TE UVS Burgenland 2004/04/21 019/10/04016

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.04.2004
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied Mag Eder über die Berufung des Herrn ***, geboren am ***, wohnhaft in ***, vertreten durch Herrn ***, Rechtsanwalt in ***, vom 24 02 2004 gegen Spruchpunkt I) des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung vom 12 02 2004, Zl 300-10423/1-2003, wegen Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG zu Recht erkannt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs 1 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in Spruchpunkt I) behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Vorweg wird angemerkt, dass in diesem Verfahren nur über die Berufung zu Spruchpunkt I) des Straferkenntnisses vom 12 02 2004 entschieden wird und hinsichtlich der übrigen Spruchpunkte eine gesonderte Entscheidung der dafür zuständigen Kammer des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland ergehen wird.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung legte dem Berufungswerber in Spruchpunkt I) des angefochtenen Straferkenntnisses zur Last, es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der B* GmbH, am Standort ***, zu verantworten zu haben, dass von der genannten Gesellschaft der ägyptische Staatsbürger E*, *** geb, am 21 11 2003, bei der Verpackungskontrolle beschäftigt worden sei, obwohl für ihn weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Anzeigebestätigung oder eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt worden wäre. Wegen Verletzung des § 28 Abs 1 Z 1 lit a in Verbindung mit § 3 Abs 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz wurde über den Berufungswerber zu Spruchpunkt I) gemäß § 28 Abs 1 Z 1 lit a dritter Strafsatz AuslBG eine Geldstrafe von 2000 Euro (im Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden) verhängt.

 

In seiner rechtzeitig eingebrachten Berufung bestritt der Berufungswerber nicht, den unter Spruchpunkt I) genannten Fremden beschäftigt zu haben. Dieser sei jedoch von einem österreichischen Staatsbürger adoptiert worden, sodass für die Beschäftigung dieses Fremden keine gesonderte Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz erforderlich gewesen wäre, zumal er über eine aufrechte Aufenthaltsgenehmigung verfügt habe.

 

Die Zollbehörde brachte im Berufungsverfahren vor, dass sie wegen der Beschäftigung des ägyptischen Staatsangehörigen E* keinen Strafantrag gestellt habe. Es wäre jedoch zu klären, ob diesem Unterhalt gewährt werde und er daher tatsächlich unter die Bestimmung des § 1 Abs 2 lit l AuslBG falle.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat erwogen:

 

Am 21 11 2003 führten Organe des Zollamtes Eisenstadt im Betrieb ?B*? in ***, welcher von der B* GmbH geführt wird, eine Kontrolle nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz durch. In der Halle 1 (?Klebebinder?) wurde unter anderem der ägyptische Staatsangehörige E*, *** geb, wahrgenommen. Im Zuge einer Befragung gab er gegenüber den Organen des Zollamtes Eisenstadt an, für die Firma ?S***? zu arbeiten und als Buchbinder beschäftigt zu sein. Im Betrieb in *** war er zum Zeitpunkt der Überprüfung durch Organe des Zollamtes Eisenstadt mit der Verpackungskontrolle tätig.

 

E*, der am 08 10 2001 mit einem von 08 10 2001 bis 07 12 2001 gültigen von der Österreichischen Botschaft Amman ausgestellten Visum C in das Bundesgebiet einreiste, wurde von den österreichischen Staatsbürgern Dr F*, *** geb und S*, *** geb, adoptiert. Die Adoption wurde vom Bezirksgericht Hernals mit Beschluss vom 25 07 2002, Zl ***, bewilligt. Dieser Beschluss ist in Rechtskraft erwachsen, wobei dem genehmigten Adoptionsvertrag zufolge die Annahme an Kindes statt mit 23 11 2001 wirksam wurde und die Rechtskraft jedenfalls bereits vor im Straferkenntnis angeführten Tatzeit eingetreten war.

 

Aufgrund dieses neu hergestellten Familienverhältnisses stellte Herr E* am 08 01 2002 bei der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, einen Antrag auf Erstausstellung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck ?Familiengemeinschaft mit Österreicher?. Begründend wurde in diesem Antrag ausgeführt, dass er das Verwandtschaftsverhältnis von seinen österreichischen Adoptiveltern ableiten würde. Sein Adoptivvater würde ihm Unterhalt gewähren.

 

Nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens, im Zuge dessen der Bundespolizeidirektion Wien von E* eine Erklärung seines Adoptivvaters, wonach dieser ihm Unterhalt gewähre, vorgelegt wurde, wurde von der Bundespolizeidirektion Wien am 11 11 2003 die Ausstellung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck nach § 4 Abs 2 Z 3 FrG-DV (?begünstigter Drittstaat. - Ö, § 49 Abs 1 FrG") als begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 49 Abs 1 FrG verfügt. Die entsprechende Aufenthaltstitelvignette wurde am 13 11 2003 (mit einer Gültigkeit bis 13 11 2004) hergestellt und an das Polizeikommissariat Landstraße in 1030 Wien zur Ausfolgung an E* abgefertigt. Am 25 11 2003 übernahm dieser die für ihn ausgestellte Aufenthaltstitelvignette Nr ***.

 

Zur Tatzeit 21 11 2003 wurde E* von seinem Adoptivvater Unterhalt gewährt.

 

Wegen der Beschäftigung des ägyptischen Staatsangehörigen E* durch die B* GesmbH wurde vom Zollamt Eisenstadt kein Strafantrag gestellt.

 

Diese Feststellungen ergaben sich aus dem Inhalt der im erstinstanzlichen Strafakt erliegenden unbedenklichen Urkunden sowie aus jenen Urkunden, welche sich im Fremdenakt der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, betreffend Herrn E*, Zl ***, befinden.

 

Der Berufungswerber bestritt in seiner Berufung nicht, den ägyptischen Staatsangehörigen E* beschäftigt zu haben. Er brachte lediglich vor, dass eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung für seine Beschäftigung nicht erforderlich gewesen wäre. Bereits aus diesem Grund erwiesen sich die in der Anzeige des Zollamts Eisenstadt enthaltenen Angaben, wonach der angeführte ägyptische Staatsangehörige bei der B* GesmbH beschäftigt gewesen wäre, als unbedenklich. Die diesbezüglich in der Anzeige des Zollamtes Eisenstadt enthaltenen Ausführungen konnten der vorliegenden Entscheidung aufgrund der eigenen Angaben des Berufungswerbers ohne weiteres zugrunde gelegt werden.

 

Nach Einsicht in die im Fremdenakt der Bundespolizeidirektion Wien, Zl ***, betreffend Herrn E*, enthaltenen Urkunden konnte unter Berücksichtigung der Verfahrensergebnisse im Verfahren zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung festgestellt werden, dass der ägyptische Staatsangehörige E* von seinem österreichischen Adoptivvater tatsächlich Unterhalt erhielt. Von diesem Umstand ging auch die Bundespolizeidirektion Wien bei Ihrer Entscheidung aus, weil andernfalls E* die von ihm beantragte Niederlassungsbewilligung von der Bundespolizeidirektion Wien nicht hätte erhalten dürfen. Dass die Unterhaltsgewährung auch zur Tatzeit vorlag, ergab sich ebenfalls aus den in diesem Fremdenakt erliegenden Urkunden sowie den Zeitpunkten ihrer Anfertigung bzw Vorlage bei der Bundespolizeidirektion Wien. Dass E* selbst eine Erwerbstätigkeit aufnahm, schloss eine Unterhaltsgewährung durch den Adoptivvater nicht aus, zumal bereits der Gesetzgeber selbst in § 1 Abs 2 lit l AuslBG anordnete, dass (infolge Nichtanwendbarkeit der Bestimmungen des AuslBG) es zulässig ist, dass Ausländer, denen von ihren österreichischen Eltern Unterhalt gewährt wird, ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligung eine Beschäftigung aufnehmen.

 

§ 1 Abs 2 lit l, § 3 Abs 1, § 28 Abs 1 Z 1 lit a AuslBG, § 5, § 30, § 31, § 49 Abs 1, § 47 Abs 1 und Abs 3 Z 2 FrG lauten:

 

§ 1 Abs 2 lit l AuslBG:

?(2) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind nicht anzuwenden auf

a)

[?]

l)

EWR-Bürger,  drittstaatsangehörige Ehegatten eines österreichischen Staatsbürgers oder eines anderen EWR-Bürgers sowie drittstaatsangehörige Kinder eines österreichischen Staatsbürgers oder eines anderen EWR-Bürgers (einschließlich Adoptiv- und Stiefkinder), die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen der österreichische Staatsbürger bzw der EWR-Bürger Unterhalt gewährt, sofern der Ehegatte bzw das Kind zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind.?

