß § 51 e VStG führte der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark am 7.11.2001 eine öffentlich, mündliche Berufungsverhandlung durch. Eine Einvernahme des Berufungswerbers, wie beantragt, musste unterbleiben, da dieser ohne Angabe von Gründen unentschuldigt nicht zur Verhandlung erschien. Anhand des erstinstanzlichen Aktes sowie der Kopien des Aktes des Bezirksgericht für Strafsachen darin enthalten das Gutachten DI Dr. P P, als KFZ-technischer Sachverständiger, sowie das Gutachten des Ass. Prof. Dr. R, medizinischer Sachverständiger und die Hauptverhandlungsprotokolle wird folgender Sachverhalt festgestellt:

Herr W lenkte am 16.04.1999 um ca. 07.00 Uhr das Sattelkraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen auf dem Eggenberger Gürtel auf Höhe des Hauses Nr. 76 im Ortsgebiet von Graz in Fahrtrichtung Süden und war er mit einem Verkehrsunfall mit Personenschaden in ursächlichem Zusammenhang beteiligt. Im Zuge des Verkehrsunfalles überrollte Herr P P W mit seinem rechten Zwillingsrad der Sattelzugmaschine den minderjährigen P W, welcher bei diesem Verkehrsunfall zu Tode kam. Zum damaligen Zeitpunkt war der minderjährige als Radfahrer in der gleichen Fahrtrichtung wie der Berufungswerber unterwegs. Bei diesem Verkehrsunfall verklemmte sich das Fahrrad des Jugendlichen unter der vorderen Stoßstange des Sattelzugfahrzeuges. Herr W wurde auf dieses Geräusch aufmerksam, lenkte sein Fahrzeug an den rechten Straßenrand, brachte dieses zum Stillstand, entfernte das beschädigte Fahrrad, warf dieses an den rechten Straßenrand, stieg wiederum in sein Fahrzeug ein und setzte die Fahrt, ohne sich um die näheren Umstände des Vorfalles zu kümmern, fort. Im Speziellen hat der Berufungswerber nicht bei dem von ihm gelenkten Sattelfahrzeug Nachschau gehalten. Im Zuge dieser Nachschau wäre es ihm möglich gewesen, festzustellen, dass der leblose Körper des minderjährigen P W nach dem Überrollen durch das rechte Zwillingsrad unter dem Fahrzeug nach hinten befördert wurde. Durch das Aufschleudern der Beine ist letztendlich ein Fuß im Bereich der letzten Hinterachse des Sattelaufliegers hängen geblieben. Der leblose Körper wäre seitlich vom letzten Hinterrad aus zu sehen gewesen. Der leblose Körper des Minderjährigen wurde über rund 50 km zum Ziel der Fahrt des Berufungswerbers mitgeschleift. Das Fahrrad, welches unter der Stoßstange des LKWs zu liegen kam, war insofern beschädigt, als der Lenkerstummel und das rechte Pedal stark abgeschliffen waren. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass das Fahrrad noch einige Meter vom LKW mitgeschliffen worden sein muss. Auch war die Lenkstange des Fahrrades um die beabsichtigte Lenkachse des Vorderrades um 180 Grad verdreht. Der Berufungswerber wäre verpflichtet gewesen, sich darüber Gewissheit zu verschaffen, dass nach dem Entfernen des Fahrrades, welches unter der Stoßstange eingeklemmt war, kein weiterer Schaden an Personen entstanden ist. Dies hat mehrere Gründe: 1. Der Berufungswerber hat das Überrollen des Körpers als Ruck verspürt. Ein Kollisionsgeräusch konnte der Berufungswerber nicht hören, da dieses im Vergleich zum übrigen Verkehrslärm am Eggenberger Gürtel bzw. in der Kärntner Straße untergeht. 2. Das Mitschleifen des unter der Stoßstange eingeklemmten Fahrrades war für den Berufungswerber sicherlich als für den normalen Straßen- und Motorenlärm unübliches Geräusch wahrnehmbar. Er ist auch aus diesem Grund mit seinem Fahrzeug stehen geblieben, um das Fahrrad zu entfernen. 3. Fahrräder tauchen auf dem stark befahrenen Eggenberger Gürtel, welcher in Fahrtrichtung des Berufungswerbers gesehen zweispurig in Richtung Süden verläuft, nicht plötzlich auf dem Nichts auf. Der Berufungswerber hat nie angegeben, dass er bei dieser Fahrt ein auf der Fahrbahn liegendes Fahrrad gesehen hat. Wäre ein solches der Fall der gewesen, so hätte der Berufungswerber unter Umständen darauf schließen können, dass es sich tatsächlich um ein herrenloses Gut gehandelt haben könne. Regelmäßig werden Fahrräder jedoch von Menschen auf Straßen gelenkt und hätte der Berufungswerber, die genügende Aufmerksamkeit vorausgesetzt, auf das Verursachen eines Verkehrsunfalles zu schließen gehabt. 4. Der Berufungswerber hätte den Minderjährigen im rechten Außenspiegel bis zum Eintauchen in den sogenannten "toten Winkel" sehen können. Erst auf Höhe des Tanks der Sattelzugmaschine wäre der Minderjährige für den Berufungswerber unsichtbar gewesen. Der Berufungswerber ist jedoch ein erfahrener Berufskraftfahrer und ist ihm aus seiner Tätigkeit heraus zuzumuten, Kenntnis darüber zu haben, dass er im Bereiche der Rückspiegel nicht die gesamte Fahrbahn einsehen kann. Hier vorliegend war der Minderjährige, welcher in einem Seitenabstand von ca. 1 - 1 1/2 m am rechten Fahrbahnrand des Eggenberger Gürtels fuhr, im toten Winkel und war er für den Berufungswerber nicht sichtbar. Zusammenfassend hat der Berufungswerber fahrlässig darauf vertraut, es wäre zu keinem Verkehrsunfall mit Personenschaden, der grundsätzlich von der Polizei aufzunehmen gewesen wäre, gekommen. Die vom Berufungswerber vorgebrachte Argumentation, es handelte sich bei dem verfahrensgegenständlichen Fahrrad um ein herrenloses Gut und könne somit kein Verkehrsunfall mit Sachschaden vorliegen, ist falsch. Feststeht, dass eine Sache beschädigt wurde, welche nicht im Eigentum des Berufungswerbers steht. Es steht dem Verursacher eines Verkehrsunfalles ohne nähere Nachforschungen angestellt zu haben, nicht zu, a priori den Schluss zu ziehen, keinen Schaden verursacht zu haben. Zusammenfassen ist das vom Berufungswerber gesetzte Verhalten der Bestimmung des § 4 Abs 1 lit c StVO zu unterstellen. Die Feststellungen gründen sich auf den Inhalt des erstinstanzlichen Aktes, im Speziellen auf die erwähnten Gutachten. Mit dem pauschal gehaltenen Vorbringen des Berufungswerbers ist es diesem nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Einhaltung der Bestimmung des § 4 Abs 1 lit c StVO kein Verschulden trifft. Zur Strafbemessung: Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß § 4 Abs 1 lit c StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Die Mitwirkungspflicht dient dem Zweck, den Organen der öffentlichen Sicherheit die Aufnahme des Tatbestandes zu erleichtern und zu gewährleisten, dass die Behörde ein der Wirklichkeit entsprechendes Bild des Unfallherganges, seiner Ursachen und Folgen gewinnt (VwGH 13.11.1967, Slg. 7219/A, 2.5.1965, 2210/65 und 13.3.1979, ZVR 1980/117). Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Als erschwerend war das hohe Ausmaß an Sorglosigkeit, als mildernd die Unbescholtenheit zu werten, sodass im Hinblick auf die beim Berufungswerber vorliegenden Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse die verhängte Strafe innerhalb des Strafrahmens des § 99 Abs 2 lit a StVO (Geldstrafe von ? 218,02 bis ? 2.180,19) und dem Ausmaß des Verschuldens grobe Fahrlässigkeit angepasst und gerechtfertigt ist. Die Festsetzung des Kostenbeitrages zum Verwaltungsstrafverfahren zweiter Instanz ergibt sich aus § 64 VStG, wonach im Falle der vollinhaltlichen Bestätigung des Straferkenntnisses erster Instanz durch die Berufungsbehörde dieser Betrag mit 20 % der verhängten Strafe festzusetzen ist.

Schlagworte
Verkehrsunfall Personenschaden verlassen Nichtmitwirkung Fahrlässigkeit mitschleifen Sattelkraftfahrzeug Überzeugungspflicht
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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