TE UVS Wien 2004/08/03 04/G/34/2332/2003

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Veröffentlicht am 03.08.2004
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat in seiner öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vom 4.11.2003 durch Mag. Zotter als Vorsitzenden, Dr. Osinger als Berichter und Dr. Königshofer als Beisitzer aufgrund der Berufung von Herrn Andreas D, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, MBA 10, vom 20.1.2003, MBA 10 - S 17066/02, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach § 27 der Druckgaspackungsverordnung, BGBl. Nr. 666/1995, entschieden wie folgt:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

Der Berufungswerber hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Der Berufungswerber ist als gewerberechtlicher Geschäftsführer der B-AG mit Straferkenntnis vom 20.1.2003 für das Nichteinhalten der Bestimmung des § 27 der (alten) Druckgaspackungsverordnung BGBl. Nr. 666/1995 im Zeitraum vom 28.6.2002 bis 25.9.2002 in der weiteren Betriebsstätten in Wien, I-Straße bestraft worden.

Der Spruch dieses Straferkenntnisses lautet:

?Sie haben als gewerberechtlicher Geschäftsführer B-AG zu verantworten, dass in der Betriebsanlage dieser Gesellschaft in Wien, I-Straße im Zeitraum vom 28.6.2002 bis 25.9.2002 entgegen dem § 27 DGP-VO, BGBl. 666/1995, Druckgaspackungen der Klasse DP1 ? Haarfestiger, Haarschäume und dergleichen ? in einer Entfernung von ca. 7 m zum Hauptausgang, somit in einem geringeren Abstand als 10 m, im Regal für den Verkauf bereitgehalten wurden.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 27 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten und des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Lagerung von Druckgaspackungen in gewerblichen Betriebsanlagen, DGP-VO, BGBl. 666/1995 in der geltenden Fassung in Verbindung mit § 367 Z 25 Gewerbeordnung 1994 i. d.g.F.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von EUR 2.100,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Wochen

gemäß § 367 Einleitungssatz GewO 1994 in der geltenden

Fassung

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

EUR 210,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher EUR 2.310,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."

In der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vom 4.11.2003 hat der Vertreter des Berufungswerbers sein Berufungsvorbringen folgendermaßen ergänzt:

?Im Verfahren ist das wesentliche Tatbestandsmerkmal einer Gehweglänge von mehr als 20 m (§ 27 DruckgaspackungsVO) nicht angelastet worden. Außerdem würde die angelastete Tat vor dem Hintergrund der neuen Rechtslage (§ 29 der DruckgaspackungslagerungsVO 2002) nicht mehr strafbar sein, da danach Regale für DGP nur mehr mind. 5 m von Haupteingängen entfernt angeordnet sein müssen. Im gegenständlichen Fall ist das Regal in einer Entfernung von mehr als 5 m, nämlich 7 m, vom Hauptausgang aufgestellt gewesen. Diese Bestimmung ist im Zeitpunkt der Fällung des gegenständlichen Straferkenntnisses (Hinterlegung am 30.1.2003) bereits in Kraft gestanden. Die Lagerung der DGP wie angelastet wird nicht bestritten."

Daraufhin ist der aus dem Spruch ersichtliche Berufungsbescheid zunächst mündlich verkündet worden.

Die Verwirklichung des angelasteten Tatbestandes blieb somit unbestritten. Eingewendet wurden mangelnde Spruchfassung und Wegfall der Strafbarkeit noch vor Erlass des erstinstanzlichen Straferkenntnisses.

Es wurde erwogen:

1. Wegfall der Strafbarkeit:

Gemäß § 1 Abs 2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre.

Wenn bereits ein geringeres Unwerturteil des Normgebers, das zur Verhängung einer niedrigeren Strafe zu führen hat, zu berücksichtigen ist, wäre es sachlich nicht vertretbar, den auf der Meinung des Normgebers, eine strafwürdige Tat liege gar nicht vor, beruhenden gänzlichen Wegfall des Unwerturteils nicht zu berücksichtigen. Der Wegfall der Strafbarkeit ist als Anwendungsfall des § 1 Abs 2 VStG zu werten und hat zur Straffreiheit des Beschuldigten zu führen. (VwGH vom 27.4.1995, 95/11/0012).

