TE UVS Steiermark 2004/02/11 20.3-52/2000

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Veröffentlicht am 11.02.2004
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erich Kundegraber über die am 17. November 2000 eingelangte Beschwerde des F H, vertreten durch Dr. K K, Rechtsanwalt in G, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß §§ 67a Abs 1 Z 2, 67c Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), § 35 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), § 88 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) und § 6 Waffengebrauchsgesetz (WaffGG), wie folgt entschieden:

Dass der Beschwerdeführer bei der Amtshandlung im Zuge der Identitätsfeststellung durch Beamte der Bundespolizeidirektion G am 06. Oktober 2000 um ca. 18.15 Uhr in G, H, in den Schwitzkasten genommen und sodann zu Boden gebracht wurde, war rechtswidrig. Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat als belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 79a AVG in Verbindung mit der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr. 334 einen mit ? 1.486,80 bestimmten Kostenaufwand binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

I.1. In der Sammelbeschwerde vom 16. November 2000 bringt der Beschwerdeführer Nachfolgendes vor:

Am 6. Oktober 2000 fand am G H eine Wahlkampfveranstaltung der O E mit W K und E S statt, an der ca. 2000 Personen, die zahlreiche Transparente hochhielten, teilnahmen. Bereits der Versuch, gemeinsam mit einigen anderen Personen unsererseits ein Transparent mit einem Zitat von E S im Bereich der E J S am Brunnen zu entrollen, wurde von Polizisten ohne Begründung verhindert. Daraufhin sah ich wie ca. 11-12 weiteren Personen Richtung Mitte des H, wo sie versuchten, ein Transparent (schwarz, mit der Aufschrift Widerstand organisieren) hochzuhalten. Die Gruppe bewegte sich zu einem Platz, wo auch die bereits erwähnten zahlreichen Transparente der O E S gehalten wurden. Hier stieß ich auf die Gruppe, welche wiederum versuchte das Transparent hochzuhalten. Diesmal begab sich sofort eine Gruppe der Einheit T zu uns (ca. 15-20 Beamte), kesselte uns ein und begann das Transparent herunterzureißen und zu zerreißen. Dies geschah unter aktiver Mithilfe von O E S, was die Polizei duldete, anschließend wurde das zerstörte Transparent beschlagnahmt. Danach hielt die Polizei den Kessel geschlossen. Als eine Person den Kessel verlassen wollte und ihm dies verwehrt worden ist, war auch mir klar, dass ich den Kessel nicht mehr verlassen durfte. Einige der eingekesselten Personen riefen anlässlich bestimmter Aussagen von E S 4mal (jeweils mit einer Dauer von höchstens 1/2 Minute) S ist ein Rassist!, dies muss allerdings aufgrund von Aussagen anderer Personen nur in der unmittelbaren Umgebung unserer Gruppe zu hören gewesen sein. Nach dem Ende der Veranstaltung wollten wir gemeinsam den H verlassen, wobei wir einander an den Händen und Armen hielten. Dabei begannen die Polizisten, die uns noch immer umringten, zu drängen und heftig zu schieben. Wir wurden hinter eine hölzerne Zusatztribüne in eine Nische gedrängt, die durch eben diese Tribüne, den Brunnen und einen Marktstand gebildet wird, und durch die eigene Polizeikamera nicht erfasst wird. Dort wurde unsere Gruppe noch immer ohne jegliche Begründung in zwei Teile getrennt und zum Teil unter Anwendung körperlicher Gewalt auseinandergerissen. Ohne Vorwarnung packte mich ein Polizist am Hals und nahm mich in den Schwitzkasten, wodurch mein Blick zu Boden gerichtet wurde. Ich wurde zu Boden geschleudert und kam mit dem Gesicht nach unten auf. Ein oder mehrere Polizisten befanden sich in einer mir nicht einsichtigen Stellung auf meinem Rücken. Jetzt erst verlangten sie meinen Ausweis und ich reichte ihnen meinen Pass über meine Schulter. Daraufhin rissen sie mich wieder hoch und stießen mich gegen die Wand eines Marktstandes, wo ich auf Befragen weitere Angaben über meine Person machte. Ich hatte meine Brille verloren und fand sie beschädigt am Boden vor. Als ich von der Polizei eine Rechtfertigung für die Beschädigung verlangte, drohte man mir eine Anzeige wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt an. Ich möchte betonen, dass ich während der gesamten Amtshandlung keinerlei Widerstand geleistet und mich in keiner Weise gewehrt habe. Die Schilderung des Sachverhaltes belegt, dass ich zusammen mit anderen Menschen lediglich mein Recht auf freie Meinungsäußerung friedlich, ohne Androhung oder Anwendung von Gewalt kundgetan habe.

