TE UVS Tirol 2004/09/23 2003/17/216-1

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Veröffentlicht am 23.09.2004
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Felizitas Schiessendoppler-Luchner über die Berufung des Herrn Mag. E. W., vertreten durch Herrn Ing. O. J., 1040 Wien, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 06.10.2003, Zl S-13.388/03, wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG wird der Berufung Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG zur Einstellung gebracht.

Text

Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten spruchgemäß nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:

 

?Sie haben als Vorstandsvorsitzender der befördernden Firma S. und Co AG (Zweigniederlassung Innsbruck) unterlassen dafür zu sorgen, dass die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden, da am 01.07.2003 um 09.15 Uhr in Innsbruck, Langer Weg 27, im Zuge einer Fahrzeugkontrolle festgestellt wurde, dass mit dem Kennzeichen XY folgende Stoffe befördert wurden:

2 Fässer aus Kunststoff, 3265, ätzender sauer organischer flüssiger Stoff, n.a.g. (enthält Polymaleinsäure) 8 III ADR und dabei

1) kein den Vorschriften entsprechendes Beförderungspapier mitgeführt wurde, da am Beförderungspapier eine falsche Nummer angeführt war (UN-1760),

2) war am Beförderungspapier eine falsche Benennung angeführt (ätzender flüssiger Stoff n.a.g. enthält Carbonsäure), außerdem

3) fehlten auf beiden Fässern der Gefahrzettel nach Muster 8 ADR.?

 

Dem Beschuldigten wurde zu Punkt 1) und 2) jeweils eine Übertretung nach § 13 Abs 1a Z 2 iVm § 27 Abs 1 Z 1 GGBG und zu Punkt 3) nach § 13 Abs 1a Z 3 iVm § 27 Abs 1 Z 1 GGBG zur Last gelegt und wurde ihm gemäß § 27 Abs 1 Z 1 GGBG zu Punkt 1), 2) und 3) jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 750,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 15 Tage) sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens aufgetragen.

 

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber  durch seinen Vertreter Ing. J. fristgerecht Berufung erhoben und in dieser zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, der Berufungswerber habe gemäß § 13 Abs 1a GGBG auf die von anderen Beteiligten zur Verfügung gestellten Daten und Informationen vertraut. Da sich die Beladestelle in den Niederlanden befand, sei es nicht möglich gewesen, das Beförderungspapier sowie die Bezettelung anhand der Versandstücke zu überprüfen. In so einem Fall müsste der Beförderer jeden Transport begleiten, dies sei unmöglich. Es werde daher ersucht, das Verwaltungsstrafverfahren  gegen E. W. zur Einstellung zu bringen.

 

Beim Berufungswerber handelt es sich um den Vorstandsvorsitzenden der Firma S. und Co AG und somit zur Vertretung der als Beförderer tätig gewordenen Gesellschaft nach außen Berufener.

 

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt.

 

Der Berufung kommt aus nachstehenden Gründen Berechtigung zu:

Der Anzeige der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 04.07.2003 zu Zl S-13.388/03 ist zu entnehmen, dass am 01.07.2003 um 09.15 Uhr in Innsbruck am Langen Weg Nr. 27 der Lenker H. S. den Lkw mit der Marke MAN, Kennzeichen XY (A), höchstzulässiges Gesamtgewicht 11.400 kg, gelenkt habe und zum Zwecke einer Verkehrskontrolle von der Verkehrsstreife angehalten worden sei. Bei der Kontrolle durch RI R. sei festgestellt worden, dass mit dem Lkw Gefahrgut transportiert worden sei, weshalb die  Gefahrtgutstreife verständigt worden sei. Von dieser wurde festgestellt, dass am Lkw folgende Stoffe laut Stoffliste des ADR befördert wurden:

zwei Fässer aus Kunststoff, 3265 ätzender sauer, organischer flüssiger Stoff, n.a.g. (enthält Polymaleinsäure) 8 III ADR

 

Da es sich bei diesem Transport um eine Beförderung ohne Überschreitung der in Unterabschnitt 1.1.3.6. festgesetzten Freigrenze gehandelt hat, wurden folgende Mängel nach dem ADR/GGBG festgestellt:

Beim Transport wurde kein den Vorschriften entsprechendes Beförderungspapier mitgeführt.

Am Beförderungspapier war eine falsche UN-Nummer angeführt. Am Beförderungspapier wurde UN-Nr. 1760 ätzender flüssiger Stoff n.a.g. (enthält Carbonsäure) angeführt, tatsächlich handelte es sich aber um die UN-Nr. 3265.  Am Beförderungspapier war außerdem die falsche offizielle Benennung angeführt. Es wurde ätzender flüssiger Stoff n. a.g. (enthält Carbonsäure) angeführt, tatsächlich handelte es sich aber um einen ?ätzenden sauren organischen flüssigen Stoff n.a.g. (enthält Polymaleinsäure)?.

 

Auf beiden Fässern aus Kunststoff fehlte der Gefahrzettel nach Muster 8 ADR. Zusammengefasst ist daher festzuhalten, dass laut Anzeige dem Beförderer vorgehalten wird, gemäß § 13 Abs 1a Z 2 iVm § 27 Abs 1 Z 1 GGBG ein den Vorschriften nicht entsprechendes Beförderungspapier mitgeführt zu haben (falsche UN-Nummer), ein den Vorschriften nicht entsprechendes Beförderungspapier mitgeführt zu haben (falsche offizielle Benennung des Stoffes). Außerdem wurde ihm nach § 13 Abs 1a Z 3 iVm § 27 Abs 1 Z 1 GGBG zur Last gelegt, den Gefahrzettel nach Muster 8 ADR nicht auf dem Versandstück angebracht zu haben.

 

Unter ?Rechtfertigung? teilte der Lenker mit, er habe gedacht, dass alles in Ordnung sei. Dass die Gefahrzettel fehlen würden, sei ihm beim Beladen des Fahrzeuges nicht aufgefallen.

 

Im gegenständlichen Fall ist Tatzeitpunkt der 01.07.2003 um 09.15 Uhr gewesen. Zwischen 24.05.2002 und 15.08.2003 galt das GGBG idF der Novelle BGBl 2002/I/86. Mit dieser Novelle wurde im § 13 Abs 1 der Abs 1a GGBG eingefügt. Dieser lautet wie folgt:

 

?(1a) Der Beförderer hat im Rahmen des § 7 Abs 1 Z 2 sich zu vergewissern, dass die vorgeschriebenen Unterlagen in der Beförderungseinheit mitgeführt werden;

?

3. sich durch eine Sichtprüfung zu vergewissern, dass die Fahrzeuge und die Ladung keine offensichtlichen Mängel, keine Undichtheiten oder Risse aufweisen, dass keine Ausrüstungsteile fehlen usw.;

?

Dies ist gegebenenfalls anhand der Beförderungsdokumente oder Begleitpapiere durch eine Sichtprüfung des Fahrzeuges oder des Containers und gegebenenfalls der Ladung durchzuführen. Der Beförderer kann jedoch in den Fällen der Z 1, 2, 5 und 6 auf die ihm von anderen Beteiligten zur Verfügung gestellten Informationen und Daten vertrauen.?

 

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass für den Berufungswerber sowohl hinsichtlich Punkt 1) als auch Punkt 2) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses der Vertrauensgrundsatz gegeben ist und er somit von der Strafbarkeit ausgenommen ist. Dies vor allem deshalb, da der Vertrauensgrundsatz des § 13 GGBG bezüglich des Beförderers den Zweck hat, ein arbeitsteiliges Zusammenwirken zu ermöglichen, welches hier schon aufgrund der räumlichen Distanz (Beladestelle war in den Niederlanden und daher ist es nicht möglich gewesen für den Beförderer, das Beförderungspapier sowie die Bezettelung anhand der Versandstücke selbst zu überprüfen) zum Tragen kommt. Hier kann dem Berufungswerber kein schuldhaft fahrlässiges Verhalten nachgewiesen werden, vielmehr hätte hier der Gefahrgutbeauftragte der Zweigniederlassung Firma S. und Co AG in Innsbruck seine Kontrolltätigkeiten genauer wahrnehmen müssen. Dieser ist bisher beim Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol jedoch nicht verwaltungsstrafrechtlich in Erscheinung getreten und wurde der Berufungsbehörde mit Schreiben vom 22.10.2004 der Fa. S. mitgeteilt, dass der Beschuldigte die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung alleine trägt. Der Gefahrgutbeauftragte für Tirol hat keine Beauftragung nach § 9 Abs 2 VSTG inne.

Es ist Mag. E. W. jedoch auch der Vorwurf, sich hier eines nachlässigen Gefahrgutbeauftragen bedient zu haben, nicht zu machen, da nicht erwiesen ist, dass A. E., der Gefahrgutbeauftragte für die Zweigstelle Innsbruck bisher seinen Aufgaben nachlässig und schlampig nachgekommen ist.

Der Beschuldigte hat somit kein verwaltungsstrafrechtlich relevantes Verhalten gesetzt und war daher das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG zur Einstellung zu bringen.

 

Dem Beschuldigten wurde hinsichtlich Punkt 3) eine Übertretung nach § 13 Abs 1a Z 3 iVm § 27 Abs 1 Z 1 GGBG vorgeworfen.

§ 13 Abs 1a Z 3 führt aus, dass sich der Beförderer im Rahmen des § 7 Abs 1 GGBG durch eine Sichtprüfung zu vergewissern hat, dass die Fahrzeuge und die Ladung keine offensichtlichen Mängel, keine Undichtheiten oder Risse aufweisen, dass keine Ausrüstungsteile fehlen usw.

 

§ 7 Abs 1 GGBG normiert, dass die an der Beförderung gefährlicher Güter Beteiligten, die nach Art und Ausmaß der vorhersehbaren Gefahren erforderlichen Vorkehrungen zu treffen haben, um Schadensfälle zu verhindern und bei Eintritt eines Schadens dessen Umfang so gering wie möglich zu halten. Sie haben jedenfalls die für sie jeweils geltenden Bestimmungen der § 2 in Betracht kommenden Vorschriften einzuhalten. Die Beteiligten haben im Fall einer möglichen unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit unverzüglich die Einsatz- und Sicherheitskräfte zu verständigen und mit den für den  Einsatz notwendigen Informationen zu versehen.

 

Im Gefahrgutbeförderungsgesetz, BGBl 1999/I/108, in Kraft getreten am 15.07.1999 (die sogenannte GGBG-Novelle 1999) ist in § 7 Abs 2 Z 5 festgehalten (Pflichten des Beförderers):

Gefährliche Güter dürfen nur befördert werden, wenn die Verwendung der Fahrzeuge gemäß § 6 zulässig ist.

 

In § 6 Z 4 ist ausgeführt, dass Fahrzeuge zur Beförderung gefährlicher Güter nur verwendet werden dürfen, wenn an ihnen die aufgrund der gemäß § 2 in Betracht kommenden Vorschriften, vorgeschriebenen Aufschriften, Gefahrzettel, Tafeln und sonstige Informationen über die gefährlichen Güter und das Fahrzeug diesen Vorschriften entsprechend angebracht sind.

 

Die Berufungsbehörde führt nunmehr diese zwei Paragraphen, welche in der GGBG-Novelle 1999 noch verwendet wurden, deshalb so genau aus, um aufzuzeigen, dass im GGBG idF der Novelle BGBl I 86/2002 diese Bestimmungen betreffend das Anbringen von Gefahrzetteln etc so nicht mehr enthalten sind. Sinn war, dem Beförderer nun keine Strafbarkeit mehr hinsichtlich des alten

§ 7 Abs 2 Z 5 iVm § 27 Abs 1 Z 1 GGBG aufzuerlegen. Vielmehr muss nunmehr der Absender Sorge dafür tragen, dass die erforderlichen Gefahrzettel bzw Großzettel ordnungsgemäß und vorschriftsmäßig angebracht werden. Dies ist im § 13 Abs 1 Z 2 genau festgelegt, welcher wie folgt lautet:

 

Unbeschadet der ihm gemäß § 7 Abs 3 erwachsenden Verpflichtungen darf der Absender gefährlicher Güter zur Beförderung auf der Straße nur übergeben, wenn...

 

2. er, sofern er aufgrund der gemäß § 2 Z 1 in Betracht kommenden Vorschriften hiezu verpflichtet ist, die gemäß den in § 2 Z 1 angeführten Vorschriften erforderlichen Gefahrzettel/Großzettel (Placards) an der Beförderungseinheit, mit der gefährliche Güter befördert werden, vorschriftsmäßig angebracht hat oder diese mit den gefährlichen Gütern zwecks Anbringung übergeben hat.

 

Unter besondere Pflichten von Beteiligten betreffend den Beförderer ist diese Verpflichtung nicht mehr angeführt und war es die Intention des Gesetzgebers, auch unter Berücksichtigung des nunmehr geltenden Vertrauensgrundsatzes den Beförderer von dieser Verpflichtung zu befreien.

 

Es war daher die dem Beschuldigten zu Spruchpunkt 3) zur Last gelegte Übertretung aufgrund der unrichtigen Subsumierung unter diese Gesetzesstelle bzw aufgrund der nicht vorhandenen diesbezüglichen gesetzlichen Grundlagen zur Einstellung zu bringen.

Schlagworte
Beförderer, kann, vertrauen
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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