TE UVS Burgenland 2004/07/20 003/11/04046

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.07.2004
beobachten
merken
Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied Mag Latzenhofer über die Berufung vom 01 04 2004 der *** GmbH, in D ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 16 03 2004, Zl 300-13209-2003, wegen Zurückweisung eines Einspruches zu Recht erkannt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs 1 VStG sowie § 8, § 63 AVG, § 9 Abs 7, § 49 Abs 1 VStG wird die Berufung abgewiesen.

Text

Mit Strafverfügung vom 05 02 2004 verhängte die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See gegen Herrn *** vier Geldstrafen in Höhe von insgesamt 200 Euro, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ des Zulassungsbesitzers Firma *** GmbH (in der Folge Berufungswerberin) verschiedene (näher spezifizierte) Übertretungen des Kraftfahrgesetzes zu verantworten habe. In dieser Strafverfügung wurde kein Abspruch über eine allfällige Haftung der Berufungswerberin für die verhängten Geldstrafen getroffen. Die Strafverfügung wurde ausschließlich Herrn ***(nämlich am 14 02 2004) zugestellt (vgl Strafverfügung samt Rückschein).

 

Mit Schreiben vom 27 02 2004 teilte die Berufungswerberin mit, ?legen wir hiermit für die Firma *** form- und fristgerecht Einspruch gegen Ihre Strafverfügung ein.?. Begründend wurde unter Anderem ausgeführt, dass die erst am 17 02 2004 bei der Berufungswerberin eingetroffene Strafverfügung gegen Herrn *** inhaltlich nicht gerechtfertigt sei und Herr *** schon seit längerer Zeit aus der aktiven Firmenleitung ausgeschieden sei (vgl Schriftsatz vom 27 02 2004).

 

Mit dem im Spruch ersichtlichen Bescheid wies die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See diesen Einspruch zurück und führte begründend aus, die Berufungswerberin habe im eigenen Namen Einspruch erhoben, sei jedoch nicht selbst Beschuldigter im Strafverfahren. Da nur der Beschuldigte gegen eine Strafverfügung Einspruch erheben könne, sei der Einspruch der Berufungswerberin unzulässig. Gegen diesen Bescheid erhob die Berufungswerberin ihre als ?Einspruch? bezeichnete Berufung, in der sie ausführte, dass *** seit zwei Jahren und drei Monaten aus der Geschäftsführung ausgeschieden sei und daher keine Unterlassung begangen habe.

 

Die einzelnen Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die in Klammer angeführten Beweismittel.

 

Über diesen festgestellten Sachverhalt hat der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland in rechtlicher Hinsicht wie folgt erwogen:

 

Für die Entscheidung waren folgende Rechtsvorschriften maßgeblich:

 

Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), Stammfassung:

BGBl Nr 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 10/2004 Verwaltungsstrafgesetz (VStG), Stammfassung: BGBl Nr 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 117/2002

 

Im Einzelnen:

 

§ 8 AVG:

?Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, sind Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien.?

 

§ 63 Abs 1 AVG:

?(1) Der Instanzenzug und das Recht zur Einbringung der Berufung und sonstiger Rechtsmittel (Vorstellung) richten sich, abgesehen von den in diesem Bundesgesetz besonders geregelten Fällen, nach den Verwaltungsvorschriften.?

 

§ 66 Abs 4 AVG:

?Außer dem in Abs 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.?

 

§ 24 VStG:

?§ 24. Soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, gilt das AVG auch im Verwaltungsstrafverfahren. Die §§ 2, 3, 4, 11, 12, 13 Abs 8, 14 Abs 3 zweiter Satz, 36 Abs 2, 37 zweiter Satz, 39 Abs 3, 41, 42, 44a bis 44g, 51, 51d, 57, 63 Abs 1, 64 Abs 2, 66 Abs 67a bis 67d, 67h, 68 Abs 2 und 3, 75, 76a zweiter Satz, 78, 78a, 79, 79a, 80, 81 und 82AVG sind im Verwaltungsstrafverfahren nicht anzuwenden.?

