TE UVS Wien 2004/08/11 03/P/34/936/2003

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Veröffentlicht am 11.08.2004
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr. Osinger in der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vom 16.6.2003 aufgrund der Berufung der Frau Violetta V gegen den Zurückweisungsbescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat D, vom 21.1.2003, GZ: S 201.884/D/02, entschieden wie folgt:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

Text

Die nunmehrige Berufungswerberin ist mit an die (offenbare) Zulassungsadresse des betreffenden Fahrzeugs in Wien, W-straße gerichteter erstbehördlicher Strafverfügung vom 6.12.2002, GZ 201.884/D/02 als Zulassungsbesitzerin des Kfz mit dem Kennzeichen W-19 wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 53 Z 24 StVO 1960 bestraft worden.

Die betreffende Strafverfügung wurde nach zwei erfolglosen Zustellversuchen am Zustellpostamt 1205 Wien hinterlegt (Beginn der Abholfrist 17.12.2002).

Unter Anführung einer Wohnadresse ?N, Niederösterreich" hat die Bestrafte dagegen einen mit 31.12.2002 datierten, am 2.1.2003 zur Post gegebenen Einspruch erhoben. Die Strafverfügung habe sie erst ?gestern" (gemeint am 30.12.2002) von der Post geholt. Die Tochter der Bestraften habe infolge eigener Berufungstätigkeit die Bestrafte nicht früher ?holen können", um die Post beim Postamt zu beheben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Erstbehörde vom 21.1.2003, GZ S 201.884/D/02, ist der betreffende Einspruch in Anwendung des § 49 Abs 1 VStG als verspätet zurückgewiesen worden.

Mit Berufung ist eingewendet worden, die Berufungswerber sei zu Weihnachten 2002 in N, nicht in Wien gewesen. Laut ihrem Fahrtenbuch habe sie im Dezember 2002 nur Fahrten in Niederösterreich unternommen. Ihre Anwesenheit in N im Dezember 2002 könnten ihre dortigen Nachbarn bestätigen. Den Postkarten in Wien, W-straße räume ihre Tochter Violetta S aus, die auch die gegenständliche Hinterlegungsanzeige dort gefunden habe. Ihre Tochter habe sie darauf von N abgeholt und am 30.12.2002 nach Wien gebracht. Die Strafverfügung sei ihr erst durch Behebung beim Postamt am 30.12.2002 zugestellt worden. Ihr Einspruch vom 2.1.2003 sei zeitgerecht.

Am 16.6.2003 ist die öffentliche mündliche Berufungsverhandlung abgehalten worden, zu der die Berufungswerberin als Partei und ihre Tochter Frau Violetta S als Zeugin geladen wurden. Die Berufungswerberin hat folgende Parteiaussage gemacht:

?Ich wohne schon seit Jahren ausschließlich in N. Die Wohnung in Wien, W-straße läuft zwar auf meinen Namen, es wohnt dort aber ausschließlich meine Tochter Violetta S. Ich selbst bin polizeilich in

N und in Wien gemeldet. Die Post bekomme ich eigentlich nur an die Adresse N. Nur die gegenständliche Strafverfügung wurde mir an die Adresse in Wien zugestellt und beim Postamt 1205 Wien hinterlegt.

Wenn meine Tochter Rückscheinbriefe übernehmen kann, tut sie dies, und bringt sie mir nach N hinaus. Bei Rsa-Briefen werde ich von Tochter oder Enkelin von der Hinterlegung verständigt und mit dem Auto zum Hinterlegungspostamt 1205 Wien gebracht, um die Sendung dann abzuholen. Um Weihnachten herum hatte meine Tochter wenig Zeit und bin ich deswegen nicht sofort nach Wien gekommen, um die Strafverfügung zu beheben. Als ich am Tag vor Silvester 2002 in Wien war, habe ich den Brief sofort behoben und den Einspruch am nächsten Tag abgefasst. Zur Post gegeben wurde er dann am 2.Jänner."

Ihre Tochter Frau Violetta S hat folgende Zeugenaussage gemacht:

?Seit dem Jahre 1988 wohnt meine Mutter ausschließlich in N. Normalerweise klappt es mit dem Abholen von Rsa-Sendungen für meine Mutter, die ihr an die Wiener Adresse zugestellt werden sollen und dann beim Postamt hinterlegt werden, recht gut. Ich hole meine Mutter von N ab und kann sie die Sendungen schon kurz nach der Hinterlegung abholen. Deswegen macht es

normalerweise keinen Unterschied, ob eine Rsa-Sendung richtigerweise nach N oder irrtümlich an die Wiener Adresse zugestellt wird. Im gegenständlichen Fall hatte ich aber keine Zeit, meine Mutter sofort von N abzuholen und ist es meiner Mutter deswegen erst am 2.1.2003 möglich gewesen, Einspruch zu erheben."