Gemäß § 28 (3) SPG darf in die Rechte eines Menschen nur dann eingegriffen werden, wenn eine solche Befugnis im SPG vorgesehen ist. Die Sicherheitsbehörden wären nur dann zum Einschreiten ermächtigt gewesen, wenn eine allgemeine Gefahr bestanden hätte bzw wenn ein gefährlicher Angriff vorgelegen wäre.

Eine allgemeine Gefahr besteht nach § 16 SPG, bei einem gefährlichen Angriff oder sobald sich zumindest drei Menschen mit dem Vorsatz verbinden, fortgesetzt gerichtlich strafbare Handlungen zu begehen. Ein solcher Vorsatz hat nicht bestanden. Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer 1. nach dem Strafgesetzbuch, 2. nach § 12, 14 oder 14a des Suchtgiftgesetzes, oder 3. nach dem Verbotsgesetz strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen wird. Nach § 16 (3) SPG liegt ein gefährlicher Angriff schon dann vor, wenn ein Verhalten darauf abzielt und geeignet ist, eine solche Bedrohung vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung gesetzt wird. Ich habe durch mein Verhalten weder einen strafrechtlich relevanten Tatbestand verwirklicht und einen solchen auch nicht vorbereitet, sodass kein gefährlicher Angriff vorgelegen ist. Das Vorgehen gegen meine Person war somit keine rechtlich zulässige Maßnahme im Rahmen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit. Auch im Rahmen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung kann das Vorgehen gegen meine Person nicht rechtlich zulässig gewesen sein, gerade angesichts der Bestimmung in § 27 (1) SPG, dass hiebei auf das Interesse des Einzelnen, seine Grund- und Freiheitsrechte ungehindert auszuüben, besonders Bedacht zu nehmen ist. Zu den Maßnahmen der Sicherheitsbehörden im einzelnen führe ich Folgendes aus: a) Das Zerreißen und die Beschlagnahme des Transparentes durch die Polizeieinheit T kann vor dem Hintergrund obiger Erläuterungen durch das SPG nicht gedeckt sein. Das friedliche Hochhalten eines kritischen Transparentes bei einer öffentlich zugänglichen Veranstaltung ist Ausdruck meines Rechtes auf freie Meinungsäußerung. Ich wurde durch diese Maßnahme in meinen Rechten verletzt. b) Auch das Einkesseln von meiner Person und anderen durch die Polizeieinheit T stellt eine durch das SPG nicht gedeckte Einschränkung meiner persönlichen Freiheit dar. Im Rahmen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ist stets auf das Interesse des Einzelnen, seine Grund- und Freiheitsrechte ungehindert auszuüben, besonders Bedacht zu nehmen. Als eine eingekesselte Person den Kessel verlassen wollte und ihm dies vom Polizeibeamten mit der Dienstnummer verwehrt wurde, war auch mir klar, dass ich den Kessel nicht verlassen durfte, was eine weitere unzulässige Einschränkung meiner persönlichen Freiheit bedeutete.

