TE UVS Tirol 2003/10/27 2003/25/116-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.10.2003
beobachten
merken
Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alexander Hohenhorst über die Berufung des Herrn M. H., D-Ingolstadt, vertreten durch die Rechtsanwälte Knoflach, Söllner und Kroker, Schmerlingstraße 2, 6020 Innsbruck, vom 25.09.2003, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 21.07.2003, Zl. VK-5284-2003, betreffend die Übertretung der Straßenverkehrsordnung, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

 

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von 20 Prozent der verhängten Strafe, das sind Euro 14,40, zu bezahlen.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde Herrn M. H. zur Last gelegt, er habe am 20.02.2003 um 17.33 Uhr in Wattens auf der A 12 bei km 61,0 in Richtung Osten, den Lastkraftwagen/Anhänger, XY, gelenkt, und dabei nicht einen Abstand von 50 m eingehalten, obwohl der Lenker eines Fahrzeuges mit größeren Längsabmessungen (Lastfahrzeuge, Kraftwagenzüge, Omnibusse und dergleichen) auf Freilandstraßen nach einem solchen Fahrzeug einen Abstand von mindestens 50 m einzuhalten hat. Der Abstand betrug nur 16,1 m.

 

Der Beschuldigte habe dadurch gegen § 18 Abs 4 StVO verstoßen, weshalb gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 72,00 verhängt wurde. Seine Beitragspflicht zu den Kosten des Strafverfahrens I. Instanz wurde mit Euro 7,20 bestimmt.

 

Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Berufung, in der Herr H. durch seine Rechtsvertreter im Wesentlichen vorbringt, dass durch die Bestimmung des § 18 Abs 4 StVO erreicht werden soll, dass Fahrzeuge mit größeren Längsabmessungen wenigstens ?in Raten? überholt werden können. Gerade dies sei im gegenständlichen Fall möglich gewesen, sodass der Zweck dieser Norm erfüllt worden sei. Bestritten werde die ordnungsgemäße Handhabung und Verwendung des Videomessgerätes. Gegenständliche Aufzeichnungen vom 20.02.2003 seien um 17.33 Uhr, sohin bei vollständiger Dunkelheit, getätigt worden, weshalb dieses Beweismittel untauglich sei. Die Begründung dieses Straferkenntnisses sei schematisch, formularhaft und unsubstantiiert. Selbst wenn ? was ausdrücklich bestritten werde - nicht ein entsprechender Abstand eingehalten worden sei, sei dem Beschuldigten daraus kein Vorwurf zu machen und treffe ihn kein Verschulden, weil der vorausfahrende Lkw nämlich schon seit längerer Zeit einen Defekt an seinem Bremslicht aufgewiesen habe. Es habe andauernd geleuchtet, sodass nicht erkennbar gewesen sei, wann der Lkw bremste, beschleunigte oder seine Geschwindigkeit konstant hielt. Als der Beschuldigte erkannt habe, dass der Fahrer des vorausfahrenden Lkws tatsächlich bremste, habe er ebenfalls stark abgebremst, wodurch sich kurzfristig der Abstand zum Vorderfahrzeug auf möglicherweise unter 50 m reduziert haben könnte. Dies sei aus dem Video nicht ablesbar, da es sich dabei um eine Momentaufnahme handle und der Abstand von über 50 m sofort wiederhergestellt worden sei. Es werde die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung beantragt, die Einvernahme des Beschuldigten sowie Bescheidbehebung und Einstellung des Verfahrens, in eventu die Anwendung des § 21 VStG.

 

Die Berufungsbehörde hat wie folgt erwogen:

 

Beweis aufgenommen wurde durch die zeugenschaftliche Einvernahme des Meldungslegers RI Peter E. als auch durch das Verlesen der Akten des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol und der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck.

 

Der Zeuge RI E. gab an, dass, als er sich mit seinem Kollegen im Dienstfahrzeug auf Höhe der Autobahnausfahrt Wattens befunden hatte, er als Beifahrer in der lang gezogenen Rechtskurve erkennen konnte, dass der vom Beschuldigten gelenkte Lkw knapp hinter dem vor ihm fahrenden Lkw fuhr. Daraufhin aktivierte er das Videoband und sein Kollege lenkte das Dienstfahrzeug auf die Überholspur. Das im Akt befindliche Bild 1 wurde kurz nach Beginn der Videoaufzeichnung gemacht. Auf diesem Bild kann man zwar nicht erkennen, wie knapp der Beschuldigte hinter dem vor ihm fahrenden Lkw gefahren ist, in natura konnte der Zeuge jedoch den viel zu geringen Abstand genau erkennen. Die Feststellung des Sachverhaltes erfolgte in weiterer Folge so, dass mit dem Dienstfahrzeug relativ langsam an den beobachteten Fahrzeugen vorbeigefahren wurde. Auf diese Art kann man erkennen, wie sich der Abstand der beiden Fahrzeuge zueinander während dieser Zeit verhält. Dabei stellte der Zeuge fest, dass das vom Beschuldigten gelenkte Kraftfahrzeug dauernd in einem knappen Abstand hinter dem vorausfahrenden Lkw fuhr, wobei dieser Abstand jedenfalls immer klar unter 50 m war. Dies ließ sich schon allein daraus feststellen, weil die Länge der Leitlinien auf der Autobahn bekannt ist und immer dann, wenn weniger als zwei Leitlinien zwischen den beiden Fahrzeugen frei sind, sich ergibt, dass der Abstand nicht mehr als 25 m betragen kann (auf der Autobahn ist eine Leitlinie 6 m lang und der Abstand zwischen zwei Leitlinien beträgt 12 m). Die Kamera, mit der gegenständliche Bilder gemacht wurden, ist fix im Fahrzeug installiert, d.h. sie ist unbeweglich; diese Kamera wurde nach der Bedienungsanleitung kalibriert. Diese Kalibrierung gilt dann für ca. ein Jahr und wird in den im Fahrzeug befindlichen Rechner eingegeben. Wenn am Fahrzeug keine Reparatur erfolgt, braucht keine neue Kalibrierung mehr erfolgen. Gegenständliche Anlage ist bis 2005 geeicht. Wenn man dann ein Standbild hernimmt, kann man mit der Maus die beiden Punkte am Bildschirm markieren, zw

ischen denen der Abstand herausgerechnet werden soll. Dies war im gegenständlichen Fall die Vorderkante des Fahrzeuges des Beschuldigten und die Hinterkante des vor ihm fahrenden Fahrzeuges. Das Programm errechnet dann den Abstand, im gegenständlichen Fall kamen dabei die 16,1 m heraus. Das Programm ist so geschrieben, dass eine leichte Fehlertoleranz zugunsten der Gemessenen eingegeben ist. Der Zeuge gab weiters an, dass die Strecke, auf der das Fahrzeug von ihm und seinem Kollegen beobachtet wurde, ca. 1.000 m betrug. Der Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen war auf dieser Strecke mit freiem Auge zu erkennen, nie mehr als 25 m. Es wurde auch darauf geachtet, dass das voranfahrende Fahrzeug im Hinblick auf die dort befindliche Abfahrt zu keinem Bremsmanöver veranlasst worden wäre. Das rote Rücklicht des voranfahrenden Lkws war relativ stark; ob es sich dabei um das Rücklicht oder ein Bremslicht gehandelt hat, konnte der Zeuge nicht mehr sagen; sicher konnte er jedoch sagen, dass das Licht immer gleich geleuchtet hat und es kein Flackern gab. Der Beschuldigte wurde dann auf den Parkplatz gegenüber der Raststation Weer ausgeleitet und einer Kontrolle unterzogen. Nachdem ihm vom Zeugen mitgeteilt wurde, dass er den Abstand zum Vorderfahrzeug unterschritten habe, rechtfertigte sich der Lenker zuerst damit, dass das Vorderfahrzeug gebremst hätte. Daraufhin wurde der Lenker eingeladen, sich im Dienstwagen das Video anzusehen. Dort war zu erkennen, dass das rote Rücklicht des voranfahrenden Lkws die ganze Strecke gleichmäßig aufleuchtete und es kein Flackern gab. Als der Zeuge dem Angehaltenen mitteilte, dass seine Verantwortung, wonach der vor ihm fahrende Lkw die ganze Strecke gebremst hätte, nicht stimmen könne, weil dieser sonst längst zum Stillstand kommen hätte müssen, wusste dieser auch keine Antwort mehr. Der Zeuge konnte ausschließen, dass es zu einer starken Bremsung des voranfahrenden Lkws gekommen ist. Der Zeuge teilte auch mit, dass bei derartigen Kontrollen immer darauf geachtet wird, dass das voranfah

rende Fahrzeug nicht bremst; in so einem Fall wird die Beobachtung nicht mehr weiter ausgewertet und kommt es auch zu keiner Anzeige. Gerade bei Autobahnabfahrten oder -zufahrten werde darauf geachtet, dass das voranfahrende Fahrzeug zu keiner verkehrsbedingten Geschwindigkeitsreduzierung veranlasst wurde. Nur wenn dies auszuschließen ist, wird so eine Übertretung weiter verfolgt. Nach § 18 Abs 4 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges mit größeren Längsabmessungen (Lastfahrzeuge, Kraftwagenzüge, Omnibusse und dgl.) auf Freilandstraßen nach einem solchen Fahrzeug einen Abstand von mindestens 50 m einzuhalten.

