TE UVS Steiermark 2002/03/13 30.12-64/2001

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Veröffentlicht am 13.03.2002
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Hütter über die Berufungen des Herrn G B sowie des AI, jeweils gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 24.09.2001, GZ.: 15.1 1999/4566, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung des Beschuldigten Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 2 und 3 VStG eingestellt und

die Berufung des AI E abgewiesen.

Text

Laut Straferkenntnis hat der Beschuldigte als persönlich haftender Gesellschafter der G B KEG folgende Übertretungen zu verantworten, dies jeweils mit der Tatzeit 10.06.1999 und dem Tatort Baustelle V Wohnhausanlage,

1.) Dass auf der Baustelle "in allen Gerüstlagen die Mittel- und Fußwehren fehlten. Die Schmalseiten des Gerüstes waren in keiner Weise gesichert". Laut Straferkenntnis ist dies eine Verletzung des § 58 Abs 3 Bauarbeiterschutzverordnung - BauV.

2.) Dass auf der Baustelle "am Gerüst ein sicher begehbarer Aufstieg fehlte, sodass Arbeitnehmer gezwungen waren, an der Außenseite des Gerüstes ungesichert auf- und abzusteigen". Laut Straferkenntnis ist dies eine Verletzung des § 58 Abs 7 BauV. Es wurden Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen verhängt. Der Beschuldigte berief vor der ersten Instanz gegen die Schuld und die Höhe der Strafen mit der Begründung, dass die gegenständliche Baustelle von 02.06.1999 bis 14.06.1999 eingestellt gewesen sei und keine Bauarbeiter tätig gewesen seien, daher habe durch den teilweisen Abbau des Gerüstes keine Bestimmung des Arbeitnehmerschutzes verletzt werden können. Dies werde auch durch die Stellungnahme des AI E bestätigt, wonach zum Kontrollzeitpunkt keine Arbeitnehmer auf der Baustelle anwesend gewesen seien. Weiters berief das AI E als mitbeteiligte Partei gegen das Straferkenntnis und beantragte die Verhängung einer Strafe von ATS 60.000,-- (? 4.360,37).

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark forderte das AI E mit Schreiben vom 22.02.2002 zur Stellungnahme auf und gab zu bedenken, dass im Berufungsfall im Straferkenntnis und in den Verfolgungshandlungen Ausführungen dazu fehlten, dass das unvollständige Gerüst so belassen war, dass seine Verwendung möglich war. Mit Schreiben vom 12.03.2002 führte das AI aus, es sei richtig, dass zum Kontrollzeitpunkt niemand am Gerüst angetroffen worden sei und kein Zeuge namhaft gemacht werden könne, der bestätigen könne, dass am Kontrolltag vom Gerüst aus Arbeiten durchgeführt wurden. Die Fotos würden zeigen, dass vor der Kontrolle vom Gerüst aus verspachtelt und verputzt worden sei. Das Gerüst sei so ausgeführt gewesen, dass jederzeit Arbeiten durchgeführt werden konnten. Um eine Benützung zu verhindern, wäre es erforderlich gewesen, den Gerüstbelag (die Pfosten) zu entfernen. Es habe zu keinem Zeitpunkt den Vorgaben der BauV entsprochen, was von der damaligen Bauaufsicht bezeugt werden könne. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark gelangt zu folgender Beurteilung: § 58 BauV ist mit "Arbeitsgerüste" überschrieben und bestimmt im Abs 3, dass die Gerüstlagen mit Wehren nach § 8 versehen sein müssen. Nach Abs 7 ist festgelegt, dass für das gefahrlose Besteigen und Verlassen der Gerüstlagen sicher begehbare Aufstiege oder Zugänge anzubringen sind, die mit dem Gerüst fest verbunden und so angebracht sein müssen, dass alle möglichen Arbeitsplätze auf einer Gerüstlage nicht mehr als 20 m von den Aufstiegen oder Zugängen entfernt sind.

§ 60 BauV ist mit "Aufstellen und Abtragen von Gerüsten" überschrieben. Sein Absatz 7 lautet:

Gerüste dürfen weder unvollständig errichtet noch teilweise

abgetragen und so

belassen werden, dass eine Verwendung

derselben möglich ist, wenn der bereits

aufgestellte oder noch

stehen bleibende Teil den Anforderungen an Gerüste nicht

voll

entspricht. Die Überschrift zu § 62 BauV lautet "Benützung von Gerüsten". Er bestimmt im ersten Absatz in der ersten Ziffer, dass Gerüste erst nach ihrer Fertigstellung benützt werden dürfen. Sein Absatz 4 lautet: Ein unvollständig errichtetes oder nur teilweise abgetragenes Gerüst, das den Anforderungen an Gerüste nicht voll

entspricht, darf nicht benützt werden. Im Berufungsfall ergibt sich aus den Fotos, die der Anzeige beigeschlossen wurden, dem Vorbringen des Beschuldigten in seiner Berufung und seiner Aussage vor der ersten Instanz am 17.11.1999, dass die Baustelle von 02. bis 14.06.1999 eingestellt war. Auch das AI E führte in der Stellungnahme vom 28.11.2000 an, es seien bei der Kontrolle keine Arbeitnehmer der gegenständlichen Firma angetroffen worden und es seien keine Arbeiten vom Gerüst aus durchgeführt worden, wobei diese Angaben, wie erwähnt, auch in der Stellungnahme vom 12.03.2002 bestätigt wurden. Wenn daher das Gerüst am 10.06.1999 nicht benützt wurde, kann eine Verletzung des § 58 Abs 3 BauV (Punkt 1.) und des § 58 Abs 7 BauV (Punkt 2.), jeweils in Verbindung mit § 62 Abs 1 Z 1 bzw. § 62 Abs 4 BauV, nicht stattgefunden haben, da der Tatbestand verlangt, dass das Gerüst benützt wird. Daraus folgt aber nicht, dass nicht benützte Gerüste unvollständig stehen gelassen werden dürfen, wenn ihre Verwendung möglich ist. Nach § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dazu ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes das Tatgeschehen samt Ort und Zeit so wiederzugeben, dass es die erforderlichen Merkmale erkennen lässt, die das gesetzliche Tatbild verlangt. Das Straferkenntnis und die Verfolgungshandlungen enthalten keine Ausführungen dazu, dass das unvollständige Gerüst so belassen war, dass seine Verwendung möglich gewesen wäre. Da es sich dabei um wesentliche Tatbestandsmerkmale handelt, darf die Berufungsbehörde sie nicht ergänzen, da hiedurch die Tat im Sinne des § 66 Abs 4 AVG ausgewechselt würde. Es ist somit der Berufung des Beschuldigten Folge zu geben und das Verfahren einzustellen und zugleich die Berufung des AI E abzuweisen.

Schlagworte
Gerüste Wehren Aufstiege Zugänge Unvollständigkeit stehen lassen benützen Verwendungsmöglichkeit Zugänglichkeit
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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