c) Des Weiteren haben die Sicherheitsbehörden gegen ihre Richtlinien gemäß § 31 (2) Zif. 5 SPG iVm der Richtlinien-Verordnung verstoßen. Gemäß § 31 (2) Zif. 5 SPG haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes beim Eingriff in Rechte von Menschen auf die Erkennbarkeit ihrer Unvoreingenommenheit Bedacht zu nehmen ..., sodass ihr Einschreiten von den Betroffenen insbesondere nicht als Diskriminierung aufgrund ... ihrer politischen Auffassung empfunden wird. Diese Bestimmung findet sich auch in der Verordnung des Bundesministers für Inneres, mit der Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erlassen werden (Richtlinien-Verordnung, BGBl. Nr. 266/1993), in § 5 (Achtung der Menschenwürde). Organe des Sicherheitsdienstes haben es toleriert, dass SympathisantInnen der Kundgebung am Zerreissen des Transparentes mitgewirkt haben. Dadurch, dass die Sicherheitsbehörden parteilich auf Seiten der SympathisantInnen der Kundgebung standen und Diskriminierungen aufgrund meiner politischen Überzeugung und Übergriffe gegen meine Menschen- und Grundrechte, sowie gegen meine Menschenwürde, nicht unterbunden haben, haben sie gegen § 31 (2) Zif. 5 SPG iVm § 5 Richtlinien-Verordnung verstoßen. d) Obwohl ich keinerlei Gewalt angedroht oder angewendet habe, wurde ich - wie oben geschildert - in den Schwitzkasten genommen, mit dem Gesicht nach unten zu Boden geschleudert und zu Boden gedrückt. Zu welchem Zweck diese Maßnahmen erfolgten, ist mir gänzlich unklar, da ich völlig friedfertig war. Selbst wenn die Sicherheitsbehörden berechtigt gewesen wären, in meine Rechte einzugreifen, was ich entschieden bestreite, so wäre § 28 (3) SPG verletzt worden, wonach ein Eingriff nur erfolgen darf wenn andere Mittel zur Erfüllung der Aufgaben nicht ausreichen. Zudem ist der in § 29 definierte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt worden. Demnach sind beim Eingriff in Rechte von mehreren zielführenden Befugnissen jene auszuwählen, die voraussichtlich die Betroffenen am wenigsten beeinträchtigt. Die oben beschriebene Behandlung habe ich als sinnlose Polizeibrutalität empfunden e) Die Identitätsfeststellung erfolgte meines Erachtens zu Unrecht. Gemäß § 35 (1) SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Feststellung der Identität eines Menschen ermächtigt, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, er stehe in Zusammenhang mit einem gefährlichen Angriff oder könne über einen solchen Angriff Auskunft erteilen. Ich bestreite, dass der handelnde Beamte vertretbar annehmen konnte, es liege ein gefährlicher Angriff vor. Um von einem gefährlichen Angriff sprechen zu können, bedarf es der Verwirklichung bestimmter mit gerichtlicher Strafe bedrohter Tatbestände oder zumindest eines als Vorbereitungshandlung hiefür zu qualifizierenden Verhaltens. Da ich keinerlei Gewalt angedroht oder angewendet habe und mein einziges abweichendes Verhalten die Ausübung des Rechtes auf freie Meinungsäußerung war, was in unserer Rechtsordnung wohl sicherlich nicht als gefährlicher Angriff gewertet werden kann, findet die Identitätsfeststellung in § 35 SPG keine rechtliche Grundlage. f) Überdies erfolgte die Identitätsfeststellung in einer erniedrigenden Art und Weise. Während ich von Polizisten zu Boden gedrückt wurde, musste ich ihnen liegend meinen Ausweis über die Schulter hinweg reichen, was ich als eine, meine Menschenwürde verletzende, grobe Behandlung empfunden habe. In der Verhandlung am 12. und 13. März 2001 erklärte der Beschwerdeführer, dass sich das Maßnahmeverfahren auf das in den Schwitzkasten nehmen, das zu Boden bringen, Einkesseln und die Art und Weise der Identitätsfeststellung richtet. Bezüglich des Transparentes wird die Beschwerde zurückgezogen. Ebenfalls wird die Beschwerde wegen Richtlinienverletzung zurückgezogen. 2. Die Bundespolizeidirektion Graz legte am 29. Dezember 2000 eine Gegenäußerung vor. Dazu wurde unter anderem ein Aktenvermerk vom 05. Oktober 2000 betreffend die Durchführung von polizeilichen Maßnahmen bei der Wahlversammlung der O unter Teilnahme des Dr. E S am 6. Oktober vorgelegt. Eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft G wegen Verdacht einer versuchten Störung einer Versammlung vom 27. November 2000, die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage wegen des Polizeieinsatzes vom 6. Oktober 2000, sowie Anzeigen wegen Verdachtes der Verwaltungsübertretung nach § 81 SPG und § 1 erster und zweiter Fall, LGBl Nr. 158/75 vom 9. Oktober 2000, die Liste der perlustrierten bzw vorübergehend festgenommenen Personen, eine Einsatzdokumentation von den Gruppenkommandanten der eingesetzten Exekutivbeamten, Auszüge aus Internetseiten betreffend des Einsatzes der Exekutive (M) und eine Liste aller beteiligten Beamten beim Einsatz. Bemerkt wurde, dass die Dienstnummer nicht vergeben wurde und auch nicht evident sei. 3. Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 09. Juli 2001, GZ.: UVS 20.3-52,53,54/2000-13, wurde die Beschwerde über die Amtshandlung abgewiesen. In dem darauffolgenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren wurde der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit Urteil des Verwaltungsgerichtshofes, Zl. 2001/01/0583-8, vom 24. Juni 2003 behoben, da der Verwaltungsgerichtshof Abweichungen in den Aussagen der Meldungsleger erkannte und hiezu eine ergänzende Beweisaufnahme für notwendig hielt. 4. Daraufhin wurden vom Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark in den Verhandlungen am 14. Oktober 2003 und 29. Oktober 2003 ergänzend der Beschwerdeführer, sowie die Zeugen C S, RI A S, I A, G K, RI W M, J T und L L einvernommen. II.1. Auf Grund des Akteninhaltes, sowie der Einvernahme des Beschwerdeführers, der Einvernahme der Beschwerdeführer A B, C B, D H, M K, C S und Mag. G U, die als Zeugen beteiligten Meldungsleger RI W M und RI A S, der Zeugen I A, B B, G K, Mag. K P, G K, S R, J T, L L, P F, P C und F K geht der Unabhängige Verwaltungssenat von nachfolgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus: Am 6. Oktober 2000 fand eine Wahlveranstaltung der O auf dem H unter Teilnahme des Dr. E S als Gastredner statt. Die Veranstaltung begann um 16.00 Uhr und es waren ca. 2.000 Personen anwesend. Kurz vor Ansprache des M drängte sich eine Gruppe von ca. 20 Personen, unter denen sich auch der Beschwerdeführer befand, ca. 20 m vor dem Rednerpult bzw 10 m vor dem Brunnen. Die Teilnehmer der Gruppe begannen ein Transparent mit der Aufschrift Widerstand organisieren - Antifaschistische Linke hochzuhalten und zu entrollen. Der Beschwerdeführer beteiligte sich hiebei nicht, sondern rief mit den anderen Mitgliedern der Gruppe Sprechchöre mit dem Inhalt Widerstand und S ist ein Rassist. Darauf kam es zu Unmutsäußerungen der übrigen Teilnehmer der Wahlkampfkundgebung. Auf Grund dessen - die Situation mit den übrigen Teilnehmern der Veranstaltung begann allmählich zu eskalieren - wurde vom Kommandanten Oberstleutnant K eine Sondereinheit T, bestehend aus acht Personen, zur Gruppe der Aktivisten geschickt, um durch die Umkreisung Übergriffe von Seiten der O S hintan zu halten. Der Abstand zwischen den einzelnen Exekutivorganen bei der Bildung des Kreises um die Gruppe hatte eine unterschiedliche Distanz von unmittelbar nebeneinander bis zu einem Abstand von zwei bis drei Meter. Als die Exekutivbeamten bei der Gruppe eintrafen, war das entrollte Transparent bereits durch andere Teilnehmer der Veranstaltung heruntergerissen bzw gerade im Gange. Der Beschwerdeführer hat nicht versucht die Gruppe zu verlassen. Der Zeuge Oberstleutnant K, der sich ebenfalls neben den acht Einsatzkräften bei der Aktivistengruppe aufhielt, sagte lautstark nach dem letzten Redner der Wahlveranstaltung zur Gruppe, dass sie angezeigt würden und sich daher auszuweisen bzw die Daten sonst bekannt zu geben haben. Es lag der Verdacht der Störung der öffentlichen Ordnung (§ 81 SPG) bzw der Anstandsverletzung vor. Auch bestand gegen Einzelne der Verdacht einer strafbaren Handlung, nämlich der versuchten Störung einer Versammlung nach dem Strafgesetzbuch. Daraufhin fasste die Gruppe der Aktivisten den Entschluss, den Standort zu verlassen. Dies geschah in der Art und Weise, dass sich die Teilnehmer untereinander eingehakt haben und sich in einem Pulk in Richtung Westen weiterbewegten, wobei sie von den Exekutivbeamten eskortiert wurden, da sich der Pulk relativ ungestüm durch die Menschenmasse bewegte. Die Gruppe wurde keinesfalls von den begleitenden Exekutivbeamten geschoben, sondern entwickelte offensichtlich eine Eigendynamik in der Bewegung und begab sich mit rascher Gehgeschwindigkeit durch die Teilnehmer der Wahlkampfveranstaltung, sodass Gefahr für ältere und nicht so mobile Teilnehmer gegeben war. Mittels Funk wurde vom Zeugen K zwischenzeitlich eine zweite Gruppe, ebenfalls bestehend aus acht Polizisten, aus der F (Seitengasse zum H) angefordert und traf diese sodann auf den an der westlichen Seite des H B zum Stillstand gekommenen Pulk. Zu dem Zeitpunkt hat sich der Beschwerdeführer bei den anderen Aktivisten der Gruppe eingehängt und kniete. Andere Aktivisten hatten sich teilweise hingesetzt und waren ebenfalls in enger Umklammerung untereinander. Der Zeuge K stieg sodann auf das Plateau des H B und forderte die Personen mehrmals auf sich auszuweisen, wobei er jedoch keinen Lautsprecher benutzte. Die Aufforderung wurde jedoch mit Gejohle beantwortet und gab er sodann, als er keine Reaktion sah, den Einsatzbeamten den Auftrag, die Ausweiskontrolle durchzuführen und die Daten aufzunehmen, sowie den Knäuel der Aktivisten zu lösen. Zum Beschwerdeführer kamen die Zeugen RI M und RI S. Der kniende Beschwerdeführer wurde vom Zeugen RI M aufgefordert sich von der Gruppe zu lösen, da er die Identität auf Grund des Verdachtes einer Verwaltungsübertretung feststellen wollte. Der Beschwerdeführer reagierte nicht darauf und ist er auch nicht der neuerlichen Aufforderung die Identität bekannt zu geben, nachgekommen, obwohl ihm die Festnahme angedroht wurde. Ganz im Gegenteil hängte sich der Beschwerdeführer daraufhin fester ein und wurde vom Zeugen RI M daraufhin von der Gruppe mittels Armwinkelsperre herausgelöst, wobei ihm sein Kollege RI S assistierte. Zuvor wurde vom Zeugen RI M die Festnahme nach dem VStG ausgesprochen. Zudem wurde der Beschwerdeführer von einem der beiden Exekutivorgane in den