 

Gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu Euro 726,00, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach dem Abs 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.

 

Aus den Schilderungen des Zeugen RI E. in der mündlichen Berufungsverhandlung ist die Berufungsbehörde zur Überzeugung gelangt, dass der Beschuldigte auf einer längeren Strecke den 50 m - Abstand nicht eingehalten hat und dieser zu geringe Abstand nicht auf ein Bremsmanöver des voranfahrenden Lkws zurückzuführen ist. Der Zeuge hat in äußerst kompetenter und glaubwürdiger Weise dargelegt, wie derartige Messungen durchgeführt werden und dass im Zweifel immer zugunsten des Kontrollierten vorgegangen wird. Die Berufungsbehörde sieht den im Spruch zur Last gelegten Sachverhalt damit als erwiesen an.

 

Dem Antrag auf Einvernahme des Beschuldigten im Rechtshilfeweg war nicht mehr nachzukommen, da der Berufungswerber ordnungsgemäß geladen war und unentschuldigt zu dieser Verhandlung nicht erschienen ist. Er hat sich damit des Anspruches begeben, nochmals vor die Behörde geladen zu werden. Er hatte durch seinen Rechtsvertreter die Möglichkeit, alles seiner Sicht der Dinge Dienliche vorzubringen. Aufgrund der Zeugenaussage ist ? wie oben angeführt ? der Sachverhalt zweifelsfrei geklärt, weshalb es nicht mehr der Aufnahme weiterer Beweise bedarf.

 

Die in der Berufung vorgebrachte Argumentation mit dem Zweck der Vorschrift des § 18 Abs.4 StVO geht ins Leere, weil bei einem so geringen Abstand das einzelne Überholen der Lkws nicht mehr möglich ist. Das Gesetz fordert die Einhaltung des 50 m Abstandes ohne Ausnahmen. Auch kann das bloße Bestreiten der ordnungsgemäßen Handhabung des Videogerätes die Beweiskraft seiner Auswertung nicht erschüttern. Der Berufungswerber hatte nicht angegeben, welche Fehlfunktion bzw. Fehlbedienung vorgelegen sei und inwieweit die Ergebnisse der Auswertung dadurch falsch seien. Der Zeuge hat in der mündlichen Verhandlung äußerst detailliert beschrieben, wie mit dem ?System VideoMass 2.0? die Aufzeichnungen durchgeführt werden und in weiterer Folge die Abstandsberechnung erfolgt. Dabei wurde vom Beschuldigtenvertreter die Richtigkeit der Handhabung auch nicht mehr in Zweifel gezogen. Auf den im Akt befindlichen Bildern ist auch zu sehen, dass keineswegs vollständige Dunkelheit, sondern erst Dämmerung herrschte, wo noch alles deutlich erkennbar war. Schon auf Bild 2 ist zu sehen, dass der Berufungswerber unmittelbar hinter dem Vorderfahrzeug fuhr, auf Bild 3 bloß 16,1 m. Schon daraus ist ersichtlich, dass das behauptete Bremsmanöver eine bloße Schutzbehauptung sein muss, ansonsten hätte auf einem der beiden Bilder ein vorschriftsgemäßer Abstand zu sehen sein müssen.

 

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Im gegenständlichen Fall wurde der Strafrahmen zu 10 Prozent ausgeschöpft. Da im Verfahren die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Berufungswerbers nicht festgestellt werden konnten, ist von durchschnittlichen Einkommensverhältnissen auszugehen. Der begangenen Verwaltungsübertretung wohnt ein erheblicher Unrechtsgehalt inne, weil durch dieses knappe Hintereinanderfahren das Überholen für schnellere Fahrzeuge wesentlich erschwert wird und eben dieses durch die Vorschrift des § 18 Abs 4 erreicht werden soll. Als Verschulden ist Fahrlässigkeit anzunehmen. In Anbetracht dieser Umstände kann nicht davon gesprochen werden, dass die verhängte Geldstrafe überhöht wäre.

 

Gemäß § 21 Abs 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Eine Anwendung des § 21 Abs 1 VStG kommt also nur dann in Frage, wenn die Schuld des Beschuldigten geringfügig ist. Davon kann aber nur dann die Rede sein, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (VwGH 30.01.1990, 89/03/0084, 27.05.1992, 92/02/0176 uvam). Davon kann im gegenständlichen Fall aber nicht gesprochen werden, weil durch das Verhalten des Berufungswerbers eben das durch die übertretene Vorschrift bezweckte Ziel vereitelt wurde. Eine Anwendung des § 21 VStG scheidet somit aus.

Schlagworte
Abstandsberechnung, System, VideoMass, 2.0
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten