TE UVS Tirol 2004/10/19 2004/29/046-3

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Veröffentlicht am 19.10.2004
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Mag. Theresia Kantner über die Berufung des Herrn H. M., XY, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. C. P., 6600 Reutte, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 12.08.2004, Zl VI-9-2004, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm den §§ 24 und 51 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das erstinstanzlichen Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten zur Last gelegt, er habe am 25.04.2004, 17.09 Uhr in der Gemeinde Ampass auf der A12 bei km 71,000 als Lenker des Personenkraftwagens mit dem amtlichen Kennzeichen XY eine Mautstrecke benützt, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t beträgt, der zeitabhängigen Maut unterliegt, welche vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten sei. Es sei am Fahrzeug eine Mautvignette angebracht gewesen, welche mit eigener ?Spucke? an die Windschutzscheibe angebracht gewesen sei.

 

Der Beschuldigte habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs 1 iVm § 10 Abs 1 und § 11 Abs 1 BStMG begangen und wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 400,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 96 Stunden) unter gleichzeitiger Festsetzung der Verfahrenskosten gemäß § 20 Abs 1 BStMG verhängt.

 

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte durch seinen ausgewiesenen Vertreter fristgerecht Berufung erhoben und darin zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschuldigte in subjektiver Hinsicht keinesfalls schuldhaft gehandelt habe. Der Beschuldigte habe anlässlich seiner Anhaltung dem einschreitenden Organ offen mitgeteilt, dass er erst am kommenden Wochenende wieder ein eigenes Auto bekomme, aber aufgrund eines Therapeutenkongresses in München vom 22.04. bis 29.04.2004 und einer bestehenden Fahrgemeinschaft eben zur Benützung des Fahrzeuges seines Vater angewiesen gewesen sei. Der Beschuldigte habe mitgeteilt, dass er eigens für diese Fahrt eine Vignette gekauft habe, jedoch lediglich aufgrund der Tatsache, dass sein eigenes Fahrzeug erst am darauf folgenden Wochenende angemeldet werden, zunächst die Mautvignette mit Speichel an die Windschutzscheibe des Fahrzeuges des Vaters angeklebt habe. Darüber hinaus habe der einschreitende Beamte diese vom Beschuldigten abgegebene Erklärung akzeptiert und sogar den selben aufgefordert, die Mautvignette an der Windschutzscheibe anzukleben. Aus Sicht der Beschuldigten sei die Sache somit erledigt gewesen.

 

Darüber hinaus werde bestritten, dass das einschreitende Organ den Beschuldigten ordnungsgemäß zur Bezahlung der Ersatzmaut aufgefordert habe. Aus diesem Grund lägen die Voraussetzungen für eine Bestrafung nach § 20 Abs 1 BStMG nicht vor.

 

In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, dass die Mautordnung insgesamt dem Legalitätsprinzip bzw auch dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche und verfassungswidrig sei. Es sei im B-VG nicht vorgesehen, dass generelle Rechtsnormen durch private Unternehmungen wie die ASFINAG vorgefertigt und sodann von einem Bundesminister ?genehmigt? werden. Im konkreten Fall bewirkt dies, dass die Mautordnung als Gesamtes als verfassungswidrig anzusehen sei, sohin auch die Regelung, wie die Vignette anzubringen ist.

 

Darüber hinaus seien dem Beschuldigten die ihm zustehenden Rechte nach Art 6 MRK nicht zuerkannt worden, da der Beschuldigte im erstinstanzlichen Verfahren weder mündlich einvernommen noch ihm die Gelegenheit gegeben worden sei, die mitfahrenden Zeugen zur Aussage anzubieten bzw auch den einschreitenden Beamten vernehmen zu lassen.

 

Für den Fall, dass entgegen den Ausführungen das Verhalten des Beschuldigten tatsächlich strafbar wäre, sei auszuführen, dass die Strafe jedenfalls überhöht sei. Richtigerweise hätten die Bestimmungen im Sinn des § 20 VStG angewendet werden müssen. Darüber hinaus lägen die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 21 VStG vor, da das Verschulden des Beschuldigten geringfügig sei und die Folgen der Übertretung unbedeutend seien.

 

Es wurde beantragt, das angefochtene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft zu beheben und das gegenständliche Verfahren einzustellen, in eventu § 21 VStG in Verbindung mit einer Ermahnung anzuwenden, in eventu die Ersatzmaut mit Euro 120,00 festzulegen bzw in eventu unter Vornahme der außerordentlichen Strafmilderung die Höhe der ausgesprochenen Strafe auf Euro 200,00 zu reduzieren.

 

Der Berufung kommt Berechtigung zu:

Beweis wurde aufgenommen in den erst- und zweitinstanzlichen Akt. Darüber hinaus fand am 07.10.2004 eine mündliche Berufungsverhandlung vor der Berufungsbehörde statt, anlässlich welcher der Berufungswerber sowie BI C. S. einvernommen wurden.

 

Nachstehender Sachverhalt steht als erwiesen fest:

Der Beschuldigte fuhr am 25.04.2004 auf der A12 Inntalautobahn mit dem Pkw, amtliches Kennzeichen XY. Bei dem vom Beschuldigten gelenkten Fahrzeug handelt es sich um ein zweispuriges Fahrzeug mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von weniger als 3,5 t. Um 17.09 Uhr erfolgte bei Strkm. 71,000 die Anhaltung des Beschuldigtenfahrzeuges durch BI C. S., da dieser den Beschuldigten während des Lenkens des Fahrzeuges beim Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung gesehen hat. Bei der Anhaltung wurde dem Beschuldigten vorerst vorgehalten, eine  Geschwindigkeitsübertretung begangen zu haben und darüber hinaus ohne Freisprechanlage telefoniert zu haben und wurde der Beschuldigte aufgefordert, eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 21,00 jeweils zu bezahlen, was der Beschuldigte auch tat. Im Zuge der Fahrzeugkontrolle stellte der amtshandelnde C. S. fest, dass der Beschuldigte die Autobahnvignette nicht ordnungsgemäß an der Windschutzscheibe angebracht hatte. Die Vignette war lediglich mit Spucke an der Windschutzscheibe angeklebt worden.

 

Der Beschuldigte wurde durch den Zeugen BI C. S. aufgefordert, eine Ersatzmaut in der Höhe von Euro 240,00 zu bezahlen. Da der Beschuldigte nicht mehr genügend Bargeld bei sich gehabt hatte, erkundigte er sich bei BI C. S., ob er die Ersatzmaut mittels Bankomatkarte bezahlen könne bzw ob er zum nächsten Bankomaten fahren und den entsprechenden Betrag für die Bezahlung der Ersatzmaut beheben könne. Diese Möglichkeit wurde dem Beschuldigten jedoch nicht gewährt und erfolgte in der Folge die Anzeige.

 

Oben angeführter Sachverhalt betreffend Tatzeit, Tatort, des Beschuldigtenfahrzeuges sowie dem Umstand, dass der Beschuldigte das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt hat, ergibt sich aus der Anzeige der Verkehrsabteilung Tirol vom 28.04.2004, Zl A1/0000003793/01/2004, sowie der Zeugenaussage des BI C. S. Der Sachverhalt wird darüber hinaus vom Beschuldigten nicht bestritten, ebenso, dass der Beschuldigte die Autobahnvignette lediglich mit Spucke an der Windschutzscheibe befestigt hatte.

 

Dass der Beschuldigte aufgefordert wurde, die Ersatzmaut zu bezahlen, ergibt sich aus den übereinstimmenden Aussagen des Beschuldigten selbst sowie des Zeugen BI C. S. Dem Beschuldigten war darüber hinaus dahingehend Glauben zu schenken, dass er die geforderte Ersatzmaut mittels Bankomatkarte bezahlen wollte, dies ihm jedoch durch BI C. S. nicht ermöglicht wurde. Dieser gab zwar anlässlich seiner Einvernahme an, dass grundsätzlich den ?Mautsündern? Gelegenheit gegeben wird, zum nächsten Bankomat zu fahren und dort den entsprechenden Betrag zu beheben, er konnte sich jedoch nicht mehr erinnern, ob dies im vorliegenden Fall dem Beschuldigten ebenfalls angeboten wurde bzw weshalb dem Beschuldigten dies im gegenständlichen Fall nicht gewährt wurde. In der Anzeige ist betreffend der Nichtentrichtung der Ersatzmaut lediglich angeführt, dass der Beschuldigte zu wenig oder kein Geld mitgeführt habe. Dies wiederum stimmt mit der Verantwortung des Beschuldigten überein, lässt jedoch nicht darauf schließen, dass dem Beschuldigten die Möglichkeit eröffnet wurde, die Ersatzmaut mittels Bankomat zu bezahlen.

 

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:

Gemäß § 10 Abs 1 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der zeitabhängigen Maut.

 

Gemäß § 11 Abs 1 BStMG ist die zeitabhängige Maut vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten.

 

Gemäß § 19 Abs 2 BStMG ist der Lenker anlässlich der Betretung bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 20 mündlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern. Der Aufforderung wird entsprochen, wenn der Lenker unverzüglich die entsprechende Ersatzmaut zahlt. Hierüber ist eine Bescheinigung auszustellen.

 

Gemäß § 14 Abs 1 und 2 BStMG hat die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft Bestimmungen über die Benützung der Mautstrecken festzulegen (Mautordnung). Die Mautordnung bedarf der Genehmigung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Mautordnung den gesetzlichen Vorschriften entspricht und wenn sie den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit nicht zuwiderläuft.

 

Gemäß der Mautordnung für die Autobahnen und Schnellstraßen Österreichs Punkt 7.1 ist an jedem mautpflichtigen Kraftfahrzeug (unter Berücksichtigung des Punktes 2 Mautordnung Teil B und des Punktes 7.2 Mautordnung Teil A I) vor Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes eine gültige Vignette ordnungsgemäß (unter Verwendung des originären Vignettenklebers) anzubringen.

 

Die Vignette ist nach Ablösen der Trägerfolie ? unbeschädigt und direkt ? so auf die Innenseite der Windschutzscheibe anzukleben, dass sie von außen gut sicht- und kontrollierbar ist (z.B. kein Ankleben hinter einem dunklen Tönungsstreifen). In gleicher Weise ist das Ankleben auf einer nicht versenkbaren Seitenscheibe im linken vorderen Bereich des Kraftfahrzeuges gestattet. Der auf der Vignettenrückseite befindliche Anbringungshinweis ist zu beachten. Bei Motorrädern ist die Vignette sichtbar an einem nicht oder nur schwer entfernenden Bestandteil des Motorrades anzukleben.

 

Im Interesse der Verkehrssicherheit und um eine wirksame und benutzerfreundliche Kontrolle der Entrichtung der zeitabhängigen Maut zu gewährleisten, sollte tunlichst neben der jeweils gültigen Vignette jeweils eine zweite Vignette am Kraftfahrzeug angebracht sein.

 

Das Ablösen und Umkleben einer bereits geklebten gültigen Vignette komme jede andere als in dieser Mautordnung zugelassene Mehrfachverwendung der Vignette oder eine chemische oder auch technische Manipulation des originären Vignettenklebers derart, dass beim Ablösen der Vignette deren Selbstzerstörungseffekt verhindert wird, ist unzulässig und verwirkt den Nachweis der ordnungsgemäßen Mautentrichtung.

 

Dadurch, das der Beschuldigte die Vignette nicht unter Verwendung des originären Vignettenklebers an der Windschutzscheibe angebracht hat, sondern diese lediglich mittels Spucke an der Windschutzscheibe befestigte, erfolgte keine ordnungsgemäße Anbringung der Vignette gemäß § 11 Abs 1 BStMG, obwohl das Fahrzeug des Beschuldigten gemäß § 10 Abs 1 leg cit der zeitabhängigen Maut unterlag.

 

Der Beschuldigte hat sohin den objektiven Tatbestand der Mautprellerei gemäß § 20 Abs 1 BStMG verwirklicht, welcher besagt, dass Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung begehen und mit Geldstrafe von Euro 400,00 bis zu Euro 4.000,00 zu bestrafen sind.

 

Im gegenständlichen Fall hatte eine Bestrafung des Beschuldigten jedoch ungeachtet dessen zu unterbleiben:

 

Gemäß § 20 Abs 3 BStMG werden Taten gemäß Abs 1 und 2 straflos, wenn der Mautschuldner fristgerecht die in der Mautordnung festgesetzte Ersatzmaut zahlt.

 

Wie bereits oben ausgeführt, ist gemäß § 19 Abs 2 BStMG der Lenker anlässlich der Betretung bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 20 leg cit mündlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern. Es handelt sich bei gegenständlicher Gesetzesstelle um eine Mussbestimmung, sodass für den Fall, dass eine Aufforderung zur Bezahlung der Ersatzmaut unterbleibt, eine Bestrafung nach § 20 BStMG nicht erfolgen kann.

 

Gemäß § 19 Abs 2 BStMG wird der Aufforderung der Bezahlung der Ersatzmaut dann entsprochen, wenn der Lenker unverzüglich die entsprechende Ersatzmaut zahlt.

 

Gemäß Punkt 10.3.1 der Mautordnung ist die Ersatzmaut unverzüglich nach Aufforderung durch das Kontrollorgan in bar oder mit den unter Punkt 10.3.4 Mautordnung Teil A I genannten Zahlungsarten bzw Zahlungsmittel zu begleichen, wenn der Kraftfahrzeuglenker von den in Punkt 9 Mautordnung Teil A I genannten Kontrollorganen betreten wird. Punkt 10.3.4 der Mautordnung regelt die Begleichung der Ersatzmaut. Diesbezüglich wird unter diesem Punkt ausgeführt, dass die Bezahlung der Ersatzmaut in Euro zu erfolgen hat. Die Information, welche Zahlungsarten und ?mittel für die Entrichtung der Ersatzmaut zugelassen sind, ist in Anhang 2 der Mautordnung geregelt sowie im Internet und www-asfinag bzw beim Kundenservice (siehe Informationen bei Punkt 13 Mautordnung Teil A I) erhältlich.

 

Im Anhang 2 zur Mautordnung (Punkt 2.3.1) gelten nachstehende Zahlungsarten und ?mittel bei der Nachentrichtung der Maut und Zahlung der Ersatzmaut:

Barzahlung, Quick, DKV Euro Service, OMV Card, Routex, UTA, Diners Club International, Master Card, Visa, Debitkarten Maestro

 

Es muss dem Lenker sohin bei Aufforderung der Bezahlung der Ersatzmaut die Möglichkeit gegeben werden, die Ersatzmaut auch mittels Debitkarte (Maestro) zu bezahlen. Hiebei handelt es sich um eine normale Bankomatkarte, welche meist in Verbindung mit einem Girokonto ausgegeben wird. Da der Beschuldigte die Ersatzmaut mittels Bankomatkarte begleichen wollte, dies ihm jedoch von BI C. S. verwehrt wurde, erfolgte keine ordnungsgemäße Aufforderung zur Bezahlung der Ersatzmaut bzw konnte der Beschuldigte aufgrund des Verhaltens des einschreitenden Beamten die Ersatzmaut nicht entrichten, sodass ihn kein Verschulden an der Nichtentrichtung der Ersatzmaut trifft. Da sohin keine ordnungsgemäße Aufforderung zur Bezahlung der Ersatzmaut erfolgte, wie dies jedoch gemäß den Bestimmungen des Bundesstraßen-Mautgesetzes zur Strafbarkeit nach § 20 Abs 1 vorgesehen ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Vignette, nicht, unter, Verwendung, lediglich, mittels, Spucke, unverzüglich, Ersatzmaut
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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