TE Vfgh Erkenntnis 2007/12/1 B1207/07

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Veröffentlicht am 01.12.2007
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
RAO §30 Abs3

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durchVersagung der Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter undErteilung einer Legitimationsurkunde wegen mangelnderVertrauenswürdigkeit

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer gesetzwidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

II. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit Beschluss des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien, Abteilung II, vom 29. November 2005, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter und auf Erteilung einer Legitimationsurkunde mangels Vertrauenswürdigkeit abgewiesen.

1.2. Der dagegen erhobenen Vorstellung wurde mit Beschluss des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) vom 23. Mai 2006 keine Folge gegeben.

2. Mit Bescheid der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im Folgenden: OBDK) vom 20. Dezember 2006 wurde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge gegeben. Im Hinblick auf die mangelnde Vertrauenswürdigkeit wird begründend ausgeführt:

"Im Laufe des Jahres 2004 intensivierte X X den Kontakt zu seiner damals bereits fast 92-jährigen ehemaligen 'Kinderfrau' (im Sinn von Erzieherin, Kindermädchen bzw. Tagesmutter), die er seit Kindheitstagen als 'Wahlgroßmutter' betrachtete und mit 'Tante' anredete. Zum damaligen Zeitpunkt langfristig etablierten Kontakt unterhielt die hochbetagte M B zu ihrem um ca. 30 Jahre jüngeren Neffen E B, über dessen Initiative sicherheitsbehördliche Erhebungen zu dem Verdacht eingeleitet wurden, dass X X über Vermögenswerte der damals wegen altersbedingter Beeinträchtigung auf fremde Hilfe angewiesenen M B eigennützig verfügte. Unmittelbarer Anzeigeanlass war nach der Aktenlage, dass E B im Sommer 2004 nach einem Krankenhausaufenthalt der M B eine Änderung des Schlosses an der Eingangstür zu deren Wohnung und weiters feststellte, dass aus der Wohnung bedeutende Sachwerte (Fernsehgerät, Goldmünzen und sämtliche Sparbücher) fehlten. X X, der den Kontakt zu M B - nach langjähriger Distanz - erst im Frühjahr 2004 wieder intensiviert hatte - hatte es nach eigener Darstellung unternommen, sich um die 'administrativen Angelegenheiten' der Greisin 'zu kümmern', insbesondere ihre gesamten 'Bankunterlagen zu sortieren und zu ordnen'. Die Modalitäten seiner dazu entfalteten Initiativen wertete der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien in der Begründung des hier angefochtenen Bescheides mit plausiblen Argumenten als unmissverständlichen Ausdruck der gezielt geplanten Bestrebung des Eintragungswerbers, Einflussmöglichkeiten des E B auf das Vermögen der M B weitestgehend zu beseitigen und durch die rechtliche Fundierung eines entsprechenden eigenen Dispositionsinstrumentariums zu ersetzen.

Die schrittweise Umsetzung dieses Vorhabens fand in einer Reihe von aktenkundigen Urkunden sinnfälligen Niederschlag:

(1) umfassende Vertretungsvollmacht in sämtlichen Pensionsangelegenheiten vom 24. Jänner 2004;

(2) testamentarische Einsetzung des X X zum Universalerben vom 3. Juli 2004;

(3) Spezialvollmacht für sämtliche Bankangelegenheiten vom 10. Juli 2004;

(4) Generalvertretungsvollmacht vor Ämtern, Behörden und Gerichten sowie Spezialvollmacht für sämtliche Bank- und Finanzangelegenheiten;

(5) Schenkungsurkunde vom 14. Juli 2004 betreffend sämtliche Sparbücher (allerdings ohne Bezugnahme auf eine Übergabe derselben);

(6) Schenkungsurkunde vom 19. Juli 2004 betreffend die Sparbücher mit dem Losungswort 'S' (womit sinngemäß erneut sämtliche Sparbücher erfasst waren);

(7) Schenkungsvertrag vom 19. Juli 2004 (mit durchgestrichener Bezeichnung als 'Notariatsakt') betreffend elf nummernmäßig konkretisierte Sparguthaben.

Der solcherart von X X erwirkte Urkundenkomplex verdeutlicht in seiner Gesamtheit ein gezieltes Handlungskonzept, das darauf ausgerichtet war, E B als den nächsten lebenden Verwandten der M B von jedweder Einflussnahme auf die Sparguthaben, aber auch andere Vermögenswerte seiner Tante fernzuhalten, demgegenüber ein eigenes Vertrauensverhältnis zu M B aufzubauen und sie in der Richtung gefügig zu machen, ihr gesamtes Vermögen letztwillig dem nunmehrigen Eintragungswerber zu vermachen (oben bezeichnete Urkunde 2), ihm danach (!) zusätzlich die Sparbücher (ohne nummernmäßige Detaillierung bzw. Konkretisierung der Gesamtsumme der bezogenen Guthaben) zu schenken (Urkunde 5), dies anschließend zusätzlich durch die 'unwiderrufliche und unbedingte' Schenkung von Sparguthaben im Gesamtwert von € 168.000 zu bekräftigen (Urkunde 6), und schließlich die Schenkung von 11 (diesmal nummernmäßig konkretisierten) Sparbüchern mit Notariatsakt (Urkunde 7) abzusichern, wobei dieser Notariatsakt von M B und X X unterschrieben, am 19. Juli 2004 mit der Solennitätsklausel des Notars versehen, insoweit nachträglich teilweise durchgestrichen und vom Beschwerdeführer zuletzt als 'Rohentwurf' (!) bezeichnet wurde. Dazu ist ergänzend zu bemerken, dass im Primärtext die für Notariatsakte übliche Klausel 'Ausfertigungen dieses Notariatsaktes können den hier beteiligten Personen ... auch wiederholt erteilt werden' ersichtlich mit der Zielsetzung gestrichen wurde, die Erteilung weiterer Ausfertigungen an die Geschenkgeberin oder einen allfälligen Sachwalter auszuschließen.

