TE Vfgh Beschluss 1998/12/1 G23/96

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Veröffentlicht am 01.12.1998
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §62 Abs1 zweiter Satz
Wr BauO 1930 §76 Abs4

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags mangels Darlegung der Bedenken im einzelnen; kein verbesserungsfähiger Formmangel

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1.1. In ihrer auf Art140 (Abs1, letzter Satz) B-VG gestützten Eingabe stellen die Einschreiter die folgenden Anträge:

"Der Verfassungsgerichtshof möge

a) den bekämpften Teil der Bestimmung der Rechtsvorschrift des Par 76 Abs4 WBauO, mit der normiert wird 'wenn der Eigentümer des an diese Bauplatzgrenze anrainenden, bereits bestehenden oder noch zu schaffenden Bauplatzes zustimmt.' als verfassungswidrig aufheben.

b) für den Fall der Ablehnung dieses Antrages aus dem Grunde, daß die Rechtsansicht der Antragsteller hinsichtlich der denkmöglichen Auslegung Par 76 Abs4, 7 und 9 WBauO im Ergebnis mit der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes übereinstimmt und daher die bekämpfte Bestimmung nicht verfassungswidrig ist, aus prozeßökonomischen und richtungsweisenden Gründen (dies schon deshalb, da nicht nur die Baupolizei, sondern auch die mit der Ausarbeitung der Bebauungspläne betraute Behörde eine fehlgeleitete Auslegung der Rechtsvorschrift vertreten) die Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich der Auslegung der Bestimmungen der Rechtsvorschrift des Par 76 Abs4, 7 und 9 WBauO im Erkenntnis als Teil der Entscheidungsgründe darlegen."

1.1.2. Die Einschreiter führen zur Antragslegitimation unter anderem aus, sie seien zu unterschiedlichen Teilen Eigentümer der Liegenschaft in Wien 23., ..., EZ 5932, KG 01806 Mauer, Grundstücksnummer 192. Es könne ihnen "(auch) aus ökonomischen Gründen nicht zugemutet werden ..., ein kosten- und zeitintensives Bauverfahren unter den aufgezeigten Gesichtspunkten zu führen". Sie seien als Liegenschaftseigentümer "nicht nur in ihrem Bestreben, die Liegenschaft für eigene Wohnzwecke im Sinne der gebotenen Baufreiheit (offen oder gekuppelt) zu bebauen, behindert", es werde durch die bekämpfte Bestimmung "vielmehr sowohl das Bauen selbst als auch die Möglichkeit einer Inanspruchnahme der Einlöseverpflichtung der Stadt Wien rechtswidrig unterbunden".

1.2. Die im verfassungsgerichtlichen Verfahren zur Erstattung einer schriftlichen Äußerung zum Gegenstand aufgeforderte Wiener Landesregierung gab eine Stellungnahme ab, in der sie der Sache nach dafür eintrat, dem Antrag nicht stattzugeben.

1.3. Die relevanten Bestimmungen (Abs4 und 7) des §76 Wiener Stadtentwicklungs-, Stadtplanungs- und Baugesetzbuch (BauO Wien), LGBl. 11/1930 in der derzeit geltenden Fassung LGBl. 40/1997, (zum Zeitpunkt der Antragstellung galt die BauO Wien idF LGBl. 78/1995; §76 leg.cit. geht auf die Nov. LGBl. 18/1976 zurück) lauten wie folgt:

"(4) Sieht der Bebauungsplan die offene oder gekuppelte Bauweise vor, so darf das Gebäude an eine Bauplatzgrenze angebaut werden, wenn der Eigentümer des an diese Bauplatzgrenze anrainenden, bereits bestehenden oder noch zu schaffenden Bauplatzes zustimmt.

...

(7) In Gebieten der offenen bzw. offenen oder gekuppelten Bauweise muß an die Nachbargrenze angebaut werden, wenn der Nachbar an diese Bauplatzgrenze bereits angebaut hat oder wenn auf dem Nachbarbauplatz nach dem Bebauungsplan bis an diese Grundgrenze gebaut werden darf. Hievon ist über Antrag des Bauwerbers abzusehen, wenn das örtliche Stadtbild nicht gestört wird."

2.1. Der Verfassungsgerichtshof erkennt gemäß Art140 Abs1, letzter Satz B-VG über die Verfassungwidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Der Antrag hat die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im einzelnen darzulegen (§62 Abs1, zweiter Satz VerfGG 1953).

