TE UVS Niederösterreich 2002/10/23 Senat-MD-01-1215

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Veröffentlicht am 23.10.2002
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Spruch

I

Der, gegen Punkt 1 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses erhobenen, Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrens- gesetzes (AVG) 1991 Folge gegeben und das Straferkenntnis im Umfange dieses Punktes 1 aufgehoben.

 

Gemäß § 45 Abs 1 Z 3 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) 1991 wird die Einstellung des, diesen Punkt 1 betreffenden, Strafverfahrens verfügt.

 

II.

Der, gegen die Punkte 2 und 3 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses erhobenen, Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 AVG keine Folge gegeben und wird der, diese beiden Punkte betreffende, Spruch des Straferkenntnisses mit der Maßgabe bestätigt, dass die Tatjahrangabe abgeändert nunmehr ?2000? zu lauten hat.

 

Die Berufungswerberin hat dem Land NÖ gemäß § 64 Abs 1 und Abs 2 VStG einen Betrag von ? 72,67 als Beitrag zu den, diese beiden Punkte betreffenden, Kosten des Berufungsverfahrens binnen 2 Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung zu ersetzen. Innerhalb gleicher Frist sind die Geldstrafen und die, diese beiden Punkte betreffenden, Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu bezahlen

(§ 59 Abs 2 AVG).

Text

Mit Straferkenntnis vom *****2001, Zl 3-*****-00, erkannte die Bezirkshauptmannschaft x die nunmehrige Berufungswerberin der Begehung von Verwaltungsübertretungen nach § 20 Abs 1 StVO (Punkt 1), § 4 Abs 1 lit a StVO (Punkt 2) und § 4 Abs 5 StVO (Punkt 3) schuldig und verhängte hiefür jeweils S 3.000,-- nicht übersteigende Geldstrafen unter gleichzeitiger Festsetzung von Ersatzfreiheitsstrafen sowie Vorschreibung eines Kostenbeitrages gemäß § 64 Abs 2 VStG.

 

Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Beschuldigte fristgerecht am *****2001 im wesentlichen mit der Begründung Berufung, die Unterstellung, zu schnell gefahren zu sein, zurückzuweisen. Von einer Weiterfahrt, ohne stehen zu bleiben, könne keine Rede sein, weil das Tatfahrzeug ?wenige Meter nach dem Vorfall? erstmals am Ausgang einer unübersichtlichen Kurve, für den nachfolgenden Verkehr gefährdend, zum Stehen gekommen sei und die Rechtsmittelwerberin (im weiteren: RMW) mit dem Tatfahrzeug von diesem Standort als Sicherungsmaßnahme wenige Meter weiter auf eine, noch im Bereich *****straße * gelegene, freie Fläche gefahren sei.

Da sie den Schaden am verschneiten Zaun nicht bemerkt habe, habe sie den Vorfall nicht polizeilich gemeldet.

Am späten Nachmittag sei sie nochmals zur Unfallstelle gefahren, habe die Beschädigung gesehen, sich mit den Hauseigentümern ins Einvernehmen gesetzt und ihre Identität nachgewiesen. Eine zusätzliche Anzeige bei der Gendarmerie sei ihr somit nicht notwendig erschienen.

Da sie sich in keiner Weise schuldhaft verhalten habe und der Schaden auf ihre eigene Initiative hin geregelt worden sei, beantrage sie die Straferkenntnisaufhebung.

 

Mit Schreiben vom *****2001 legte die Bezirkshauptmannschaft x den gegenständlichen Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vor.

 

Gemäß § 51 e Abs 1 VStG führte die Berufungsbehörde am ******2002 eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit der RMW und deren Rechtsvertreters, anlässlich welcher die Einvernahme des Zeugen R W (Geschädigter) erfolgte, durch.