Schwitzkasten genommen und nach ein paar Schritten zu Boden gebracht, wobei er sodann auf dem Bauch lag und ein Polizist auf seinem Rücken kniete. In dieser Stellung händigte der Beschwerdeführer den Ausweis in der Art und Weise aus, dass er diesen hochhielt und wurde der Ausweis von einem der Meldungsleger genommen. Danach wurde er am Oberarm genommen und mittels Armwinkelsperre zu einem 5 bis 10 m entfernten Marktwagen gebracht. Vorerst folgte der Beschwerdeführer der Aufforderung dorthin zu gehen freiwillig, jedoch machte er plötzlich eine ruckartige Bewegung nach vorne, wobei die beiden Exekutivbeamten, als auch der Beschwerdeführer stolperten, jedoch nicht zu Fall kamen. Hiebei verlor er auch die Brille und wurde diese vom Zeugen RI M aufgehoben und dem Beschwerdeführer zurückgegeben. Als die beiden Beamten mit dem Beschwerdeführer sodann zum Marktwagen kamen, wurde der Beschwerdeführer mit erhobenen Händen schräg hingelehnt. Es wurden dort seine Daten aufgenommen und der Beschwerdeführer aus der Haft entlassen. Der Beschwerdeführer wurde gefragt, ob er verletzt worden sei, wobei er dies verneinte. Eine Rötung am Hals des Beschwerdeführers wurde vom Zeugen RI M nicht wahrgenommen. Die Dauer der Anhaltung betrug 5 Minuten, und zwar von ca. 18.15 Uhr bis 18.20 Uhr. 2. Der festgestellte Sachverhalt gründet sich vor allem auf die Zeugenaussagen der Meldungsleger, insbesondere Oberstleutnant K, RI S und RI M. Soweit sich jedoch die Amtshandlung auf das in den Schwitzkasten nehmen und zu Boden bringen des Beschwerdeführers bezieht, folgt die Behörde hiebei den Aussagen des Beschwerdeführers, als auch der Zeugen A, S und T. Die beiden Meldungsleger konnten bei der ergänzenden Einvernahme die vom Verwaltungsgerichtshof aufgeworfene Abweichungen in ihren Aussagen nicht klären und wurden vielmehr die Fragen, ob der Beschwerdeführer zu Boden kam, in der Art und Weise von RI M beantwortet, dass er sich nicht erinnern konnte und von RI S insoweit, dass er angab, dass er zwar wusste, dass der Beschwerdeführer in Bauchlage am Boden lag, jedoch nicht mehr sicher erinnern konnte, ob er zuvor im Schwitzkasten gehalten wurde. Diesen Aussagen stehen jedoch die detaillierten Schilderungen der Zeugen gegenüber, sodass die erkennende Behörde keine Zweifel hat, dass der Beschwerdeführer, nachdem er aus der Gruppe der Demonstranten herausgelöst wurde, in den Schwitzkasten genommen und sodann von den Meldungslegern zu Boden gebracht wurde. Der Beschwerdeführer gibt bezüglich der Einkesselung selbst an, dass er nie versucht habe die Gruppe zu verlassen und den Entschluss den Standort vor dem Rednerpult zu verlassen von der Gruppe gefasst wurde und nicht von den umringenden Polizisten. Auch gab der Beschwerdeführer an, ob er mit erhobenen Händen zum Marktwagen hingestoßen wurde, in Absicht von den Exekutivbeamten oder ob dies aus dem Schwung des Wiederaufstehens geschah, nicht mehr wisse, da alles sehr schnell ging. Die übrigen Abweichungen von der Darstellung des Meldungslegers, insbesondere dass der Beschwerdeführer selbst angibt die Brille aufgehoben zu haben und nicht der Meldungsleger, ist nicht von Entscheidungsrelevanz. Dass bei der Durchführung der Demonstration die Überwachungskamera am H nicht eingeschaltet war, kann nicht zu Lasten der belangten Behörde gehen, jedoch wäre es sicher gerade bei einer derartigen Veranstaltung wünschenswert, sich einer bereits installierten Überwachungskamera zu bedienen.

