TE Vwgh Erkenntnis 2001/10/19 2000/02/0228

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Veröffentlicht am 19.10.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

ASchG 1994 §130 Abs5 Z1;
ASchG 1994;
AVG §37;
BArbSchV §87 Abs3;
BArbSchV §87 Abs5;
VStG §25 Abs2;
VStG §5 Abs1;
VStG §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde des JD in Wien, vertreten durch Dr. Peter Balogh, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 58/12A, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 5. Juni 2000, Zl. UVS- 07/S/5/77/1999/7, betreffend Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 5. Juni 2000 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener der D GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft mit Sitz in Wien am 20. April 1999 auf einer Baustelle in Wien entgegen § 87 Abs. 3 iVm Abs. 5 der Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl. Nr. 340/1994 - BauV, wonach bei Arbeiten auf Dächern mit einer Absturzhöhe von mehr als 3 m und einer Dachneigung von mehr als 20 Grad geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein müssen, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten verhindern, wobei bei Arbeiten am Dachsaum die technischen Schutzeinrichtungen entfallen können, wenn die Arbeitnehmer mittels Sicherheitsgeschirr sicher angeseilt sind, die Arbeitnehmer V und B am straßenseitig gelegenen Dachsaum des Daches, in einer Absturzhöhe von mehr als 20 m bis zum Gehsteig und einer Dachneigung von 30 Grad beschäftigt habe, ohne dass diese Arbeitnehmer mit einer persönlichen Schutzausrüstung gegen einen möglichen Absturz gesichert und auch keine technischen Schutzmaßnahmen wie Dachschutzblende oder Dachfanggerüste angebracht gewesen seien. Er habe dadurch § 87 Abs. 3 iVm Abs. 5 BauV verletzt. Gemäß § 161 BauV iVm § 130 Abs. 5 Z. 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, BGBl. Nr. 450/1994 - ASchG, wurden zwei Geldstrafen zu je S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen zu je einem Tag und einer Stunde) verhängt.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dass die objektive Tatseite auf Grund der Anzeige und der vom Arbeitsinspektorat vorgelegten Fotos erwiesen sei und auch vom Beschwerdeführer zugestanden werde. Zur strittigen Frage des Verschuldens des Beschwerdeführers begründete die belangte Behörde, dass das vom Beschwerdeführer vorgebrachte Kontrollsystem im Sinne näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht die Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem erfülle, weshalb es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, mangelndes Verschulden im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG glaubhaft zu machen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, ist für die Befreiung von der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften entscheidend die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1995, Zl. 94/02/0381).

Die belangte Behörde ging von jenem Kontrollsystem aus, das der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vom 22. Mai 2000 beschrieb. Dieses Vorbringen ist im angefochtenen Bescheid Seite 3 ff wörtlich wiedergegeben. Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe dargelegt, dass er mit der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen, insbesondere der BauV, ihm unmittelbar unterstellte Bauleiter, die über eine entsprechende Ausbildung verfügten (in der Regel Werkmeister), beauftragt habe. Diese wiederum übten die Kontrolle über jene Arbeitnehmer aus, die auf der jeweiligen ihnen zugeteilten Baustelle eingesetzt seien. Vor dem Einrichten einer Baustelle finde jeweils eine Gefahrenevaluierung durch den für die jeweilige Baustelle zuständigen Bauleiter statt, der dann festlege, welche Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer zu treffen seien und auch für die Durchführung derselben sorge. Der Bauleiter habe sodann dem Beschwerdeführer über das Ergebnis der Evaluierung und die getroffenen Maßnahmen zu berichten. Der Beschwerdeführer selbst wiederum kontrolliere regelmäßig und stichprobenweise die einzelnen Baustellen auf die Richtigkeit des Evaluierungsergebnisses des Bauleiters, die getroffenen Maßnahmen und die Umsetzung derselben. Komme es zu einer Verletzung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen, weil sich - wie im konkreten Fall -

die Arbeitnehmer nicht an die ihnen erteilten Weisungen hielten, das Sicherheitsgeschirr zu benützen, so erhielten diese einen Verweis bzw. würden verwarnt und bei beharrlicher Verletzung der Weisungen in letzter Konsequenz gekündigt bzw. entlassen. Parallel zu diesen Maßnahmen würden die auf Baustellen der D GmbH eingesetzten Arbeitnehmer regelmäßig geschult und monatlich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Sicherheitsbestimmungen der BauV einzuhalten und das vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Sicherheitsgeschirr zu verwenden sei.

Mit diesem Vorbringen hat der Beschwerdeführer zwar allgemein das Bestehen eines Kontrollsystems behauptet, jedoch nicht erkennbar dargelegt, wie dieses Kontrollsystem im Einzelnen auf der beschwerdegegenständlichen Baustelle funktionieren hätte sollen. Hiezu wäre es - wie der Verwaltungsgerichtshof zu ähnlichen Fällen hierarchisch aufgebauter Kontrollsysteme ausgeführt hat - erforderlich gewesen aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet sei, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolge und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen habe, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, dh. sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchie-Ebene gelangten und dort auch tatsächlich befolgt würden (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1996, Zl. 93/02/0160). Nach der hg. Rechtsprechung reichen bloß stichprobenartige Überprüfungen der Baustellen und die Erteilung von Weisungen für das geforderte Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems zur Hintanhaltung von Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht aus (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1996, Zl. 93/02/0306). Gleiches gilt für eine Verwarnung für den ersten festgestellten Verstoß. Es entspricht auch der ständigen hg. Rechtsprechung, dass gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften das entsprechende Kontrollsystem Platz zu greifen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. September 1997, Zl. 97/02/0182).

Damit können die vom Beschwerdeführer behaupteten Verfahrensmängel nicht wesentlich sein.

Die Ansicht der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, mangelndes Verschulden durch Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems glaubhaft zu machen, ist demnach nicht als rechtswidrig zu erkennen. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf das hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 1993, Zl. 93/03/0229 geht fehl. Denn dieses Erkenntnis ist für gegenständlichen Fall nicht aussagekräftig, weil darin lediglich Beispiele möglicher Kontrollmaßnahmen genannt sind und der dort behandelte Fall - weil es dabei nicht um Arbeitnehmerschutz ging (gleiches gilt für das hg. Erkenntnis vom 10. März 1999, Zl. 97/09/0144) - mit dem gegenständlichen nicht vergleichbar ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. Oktober 2001

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Arbeitsrecht Arbeiterschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000020228.X00

Im RIS seit

06.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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