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

Aufgrund der, diesbezüglich mit den übrigen Verfahrensergebnissen (s schriftliche Anzeigen des Gendarmeriepostens B********** vom *** und *****2000, GZ P ***/00 und ***/00, Angaben des Zeugen R W (s zeugenschaftliche Einvernahmen vom ******2000, *****2001 und ******2002, ha Aktenvermerk vom *****2002, betreffend das von der Berufungsbehörde mit dem in Rede stehenden Zeugen geführte Telefonat)) im Einklang befindlichen, Beschuldigtenverantwortung (s niederschriftliche Einvernahmen vom ***** und *****2000, schriftliche Stellungnahmen vom ****2001 und ****2002, Berufungsschrift und ?verhandlung) steht fest, dass die RMW am *****2000, um 7,45 Uhr, im Ortsgebiet B**********, auf der *****straße, Höhe Haus Nr *, mit dem von ihr in Richtung **** gelenkten PKW N******* einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht hat, indem sie mit dem Tatfahrzeug im Kurvenbereich der mit Schneematsch versehenen, äußerst glatten und rutschigen, Fahrbahn der *****straße ins Schleudern geraten ist, wodurch sich das KFZ gedreht hat, über den Gehsteig gegen den Zaun des Hauses *****straße Nr * gestoßen ist, anschließend auf die Fahrbahn der *****straße zurückgeschleudert worden und dortörtlich kurzfristig zum Stillstand gekommen ist.

Durch den, mit dem Tatfahrzeug erfolgten, Anstoß ist der oa Zaun auf einer Länge von ca 10 Metern beschädigt worden, ua ist ein Zaunpfeiler ca ½ Meter eingedrückt und der Betonsockel ausgebrochen worden.

Die dem Zeugen R W durch diesen Schaden entstandenen Reparaturkosten von S 13.278,-- sind vom Versicherer des Tatfahrzeuges ersetzt worden.

Um ca 8,00 Uhr des Tattages hat der Zeuge W beim Gendarmerieposten B********** angezeigt, dass ein unbekannter Fahrzeuglenker mit einem KFZ den Zaun seines Hauses B**********, *****straße *, beschädigt hat. Dieser Lenker hat sich nicht mit dem Zeugen in Verbindung gesetzt, sondern ist sofort weitergefahren. Am späteren Nachmittag des Tattages ist die RMW beim Zeugen W erschienen und hat ihm mitgeteilt, den oa Schaden am oa Zaun verursacht zu haben und für die Reparaturkosten aufzukommen. Die RMW hat keiner Sicherheitsdienststelle den gegenständlichen Verkehrsunfall mit Sachschaden gemeldet, obwohl ein gegenseitiger Identitätsnachweis unterblieben ist.

 

Unter Zugrundelegung der nachvollziehbaren, schlüssigen, überzeugenden, lebensnahen, auch unter Wahrheitspflicht stehend getätigten, Angaben des Zeugen W ist weiters erwiesen, dass dieser Zeuge, veranlasst durch das, von ihm wahrgenommene, mit der gegenständlichen Kollision verbundene, Geräusch, vor sein Haus zum hauptstraßenseitig gelegenen Zaun geeilt ist.

Zwischen dem Vernehmen des oa Geräusches und dem Erscheinen des Zeugen beim Zaun ist eine Zeitspanne von weniger als 1 Minute vergangen.

Die vorfallskausale Beschädigung des Gartenzaunes ist augenfällig und für jedermann auf den ersten Blick problemlos erkennbar gewesen.

Weiters sind die Schleuderspuren des schadensverursachenden KFZs zu sehen gewesen, welche von der Fahrbahn zum beschädigten Teil des Zaunes geführt haben.

Der aus einem Maschengitter bestehende Zaun ist weder zugeschneit noch durch Verwehungen etc verdeckt gewesen, sondern hat sich auf diesem lediglich eine geringfügige Schneeauflage im Ausmaß von ca 2 ? 3 cm befunden.

Der Zeuge W hat sich ca 3 Minuten bei diesem beschädigten Zaun aufgehalten.

Innerhalb dieses Zeitraumes ist der Zeuge W von niemandem bezüglich des verfahrensgegenständlichen Schadens oder Verkehrsunfalles kontaktiert worden und hat der Zeuge weder eine Person noch ein Fahrzeug gesehen, welche/welches mit dem gegenständlichen Verkehrsunfall mit Sachschaden in Zusammenhang zu bringen gewesen wäre.

Insbesondere ist weder im Bereich der Kollisionsstelle noch auf der Fahrbahn der *****straße ein KFZ gestanden.

