TE UVS Steiermark 2002/06/13 30.12-21/2002

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Veröffentlicht am 13.06.2002
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Hütter über die Berufung des Herrn F K, vertreten durch die Rechtsanwaltssozietät E - H - N - F & P, G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Radkersburg vom 28.1.2002, GZ.: 15.1 1472/2001, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren in beiden Punkten nach § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Laut Straferkenntnis hat der Beschuldigte folgende zwei Übertretungen zu verantworten:

"1. Übertretung

Anlässlich einer amtstierärztlichen Kontrolle am 19.1.2001 in Ihrem landwirtschaftlichen Betrieb in M, wurde festgestellt, dass Sie dort im Nebenraum Ihres Stallgebäudes eine 100 ml Injektionsflasche, welche ca. 10 ml Lincospectin enthielt, vorrätig gehalten haben. Es handelte sich dabei um keine Originalabfüllung, diese war auch nicht mit einem Originaletikett versehen und wies keine Zulassungsnummer einer österreichischen Behörde auf, und war daher in dieser Form nicht in Österreich zugelassen. Dadurch sei § 7 Abs 1 iVm § 83 Abs 1 Arzneimittelgesetz verletzt worden.

"2. Übertretung

Tatzeit: 19.01.2001

Tatort: M, in Ihrem landwirtschaftlichen Betrieb im Nebenraum des Stallgebäudes

Weiters wurde durch den oben angeführten Tatbestand eine Übertretung gemäß Lebensmittelgesetz begangen, da Sie dieses Antibiotikum zur Verabreichung bereitgehalten haben, obwohl es nicht den Zulassungsbedingungen entsprach. Dadurch sei § 15 Abs 2 lit c iVm § 74 Abs 2 Z 4 Lebensmittelgesetz - LMG verletzt worden. In beiden Punkten wurden Geldstrafen (und für den Fall von deren Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Der Beschuldigte berief durch seine Vertreter, wobei (auszugsweise wiedergegeben) Folgendes geltend gemacht wurde:

In Bezug auf Punkt 1.) liege keine Übertretung vor, da das "Vorrätighalten" im Sinn des § 2 Abs 11 AMG als "Vorrätighalten für den Verkauf", vergleichbar § 2 Z 11 Futtermittelgesetz - FMG zu lesen sei.

Zu Punkt 2): Eine Verabreichung des Tierarzneimittels Lincospectin entgegen den Zulassungsbedingungen habe deswegen nicht stattgefunden,

weil das Tierärzteprivileg des § 15 Abs 3 LMG anzuwenden sei, wonach der Einsatz von Tierarzneimitteln für die Krankheitsbehandlung von Tieren auf Grund tierärztlicher Verschreibung ausdrücklich erlaubt sei. Im Übrigen seien die Ausgangsstoffe von Lincospectin, Lincomycin und Spectinomycin durch die EWG-Verordnung Nr 2377/90 des Rates vom 26.6.1990 zugelassen, auf Grund der Vorrangwirkung des Gemeinschaftsrechts sei diese Verordnung unmittelbar anzuwenden und bewirke die Derogation des § 15 Abs 2 lit c LMG. Weiter wurde eine Verletzung von Verfahrensvorschriften gerügt. Abschließend stellte der Berufungswerber den Antrag das Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben. Nachträglich legte der Berufungswerber folgende Urkunde vor. Ein Schreiben der Bezirkshauptmannschaft B a I an die Vertreter des Berufungswerbers, in dem bestätigt wurde, dass Dr. R F im Dezember 2000 eine tierärztliche Hausapotheke in A angemeldet gehabt habe. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark gelangt auf Grund der Aktenlage zu folgender Beurteilung:

Punkt.1): Im Berufungsfall sind folgende Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes relevant:

§ 2 Abs 11: Inverkehrbringen ist das Vorrätighalten, das Feilhalten oder die Abgabe von Arzneimitteln. Ein Inverkehrbringen liegt nicht vor, wenn durch geeignete Maßnahmen sichergestellt ist, dass ein Arzneimittel, das dem Gesetz nicht entspricht, nicht zum Verbraucher oder Anwender gelangt.

§ 7 ("Kennzeichnung"):

(1) Arzneispezialitäten, die gemäß § 11 der Zulassung unterliegen, dürfen, sofern es sich nicht um radioaktive Arzneispezialitäten handelt, nur in Verkehr gebracht werden, wenn auf den Behältnissen und den Außenverpackungen folgende Angaben in deutscher Sprache enthalten sind:

1.

Bezeichnung der Arzneispezialität,

2.

Name oder Firma und Sitz des Zulassungsinhabers,

3.

Zulassungsnummer,

4.

- 11. .....

(2) - (5) .....