III. Die Rechtsbeurteilung ergibt Folgendes: 1. Die Beschwerde über die Amtshandlung auf dem H am 06. Oktober 2000 langte beim Unabhängigen Verwaltungssenat am 17. November 2000 (Datum des Poststempels 16. November 2000) ein, wodurch die sechswöchige Beschwerdefrist gemäß § 67c Abs 1 AVG gewahrt wurde. Auch ist die örtliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark gegeben, da sich der Vorfall im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark ereignete. 2. Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes geht die erkennende Behörde davon aus, dass sich der Beschwerdeführer in keinem geschlossenen Kessel befand. Der Beschwerdeführer gibt selbst an nie versucht zu haben, die Gruppe zu verlassen, sodass sich seine Wahrnehmung diesbezüglich ausschließlich auf das eigene Empfinden bezog. Dass sich der Beschwerdeführer als Aktivist einer Gruppe von ca. 20 Personen bei einer Wahlkampfveranstaltung - bei der es erfahrungsgemäß emotional zugeht - eingekesselt gefühlt hat, da die Gruppe mit Transparent und Sprechchören den Unmut der übrigen Wahlkampfteilnehmer hervorrief, ist nachvollziehbar, jedoch nicht der belangten Behörde zurechenbar. Auch ist es bereits auf Grund der festgestellten Zahlen nicht möglich, dass es zu einer geschlossenen Einkesslung der Aktivisten durch die Exekutive kam, da die Gruppe der Aktivisten etwa 20 Personen umfasste und die Einsatztruppe T eine Stärke von neun Exekutivbeamten (samt Einsatzleiter) aufwies. Die Aufgabe der Exekutivbeamten bestand vielmehr darin, die Gruppe der Aktivisten vor Übergriffen von wütenden O S zu schützen. Eine Einkesselung der Gruppe war zahlenmäßig nicht möglich und betrug der Abstand zwischen den einzelnen Polizisten zeitweise zwei bis drei Meter, sodass auch ein Verlassen der Gruppe möglich gewesen wäre. 3. Gemäß § 35 Z 1 VStG dürfen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, außer in gesetzlich besonders geregelten Fällen, Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zweck ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen, wenn der Betretene dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist. Auf Grund des wahrgenommenen Sachverhaltes bestand für die einschreitenden Beamten der Verdacht einer Verwaltungsübertretung - zumindest nach § 81 SPG - wobei zur Sicherung des Strafverfahrens die Identitätsfeststellung notwendig ist (siehe auch Anzeige der Bundespolizeidirektion G vom 09. Oktober 2000 gegen den Beschwerdeführer). Da der Beschwerdeführer dem einschreitenden Organ der Bundespolizeidirektion G nicht bekannt war, er laut festgestelltem Sachverhalt aufgefordert wurde sich auszuweisen und der Aufforderung nicht nachgekommen ist, war die Festnahme nach Vorankündigung durch den Meldungsleger im Sinne des § 35 Z 1 VStG gerechtfertigt. Wenn der Beschwerdeführer angibt, er könne sich nicht mehr erinnern, ob er zur Ausweisleistung aufgefordert worden sei, so geht dies sicher zu seinen Lasten, da beide Meldungsleger unmittelbar neben ihm waren, als er aufgefordert wurde seine Daten bekannt zu geben. Der Beschwerdeführer wurde daher zu Recht mit Körpergewalt aus der Kette der Demonstranten gelöst. Die weitere Vorgangsweise das in Schwitzkasten nehmen und zu Boden bringen des Beschwerdeführers in Bauchlage war jedoch beim festgestellten Sachverhalt nicht mehr notwendig und maßhaltend. Hiezu wird Nachfolgendes ausgeführt:

