TE Vfgh Beschluss 1998/12/1 G293/97

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Veröffentlicht am 01.12.1998
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/02 Kraftfahrgesetz 1967, Führerscheingesetz

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
KFG 1967 §66
KFG 1967 §73

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des KFG 1967 betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung mangels tatsächlicher Wirksamkeit der angefochtenen Bestimmungen bzw infolge Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtsweges

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Mit Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos Bergheim vom 25. März 1996 wurde dem nunmehrigen Antragsteller zur Last gelegt, am 10. März 1996, um 06.10 Uhr seinen Pkw auf der Mattseer Landesstraße trotz mehrerer beschilderter Geschwindigkeitsbeschränkungen von 60 bzw. 70 km/h mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von zumindest 140 km/h gelenkt und dadurch Übertretungen des §52a Z10a StVO 1960 begangen zu haben. Die Verwaltungsstrafbehörde hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 4. April 1996 wurde die Bezirkshauptmannschaft Salzburg ersucht, den Ausgang des Verwaltungsstrafverfahrens unter Anschluß des Aktes mitzuteilen, "um ein Verfahren auf Entziehung der Lenkerberechtigung vornehmen zu können".

1.2. Mit dem beim Verfassungsgerichtshof am 7. Mai 1997 eingelangten Antrag begehrt der Einschreiter die gänzliche bzw. teilweise Aufhebung des §66 Abs2 liti KFG 1967 sowie des §73 Abs3 KFG 1967, jeweils idF der 18. KFG-Novelle, BGBl. 1995/162, als verfassungswidrig.

Die Bundesregierung bestreitet in einer Äußerung die Zulässigkeit des Antrages und verteidigt die Verfassungsmäßigkeit der genannten Bestimmungen.

2. Über die Zulässigkeit des Antrages nach Art140 Abs1 B-VG wurde erwogen:

2.1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die "Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist; ...".

2.2. Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur - beginnend mit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 - ausführte, erfordert die Antragslegitimation nicht nur, daß die antragstellende Partei behauptet, unmittelbar durch die als verfassungswidrig angefochtene Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sondern auch, daß dieses Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation bildet dabei der Umstand, daß das angefochtene Gesetz die Rechtssphäre der betreffenden Person berührt und - im Falle der Verfassungswidrigkeit - verletzt. Jedoch nicht jedem Normadressaten kommt die Anfechtungsberechtigung zu; es ist vielmehr auch notwendig, daß unmittelbar durch das Gesetz selbst - tatsächlich - in die Rechtssphäre des Antragstellers eingegriffen wird. Ein solcher, die Antragslegitimation begründender Eingriff in die Rechtssphäre einer Person muß jedenfalls nach Art und Ausmaß durch das Gesetz eindeutig bestimmt sein und die rechtlich geschützten Interessen des Betroffenen nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigen.

2.3. Dem Verfassungsgerichtshof ist nicht bekannt, daß gegen den Antragsteller wegen der oben genannten Geschwindigkeitsüberschreitung ein Strafbescheid in erster Instanz erlassen worden wäre. Der Verfassungsgerichtshof geht auch davon aus, daß dem Antragsteller bislang die Lenkerberechtigung nicht entzogen wurde. Die angefochtenen Gesetzesbestimmungen sind daher für den Antragsteller tatsächlich nicht wirksam geworden. Der Antrag ist sohin schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

Aber auch dann, wenn aufgrund eines Strafbescheides erster Instanz ein Verfahren über die Entziehung der Lenkerberechtigung gegen den Antragsteller eingeleitet worden wäre, wäre der Antrag zurückzuweisen, weil es an einem "unmittelbaren" Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers fehlen würde, stünde doch dem Antragsteller zur Abwehr der - ihm durch die angebliche Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Gesetzesbestimmungen entstandenen - Rechtsverletzung ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung. Ein solcher - die Antragslegitimation ausschließender - zumutbarer Weg besteht grundsätzlich nämlich dann, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren bereits anhängig ist, das dem von der generellen Rechtsnorm Betroffenen letztlich Gelegenheit bietet, die Einleitung eines amtswegigen Normenprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof anzuregen. In einem allfälligen Verfahren über die Entziehung der Lenkerberechtigung muß es dem Beschuldigten durchaus zugemutet werden, den administrativen Instanzenzug auszuschöpfen und sodann beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde nach Art144 B-VG zu erheben und darin seine Bedenken gegen die generelle Norm vorzubringen.

3. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Kraftfahrrecht, Lenkerberechtigung, Führerschein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:G293.1997

Dokumentnummer

JFT_10018799_97G00293_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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