Die nach herkömmlichen Rechtsusancen besondere Auffälligkeit der (partiell sogar am selben Tag) wiederholten Errichtung von Sparguthaben betreffenden Schenkungsurkunden vermochte X X in erster Instanz lediglich mit dem Hinweis auf seine angeblich übertriebene Dokumentationssucht zu erklären. Damit räumt er aber selbst indirekt ein, M B erfolgreich und kurzfristig zur wiederholten Unterfertigung weitestgehend identer Schenkungsvereinbarungen überredet zu haben."

3. Gegen dieses als Bescheid zu wertende Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Freiheit der Erwerbsausübung geltend gemacht sowie die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

4. Die OBDK legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Ausführungen in der Beschwerde entgegentritt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Bedenken gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften werden in der Beschwerde nicht vorgebracht und sind beim Verfassungsgerichtshof auch aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens nicht entstanden.

Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

2.1. Unter dem Titel des Art7 B-VG behauptet der Beschwerdeführer, er sei vom 1. Mai 2002 bis 31. Dezember 2004 mit kurzen Unterbrechungen in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter eingetragen gewesen. Der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien habe ihm mit Beschluss vom 24. September 2004 als einstweilige Maßnahme das Recht, einen Rechtsanwalt zu vertreten, entzogen. Mit seinem Austritt sei das gegen ihn geführte Disziplinarverfahren mangels Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter unterbrochen worden. Ein gegen ihn geführtes Strafverfahren sei mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6. Mai 2005 eingestellt worden. Der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien habe seine Eintragung in die Liste der Verteidiger des Oberlandesgerichtssprengels Wien bewilligt. Die belangte Behörde sei an diese Entscheidung gebunden. Darüber hinaus habe es die belangte Behörde unterlassen, auf das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers einzugehen und mehrere von ihm beantragte Zeugen einzuvernehmen.

2.2. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

Die belangte Behörde hat ein Ermittlungsverfahren durchgeführt und ist in - aus verfassungsrechtlicher Sicht - nicht zu beanstandender Weise zu ihren Ergebnissen gelangt. Wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, kommt eine Bindung an die Bewilligung der Eintragung in die Liste der Verteidiger des Oberlandesgerichtssprengels Wien nicht in Betracht.

2.3. Das Recht, die Ladung von Entlastungszeugen zu verlangen, ist nicht absolut (EGMR 22.4.1992, Fall Vidal, Appl. 12.351/86). Die Beurteilung, ob ein Zeuge zu laden ist, weil er "wesentlich" ist, obliegt der belangten Behörde. Ihr kann im vorliegenden Fall aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass es zur Klärung des Sachverhaltes nicht auch der Einvernahme der vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen bedurfte.

2.4. Der Beschwerdeführer wurde daher nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 B-VG verletzt.

3.1. Weiters behauptet der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art6 StGG. Voraussetzung für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter sei die Eintragung in deren Liste. Diese Eintragung sei dem Beschwerdeführer mit dem bekämpften Bescheid verweigert worden.

3.2. Gemäß §30 Abs3 Rechtsanwaltsordnung ist die Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter zu verweigern, wenn der Bewerber eine Handlung begangen hat, die ihn des Vertrauens unwürdig macht. Bei der Prüfung der Vertrauenswürdigkeit kommt es darauf an, ob das gesamte Verhalten geeignet ist, Vertrauen in die korrekte Berufsausübung zu erwecken (VwSlg. 8915 A/1975). Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes ist es unmaßgeblich, in welchen Bereichen die Ursachen für den Verlust der Vertrauenswürdigkeit liegen (VfGH 28.11.2006, B1009/06). Der Rechtsanwaltsstand verlangt, dass sich Standesangehörige eines einwandfreien, absolut verlässlichen Verhaltens befleißigen und insbesondere in Geldangelegenheiten Sauberkeit walten lassen (AnwBl. 1978, 972). Es kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie - vor dem Hintergrund des vorliegenden Sachverhaltes - davon ausgeht, dass im konkreten Fall ausreichende Gründe zur Abweisung des Antrages auf Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter und auf Erteilung einer Legitimationsurkunde vorliegen.

Der Beschwerdeführer wurde daher auch nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art6 StGG verletzt.

4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

5. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof war abzuweisen, weil die Überprüfung von Entscheidungen der OBDK - wie bereits unter Punkt II.4. dargelegt - gemäß Art133 Z4 B-VG von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Rechtsanwälte, Berufsrecht, Erwerbsausübungsfreiheit,Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:B1207.2007

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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