 

 

§ 3 Abs 1 AuslBG:

?(1) Ein Arbeitgeber darf, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein oder einen Niederlassungsnachweis besitzt.?

 

§ 28 Abs 1 Z 1 lit a AuslBG:

?(1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen

1. wer,

a) entgegen § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§§ 4 und 4c) oder Zulassung als Schlüsselkraft (§ 12) erteilt noch eine Anzeigebestätigung § 3 Abs. 5) oder eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§§ 15 und 4c) oder Niederlassungsnachweis (§ 24 FrG) ausgestellt wurde, oder

b) [?]

bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 2 000 Euro bis zu 10 000 Euro, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 2 000 Euro bis zu 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 4 000 Euro bis zu 25 000 Euro;

2. [...].?

 

§ 5 FrG:

(1) Paßpflichtige Fremde unterliegen bei der Einreise in das Bundesgebiet und während des Aufenthaltes in ihm der Sichtvermerkspflicht, soweit nicht anderes bundesgesetzlich oder durch zwischenstaatliche Vereinbarungen bestimmt wird.

(2) Wer der Sichtvermerkspflicht unterliegt, braucht einen Einreise- oder Aufenthaltstitel.

 

§ 30 FrG:

?(1) Fremde, die auf Grund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts, eines Staatsvertrages, eines Bundesgesetzes oder eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes der Europäischen Union in Österreich Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit genießen, benötigen zur Einreise in das Bundesgebiet und zum Aufenthalt in diesem keinen Einreise- oder Aufenthaltstitel.

(2) Drittstaatsangehörige, die auf Grund eines Staatsvertrages, eines Bundesgesetzes oder eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes der Europäischen Union zwar Niederlassungsfreiheit aber nicht Sichtvermerksfreiheit genießen, haben nach Maßgabe dieses Staatsvertrages, Bundesgesetzes oder Rechtsaktes Anspruch auf Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels.

(3) Niedergelassene, sichtvermerkspflichtige Drittstaatsangehörige, die auf Grund eines Staatsvertrages, eines Bundesgesetzes oder eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes der Europäischen Union ein Bleiberecht genießen, haben nach Maßgabe dieses Staatsvertrages, Bundesgesetzes oder Rechtsaktes Anspruch auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels.?

 

§ 31 FrG

"(1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des 2. Hauptstückes und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind oder

2. wenn sie auf Grund eines Aufenthaltstitels oder einer Verordnung für Vertriebene (§ 29) zum Aufenthalt berechtigt sind oder

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind oder

4. solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 zukommt.

(2) Auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 1 Z 1 halten sich Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie auf Grund eines Rückübernahmeabkommens (§ 4 Abs 4) oder internationaler Gepflogenheit rückgenommen werden mußten oder auf Grund einer Durchbeförderungserklärung (§ 58) oder einer Durchlieferungsbewilligung gemäß § 67 des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes (ARHG), BGBl Nr 529/1979, eingereist sind oder wenn ein Vertragsstaat über sie einen Zurückweisungstatbestand mitgeteilt hat.

(3) Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes eines Fremden im Bundesgebiet richtet sich nach

1. der durch zwischenstaatliche Vereinbarung, Bundesgesetz oder Verordnung getroffenen Regelung oder

2. der Befristung des Einreise- oder Aufenthaltstitels.

(4) Fremde, die einen Antrag auf Ausstellung eines weiteren Aufenthaltstitels vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des ihnen zuletzt erteilten Aufenthaltstitels oder vor Entstehen der Sichtvermerkspflicht eingebracht haben, halten sich bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Als Entscheidung in diesem Sinne gilt auch eine von der Behörde veranlaßte Aufenthaltsbeendigung (§ 15)."

 

§ 49 Abs 1 FrG:

?(1) Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs 3, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, genießen Niederlassungsfreiheit; für sie gelten, sofern im Folgenden nicht anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt. Solche Fremde können Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen. Die Gültigkeitsdauer der ihnen die beiden ersten Male erteilten Niederlassungsbewilligung beträgt jeweils ein Jahr.?