Die Erstbehörde hat zu ihrer Bestrafung die im Tatzeitraum (28.6.2002 bis 25.9.2002) noch in Geltung gestandene Bestimmung des § 27 der alten Druckgaspackungsverordnung BGBl. Nr. 666/1995 herangezogen.

§ 27 der Druckgaspackungsverordnung BGBl. Nr. 666/1995 lautete wie folgt:

?Wenn der von den Kunden zurückzulegende Weg (Gehweglänge) zu Hauptausgängen von Verkaufsräumen mehr als 20 m beträgt, müssen Regale und Verkaufsstände für DP 1 mindestens 10 m (Gehweglänge) von Hauptausgängen und mindestens 5 m (Gehweglänge) von Notausgängen entfernt angeordnet sein."

Mit dem am 21.12.2002 erfolgten Inkrafttreten der (neuen) Druckgaspackungslagerungsverordnung 2002 ? DGPLV 2002, BGBl. II Nr. 489/2002, ist die oben angeführte Regelung durch die neue Bestimmung des § 29 DGPLV 2002 ersetzt worden.

§ 29 DGPLV 2002 lautet wie folgt:

?In Verkaufsräumen dürfen DGP nur in Regalen aus nicht brennbaren oder schwerbrennbaren Baustoffen, z.B. Holzverbundplatten, gelagert werden. Die Regale für DGP müssen

mindestens 5 m von Hauptein- und ?ausgängen sowie

Notausgängen entfernt angeordnet sein."

Das aufgrund § 27 der alten Druckgaspackungsverordnung in bestimmten Verkaufsräumen für Regale und Verkaufsstände mit DP 1 bestehende strengere Lagerungsverbot für die Umgebung von Hauptausgängen (mindestens 10 m) als von Notausgängen (nur mindestens 5 m) ist durch § 29 DGPLV 2002 beseitigt worden. Der Ersatz des § 27 der alten Druckgaspackungsverordnung durch § 29 DGPLV 2002 unterliegt somit diesbezüglich dem Günstigkeitsprinzip des § 1 Abs 2 VStG.

Die für den Berufungswerber günstigere neue Rechtslage ist am 21.12.2002 in Kraft getreten. Das angefochtene Straferkenntnis ist am 30.1.2003 und somit erst nach Inkrafttreten der günstigeren Norm erlassen worden. Der Bestrafung des Berufungswerbers stand somit das Günstigkeitsprinzip des § 1 Abs 2 VStG entgegen.

2. Spruchfassung:

Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Im Bescheidspruch bedarf es der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift erforderlich sind. Der Spruch eines Straferkenntnisses muss also so gefasst sein, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, dh aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der bestimmten Verwaltungsübertretung geschlossen werden kann (VwSlg 12466 A/1987).

Die von der Erstbehörde zur Bestrafung herangezogene Norm des § 27 der alten Druckgaspackungsverordnung BGBl. Nr. 666/1995 enthielt als wesentliches Tatbestandsmerkmal einen von den Kunden zurückzulegenden Weg (Gehweglänge) zu

Hauptausgängen von Verkaufsräumen von mehr als 20 m. Dieses wesentliche Tatbestandsmerkmal ist dem Berufungswerber weder in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 8.10.2002 noch im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angelastet worden. Auch die von der Erstbehörde noch innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist veranlasste Versendung einer Kopie des verfahrenseinleitenden Berichtes des Amtssachverständigen vom 26.9.2002, wonach die ?gesamte Gehweglänge im Verkaufsraum vom Hauptein- zum Hauptausgang mehr als 20 m beträgt", konnte daran nichts ändern.

Die zur Bestrafung herangezogenen Norm des § 27 der alten Druckgaspackungsverordnung BGBl. Nr. 666/1995 stellt nicht auf die ?gesamte Gehweglänge vom Hauptein- zum Hauptausgang", sondern auf den von Kunden vom (entferntesten) Punkt des Verkaufsraums zu dessen Hauptausgang zurückzulegenden Weg ab.

Der Berufung war daher auch aus diesem Grunde Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG die Verfahrenseinstellung zu verfügen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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