Es steht fest:

Die Berufungswerberin Violetta V ist polizeilich sowohl in N als

auch

in Wien, W-straße gemeldet, wohnt aber tatsächlich nur in N. Ihre Post wird, wenn sie an die Adresse Wien, W-straße adressiert ist, entweder von der Tochter Violetta S oder von der von ihr nach Wien geführten Berufungswerberin selbst behoben. Den Wiener Postzustellern ist deswegen nicht aufgefallen, dass sie nicht in Wien wohnt. Die wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 53 Z 24 StVO 1960 an die (offenbare) Zulassungsadresse des betreffenden Fahrzeugs W-19 in Wien, W-straße gerichtete erstbehördliche Strafverfügung vom 6.12.2002, GZ 201.884/D/02, hat die Berufungswerberin nach ihrer am 17.12.2002 erfolgten Hinterlegung nicht sofort behoben, weil ihre Tochter kurz vor Weihnachten 2002 keine Zeit hatte, sie nach Wien zu bringen. Die Berufungswerberin hat sie erst am 30.12.2002 abgeholt. Am nächsten Tag verfasste sie den Einspruch und gab ihn am 2.1.2003 zur Post.

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den glaubwürdigen und übereinstimmenden Angaben der Berufungswerberin und ihrer Tochter Violetta S. Die Gründe für die weiter aufrechte Meldung der Berufungswerberin an der tatsächlich nur von ihrer Tochter bewohnten Adresse in Wien liegen wohl in mietrechtlichen Umständen begründet, die hier nicht interessieren. Das Faktum, dass die Berufungswerberin die Wohnung in Wien, W-straße nicht bewohnt, hat sich im Verfahren zweifelsfrei ergeben.

Es wurde erwogen:

Gemäß § 49 Abs 1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben.

Gemäß § 17 Abs 1 Zustellgesetz ist, kann die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

Gemäß § 17 Abs 3 Zustellgesetz ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt.

Für die Beurteilung der fraglichen Benützung einer Wohnung ist die Tatsache der polizeilichen Meldung allein nicht entscheidend. Es kommt nur darauf an, ob die betreffende Wohnung im Zeitpunkt der Zustellung vom Empfänger tatsächlich bewohnt wird (VwSlg 7600/1969).

Ein Bewohnen der im vorliegenden Fall von der Erstbehörde für die Zustellung ihrer Strafverfügung vom 6.12.2002 ausgewählten Zustelladresse Wien, W-straße durch die Bestrafte hat sich nicht ergeben. Die betreffende Adresse war daher nicht nur im Zustellzeitpunkt Dezember 2002 keine ?Abgabestelle" der Berufungswerberin.

Gemäß § 7 Zustellgesetz idF BGBl. I Nr. 158/1998 gilt, unterlaufen bei der Zustellung Mängel, die Zustellung als in dem Zeitpunkt vollzogen, in dem Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist (Empfänger), tatsächlich zugekommen ist.

Bei einer nach zwei erfolglosen Zustellversuchen an der keine Abgabestelle bildenden Zustelladresse vorgenommenen Hinterlegung der Sendung beim Postamt handelt es sich um keine dort rechtmäßig im Sinn des § 17 Abs 3 dritter Satz Zustellgesetz ?hinterlegte Sendung", die normativ irgendeine Wirkung entfalten könnte. Ihre nachfolgende Behebung beim Postamt ist in das Belieben des Empfängers gestellt, handelt es sich dabei doch um eine an keine bestimmte Abgabestelle gebundene Zustellung durch faktisches Zukommen.

Die betreffende Strafverfügung ist der Berufungswerberin in rechtswirksamer Weise erst durch Übergabe am Zustellpostamt 1205 Wien am 30.12.2002 (belegt durch die dem UVS Wien vom Postamt 1205 Wien vorgelegte Empfangsbestätigung der Berufungswerberin vom 30.12.2002) zugestellt worden. Der am 2.1.2003 zur Post gegebene Einspruch war daher rechtzeitig. Die Zurückweisung dieses Einspruches als verspätet war also nicht rechtens, der angefochtene Bescheid somit zu beheben.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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