Anlässlich des am späteren Nachmittag des Tattages mit der RMW geführten Gespräches hat der Zeuge W der RMW vorgehalten, warum sie nach dem Verkehrsunfall nicht stehen geblieben ist und nicht gleich mit ihm Kontakt aufgenommen hat. Die RMW hat sich damit gerechtfertigt, wegen eines Zahnarzttermines in Eile gewesen zu sein, ohne den Vorwurf des Nichtstehenbleibens zu bestreiten und ohne zu behaupten, den Zaun unmittelbar nach dem Verkehrsunfall auf unfallskausale Schäden angeschaut und im Zuge dieser Nachschau keinen Schaden festgestellt zu haben.

Die RMW hat auch mit keinem Wort erwähnt, den gegenständlichen Schaden am Zaun unmittelbar nach dem Verkehrsunfall infolge der Verschneiung des Zaunes nicht gesehen zu haben.

 

Die Berufungsbehörde erachtet die Angaben des Zeugen W als glaubwürdig, weil ein Grund, aus welchem dieser Zeuge die ihm, abgesehen vom gegenständlichen Vorfall unbekannte, RMW tatsachen- und wahrheitswidrig belasten sollte, weder von der RMW behauptet worden noch sonst verfahrensevident geworden ist.

 

Der Gatte der RMW, K W, hat das der RMW angelastete Verhalten am Tattag gegenüber dem unfallerhebenden Gendarmeriebeamten namens seiner Gattin damit gerechtfertigt, dass die RMW unter Zeitdruck gestanden sei, weil sie einen Zahnarzttermin wahrnehmen habe müssen.

Die inhaltliche Richtigkeit dieses Anzeigeinhaltes ist von beiden Verfahrensparteien unbestritten geblieben.

 

Die RMW hat anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme am *****2000, im Zuge derer sie erstmalig als Beschuldigte mit den verfahrensgegenständlichen Tatvorwürfen konfrontiert worden ist und sie den Akteninhalt, insbesondere die Anzeigeschriften des Gendarmeriepostens B********** vom *** und *****2000, GZ P ***/00 und ***/00, zur Kenntnis genommen hat, deponiert, diesem Akteninhalt ?nichts hinzuzufügen? zu haben.

Obzwar bereits in diesen Anzeigeschriften angeführt ist, dass der Tatfahrzeuglenker nach dem gegenständlichen Verkehrsunfall seine Fahrt sofort fortgesetzt hat, und die am Gartenzaun unfallskausal eingetretene Beschädigung angeführt wird, hat die RMW zu diesem Zeitpunkt weder die Erkennbarkeit des von ihr verursachten Sachschadens noch das Nichtanhalten und die sofortige Weiterfahrt nach dem Verkehrsunfall bestritten.

Dies steht im Einklang mit den Angaben des Zeugen W, nach welchen die RMW auch am Tattag weder die Erkennbarkeit des Sachschadens noch das sofortige Weiterfahren nach dem Verkehrsunfall in Abrede gestellt hat.

Das Unterlassen der RMW, sich zur Tatzeit um den von ihr verursachten Sachschaden zu kümmern und von einer sofortigen Weiterfahrt nach dem Verkehrsunfall Abstand zu nehmen, steht im Einklang mit der, von der RMW deponierten, Eile zwecks rechtzeitigen Erreichens eines Zahnarzttermines.

 

Da lebenserfahrungsgemäß die tatzeitpunktnächsten Angaben der Wahrheit am nächsten kommen und es völlig lebensfremd ist, dass ein zu Unrecht der Begehung von Verwaltungsübertretungen Verdächtigter nicht bei erster, ihm gebotener, Gelegenheit (fallbezogen somit bereits bei der Einvernahme am *****2000) sämtliche seiner Entlastung dienlichen Umstände vorbringt, erweisen sich allein schon unter diesem Aspekt die erst im Zuge des weiteren Verfahrens, sohin später, offenbar über Beratung und Einflussnahme von Dritten, getätigten Behauptungen der mangelnden Erkennbarkeit des Sachschadens, des Anhaltens des Tatfahrzeuges an einer wenige Meter vom Unfallsort entfernt gelegenen Fahrbahnausbuchtung sowie der, aus einer Entfernung von ca 4 Metern vorgenommenen, Besichtigung des Zaunes auf Schäden als nachträgliches Konstrukt diverser, jeglichen inneren Wahrheitsgehalt entbehrender, somit völlig unglaubwürdiger, Schutzbehauptungen, die ausschließlich aus dem exzessiven Gebrauch des der RMW zukommenden Rechtes auf freie Verantwortung resultieren und ausschließlich darauf gerichtet sind, sich mit allen Mitteln ? ungeachtet des wahren Sachverhaltes ? der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung zu entziehen und die nachteiligen Konsequenzen finanzieller und rechtlicher Art einer Bestrafung hintanzuhalten.

