TE UVS Steiermark 2004/03/01 30.16-71/2003

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Veröffentlicht am 01.03.2004
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karl-Heinz Liebenwein über die Berufung von Herrn J M, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 13.05.2003, Zahl: III/S-12.135/03, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren zu Punkt 1.) gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG und zu Punkt 2.) gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er sei am 04.02.2003 um 14.55 Uhr in G, W, in Höhe Nr. 186 bis zur Kreuzung mit der V in nördlicher Richtung sowie im Bereich des dortigen Kreuzungsbereiches als Lenker eines Fahrrades 1.) nicht so weit rechts gefahren, wie es unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer und ohne Beschädigung von Sachen möglich war, da er circa einen halben Meter nach links verrissen und danach wieder an den rechten Fahrbahnrand lenkte und 2.) sein Fahrrad auf den Boden der Fahrbahn vor einen PKW gelegt und dadurch den Lenker dieses PKW an der Weiterfahrt gehindert, obwohl Radfahrer und Fußgänger den rechten äußeren Rand der Fahrbahn zu benützen haben und nicht für einen anderen Straßenbenützer überraschend die Fahrbahn betreten dürfen. Er habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: 1.) § 7 Abs 1 StVO 2.) § 76 Abs 1 StVO. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über ihn jeweils gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO Geldstrafen in der Höhe von je ? 50,--, für den Fall deren Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von je 24 Stunden verhängt. Ferner wurden gemäß § 64 VStG ? 10,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben. Gegen dieses Straferkenntnis wurde fristgerecht Berufung erhoben und zu Punkt 1.) in verfahrensrelevanter Hinsicht ausgeführt, dass der Berufungswerber lediglich den im Tatortbereich vermehrt vorhandenen Abflussschachtdeckeln ausgewichen sei um so der für einen Radfahrer bei Befahren dieser Entwässerungsdeckeln gegebenen Gefahrensituation vorzubeugen. Zu diesem Zweck habe er die bestehenden Fahrbahnmulden, die jeweils etwa einen Meter in die Fahrbahn hineinragen teilweise umfahren und dadurch die Fahrspur geringfügig nach links verlagert. Zu Punkt 2.) führte der Berufungswerber aus, dass der PKW-Lenker durch ein auf der Fahrbahn liegendes Fahrrad nicht an der Weiterfahrt gehindert worden sein könnte, zumal die Fahrbahnbreite dort mehr als sieben Meter betrage, ein Ausweichen im noch breiteren Kreuzungsbereich also leicht möglich gewesen wäre. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat erwogen: Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine ? 2.000,00 übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51 c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben. Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung hatte unter Hinweis auf § 51 e Abs 2 Z 1 VStG zu entfallen. Auf der Grundlage des der Berufungsbehörde vorliegenden Verfahrensaktes der Strafbehörde I. Instanz werden zunächst nachstehende Feststellungen getroffen: Der Berufungswerber befuhr am 04.02.2002 mit seinem Fahrrad um 14.55 Uhr in G die W auf Höhe Haus Nr. 186 in nördliche Richtung bis zur Kreuzung mit der V. Im Bereich dieser Strecke befinden sich amtsbekanntermaßen eine Vielzahl von Abflussschachtdeckeln, welche in unterschiedlicher Breite in den rechten Fahrstreifen der im Tatortbereich zweispurig in einer Fahrtrichtung ausgebauten W hineinreichen. Diese Deckel liegen einbaubedingt bzw. durch eine schwerverkehrbedingte Senkung des Fahrbahnbelages um einige Zentimeter tiefer als der sie umgebende Straßenbelag. Der Berufungswerber nahm, um eine gefährliche Situation für ihn als Radfahrer zu verhindern (Aufschaukeln des Lenkers, Gefahr des Verlustes der Kontrolle zu den Pedalen und zum Lenker des Fahrrades), die durch ein Überfahren dieser Deckel zweifelsfrei hervorgerufen werden kann - ein Vorbeifahren rechts war ihm aufgrund des Ausbauzustandes der W (angrenzende Gehsteige etc.) nicht möglich - eine Umfahrung dieser Deckel insoferne vor, als er die an sich eingehaltene gerade Fahrlinie geringfügig nach links verlagerte. In weiterer Folge lenkte er sein Fahrzeug wieder an den rechten Fahrbahnrand. Durch dieses Verhalten des Berufungswerbers wurde der Anzeiger F P, der in derselben Fahrtrichtung auf der W ebenfalls am rechten (ersten) Fahrstreifen in nördlicher Fahrtrichtung mit seinem PKW unterwegs war, auf den Berufungswerber aufmerksam, konnte ihn kurz vor der Kreuzung mit der V überholen, musste anschließend jedoch sein Fahrzeug wegen Rotlichtes an der Kreuzung anhalten. Der Berufungswerber, der seinerseits behauptet, dass ihn der Genannte in einem zu geringem Abstand überholt hätte, wollte ihn deshalb zur Rede stellen und legte sein Fahrrad zunächst vor das Fahrzeug des F P auf die Fahrbahn der W. Nach einer kurzen verbalen Auseinandersetzung der beiden genannten Verkehrsteilnehmer hob der Berufungswerber sein Fahrzeug wieder auf und stellte es sodann auf den Gehsteig. Diese Feststellungen stützen sich einerseits auf den Inhalt der Strafanzeige der Bundespolizeidirektion Graz vom 24.03.2003 sowie das Berufungsvorbringen. Unbeachtlich erscheint, dass der Anzeiger P angibt, der