 

§ 9 Abs 7 VStG:

?Juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts und eingetragene Erwerbsgesellschaften sowie die in Abs 3 genannten natürlichen Personen haften für die über die zur Vertretung nach außen Berufenen oder über einen verantwortlichen Beauftragten verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.?

 

§ 49 Abs 1 VStG:

?Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.?

 

Sache des Berufungsverfahrens kann nach der Rechtsprechung nicht mehr sein, als jene Angelegenheit, über welche die erste Instanz abgesprochen hat (vgl die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs VwGH 28 6 1994, 94/11/0227 uva). Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass Sache des jetzigen Berufungsverfahrens nur die Frage ist, ob die Zurückweisung des Einspruchs der Berufungswerberin zu Recht erfolgte. Die Frage der inhaltlichen Rechtmäßigkeit der Strafverfügung ist daher nicht Gegenstand dieses Berufungsverfahrens. Bei der Überprüfung der Frage, ob die erste Instanz zu Recht von einer inhaltlichen Überprüfung des Einspruchs abgesehen hat, ist die Berufungsbehörde jedoch nicht an die von der ersten Instanz herangezogene Begründung gebunden, weil § 66 Abs 4 AVG ausdrücklich vorsieht, dass die Berufungsbehörde hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung anstelle jene der Unterbehörde setzen kann.

 

Die Ansicht der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See, es könne im Verwaltungsstrafverfahren nur der Beschuldigte das Rechtsmittel des Einspruchs gegen die Strafverfügung ergreifen, ist unzutreffend. Nach § 51 Abs 1 VStG steht im Verwaltungsstrafverfahren jeder Partei das Recht der Berufung zu. Da die Berufung gegen ein Straferkenntnis und der Einspruch gegen eine Strafverfügung funktional vergleichbare Rechtsmittel sind, kann für die Berechtigung zur Erhebung des Einspruchs nichts anderes gelten. Jede Partei des Strafverfahrens ist daher grundsätzlich berechtigt, gegen eine Strafverfügung Einspruch zu erheben (vgl Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren II 2), 2000) 893).

 

Aus dem auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden § 8 AVG ergibt sich, dass Partei des Verfahrens jede Person ist, die durch die behördliche Entscheidung in ihren Rechten unmittelbar berührt werden kann. Wird über den verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Geschäftsführer einer juristischen Person eine Geldstrafe verhängt, kann die juristische Person nach § 9 Abs 7 VStG zur Haftung für diese Geldstrafe herangezogen werden. Dementsprechend hat mittlerweile auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs erkannt, dass der haftungspflichtigen juristischen Person im Verwaltungsstrafverfahren gegen ihren verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Geschäftsführer Parteistellung zukommt (vgl beispielsweise VwGH 21 11 2000, Zl 99/09/0002, VwGH 07 08 2001, Zl 98/02/0235).

 

Da die Haftung nach § 9 Abs 7 VStG die juristische Person immer dann treffen kann, wenn ihr Geschäftsführer in seiner Eigenschaft als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher bestraft wird, kommt es für die Parteistellung der juristischen Person auch nicht darauf an, ob ihr Geschäftsführer mittlerweile ausgeschieden ist. Ebenso wenig ist es relevant, ob der beschuldigte Geschäftsführer die Tat tatsächlich zu verantworten hat. Für die Parteistellung reicht es nämlich aus, wenn die Möglichkeit besteht, in Rechten betroffen zu sein. Die Frage, ob der strafrechtlich Verantwortliche zu Recht zu bestrafen ist, soll ja gerade erst in dem Verfahren geklärt werden, in dem die juristische Person kraft ihrer Parteistellung mitwirken können soll.

 

Da im vorliegenden Fall ? zu Recht oder zu Unrecht ? ein Strafverfahren gegen Herrn *** in seiner Eigenschaft als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der Firma *** GmbH geführt wurde, war der *** GmbH in diesem Verfahren auch Parteistellung einzuräumen und war sie daher grundsätzlich zur Erhebung des Einspruchs berechtigt.