Diese Beurteilung findet Bestätigung darin, dass die Verantwortung der RMW mit zunehmender Verfahrensdauer, trotz des immer weiter zurückliegenden Tatzeitpunktes, immer detaillierter geworden ist, und wird gestützt durch das offenbar selektive, vom Bemühen, nur im vermeintlich günstigen Ausmaß für die RMW zur Sachverhaltsfeststellung beizutragen (die RMW ist zB nicht bereit gewesen, die ihr von ihrem Ehegatten zur Deckung ihres Lebensunterhaltes zukommenden Geld- und/oder Sachzuwendungen offen zu legen oder zumindest größenordnungsmäßig das Einkommen ihres Ehegatten anzugeben, wohl aber hat sie auf ihre Vermögenslosigkeit sowie die sie treffenden Sorgepflichten verwiesen), bestimmten, Aussageverhalten der RMW.

 

Dazu kommt noch, dass diverse ihrer nachgeschobenen Behauptungen im Widerspruch zu anderen Verfahrensergebnissen stehen und völlig unplausibel sind.

Wäre die RMW tatsächlich, wie von ihr angegeben, nach dem Verkehrsunfall ca 5 Minuten auf der, gegenüber dem Haus *****straße Nr * befindlichen, Fahrbahnausbuchtung gestanden, ist es völlig unerklärlich, dass der RMW das innerhalb dieses Zeitraumes stattgefundene Erscheinen sowie der, ca dreiminütige, Aufenthalt des Zeugen W beim Gartenzaun entgangen ist und sie eine sofortige Kontaktaufnahme mit diesem Zeugen zwecks sofortiger Feststellung eines eventuellen Sachschadens unterlassen hat. Die ? unbestrittene ? Tatsache, dass der Zeuge W und die RMW einander nicht auffällig geworden sind, lässt sich sinnvoll und nachvollziehbar nur damit erklären, dass die RMW beim, weniger als 1 Minute nach der Kollision erfolgten, Eintreffen des Zeugen W beim Gartenzaun bereits den Unfallsort und den Nahebereich desselben mit dem Tatfahrzeug verlassen gehabt hat, sie also sofort nach dem Zum-Stillstand-Kommen des Tatfahrzeuges auf der Fahrbahn nach dem Schleudern ihre Fahrt fortgesetzt hat, ohne sich in irgend einer Weise um den am Zaun eingetretenen Schaden gekümmert zu haben, was auch schlüssig erklärt, dass die RMW den auf den ersten Blick erkennbaren Schaden am Zaun (mangels Blickes auf den selben) ? ihren Angaben zufolge ? nicht gesehen hat. Die Darstellung sämtlicher Ungereimtheiten in der Beschuldigtenverantwortung würde den Rahmen dieser Entscheidung sprengen.

 

Aufgrund der dargelegten Verfahrensergebnisse und Erwägungen ist erwiesen, dass die RMW nach dem gegenständlichen Verkehrsunfall sofort mit dem Tatfahrzeug, ohne dieses angehalten und ohne sich in irgendeiner Weise um den von ihr verursachten Sachschaden gekümmert zu haben, weitergefahren ist und den Bereich der Unfallörtlichkeit verlassen hat.

 

I Zu Punkt 1 des angefochtenen Straferkenntnisses:

 

Zu diesem Punkt wird der RMW angelastet, die Norm des § 20 Abs 1 StVO dadurch verletzt zu haben, dass sie bei Schneematsch von der Fahrbahn abgekommen und es zu einem Verkehrsunfall mit Sachschaden gekommen ist.

 

Gemäß § 20 Abs 1, 1 Satz StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen.

 

Zur Beurteilung der Frage, ob ein Fahrzeuglenker eine iSd § 20 Abs 1,

1 Satz StVO unzulässige Geschwindigkeit eingehalten hat, muss diese Geschwindigkeit auch ziffernmäßig festgestellt sein (VwGH 27.2.1970, 1470/69).

Des weiteren bedarf es der Konkretisierung der tatsächlich gegebenen Umstände, insbesondere der Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnisse, weil ein Minus bei einzelnen der nach § 20 Abs 1 StVO für die Wahl der Geschwindigkeit maßgebenden Faktoren (zB regennasse Fahrbahn) gegebenenfalls durch ein Plus der anderen Faktoren (zB Nichtvorliegen einer relevanten Sichtbehinderung, Straßenbreite, Straßenverlauf, Zustand der Fahrbahndecke und dergleichen) ausgeglichen werden kann (VwGH 18.4.1994, 93/03/0301).

 

Ein allfälliger, zu einem Verkehrsunfall führender, Aufmerksamkeitsfehler oder Fahrfehler (zB zu starkes oder zu abruptes Einlenken in eine Kurve auf rutschiger und glatter Schneematschfahrbahn) lässt nicht schon zwingend darauf schließen, dass der betreffende Lenker mit einer im Hinblick auf § 20 Abs 1 StVO überhöhten, d.h. mit einer den gegebenen Umständen nicht angepassten, Geschwindigkeit gefahren ist.

 

Dem Anzeigeinhalt sind nicht sämtliche, einer Bestrafung nach § 20 Abs 1 StVO zugrunde zu legenden, Sachverhaltselemente in konkretisierter Weise (insbesondere die mit dem Tatfahrzeug eingehaltene Fahrgeschwindigkeit sowie die einzelnen, für die Geschwindigkeitswahl maßgebenden, Faktoren iSd § 20 Abs 1 StVO) entnehmbar.

 

Sämtliche, innerhalb der gemäß § 31 Abs 2 VStG fallbezogen 6- monatigen, daher am *****2000 abgelaufenen, Verfolgungsverjährungsfrist vorgenommenen, als mögliche Verfolgungshandlungen iSd § 32 Abs 2 VStG in Betracht kommenden, Behördenhandlungen (s erstbehördliche Rechtshilfeersuchen vom ****, ***** und ****2000, rechtshilfebehördlicher Ladungsbescheid vom *****2000, niederschriftliche Beschuldigteneinvernahmen vom ***** und *****2000) enthalten keine der in Rede stehenden Konkretisierungen und sind daher nicht als taugliche Verfolgungshandlung hinsichtlich einer Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs 1 StVO zu qualifizieren, wobei anzumerken ist, dass die Berufungsbehörde von der Vollständigkeit des vorgelegten Verwaltungsstrafaktes ausgeht.

 

Da innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist hinsichtlich der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung keine, den gesetzlichen Erfordernissen entsprechende, taugliche Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist, ist mit Ablauf des *****2000 die von Amts wegen wahrzunehmende Verfolgungsverjährung eingetreten, weshalb bezüglich Punkt 1 des angefochtenen Straferkenntnisses spruchgemäß zu entscheiden gewesen ist.

 

In Anbetracht der oa Rechtslage vermag die Tatsache, dass einige Faktoren, insbesondere die, von der RMW selbst als äußerst rutschig und äußerst glatt bezeichnete, Schneematschfahrbahn, das Abkommen von der Fahrbahn in einem Kurvenbereich, die von der RMW beschriebene Dreh- und Schleuderbewegung des Tatfahrzeuges sowie die tatzeitliche Eile der RMW, vehement für eine, nicht der Norm des § 20 Abs 1 StVO angepasste, Geschwindigkeit sprechen, nichts zu ändern.

 

II Zu den Punkten 2 und 3 des angefochtenen Straferkenntnisses:

 

1. Schuldberufung:

 

Alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, haben, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten (§ 4 Abs 1 lit a StVO) und, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben

(§ 4 Abs 5 StVO).

 

Voraussetzung für die Anhalte- und Meldepflicht iSd § 4 StVO ist nicht nur das objektive Tatbestandsmerkmal des Eintrittes eines Sachschadens, sondern auch in subjektiver Hinsicht das Wissen oder das fahrlässige Nichtwissen vom Eintritt eines derartigen Schadens.

