TE UVS Niederösterreich 2003/07/22 Senat-KS-02-0017

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Veröffentlicht am 22.07.2003
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Spruch

Der Berufung wird gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) eingestellt.

Text

Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt X vom 13. Mai 2002, I/6-***-02, wurde über den Beschuldigten E**** L**** wegen einer Übertretung nach § 366 Abs 1 Z 2, 2. Deliktsfall, GewO gemäß § 366 Abs 1 Einleitungssatz GewO eine Geldstrafe von ? 218,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 30 Stunden) verhängt und ihm die Tragung eines anteiligen Kostenbeitrages zum erstinstanzlichen Verfahren in Höhe von ? 21,80 auferlegt.

 

In diesem Straferkenntnis wird dem Beschuldigten die Verwaltungsübertretung wie folgt angelastet:

 

?Die ?... unser Frisör? Frisörbetriebsgesellschaft mbH hat vom 29.06.2000 bis zum 25.10.2000 die gemäß § 77 GewO 1994 genehmigungspflichtige Betriebsanlage im Mietlokal 2 des Einkaufszentrums (Altbau) in 3*** K****, L****************** 8, als Frisörgeschäft ohne die erforderliche Genehmigung betrieben. Die Genehmigungspflicht dieser Betriebsanlage ergab sich, da diese die im § 74 Abs. 2 GewO 1994 genannten Interessen, insbesondere hinsichtlich der Elektroinstallationen, der Brand- bzw Explosionsgefahr sowie der Be- und Entlüftungssituation zu beeinträchtigen geeignet war.

Als gewerberechtlicher Geschäftsführer der ?... unser Frisör? Frisörbetriebsgesellschaft mbH tragen Sie die Verantwortung für die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung.?

 

In der dagegen eingebrachten Berufung vom 21. Mai 2002 wendet sich der Beschuldigte gegen diese Bestrafung, da seiner Meinung nach auf Grund der technischen sowie räumlichen Ausstattung und der Arbeitsweise sowie der verwendeten Produkte für ein Frisörgeschäft keine gewerbebehördliche Genehmigung notwendig sei. Er habe daher auch ein entsprechendes Ansuchen nicht gestellt. Alle im Straferkenntnis angeführten Begründungen über eine Genehmigungspflicht seien lediglich Vermutung und würden nicht den Tatsachen entsprechen. So können Vorschreibungen des Arbeitsinspektorates, begründet oder nicht begründet, nicht Grundlage dafür sein, ob für einen Betrieb eine gewerbebehördliche Genehmigung notwendig sei. Die technische Ausstattung eines Frisörgeschäftes über das gesetzliche Mindestmaß hinaus begründe keine Genehmigungspflicht und seien überdies Genehmigungspflichten des Vermieters von diesem zu erfüllen.

 

Zu diesem Berufungsvorbringen sowie zum Inhalt des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafaktes und zu der vorgenommenen Tatanlastung im Spruch des Straferkenntnis stellt der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ in rechtlicher Hinsicht folgendes fest:

 

Gemäß § 366 Abs 1 Z 2 GewO begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu ? 3.600,-- zu bestrafen ist, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.

 

Gemäß § 74 Abs 1 GewO ist unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.

 

Gemäß § 74 Abs 2 GewO dürften gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl Nr 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs 1 Z 4 lit g angeführten Nutzungsrechte,

2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3. die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

 

Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Demnach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass eine eindeutige Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und die Identität der Tat nach Ort und Zeit unverwechselbar feststeht.

 

?Unverwechselbares Feststehen der Identität der Tat? bedeutet, dass im Spruch eines Straferkenntnisses, genauer in der Tatumschreibung, dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf zu machen ist, dass dieser rechtlich in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um diesen widerlegen zu können; weiters muss der Beschuldigte geschützt werden, wegen selbigen Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Das Ausmaß der gebotenen Konkretisierung ist nicht isoliert zu betrachten und hängt vom einzelnen Tatbild und den Gegebenheiten des Falles ab.

 

Auf Grund der oben angeführten Bestimmungen des § 74 Abs 2 GewO ist nicht jede gewerbliche Betriebsanlage genehmigungspflichtig, sondern besteht eine Genehmigungspflicht nur dann, wenn die Möglichkeit einer Gefährdung, einer Belästigung oder einer Beeinträchtigung der in dieser Bestimmung angeführten Schutzinteressen durch die Errichtung bzw. durch den Betrieb der Anlage nicht ausgeschlossen werden kann.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es erforderlich, den die Genehmigungspflicht begründenden Genehmigungstatbestand im Spruch des Straferkenntnisses anzuführen.

 

Im vorliegenden Fall wird im Spruch des Straferkenntnisses die Genehmigungspflicht der Betriebsanlage insoferne als gegeben erachtet, als ausgeführt wird, dass die Anlage die im § 74 Abs. 2 GewO genannten Interessen zu beeinträchtigen geeignet sei, und zwar ?hinsichtlich

-

der Elektroninstallationen,

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der Brand- bzw. Explosionsgefahr sowie

-

der Be- und Entlüftungssituation?.

 

Vor dem Hintergrund der nach der allgemeinen Lebenserfahrung in einem Frisörlokal zum Einsatz kommenden Betriebsmittel sowie der dort verrichteten Tätigkeiten kann aus dem bloßen Hinweis auf die ?Elektroinstallationen? ohne nähere Angaben bezüglich allfälliger Besonderheiten eine Genehmigungspflicht der Anlage nicht automatisch abgeleitet werden. Ähnlich verhält es sich mit dem allgemeinen Hinweis auf eine nicht näher bestimmte ?Brand- bzw. Explosionsgefahr?; ohne nähere Umschreibung auf Grund welcher konkreter Gegebenheiten oder Betriebsabläufe eine derartige Auswirkung nicht ausgeschlossen werden kann, stellt sich die Anführung dieser ? grundsätzlich eine Genehmigungspflicht bedingenden ? Auswirkungen als eine nicht nachvollziehbare Bewertung eines nicht näher dargestellten Sachverhaltes dar. Schließlich bleibt auch unklar, auf Grund welcher konkreten Umstände die ?Be- und Entlüftungssituation?, welcher der im § 74 Abs 2 GewO angeführten Genehmigungstatbestände bedingt sein soll.

 

Eine konkrete Umschreibung des die Genehmigungspflicht verursachenden Genehmigungstatbestandes wäre aber schon deshalb erforderlich gewesen, um auch dem Beschuldigten die Möglichkeit einzuräumen, konkret dazu Stellung nehmen zu können.

 

Die Tatanlastung wird daher insoweit dem Konkretisierungsgebot nach § 44a Z 1 VStG nicht gerecht und ist, da trotz der der Berufungsbehörde zustehenden Befugnisse eine Ergänzung des Spruches des Straferkenntnisses mangels Vorliegen einer innerhalb der Frist des § 31 Abs 2 VStG ergangenen und sich auf alle Tatbestandselemente beziehenden Verfolgungshandlung, nicht möglich ist, im Gegenstande Verfolgungsverjährung eingetreten.

 

Es war daher der Berufung Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

Gemäß § 51e Abs 3 Z 3 VStG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung abgesehen werden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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