 

§ 47 Abs 1 und Abs 3 Z 2 FrG:

?(1) Angehörige von EWR-Bürgern, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, unterliegen der Sichtvermerkspflicht."

(2) [?]

(3) Begünstigte Drittstaatsangehörige sind folgende Angehörige eines EWR-Bürgers:

1.

[...]

2.

Verwandte in absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus sofern ihnen Unterhalt gewährt wird;

 3. [?].

(4) [?]?

 

Artikel 1, Artikel 3 und Artikel 4 der Richtlinie des Rates vom 15 Oktober 1968 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten und ihre Familienangehörigen innerhalb der Gemeinschaft (68/360/EWG) lauten:

 

?Artikel 1

Die Mitgliedstaaten beseitigen nach Maßgabe dieser Richtlinie die Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten und ihre Familienangehörigen, auf die die Verordnung (EWG) Nr 1612/68 Anwendung findet.?

 

?Artikel 3

(1) Die Mitgliedstaaten gestatten den in Artikel 1 genannten Personen bei Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses die Einreise in ihr Hoheitsgebiet.

(2) Für die Einreise darf weder ein Sichtvermerk noch ein gleichartiger Nachweis verlangt werden; dies gilt jedoch nicht für die Familienangehörigen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen. Die Mitgliedstaaten gewähren den genannten Personen zur Erlangung der erforderlichen Sichtvermerke alle Erleichterungen.?

 

?Artikel 4

(1) Die Mitgliedstaaten gewähren den in Artikel 1 genannten Personen, welche die in Absatz  aufgeführten Unterlagen vorlegen, das Aufenthaltsrecht in ihrem Hoheitsgebiet.

(2) Zum Nachweis des Aufenthaltsrechts wird eine Bescheinigung, die "Aufenthaltserlaubnis für Angehörige eines Mitgliedstaats der EWG", erteilt. In dieser Bescheinigung muss vermerkt sein, dass sie auf Grund der Verordnung (EWG) Nr 1612/68 und der von den Mitgliedstaaten gemäß dieser Richtlinie erlassenen Vorschriften ausgestellt worden ist. Der Text dieses Vermerks ist in der Anlage dieser Richtlinie wiedergegeben.

(3) Die Mitgliedstaaten dürfen für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis für Angehörige eines Mitgliedstaats der EWG nur die Vorlage nachstehender Unterlagen verlangen:

-

vom Arbeitnehmer:

a)

den Ausweis, mit dem er in ihr Hoheitsgebiet eingereist ist;

b)

eine Einstellungserklärung des Arbeitgebers oder eine Arbeitsbescheinigung;

-

von den Familienangehörigen:

c)

den Ausweis, mit dem sie in ihr Hoheitsgebiet eingereist sind;

d)

eine von der zuständigen Behörde ihres Herkunftsstaats ausgestellte Bescheinigung, in der das Verwandtschaftsverhältnis bestätigt ist;

 e) in den Fällen des Artikels 10 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr 1612/68 eine von der zuständigen Behörde des Herkunftsstaats ausgestellte Bescheinigung, in der bestätigt wird, dass ihnen der Arbeitnehmer Unterhalt gewährt oder dass sie in diesem Land bei dem Arbeitnehmer leben.

(4) Einem Familienmitglied, das nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, wird ein Aufenthaltsdokument mit der gleichen Gültigkeit ausgestellt wie dem Arbeitnehmer, von dem es seine Rechte herleitet.?

 

Artikel 10 und Artikel 11 der Verordnung (EWG) Nr 1612/68 des Rates vom 15 Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft lauten:

 

"Artikel 10

(1) Bei dem Arbeitnehmer, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt und im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist, dürfen folgende Personen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit Wohnung nehmen:

a) sein Ehegatte sowie die Verwandten in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen Unterhalt gewährt wird;

b) seine Verwandten und die Verwandten seines Ehegatten in aufsteigender Linie, denen er Unterhalt gewährt.

(2) Die Mitgliedstaaten begünstigen den Zugang aller nicht in Absatz 1 genannten Familienangehörigen, denen der betreffende Arbeitnehmer Unterhalt gewährt oder mit denen er im Herkunftsland in häuslicher Gemeinschaft lebt.