2.2. Der mit "Darlegung der Bedenken" überschriebene Abschnitt der Begründung des Anfechtungsantrages lautet wie folgt:

"Die angefochtene Bestimmung der Rechtsvorschrift des Par 76 Abs4 WBauO, mit der normiert wird 'wenn der Eigentümer des an diese Bauplatzgrenze anrainenden, bereits bestehenden oder noch zu schaffenden Bauplatzes zustimmt' ist verfassungswidrig. Nach Par 76 Abs4 WBauO darf in der offenen oder gekuppelten Bauweise das Anbauen an eine Bauplatzgrenze nur mit Zustimmung des Nachbarn genehmigt werden.

Nach Par 76 Abs7 WBauO muß in der offenen oder gekuppelten Bauweise an die Nachbargrenze unter der Voraussetzung, daß auf dem Nachbarbauplatz bereits angebaut wurde oder nach dem Bebauungsplan auf dem Nachbarbauplatz bis an diese Bauplatzgrenze angebaut werden darf, angebaut werden.

Folgt man der Rechtsmeinung der Baubehörde, die für das Anbauen in Gebieten der offenen oder gekuppelten Bauweise die Zustimmung des Nachbarn, zu dessen Bauplatzgrenze anzubauen ist, zwingend voraussetzt, sofern noch nicht angebaut wurde, ist dem Gesetzgeber der Vorwurf zu machen, nicht nur eine überflüssige Regelung durch die Einschränkung 'wenn der Eigentümer des an diese Bauplatzgrenze anrainenden, bereits bestehenden oder noch zu schaffenden Bauplatzes zustimmt' geschaffen zu haben, sondern vielmehr eine Regelung, die im diametralen Widerspruch zur zwingenden Anbauverpflichtung des Absatzes 7 steht. Unter der Annahme, daß die Rechtsmeinung der Baubehörde aus einer widersprüchlichen und fehlgeleiteten denkmöglichen Auslegung der Bestimmungen der Absätze 4 und 7 der Rechtsvorschrift des Par 76 WBauO resultiert, und die von den Antragstellern unter V. bis VII. dieses Antrages (damit wird auf das übrige weitwendige Antragsvorbringen verwiesen, das neben einer Wiedergabe des Wortlautes der Abs7 und 9 des §76 BauO Wien jeweils Überlegungen zur 'Wortinterpretation' sowie zur 'denkmöglichen Auslegung unter Berücksichtigung der Wortinterpretation, des erklärten Willens des Gesetzgebers und der Rechtsprechung' dieser Bestimmungen enthält) dargelegten Rechtsansichten denkmögliche Auslegungen der Bestimmungen der Rechtsvorschrift darstellen, ist die bekämpfte Bestimmung der verfahrensgegenständlichen Rechtsvorschrift nicht nur nicht verfassungswidrig, sondern im Zusammenwirken mit Abs7 sinnvoll."

In den Ausführungen der Antragsteller kann somit eine dem Gesetz entsprechende (arg.: "... hat die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im einzelnen darzulegen.") Darlegung der Bedenken nicht erblickt werden, zumal es nicht darum zu gehen scheint, die Verfassungswidrigkeit der bekämpften Gesetzesstelle darzutun (s. etwa die oben wiedergegebenen Ausführungen, die darin gipfeln, dass - in der Auslegung durch die Antragsteller - die "... verfahrensgegenständliche(.) Rechtsvorschrift ... nicht verfassungswidrig" sei), sondern den Verfassungsgerichtshof zu veranlassen, eine bestimmte Auslegung vorzunehmen, um auf diese Weise die Baubehörde zu binden, wozu dem Verfassungsgerichtshof jegliche Kompetenz fehlt.

2.3. Das Fehlen einer geeigneten Darlegung im Sinne des §62 Abs1, Satz 2 VerfGG 1953 ist kein behebbares Formgebrechen, sondern ein Prozesshindernis (vgl. VfSlg. 10577/1985, 12564/1990, 13809/1994).

Der somit an einem inhaltlichen, keiner Verbesserung zugänglichen Mangel leidende Antrag auf teilweise Aufhebung des §76 Abs4 BauO Wien als verfassungswidrig war daher als unzulässig zurückzuweisen.

3. Desgleichen war auch der weiters von den Einschreitern gestellte (bedingte) Antrag sogleich als unzulässig zurückzuweisen.

4. Dieser Beschluss konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 litc VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Bedenken

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:G23.1996

Dokumentnummer

JFT_10018799_96G00023_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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