Die Tatbestände des § 4 Abs 1 lit a und § 4 Abs 5, jeweils StVO sind schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein kommen hätten müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte.

 

Ausgehend von den, einbekanntermaßen von der RMW wahrgenommenen, Umständen (Abkommen von der Fahrbahn, Drehen und Schleudern des Tatfahrzeuges verbunden mit einem Anstoßgeräusch (die RMW hat zur Tatzeit gemutmaßt, dass dieses Geräusch durch eine mit dem Tatfahrzeug erfolgte Kontaktierung des, vor dem Haus *****straße Nr * situierten, Gehsteiges verursacht worden ist)) sind der RMW objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen, aus denen sie die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte.

 

Unterlässt sie es, wie fallbezogen gegeben, das Tatfahrzeug sofort nach dem Verkehrsunfall anzuhalten und verlässt sie unmittelbar nach dem Verkehrsunfall den Bereich der Unfallsörtlichkeit, überzeugt sie sich somit nicht oder nicht in geeigneter Weise von der Folgenlosigkeit des von ihr verursachten Verkehrsunfalles, so hat sie das ? von ihr behauptete ? Nichtwissen vom Eintritt eines unfallskausalen Schadens in Fremdvermögen selbst zu vertreten und selbst verschuldet.

 

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die RMW aufgrund der o. a. Umstände zur Anwendung besonderer Aufmerksamkeit und Sorgfalt verpflichtet gewesen ist, sie sich somit besonders gewissenhaft von der Folgenlosigkeit des Verkehrsunfalles überzeugen hätte müssen.

Dieser erhöhten Sorgfaltspflicht und besonderen Vergewisserungspflicht kann nicht dadurch entsprochen werden, dass von einer, gegenüber der Kollisionsörtlichkeiten gelegenen, ca 4 Meter von diesen entfernten, Stelle, so die Angaben der RMW, ein Maschengitterzaun hinsichtlich der Schadensfreiheit besichtigt wird, noch dazu, wenn dieser Zaun, so die Angaben der RMW, verschneit gewesen ist.

Daraus ergibt sich, dass selbst für den Fall, dass man von dieser, wie oben dargelegt, unglaubwürdigen, Version der RMW ausgegangen wäre, nichts für die RMW gewonnen gewesen wäre, weil auch diesfalls das von ihr behauptete mangelnde Erkennen des Sachschadens unmittelbar nach dem Verkehrsunfall infolge der dargelegten gravierenden Pflichtenverletzungen selbst verschuldet worden ist, zumal die RMW, eigenen Angaben zufolge, ein Abgehen des Zaunes auf voller Länge unmittelbar nach dem Verkehrsunfall unterlassen hat.

Auch die Stunden nach dem Verkehrsunfall von der RMW selbst festgestellte Beschädigung des Zaunes gibt eindrucksvoll wieder, dass der von ihr verursachte Sachschaden bei nicht bloß oberflächlicher, somit sorgfaltsloser, sondern genauer Besichtigung problemlos zu erkennen gewesen ist, welche Tatsache auch durch die glaubwürdigen Angaben des Zeugen W bestätigt wird.

 

Das, nahezu 10 Stunden nach dem gegenständlichen Verkehrsunfall erfolgte, Erscheinen der RMW beim Zeugen W und das dabei vorgenommene Offenlegen der Schadensverursachereigenschaft stellt keinen Identitätsnachweis iSd § 4 Abs 5 StVO dar, zumal nicht einmal die RMW selbst behauptet hat, anlässlich dieses Gespräches einen Lichtbildausweis vorgewiesen zu haben.

Im übrigen wäre das Durchführen eines Identitätsnachweises zu diesem Zeitpunkt auch erheblich verspätet und demzufolge nicht geeignet gewesen, den im § 4 Abs 5 StVO normierten Verpflichtungen zu entsprechen.

 

Unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes sowie der dargelegten Rechtslage hat die RMW die Tatbestände der beiden ihr zu diesen Punkten angelasteten Verwaltungsübertretungen jeweils in objektiver und subjektiver Hinsicht verwirklicht, sodass der Schuldberufung keine Folge zu geben war und die diesbezüglichen Schuldsprüche spruchgemäß zu bestätigen waren.