Berufungswerber habe sein Fahrzeug circa 50 cm nach links verrissen, während der Berufungswerber vorgibt grundsätzlich in etwa 20 cm Abstand zum rechten Fahrbahnrand gefahren zu sein. Der erkennenden Behörde ist in Übereinstimmung mit dem diesbezüglichen Vorbringen des Berufungswerbers bekannt, dass im Tatortbereich die mehrfach erwähnten, einmal mehr, einmal weniger tief unter dem Niveau der sie umgebenden Asphaltdecke liegenden Schachtdeckel existieren und ohne, dass eine Sachverständigenbeurteilung hiefür erforderlich wäre, durchaus davon ausgegangen werden kann, dass sich ein Radfahrer bei einem direkten Befahren bzw. Überfahren dieser auf der Fahrbahn befindlichen Niveauunterschiede einer Gefährdung seiner Sicherheit zufolge obiger Ausführungen aussetzt. Das Verhalten des Berufungswerbers, der wie geschildert, diesen Niveauunterschieden im dargestellten Sinn ausgewichen ist, kann somit als durchaus situationsadäquat im Hinblick auf die bestehenden örtlichen Verhältnisse angesehen werden. In rechtlicher Hinsicht ist daher auszuführen: Zu Punkt 1.) des angefochtenen Straferkenntnisses:

Gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat. Gemäß § 7 Abs 1 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges, sofern sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt, so weit rechts zu fahren, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist. Geleise von Schienenfahrzeugen, die an beiden Rändern der Fahrbahn liegen, dürfen jedoch nicht in der Längsrichtung befahren werden, wenn der übrige Teil der Fahrbahn genügend Platz bietet. Für die erkennende Behörde steht zufolge obiger Feststellungen fest, dass den Berufungswerber unter Hinweis auf die zitierten gesetzlichen Bestimmungen kein Verschulden trifft, wenn er angesichts der Niveauunterschiede der W im Tatortbereich circa 50 cm oder auch ein wenig mehr Abstand vom rechten Fahrbahnrand einhielt und konnte er diesbezüglich aber auch darauf vertrauen, dass ein nachfolgender Kraftfahrer die durch den Straßenzustand veranlasste Verlegung der Fahrspur des vom Berufungswerber gelenkten Fahrrades berücksichtigt (vgl. OGH 05.09.1968, 2Ob 202/68, ZVR 1969/104). Wenngleich § 7 Abs 1 StVO ein generelles Rechtsfahrgebot normiert, ist einem Radfahrer die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes zum rechten Fahrbahnrand durchaus zuzubilligen, der im gegenständlichen Fall den örtlichen Verhältnissen angepasst war, da gerade bei Radfahrern eine Gefährdung durch die Art und Beschaffenheit des Straßenbelages zu berücksichtigen ist (siehe dazu Anmerkung 1 zu § 7 Abs 1 StVO in Messiner, StVO, Manz-Verlag, Wien 1995, Seite 250). Da der Berufungswerber daher die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, war das Straferkenntnis in Punkt 1.) aufzuheben und das Strafverfahren in diesem Punkt gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen. Zu Punkt 2.) des angefochtenen Straferkenntnisses: Gemäß § 76 Abs 1 StVO 1960 haben Fußgänger, auch wenn sie Kinderwagen oder Rollstühle schieben oder ziehen, auf Gehsteigen oder Gehwegen zu gehen; sie dürfen nicht überraschend die Fahrbahn betreten. Sind Gehsteige oder Gehwege nicht vorhanden, so haben Fußgänger das Straßenbankett und, wenn auch dieses fehlt, den äußersten Fahrbahnrand zu benützen; hiebei haben sie auf Freilandstraßen, außer im Falle der Unzumutbarkeit, auf dem linken Straßenbankett (auf dem linken Fahrbahnrand) zu gehen. Benützer von selbstfahrenden Rollstühlen dürfen Gehsteige, Gehwege und Fußgängerzonen in Schrittgeschwindigkeit befahren. Dem Berufungswerber wurde ein Verstoß gegen § 76 Abs 1 StVO zur Last gelegt, doch ergibt sich anhand der vorliegenden Aktenlage, dass dieser mit seinem Verhalten, nämlich sein Fahrrad auf die Fahrbahn der W vor das Fahrzeug des F P gelegt zu haben, kein im Sinne der zitierten Bestimmung unerlaubtes Fußgänger- respektive Radfahrerverhalten begangen hat. So ist dieser offenbar weder auf der Fahrbahn mit dem Fahrrad herumgegangen, noch hat er die Fahrbahn überraschend betreten. Aus Sicht der erkennenden Behörde hätte dem Berufungswerber allenfalls ein Verstoß gegen § 82 StVO (Bewilligungspflicht für die Benützung von Straßen zu verkehrsfremden Zwecken) zur Last gelegt werden können. Ein solcher Vorwurf ist ihm gegenüber jedoch innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist, die für eine Verwaltungsübertretung, wie die gegenständliche, sechs Monate beträgt, nicht erhoben worden, zumal im gegenständlichen Fall das bewilligungslose Ablegen eines Fahrrades auf der Fahrbahn der W wesentliches Tatbestandsmerkmal einer Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs 2 VStG bildet und so auch in den Spruch des Straferkenntnisses gemäß § 44 a Z 1 VStG aufzunehmen gewesen wäre (vgl. VwGH 22.02.1984, 83/03/0142). Gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG war deshalb nach Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses in Punkt 2.) das Verwaltungsstrafverfahren auch zu diesem Punkt einzustellen und somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Rechtsfahrgebot Radfahrer Kanaldeckel Abflussschachtdeckel umfahren Seitenabstand Berücksichtigung Zumutbarkeit
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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