(3) Voraussetzung für die Anwendung der Absätze 1 und 2 ist, dass der Arbeitnehmer für seine Familie über eine Wohnung verfügt, die in dem Gebiet, in dem er beschäftigt ist, den für die inländischen Arbeitnehmer geltenden normalen Anforderungen entspricht; diese Bestimmung darf nicht zu Diskriminierungen zwischen den inländischen Arbeitnehmern und den Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten führen."

 

"Artikel 11

Der Ehegatte eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit ausübt, sowie die Kinder dieses Staatsangehörigen, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen er Unterhalt gewährt, haben, selbst wenn sie nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, das Recht, im gesamten Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats irgendeine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis auszuüben."

 

Die Richtlinie 73/148/EWG des Rates vom 21 Mai 1973 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs enthält sinngemäße Regelungen wie die oben angeführten Bestimmungen der RL 68/360/EWG und der Verordnung (EWG) Nr 1612/68. Aus diesem Grund wird von der Zitierung der entsprechenden Bestimmungen abgesehen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 19 11 2003, Zl 2001/21/0120, ausgesprochen, dass sich die Rechtmäßigkeit eines Aufenthalts eines Drittstaatsangehörigen, der Angehöriger eines Österreichers im Sinne der oben zitierten Bestimmungen ist, direkt aus den - oben angeführten und unmittelbar anwendbaren - Rechtsakten der Europäischen Union ergibt, wobei er einerseits auf ein Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften und andererseits auf das Verbot der Diskriminierung zwischen Drittstaatsangehörigen, die Angehörige von EWR-Bürgern und solchen, die Angehörige von Österreichern sind, hinwies.

 

Im Einzelnen führte der Verwaltungsgerichtshof aus:

 

?Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat im Urteil vom 25 Juli 2002, Rechtssache C-459/99 "MRAX", Randnr 74, wie folgt ausgeführt:

'Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates ist, wie der Gerichtshof mehrfach ausgeführt hat (vgl ua Urteil vom 5 Februar 1991 in der Rechtssache C-363/89, Roux, Slg 1991, I-273, Randnr 12), nicht als rechtsbegründende Handlung zu betrachten, sondern als Handlung eines Mitgliedstaates, die dazu dient, die individuelle Situation eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates im Hinblick auf die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts festzustellen. Das Gleiche muss für den mit einem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates verheirateten Staatsangehörigen eines Drittstaats gelten, dessen Aufenthaltsrecht sich unmittelbar aus Artikel 4 der Richtlinie 68/360 und Artikel 4 der Richtlinie 73/148 ergibt, unabhängig davon, ob die zuständige Behörde eines Mitgliedstaates eine Aufenthaltserlaubnis erteilt.'

 

Das durch Art 4 der Richtlinie 68/360/EWG gewährte Aufenthaltsrecht gilt für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten und ihre Familienangehörigen, auf die die Verordnung (EWG) Nr 1612/68 Anwendung findet - das sind gemäß Art 10 Abs 1 lit a der letztgenannten Verordnung der Ehegatte sowie die Verwandten in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen Unterhalt gewährt wird -, sofern sie die in Art 4 Abs 3 der Richtlinie 68/360/EWG angeführten Unterlagen vorlegen. Für den Beschwerdeführer als Angehörigen eines Österreichers gemäß § 49 Abs 1 zweiter Satz FrG kann hinsichtlich der Erlangung eines Aufenthaltsrechts unmittelbar aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften nichts anderes gelten (vgl das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17 Juni 1997, VfSlg 14.863). Bei Erfüllung der Voraussetzungen des erwähnten Art 4 der Richtlinie 68/360/EWG leitet sich die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Beschwerdeführers daher aus dem Gemeinschaftsrecht und nicht erst, wie die belangte Behörde meint, aus der Erteilung eines Sichtvermerks ab, zumal fallbezogen eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet (§ 47 Abs 2 FrG) nicht erkennbar ist (vgl zur letztgenannten Voraussetzung die hg Erkenntnisse vom 14 September 2001, Zlen 99/19/0074 und 99/19/0089). Die belangte Behörde durfte daher den rechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht verneinen, ohne zuvor die Erfüllung der Voraussetzungen des genannten Art 4 der Richtlinie 68/360/EWG zu prüfen.?

 

E*, der zum Tatzeitpunkt bereits über 21 Jahre alt war, wurde mit Wirksamkeit vom 23 11 2001 von einem österreichischen Staatsbürger adoptiert. Sein österreichischer Adoptivvater leistete für ihn Unterhalt. Er war somit als begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 49 Abs 1 iVm § 47 Abs 3 Z 2 FrG anzusehen. Weiters fiel er unter die in Art 10 Abs 1 lit a der Verordnung (EWG) Nr 1612/68 bzw Art 1 Abs 1 lit d der Richtlinie 73/148/EWG genannte Personengruppe. Dabei war es nicht weiter relevant, zu überprüfen, ob der Adoptivvater von E* nun als Arzt einer unselbständigen oder selbständigen Tätigkeit nachging, weil in der Richtlinie 73/148/EWG (betreffend Angehörige von selbständig Erwerbstätigen) inhaltlich dieselben Voraussetzungen und Begünstigungen für Verwandte in absteigender Linie, die über 21 Jahre alt sind und denen Unterhalt gewährt wird, enthalten sind, wie sie die Richtlinie 68/360/EWG und der Verordnung (EWG) Nr 1612/68 für Angehörige von Arbeitnehmer vorsehen.

 

Der ägyptische Staatsangehörige E* hielt sich im Hinblick auf die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, auch ohne im Tatzeitpunkt über eine Aufenthaltstitelvignette zu verfügen, rechtmäßig zur Tatzeit im Bundesgebiet auf, zumal zu dieser Zeit der Beschluss, womit die Adoption bewilligt wurde, bereits rechtskräftig war, ihm von seinem Adoptivvater Unterhalt gewährt wurde und auch die in den Richtlinien vorgesehenen Unterlagen vorlagen.

 

Da der VwGH im oben zitierten Erkenntnis unter Berücksichtigung des angeführten Urteiles des EuGH den Anwendungsvorrang der angeführten gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften gegenüber den einschlägigen Bestimmungen des österreichischen Rechtes bereits bejahte, und darüber hinaus bekräftigte, dass ein Drittstaatsangehöriger, der Angehöriger eines Österreichers ist (sofern er zur begünstigten Personengruppe gehört), nicht schlechter gestellt werden darf, als ein vergleichbarer Drittstaatsangehöriger, der Angehöriger eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der EU ist, war davon auszugehen, dass die allenfalls dem entgegenstehenden österreichischen Rechtsvorschriften in ihrer Anwendbarkeit verdrängt wurden.

 

Somit kam es bei der Beurteilung des rechtmäßigen Aufenthalts von E* nicht darauf an, dass dieser ägyptische Staatsangehörige, der als solcher unzweifelhaft Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 1 Abs 10 FrG war, zur Tatzeit noch nicht im Besitz der von der Bundespolizeidirektion Wien ausgefertigten Aufenthaltstitelvignette war. Die Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts ergab sich bereits aus dem unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrecht, wobei es wegen der Identität der Voraussetzungen und des gewährten Rechtes dahingestellt bleiben konnte, ob die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes aufgrund der Richtlinie 73/148/EWG (betreffend Angehörige von selbständig Erwerbstätigen) der Richtlinie 68/360/EWG und der Verordnung (EWG) Nr 1612/68 (für Angehörige von Arbeitnehmer) beruhte.

 

Da E* zur Tatzeit zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt war, waren gemäß § 1 Abs 2 lit l AuslBG die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nicht auf seine Beschäftigung anwendbar, wobei es nicht darauf ankam, aufgrund welcher Rechtsgrundlage der rechtmäßige Aufenthalt beruhte. Insbesondere war das Vorliegen eines Aufenthaltstitels nicht Voraussetzung, um die Anwendbarkeit des § 1 Abs 2 lit l AuslBG zu bejahen (vgl dazu auch die in den Erl Bem zur RV, 1172 dB / XXI GP, zur in BGBl I 126/2002 kundgemachten Novelle des AuslBG, in deren Fassung § 1 Abs 2 lit l AuslBG sich darstellte, diesbezüglich enthaltenen Ausführungen).

 

Somit war auch die Beschäftigung dieses ägyptischen Staatsangehörigen durch die B* GmbH, ohne dafür über eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung zu verfügen, zulässig. Das angefochtene Straferkenntnis war daher in diesem Spruchpunkt zu beheben und das Strafverfahren mangels Tatbegehung einzustellen.

 

Gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG war diese Entscheidung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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