 

Allerdings ergibt sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs aus allgemeinen Grundsätzen über die Zulässigkeit von Rechtsmittel, dass ein Rechtsmittel nur dann ergriffen werden kann, wenn der Rechtsmittelwerber durch den angefochtenen Verwaltungsakt tatsächlich beschwert ist, der angefochtene Verwaltungsakt den Rechtsmittelwerber also bei objektiver Betrachtung belastet (vgl zB VwGH 27 11 1972, 883/72). Da sich die Parteistellung der Berufungswerberin aus der Möglichkeit ergibt, dass sie gemäß § 9 Abs 7 VStG zur Haftung herangezogen wird, könnte sie durch die angefochtene Strafverfügung nur dann beschwert sein, wenn auf Grundlage dieser Strafverfügung eine Inanspruchnahme zur Haftung nach § 9 Abs 7 VStG rechtlich möglich ist.

 

Nach der bereits oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Geltendmachung dieser Haftung jedoch nicht durch eigenen Haftungsbescheid zu erfolgen, sondern ist der Haftungspflichtige zunächst als Partei dem Verfahren beizuziehen und ist in der Folge in dem das Strafverfahren abschließenden Bescheid über seine Haftung abzusprechen. Ist ? wie im vorliegenden Fall - im Straferkenntnis (bzw der Strafverfügung) nicht über die Haftung nach § 9 Abs 7 VStG abgesprochen worden, kann diese nach dieser Rechtsprechung nicht mehr geltend gemacht werden. Daraus ergibt sich aber unter Bedachtnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Prozessvoraussetzung der ?Beschwer?, dass ein Rechtsmittel des Haftungspflichtigen nicht zulässig ist, wenn im angefochtenen Straferkenntnis (bzw der angefochtenen Strafverfügung) kein Ausspruch über die Haftung erfolgt ist. Ohne einen solchen Ausspruch kann dieses Straferkenntnis ? auch nach einer allfälligen Zustellung an den Haftungspflichtigen ? nicht Grundlage der Haftung nach § 9 Abs 7 VStG sein. Da dieser Ausspruch über diese Haftung auch nach der Rechtsprechung (siehe oben) später nicht nachgeholt werden kann, ist die juristische Person auch im vorliegenden Fall von der Möglichkeit der haftungsmäßigen Inanspruchnahme für die über ihren verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen verhängte Geldstrafe endgültig befreit und kann daher durch das Straferkenntnis bzw die Strafverfügung nicht beschwert sein. Mangels Beschwer war ihr Einspruch daher zurückzuweisen.

 

Dem steht auch nicht die Rechtsprechung des VwGH gegenüber, die in verschiedenen Fällen eine Berufungslegitimation des Haftungspflichtigen bejaht hatte, obwohl in den zugrunde liegenden Straferkenntnissen kein Haftungsausspruch erfolgt war (vgl zB VwGH 22 2 2001, 2000/07/0036, VwGH 20 11 2001, 2000/09/0063). In diesen Erkenntnissen hat sich der Verwaltungsgerichtshof nämlich nicht explizit mit den Konsequenzen seiner eigenen Rechtsprechung zu den beiden Themen ?Zulässigkeit der Inanspruchnahme zur Haftung? und ?Berufungslegitimation? auseinandergesetzt.

 

Die Berufungswerberin *** GmH, die nicht selbst Beschuldigte ist, hätte also im vorliegenden Fall nur ein Einspruchsrecht gehabt, wenn sie auf Grundlage der Strafverfügung zur Haftung für die Geldstrafe herangezogen hätte werden können. Die Strafverfügung enthielt jedoch keinen Ausspruch über eine allfällige Haftung der Firma *** GmbH. Diese kann sohin nicht mehr zur Haftung herangezogen werden. Demnach ist sie durch die Strafverfügung in objektiver Hinsicht nicht belastet und kam ihr daher trotz Parteistellung im Strafverfahren keine Berechtigung zur Erhebung des Einspruchs zu. Die Zurückweisung des Einspruchs erfolgte daher trotz unzutreffender Begründung der ersten Instanz im Ergebnis zu Recht.

Schlagworte
Prozessvoraussetzung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten