TE UVS Tirol 2004/10/27 2004/28/048-6

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.10.2004
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Mag. Bettina Weißgatterer über die Berufung des Herrn Z. Z., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. B. H., XY-Straße, I., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 8.7.2004, Zl VK-14716-2003, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

 

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von 20 Prozent der verhängten Geldstrafe, das sind Euro 43,60, zu bezahlen.

Text

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 08.7.2004, Zl VK-14716-2003, wurde dem Berufungswerber spruchgemäß nachstehender Sachverhalt vorgeworfen:

 

Tatzeit: 10.08.2003 um 15.20 Uhr

Tatort: Kundl, A 12 Inntalautobahn, km 24,3 in Richtung Innsbruck

(Westen)

Fahrzeug:  Sattel-KFZ, XY/XY

 

1. Sie haben als Lenker eines Sattelkraftfahrzeuges mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t an diesem Sonntag innerhalb von 00.00 Uhr bis 22.00 Uhr Straßen mit öffentlichem Verkehr verbotenerweise befahren.

 

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1. § 42 Abs 2 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) iVm § 99 Abs 2 a StVO 1960?

 

Über den Berufungswerber wurde gemäß § 99 Abs 2a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 280,00, im Uneinbringlichkeitsfalle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden, verhängt.

 

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Berufungswerber fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung und führte in dieser aus wie folgt:

 

?Dem Beschuldigten wird zur Last gelegt, er habe am 10.08.2003 als Lenker eines Sattelkraftfahrzeuges mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t an diesem Sonntag innerhalb von 00.00 Uhr bis 22.00 Uhr Straßen mit öffentlichem Verkehr verbotenerweise befahren.

 

Das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein wird zur Gänze angefochten.

 

1. Zum Sachverhalt:

Der Beschuldigten erhielt den Auftrag gegenständliche Fahrt durchzuführen. Es handelte sich bei der Ladung zum überwiegenden Teil um verschiedene Milchprodukte wie Joghurt und Schmelzkäse. Der Beschuldigte ging und geht nach wie vor davon aus, dass diese Milcherzeugnisse als ?leicht verderbliche Lebensmittel? zu verstehen sind und somit die gegenständliche Fahrt unter den Ausnahmetatbestand des § 42 Abs 3 StVO fällt.

 

Im Kommentar zur Straßenverkehrsordnung, Pürstl - Somereder, StVO (2003) § 42 Anm 7, wird ausgeführt:

 

Leicht verderblich sind solche Lebensmittel, deren Genießbarkeit durch Verfaulen, Frieren, Austrocknen udgl beeinträchtigt werden kann (zB Obst, Gemüse, Fisch, Fleisch, Wild, frische Schlachtnebenprodukte, Brot- und Backwaren, Milcherzeugnisse, Butter, tiefgefrorene Lebensmittel, Wein, Most und Sturm in Gebinden oder Tankfahrzeugen).

Bei der Ausnahme vom Fahrverbot für leichtverderbliche Lebensmittel kommt es nicht auf die Beförderungsart, sondern nur auf die Art das zu befördernden Gut an.

 

Dass Schmelzkäse und Joghurt unter den Begriff Milcherzeugnisse fallen, muss wohl nicht ausführlich dargestellt werden. Der Beschuldigte konnte folglich davon ausgehen, dass seine Ladung den obzitierten Ausnahmetatbestand begründet, zumal diese Ansicht sogar in diversen Kommentaren der StVO angeführt wird.

 

Sofern jedoch die erkennende Behörde eine Bestrafung auf eine Verwaltungsvorschrift stützt, die nicht im Gesetzesrang ist, so wäre dem Beschuldigten zumindest die Unkenntnis dieser besonderen Rechtsvorschrift als entschuldbarer Rechtsirrtum zu Gute zu halten. Der Beschuldigte ging und geht nach wie vor von der Tatsache aus, dass Milchprodukte leicht verderbliche Waren sind, und somit der Transport derselben unter den Ausnahmetatbestand des § 42 Abs 3 StVO fällt.

 

Um ein tatbildliches Verhalten zu setzen, hätte der Beschuldigte andere als leicht verderbliche Lebensmittel transportieren müssen. Der Beschuldigte hat also eine Fahrt im Sinne des Ausnahmetatbestandes gemäß § 42 Abs 3 StVO durchgeführt. Aus diesem Grund hat der Beschuldigte mit der gegenständlich durchgeführten Fahrt keine Verwaltungsübertretung im Sinne des § 42 StVO begangen.

 

II. mangelhaftes Ermittlungsverfahren:

Die Behörde führt in ihrer Begründung aus, dass aufgrund der Anzeige des Meldungslegers feststehe, dass der Beschuldigte Waren transportierte, die alle ein Haltbarkeitsdatum von 6-8 Wochen aufweisen würde und dass feststehe, dass diese nicht zu den leicht verderblichen Lebensmitteln zu zählen seien.

 

1.)

Der Meldungsleger gab in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 13.01.2004 an, dass (entgegen der Angaben des Beschuldigten) die Ladung aus Fruchtsäften in Tetrapack, Lebensmittelzubereitungen in Folie verschweißt und nur zu einem geringen Teil an Milchprodukten bestanden hätten.

 

a.)

Bei gegenständlichem Transport wurden 33 EUR Paletten Lebensmittel mit einen Gesamtgewicht von 16.464 Kilogramm transportiert. Entgegen den Angaben des Meldungslegers bestand das Ladegut aber nicht zu einem geringen Teil an Milchprodukten, sondern zu exakt 8,8 Tonnen. Dies stellt einen prozentuellen Anteil von über 50 Prozent am Gesamtladegewicht dar.

 

An Fruchtsäften wurde lediglich 1 Palette mit einem Gewicht von 800 Kilogramm transportiert. Ebenso wurde nur eine Palette mit Lebensmittelzubereitungen mit einem Gewicht von 760 Kilogramm geliefert.

 

Die gegenständliche Fahrt diente ausschließlich der Beförderung leicht verderblicher Lebensmittel und stellte den eigentlichen Grund für die Fahrt dar.

Nach herrschender Rechtsansicht kann die Mitbeförderung anderer Güter dabei außer Betracht bleiben, wenn sie quantitativ gering und wirtschaftlich gerechtfertigt sind.

Die Fruchtsäfte stellten lediglich 4,8 Prozent des Ladegewichtes dar und dienten ausschließlich der Komplettierung der Ladung und sind daher wirtschaftlich gerechtfertigt.

 

Bei den vom Meldungsleger angeführten ?Lebensmittelzubereitungen in Folie verschweißt? handelte es sich um 760 Kilogramm Frischkäsezubereitung. Diese fällt unter den Begriff der Milchprodukte, die jedenfalls leicht verderbliche Lebensmittel darstellen.

 

Auf der gegenständlichen Fahrt wurden 28 verschiedene Produkte geliefert. Der Meldungsleger gibt an, dass sämtliche Waren ein Mindesthaltbarkeitsdatum von 6-8 Wochen aufgewiesen haben. Die Aussage des Meldungslegers wonach die Ladung nur zu einem geringen Teil an Milchprodukten bestanden habe, obwohl nachweislich über 50 Prozent Milchprodukte geliefert wurden, erweckt begründeten Zweifel daran, dass der Meldungleger jedes einzelne Produkt auf seine Haltbarkeit überprüft hat. Ansonsten hätte er den hohen Anteil an Milchprodukten erkennen müssen.

 

Zudem wäre es notwendig gewesen, Teile der Ladung abzuladen um Sicht auf das Haltbarkeitsdatum der tiefer beladenen Produkte zu bekommen. Das Abladen von einzelnen Paletten ist jedoch nicht aktenkundig!

 

Damit sowohl die Behörde wie auch der Beschuldigte selbst den erhobenen Tatvorwurf überprüfen können möge daher der Meldungsleger nochmals einvernommen werden, Er möge insbesondere dazu Stellung nehmen, wie er das Haltbarkeitsdatum sämtlicher 28 Produkte feststellen konnte, ohne Teile der Waren abzuladen.

 

2.

Die Behörde stützt ihren Strafanspruch einzig auf die Anzeige des Meldungslegers. Dieser verweist zum Begriff ?leicht verderblich?, dass am 19.12.1995 vom Amt der Tiroler Landesregierung zu einer Aussendung des BmfTIuV vom 21.08.1995 angeführt habe, dass Lebensmittel, die eine Haltbarkeit von mehr als einem Monat aufweisen würden, als nicht leicht verderbliche Lebensmittel anzusehen sind.

 

a.)

Es wird wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass der Meldungsleger nur einen geringen Teil der Ware inspizierte und die Haltbarkeit dieser kontrollierten Ware keinesfalls einen Rückschluss auf die Haltbarkeit der gesamten Ware zulassen. Die Behauptung, dass sämtliche Waren eine Haltbarkeit von 6-8 Wochen aufgewiesen haben, wird entschieden zurückgewiesen.

 

b.)

Aus dem gegenständlichen Ladeauftrag war zu entnehmen, dass die Waren gekühlt zu transportieren sind. In diesem Zusammenhang ist klar ersichtlich, dass das vom Meldungsleger angegebene Haltbarkeitsdatum von 6 - 8 Wochen nur dann erreicht werden kann, wenn das Transportgut fortwährend gekühlt gehalten wird.

 

Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, dass bei Transporten von verderblichen Lebensmitteln unter allen Umständen die Kühlkette zwischen Hersteller und Endverbraucher nicht unterbrochen werden darf, da ansonsten das angegebene Haltbarkeitsdatum auf der Verpackung seine Relevanz verliert.

Ohne ausreichende Kühlung verfaulen bzw verderben gegenständliche Waren innerhalb weniger Tage! Wiederholt darf darauf aufmerksam gemacht werden, dass es bei der Ausnahme vom Wochenendfahrverbot für leicht verderbliche Lebensmittel nicht auf die Beförderungs- oder Aufbewahrungsart, sondern nur auf die Art des zu befördernden Gutes ankommt.

 

Der gegenständliche Transport fiel somit unter die Ausnahmebestimmung des § 42 Abs 3 StVO.

Zur Frage, ob sich der vom BmfTIuV verwendete Begriff der ?Haltbarkeit? eines Lebensmittels überhaupt mit dem Begriff der ?Mindesthaltbarkeit?, die nur unter der Voraussetzung einer kühlen Lagerung erreicht werden kann (wie im gegenständlichen Fall), deckt, wird die Vorlage des Schreibens des BmfTluV vom 21.08.1995 ausdrücklich beantragt.

 

3.

Es wurde im gegenständlichen Fall unterlassen, in beide Richtungen zu ermitteln, also nicht nur um den Beschuldigten zu belasten, sondern auch um ihn zu entlasten.

Die Behörde hat daher gegen Verfahrensbestimmungen verstoßen und verletzte das Parteiengehör des Beschuldigten auf das Gröbste.

 

Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen (VwGH 14.11.1947, Slg 206 A). Weiters muss aus der Begründung hervorgehen, ob die Behörde die Grundlage ihrer Entscheidung in einem einwandfreien Verfahren gewonnen hat und ob die von der Behörde gezogenen Schlüsse dem Gesetz folgerichtigen Denkens entsprechen (VwGH 06.03.1978, 1211/77 ua).

 

Dass im gegenständlichen Verfahren das Ermittlungsverfahren mangelhaft war ist offensichtlich, da die erkennende Behörde auf die schriftliche Stellungnahme keinen Bezug nimmt.

Die Behörde genügt ihrer Begründungspflicht gemäß § 60 AVG dann jedenfalls nicht, wenn im Verwaltungsverfahren vom Beschuldigten Argumente vorgebracht werden, von denen nicht von vorne herein erkennbar ist, dass sie unzutreffend sind oder an der Sache vorbeigehen, und die Behörde im Bescheid auf diese Argumente nicht eingeht bzw diese nicht würdigt (vgl VwGH 18.05.1981, 81/12/0027).

 

Unter der Voraussetzung, dass sowohl die Meldung eines Sicherheitswachebeamten als auch die Verantwortung des Beschuldigten - die einander widersprechen - jede in sich schlüssig und in sich widerspruchsfrei sind, berechtigt der im Verwaltungsstrafverfahren geltende Grundsatz der freien Beweiswürdigung die Behörde nicht, davon auszugehen, dass allein die Eigenschaft des - als Zeugen nicht vernommenen - Anzeigers als Organ der öffentlichen Sicherheit (Meldungsleger) schon ausreicht, den leugnenden Beschuldigten der ihm zur Last gelegten Tat als unwiderlegt überführt und damit als schuldig anzusehen (vgl VwGH vom 18.04.1980 Zl 1039/78).

 

Die Behörde wäre dementsprechend jedenfalls verpflichtet gewesen, entweder den Meldungsleger zeugenschaftlich dazu zu befragen wie er das Haltbarkeitsdatum sämtlicher Waren feststellen konnte, oder anzugeben, warum die diesbezüglichen Angaben des Beschuldigten nicht schlüssig und widerspruchsfrei sein sollen!

 

III. Mangelhafte Begründung:

Gemäß § 58 Abs 2 und § 60 AVG sind Bescheide zu begründen. Das innere Ausmaß der Begründung wird durch das von der Rechtsordnung anerkannte Rechtsschutzinteresse der Partei bestimmt (VWGH 26.06.1959, Slg 5.007 A, 05.03.1982, 81/08/0016 ua).

 

Die Bescheidbegründung hat auf jede strittige Sach- und Rechtsfrage von Relevanz einzugehen (VWGH 25.10.1994, 94/14/0016).

 

Die Behörde hat in der Begründung die Gedankenvorgänge und Eindrücke aufzudecken, die dafür maßgebend waren, dass sie das eine Beweismittel dem anderen vorgezogen und eine Tatsache für wahr oder unwahr gehalten hat (VWGH 15.01.1986, 85/03/0111, 25.02.1987, 86/03/0222, 09.05.1990, 89/03/0100 ua).

 

Im Verwaltungsverfahren hat sich die Behörde von den Grundsätzen der Amtswegigkeit und der Erforschung der materiellen Wahrheit, ohne Rücksicht auf eine Zustimmungserklärung einer Partei, leiten zu lassen und ihren Bescheid auch dementsprechend zu begründen (VwGH 20.09.1983, 83/11/0019).

 

Aufgrund des § 58 Abs 2 und des § 60 AVG ist die Behörde verpflichtet, alle für die Beurteilung der Rechtsfrage wesentlichen Vorschriften in der Begründung des Bescheides zu berücksichtigen (VwGH 04.05.1977, 1653/76).

Bei der Beweiswürdigung kann vom freien Ermessen der Verwaltungsbehörde keine Rede sein. Freies Ermessen käme nur dann in Betracht, wenn es sich darum handelt, aufgrund eines bereits festgestellten Sachverhaltes nach Maßgabe von Ermessungsbestimmungen eine Entscheidung zu treffen, während die freie Beweiswürdigung eine ganz andere Verfahrensstufe, und zwar die Beurteilung der Beweismittel für einen erstfestzustellenden Sachverhalt betrifft (VwGH 21.02.1975 Slg 8769 A).

 

IV. Mangelhaftigkeit der Strafbemessung:

Auch bei der Strafmessung obliegt es der Behörde, gemäß § 60 AVG iVm § 24 VStG, die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage, gelegen in der gesetzmäßigen Ausmessung der Strafe, klar und übersichtlich zusammenzufassen. Als Rechtsfrage stellt sich hierbei für die Behörde die Aufgabe, unter Bedachtnahme auf die Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten im Rahmen des gegebenen Strafsatzes die dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat angemessene Strafe festzusetzen, also bei der Strafbemessung auf objektive und subjektive Kriterien der Tat Bedacht zu nehmen (VwGH 28.10.1976, 195/76, 31.01.1979 SIg 9755 A, 29.10.1982, 81/02/0039, 18.11.1986, 86/07/0183 ua).

 

Ein Begründungsmangel ist bei der Strafbemessung nur dann nicht von Bedeutung, wenn über den Beschwerdefahrer die Mindeststrafe verhängt wurde (VwGH 12.10.1978, SIg 9654 A).

 

Der Satz in der Begründung des Straferkenntnisses... dass gemäß § 19 VStG bei der Strafbemessung die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse berücksichtigt worden seien, ist eine Scheinbegründung (VwGH 24.02.1981 SIg 10378 A).

 

Es wird somit gestellt der ANTRAG:

1.)

Die Bezirkshauptmannschaft Kufstein möge gemäß § 64 a AVG mittels Berufungsvorentscheidung im Verwaltungsstrafverfahren, ZI VK-14716-2003, der Berufung Folge geben, das angefochtene Straferkenntnis vom 08.07.2004 aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 VStG einstellen, in eventu gemäß § 21 VStG von einer Bestrafung absehen.

 

in eventu:

2.)

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol wolle in Stattgebung dieser Berufung das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 08.07.2004, Zl VK-14716-2003, aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 VStG einstellen.?

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat im gegenständlichen Fall erwogen wie folgt:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den gesamten erstinstanzlichen Akt, durch Einsichtnahme in das Originalbild der Autobahnkontrollstelle Kundl, durch Einsichtnahme in die Strafvormerkungen, durch Eichsichtnahme in den internationalen Frachtbrief, datiert mit 9.8.2003, sowie aufgrund Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei welcher der Berufungswerber selbst ? trotz ausgewiesener Ladung ? nicht erschien und der Meldungsleger GI H. M. einvernommen wurde.

 

Der Berufung kommt aus nachstehenden Gründen keine Berechtigung zu:

Gemäß § 42 Abs 2 StVO ist in der im Abs 1 angeführten Zeit ferner das Befahren von Straßen mit Lastkraftwagen, Sattelkraftfahrzeugen und selbstfahrenden Arbeitsmaschinen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t verboten.

 

Aus § 42 Abs 1 StVO geht hervor, dass an Samstagen von 15 Uhr bis 24 Uhr und an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen von 00 Uhr bis 22 Uhr das Befahren von Straßen mit Lastkraftwagen mit Anhänger verboten ist, wenn das höchste zulässige Gesamtgewicht des Lastkraftwagens oder des Anhängers mehr als 3,5 t beträgt; ausgenommen sind die Beförderung von Milch sowie unaufschiebbare Fahrten mit Lastkraftwagen des Bundesheeres mit Anhänger.

 

Aus § 42 Abs 3 StVO geht hervor, dass von dem im Abs 2 angeführten Verbot Fahrten ausgenommen sind, die ausschließlich der Beförderung von Schlacht- oder Stechvieh oder leicht verderblichen Lebensmitteln, der Getränkeversorgung in Ausflugsgebieten, unaufschiebbaren Reparaturen an Kühlanlagen, dem Abschleppdienst, der Pannenhilfe, dem Einsatz in Katastrophenfällen, dem Einsatz von Fahrzeugen des Straßenerhalters zur Aufrechterhaltung des Straßenverkehrs, dem Einsatz von Fahrzeugen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der Müllabfuhr oder dem Einsatz von Fahrzeugen eines Linienverkehrsunternehmens zur Aufrechterhaltung des regelmäßigen Linienverkehrs dienen, sowie unaufschiebbare Fahrten mit Lastkraftwagen des Bundesheeres und mit selbstfahrenden landwirtschafltichen Arbeitsmaschinen und Fahrten im Ortsgebiet an den letzten beiden Samstagen vor dem 24. Dezember. Diese Ausnahme gilt jedoch nicht für die Beförderung von Großvieh auf Autobahnen.

 

Der Berufungswerber wurde am 10.8.2003, dies war ein Sonntagnachmittag, in der Autobahnkontrollstelle Kundl kontrolliert und dort vom Zeugen GI M. beamtshandelt.

Der Zeuge M. stellte dabei fest, dass der Berufungswerber Fruchtsäfte im Tetrapack, Joghurtprodukte, Schmelzkäse und Salami geladen hatte. Weiters stellte der Zeuge fest, dass die Haltbarkeitsdauer der Produkte zwischen 6 bis 8 Wochen lag.

 

In seiner Einvernahme am 6.10.2004 gab der Zeuge M. bekannt, dass die Joghurts, welche am gegenständlichen Sattelkraftfahrzeug geladen waren, den überwiegenden Teil des Transportes darstellten, wobei dieser in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 13.1.2004 ausführte, dass die Ladung aus einem geringen Teil an Milchprodukten bestand. Weiters sei noch Käse geladen worden, wobei diese Käsesorten im Durchschnitt eine Haltbarkeitsdauer bis zu 2 Monaten aufwiesen. Als Käse waren jedoch ca lediglich 2 Paletten geladen. Auch waren an Fruchtsäften einige Paletten geladen. In der gegenständlichen Angelegenheit geht es einzig und allein um die Frage, ob die am LKW mitgeführten Joghurtprodukte als leicht verderbliche Lebensmittel im Sinne des § 42 Abs 3 StVO anzusehen sind oder nicht.

 

Es ist richtig, dass in sämtlichen Kommentaren Milchprodukte und Milcherzeugnisse als leicht verderbliche Lebensmittel aufgezählt werden, so auch im Kommentar zur Straßenverkehrsordnung, Dietrich-Feit-Feit, StVO, § 42 Anmerkung 13 und im Kommentar zur Straßenverkehrsordnung, Grundtner, Die österreichische Straßenverkehrsordnung, § 42 Anmerkung zu Abs 3.

 

Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass Joghurt, Topfen und Käse, welche eine Haltbarkeitsdauer von 6 bis 8 Wochen aufweisen, keinesfalls als leicht verderbliche Lebensmittel angesehen werden können, da bei dieser Haltbarkeitsdauer die Genießbarkeit durch Verfaulen, Frieren, Austrocknen udgl nicht gefährdet ist. ?Leicht? bedeutet in diesem Zusammenhang naturgemäß lediglich, Lebensmitteln, deren Genießbarkeit nur kurzfristig nach deren Produktion erhalten bleibt. Zweck dieser Bestimmung ist, dass Lebensmittel, welche am Freitag oder Samstag vormittags hergestellt werden, für einen ausreichenden Zeitraum im Einzelhandel angeboten werden könne, ohne dass ihre Genießbarkeit nicht mehr gegeben ist.

 

Auch bei der überwiegenden Ladung bzw Beladung des Sattelkraftfahrzeuges mit Joghurts, welche eine Haltbarkeitsdauer von 6 bis 8 Wochen aufweisen war für den gegenständlichen Transport keine Ausnahme vom Wochenendfahrverbot im Sinne des § 42 Abs 3 StVO gegeben und die Bestrafung zu Recht erfolgte.

Die im gegenständlichen Fall durchgeführte Beweisaufnahme lässt daher keinen Zweifel daran, dass es sich nicht um einen Transport mit leicht verderblichen Lebensmitteln handelte, da der Zeuge GI M. bei seiner Einvernahme am 06.10.2004 weiters aussagte, dass aus dem seitens des Lenkers übergebenen Frachtbriefes lediglich der Transport von Lebensmitteln hervorging. Eine genauere Auflistung, welche Lebensmittel transportiert worden sind, ging aus diesem Frachtbrief nicht hervor. Bei einem Transport mit leicht verderblichen Lebensmitteln haben im Regelfall die LKW-Fahrer immer weitere Beilagen über den Transport von leicht verderblichen Lebensmitteln dabei und werden diese auch selbstredend an die amtshandelnden Organe ausgehändigt. Des weiteren sind leicht verderbliche Lebensmittel immer in speziellen Transportern geladen, wobei es sich im gegenständlichen Fall nicht um einen solchen speziellen Transporter handelte. Es ist damit für den Berufungswerber ? wie bereits ausgeführt ? nichts gewonnen, insoferne er vorbringt, dass der Transport von Joghurts den überwiegenden Teil der Ladung darstellte. Im Übrigen werde der Transport mit Frischprodukten von den Beamten großzügig gehandhabt, da die Lenker ? wenn sie mehr als 50 Prozent an Frischprodukten am LKW geladen haben, weiterfahren dürfen.

 

Der Rechtsvertreter des Berufungswerbers verwies in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 06.10.2004 noch auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 02.03.1994, GZ 93/03/0309, und verweist dabei darauf, dass dem Lenker die Weiterfahrt gestattet wurde; dies vom Meldungsleger, wobei damit die Voraussetzungen des § 21 VStG erfüllt wären. Mit Zitierung dieser Entscheidung ist jedoch für den Berufungswerber nichts gewonnen, da in diesem Fall der Lenker des LKWs, nach Rücksprache der Polizei mit der vorgesetzten Dienststelle, diese den Lenker des LKWs nicht nur weiterfahren, sondern nach Deutschland zurückfahren ließ und daher der § 21 Abs 2 VStG angewendet hätte werden müssen. Im gegenständlichen Fall wurde dem Berufungswerber die Weiterfahrt bis Sonntag, 22.00 Uhr, untersagt. Diesem wurde lediglich die Fahrt bis zum nächsten Autohof (Kramsach) gestattet, was aus der Anzeige der Autobahnkontrollstelle Kundl vom 12.8.2003 hervorgeht.

 

Hinsichtlich der Strafe ist auszuführen, dass nach § 19 Abs 1 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen ist, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Nach § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Bei den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen war von einem durchschnittlichen Einkommen auszugehen, da auch nach Anfrage des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol bei der Verhandlung vom 06.10.2004 der Vertreter des Berufungswerbers keine Angaben geben konnte. Mildernd war die bisherige Unbescholtenheit des Berufungswerbers zu werten, erschwerend kam kein Umstand hinzu. Der Strafrahmen der verletzten Strafbestimmung liegt bei einer Mindeststrafe von Euro 218,00 (Höchststrafe Euro 2.180,00), weshalb im gegenständlichen Fall ohnehin die Mindeststrafe verhängt wurde und diese daher tat- und schuldangemessen war.

 

Die Voraussetzungen des § 20 VStG liegen bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des zur Last gelegten Verhaltens nicht vor. Für eine Anwendung des § 21 Abs 1 VStG fand sich kein Raum, zumal nicht davon gesprochen werden kann, dass das Verschulden des Beschuldigten geringfügig im Sinne dieser Gesetzesbestimmung gewesen wäre und die Folgen der Übertretung unbedeutend waren.

 

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Schlagworte
Wochenend- und Feiertagsverbot, leicht, verderbliche, Lebensmittel, Haltbarkeitsdauer, überwiegende, Ladung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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