 

Die von der Berufungsbehörde vorgenommene Spruchänderung dient der Berichtigung und gründet sich auf eine taugliche Verfolgungshandlung (s ua niederschriftliche Beschuldigteneinvernahme vom *****2000).

 

2. Strafberufung:

 

Die Norm des § 4 Abs 1 lit a StVO hat den Zweck, dass der Lenker, nachdem er sich vom Ausmaß des Verkehrsunfalles überzeugt hat, die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen, so insbesondere die nach § 4 Abs 1 lit b und lit c, Abs 2 und Abs 5 StVO, trifft.

 

Der Zweck der gesetzlichen Bestimmung des § 4 Abs 5 StVO liegt insbesondere darin, den am Unfall Beteiligten die Möglichkeit zu geben, ohne unnötigen Aufwand und Schwierigkeiten klarstellen zu können, mit wem man sich hinsichtlich der Schadensregulierung in der Folge auseinander zu setzen haben wird.

 

Eine, die RMW betreffende, verwaltungsbehördliche Vorstrafe ist nicht aktenevident geworden.

 

Die Berufungsbehörde wertet jeweils zu beiden Delikten mildernd die Unbescholtenheit, erschwerend die (zumindest) bedingt vorsätzliche Tatbegehungsweise (die RMW hat trotz ihrer Kenntnis vom gegenständlichen Verkehrsunfall das Tatfahrzeug nicht angehalten, sondern ist sofort weitergefahren, hat sich in keiner Weise von der Folgenlosigkeit des Verkehrsunfalles überzeugt und ist bezüglich der sie treffenden Meldepflicht völlig untätig geblieben, sie hat dadurch jede der beiden Tatbestandsverwirklichungen ernsthaft für möglich halten müssen und sich damit abgefunden).

 

Unter Bedachtnahme auf die im § 19 VStG normierten Strafbemessungskriterien, somit im Hinblick darauf, dass die RMW durch ihr rechtswidriges Verhalten den Schutzzweck der übertretenen Normen verletzt hat, sowie unter Berücksichtigung des jeweils nicht unwesentlichen Unrechtsgehaltes der Taten, des jeweils erheblichen Verschuldensausmaßes, des Milderungsgrundes, des gewichtigen Erschwerungsgrundes, des von ? 36,-- bis ? 2.180,-

- reichenden Strafrahmens des § 99 Abs 2 lit a StVO, der bis zu  ?

726,-- reichenden Strafdrohung des § 99 Abs 3 lit b StVO, der Schadensgutmachung, der Tatsache, dass der Verursacher des gegenständlichen Sachschadens ausschließlich durch das eigeninitiativ erfolgte Tätigwerden der RMW bekannt geworden ist, der allseitigen Verhältnisse der RMW (eigenen Angaben in der Berufungsverhandlung zufolge: Hausfrau, kein Einkommen, der Lebensunterhalt wird vom Ehegatten finanziert, über die Höhe der ihr zukommenden Mittel hat die RMW keine Angaben getätigt, kein Vermögen,

2 Sorgepflichten) sowie general- und spezialpräventiver Erfordernisse sind die von der Erstbehörde festgesetzten Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen jeweils tat-, schuld- und täterangemessen und erweisen sich als milde.

Das festgesetzte Strafausmaß ist insbesondere aus spezialpräventiven Gründen unbedingt erforderlich, um der RMW das Unrechtmäßige ihres Handelns einsichtig zu machen und sie zum gesetzeskonformen Verhalten im Falle eines Verkehrsunfalles zu veranlassen.

 

Eine außerordentliche Milderung der Strafe (§ 20 VStG) kam zu Punkt 2 mangels Überwiegens des Milderungsgrundes, zu Punkt 3 aufgrund der, keine Mindestgrenze enthaltenden, Strafdrohung nicht in Betracht.

 

Ein Absehen von der Strafe (§ 21 VStG) war allein schon aufgrund des von der RMW zu jedem der beiden Delikte zu vertretenden, erheblichen, Verschuldens ausgeschlossen.

 

Der Strafberufung war daher keine Folge zu geben und waren die, die Punkte 2 und 3 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses betreffenden, Straf- und Kostenaussprüche vollinhaltlich zu bestätigen.

 

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogenen Gesetzesstellen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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