Gemäß § 6 Abs 1 Waffengebrauchsgesetz (WaffGG) darf Zweck des Waffengebrauches gegen Menschen nur sein, um angriffs-, widerstands- oder fluchtunfähig zu machen. In den Fällen des § 2 Z 2 bis 5 leg cit darf der durch den Waffengebrauch zu erwartende Schaden nicht offensichtlich außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg stehen. Gemäß Absatz 2 leg cit ist jede Waffe mit möglichster Schonung von Menschen und Sachen zu gebrauchen. Gegen Menschen dürfen Waffen nur angewendet werden, wenn der Zweck ihrer Anwendung nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht werden kann. Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts unterliegt die Anwendung von Körperkraft im Rahmen exekutiver Zwangsbefugnisse der selben grundsätzlichen Einschränkung, wie der im Waffengebrauchsgesetz geregelte Waffengebrauch; sie muss demnach für ihre Rechtmäßigkeit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechen und darf nur dann Platz greifen, wenn sie notwendig ist, um Menschen angriffs-, widerstands- oder fluchtunfähig zu machen und maßhaltend vor sich geht; es darf jeweils nur das gelindeste Mittel, das zum Erfolg etwa zur Abwehr eines Angriffs führt, angewendet werden (VfGH 29.9.1992, VfSlg. 13.154; VwGH 21.12.2000, 96/01/0351 und 96/01/1032). Vor dem rechtlichen Hintergrund und auch auf Basis des festgestellten Sachverhaltes - der Beschwerdeführer war bereits aus der Gruppe der Demonstranten herausgelöst und mittels Armwinkelsperre fixiert - war das in Schwitzkasten nehmen und zu Boden bringen des Beschwerdeführers zwecks Identitätsfeststellung nicht mehr notwendig und maßhaltend, sodass keinesfalls davon gesprochen werden kann, dass mit möglichster Schonung vorgegangen wurde. Es wäre den einschreitenden Polizeibeamten in conreto durchaus zumutbar gewesen, den Beschwerdeführer, der mit Armwinkelsperre bereits festgehalten wurde, zu einer Ausweisleistung aufzufordern. Soweit der Beschwerdeführer mit hochgehaltenen Händen zum Marktwagen gelangte, ist das aus dem Schwung des Wiederaufstehens nach dem Stolpern zu verstehen, um so mehr der Zeuge RI M angab, dass aufgrund dessen sich der Beschwerdeführer beim Kollegen RI S von der Armwinkelsperre teilweise lösen konnte. Der Beschwerdeführer wurde unmittelbar nach der Ausweisleistung freigelassen und dauerte die Anhaltung 5 Minuten. Dass der Beschwerdeführer im Laufe des Tumultes die Brille verlor, ist ebenfalls denkmöglich und kann den Meldungslegern nicht zum Vorwurf gemacht werden, da ja die Absicht nicht auf das Herunterreißen der Brille gerichtet war. Das in Schwitzkasten nehmen und zu Boden bringen des Beschwerdeführers zwecks Identitätsfeststellung nachdem der Beschwerdeführer bereits mit Armwinkelsperre festgehalten wurde, war unverhältnismäßig. Hiebei ist auszuführen, dass bereits ein unrechtmäßiger Teilakt die gesamte Amtshandlung mit Rechtswidrigkeit behaftet. 4. Als Kosten wurden gemäß § 79a AVG in Verbindung mit der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr. 334/2003, dem Beschwerdeführer ein Betrag von ? 1.486,80 zugesprochen. Dem Beschwerdeführer gebührt ? 660,80 als Schriftsatzaufwand und ?

826,-- als Verhandlungsaufwand.

Schlagworte
Demonstration Festnahme Identitätsfeststellung Ausweisleistung Widerstand Schonung gelindestes Mittel Armwinkelsperre Schwitzkasten zu Boden drücken Maßhaltegebot
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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