Von den drei Möglichkeiten des Inverkehrbringens

des § 2 Abs 11 AMG nennt Punkt 1.) des Straferkenntnisses das Vorrätighalten. Aus dem Akt der ersten Instanz ergibt sich, dass der Berufungswerber Inhaber eines Schweinemastbetriebes ist und am 19.1.2001 in seinem Betrieb eine Injektionsflasche mit Lincospectin gefunden wurde, das der Berufungswerber bereit hielt, um es in seinem Schweinezuchtbetrieb zu verwenden. Der zweite Satz des § 2 Abs 11 lässt erkennen, dass das Inverkehrbringen ein Vorgang ist, durch den ein Arzneimittel zum Verbraucher oder Anwender gelangt. Der Berufungswerber ist ein solcher Verbraucher oder Anwender. Es ergibt sich im Akt der ersten Instanz kein Hinweis darauf, dass der Berufungswerber das Arzneimittel vorrätig gehalten hätte, um es an andere Verbraucher oder Anwender abzugeben. Nach dem Wortlaut des § 2 Abs 11 LMG und dem erkennbaren Zweck stellt ein Vorrätighalten des Arzneimittels, um es an Tiere des eigenen Mastbetriebs zu verabreichen, kein Inverkehrbringen im Sinn des § 2 Abs 11 AMG dar. Da der Beschuldigte diese Tat somit nicht begangen hat, ist das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen.

Punkt 2.): Folgende Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes sind betroffen: § 15 ("besondere Vorschriften über die Behandlung von Tieren zur Gewinnung von Lebensmitteln tierischer Herkunft"):

(1) Die Bestimmungen der Abs 2 bis 9 gelten

für Tiere, die für die Gewinnung von Lebensmitteln tierischer Herkunft bestimmt sind.

(2) Es ist verboten,

a)

.....

b)

Tieren Antibiotika zu verabreichen, um die Haltbarkeit der von diesen Tieren stammenden Lebensmittel zu erhöhen;

 c) Tieren Stoffe mit spezifischer Wirkung, die dazu bestimmt sind, den Ertrag zu steigern, Krankheiten vorzubeugen oder zu behandeln oder die Beschaffenheit der von den Tieren stammenden Lebensmittel zu beeinflussen, insbesondere Antibiotika, Chemotherapeutika, andere arzneilich oder pharmakologisch wirkende Stoffe oder Fermentpräparate, ohne Zulassung oder entgegen den Zulassungsbestimmungen zu verabreichen;

 d) nicht zugelassene oder der Zulassung nicht entsprechende Stoffe im Sinne der lit c) feilzuhalten, zu verkaufen oder für die Verabreichung

bereitzuhalten oder Mischungen mit solchen Stoffen in Verkehr zu bringen;

e)

.....

f)

.....

(3) - (10) .....

§ 74:

(1).....

(2) Wer

1.

- 3. .....

4.

Tieren, die für die Gewinnung von Lebensmitteln bestimmt sind, zugelassene Stoffe der in § 15 Abs 2 lit c bestimmten Art entgegen den Zulassungsbedingungen verabreicht oder solche den Zulassungsbedingungen nicht entsprechende Stoffe für die Verabreichung bereit hält,

 5. -16. .....

macht sich, sofern die Tat nicht nach den §§ 56 bis 64 oder nach anderen Bestimmungen einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von

der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu S 100.000,-- zu bestrafen.

Das Straferkenntnis bezieht sich im Sachverhalt des Punktes 2.) auf "den oben angeführten Tatbestand" - also Punkt 1.) - und wirft dem Berufungswerber vor, dieses Antibiotikum zur Verabreichung bereit gehalten haben, obwohl es nicht den Zulassungsbedingungen entsprach. Wie erwähnt, handelt Punkt 1.) jedoch davon, dass das Antibiotikum keine Zulassungsnummer einer österreichischen Behörde aufgewiesen habe und "daher in dieser Form nicht in Österreich zugelassen (war)". Stehen somit die Punkte 1.) und 2.) im Sacherhalt schon auf Grund dieser Divergenz im Widerspruch, kommt noch hinzu, dass die erste Instanz in der Bescheidbegründung auf Seite 6, 5. Absatz zu Punkt 2.) Folgendes ausführte: Das Tierarzneimittel wurde daher eindeutig ohne Zulassung verabreicht, .... , das heißt sie wechselte von der Bereithaltung zur Verabreichung im Spruch überraschend auf die Verabreichung ohne Zulassung in der Begründung über. Es ergibt sich aus dem Akt der ersten Instanz kein Hinweis darauf, dass es eine Zulassung des Antibiotikums Lincospectin in Österreich gab. Nach § 74 Abs 2 Z 4 LMG bildet das Bereithalten eines nichtzugelassenen Antibiotikums zur Verabreichung keine Verwaltungsübertretung, denn nach dem zweiten Satzteil ist nur der Fall sanktioniert, dass ein solcher den Zulassungsbedingungen nicht entsprechender Stoff zur Verabreichung bereit gehalten wird. Dies würde voraussetzen, dass es eine Zulassung mit entsprechenden Bedingungen oder Auflagen gibt, denen der zur Verabreichung bereit gehaltene Stoff nicht entspricht. Liegt aber, wie im Berufungsfall, überhaupt keine Zulassung vor, ist es denkunmöglich, festzustellen, dass der Stoff nicht den Zulassungsbedingungen entsprach. Der Tatvorwurf trifft daher auch in diesem Punkt nicht zu, weshalb auch hier das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen ist. Es braucht aus diesem Grund auf die weiteren Details des Berufungsvorbringens nicht eingegangen zu werden. Da sich die Verfahrenseinstellung bereits auf Grund der Aktenlage ergibt und überdies die verhängten Strafen den Betrag von ? 500,-- nicht übersteigen, kann die Entscheidung ohne mündliche Berufungsverhandlung getroffen werden (§ 51 e Abs 2 Z 1 und  Abs 3 Z 3 VStG).

Schlagworte
Arzneimittel Inverkehrbringen Vorrätighalten Verbraucher
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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