TE UVS Tirol 2005/01/13 2004/19/053-2

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Veröffentlicht am 13.01.2005
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch das Mitglied Dr. Karl Trenkwalder über die Berufung der Frau R. O.-F. wohnhaft in 6020 Innsbruck, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. P. D., 6020 Innsbruck, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 25.3.2004, Zahl S-4380/04, wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis wegen Unzuständigkeit der Bundespolizeidirektion Innsbruck behoben.

Text

Mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 17.3.2004, Zahl S-4.380/04, wurde der Berufungswerberin die Begehung der nachstehend wiedergegebenen Verwaltungsübertretung angelastet:

 

?Sie haben am 11.2.2004 um 09.00 Uhr in Innsbruck, XY, trotz Aufforderung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes diesem ein für Ihre Aufenthaltsberechtigung maßgebliches Dokument nicht ausgehändigt. Sie wurden bereits am 27.9.2003 von einem Kriminalbeamten der Fremdenpolizei einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen, wobei Sie angaben, dass sich Ihr Reisepass noch im Übersiedlungsgut befindet. Es wurde Ihnen eine Frist bis 27.2.2004 eingeräumt, Ihren Reisepass bei der Fremdenpolizei vorzuweisen, welche von Ihnen jedoch nicht eingehalten wurde.?

 

Der Berufungswerberin wurde eine Geldstrafe von Euro 150,00, Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage, auferlegt; die Strafverfügung wurde der Berufungswerberin am 24.3.2004 zugestellt.

 

Am 25.3.2004 hat die Berufungswerberin bei der Erstbehörde vorgesprochen; zur Abfassung der Niederschrift und Verkündung des Straferkenntnisses wurde ein Formular verwendet; die Worte ?Einspruch gegen die Strafhöhe? und ?Straferkenntnis? sind durch Größe und stärkeren Druck hervorgehoben. Der Einspruch ist von der Berufungswerberin gefertigt. Er enthält auch noch Angaben über die Miethöhe, die Schulden, die monatlichen Belastungen, das Einkommen des Ehegatten sowie die Angabe, dass die Miete zur Gänze vom Sozialamt beglichen werde.

 

Nach dem im gleichen Vordruck befindlichen Straferkenntnisformular wurde die Geldstrafe auf Euro 70,00, Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag, herabgesetzt; das Formular enthält abschließend auch folgende Passage:

 

?Nach Verkündung des Straferkenntnisses erklärt der Beschuldigte:

 

Ich nehme die Strafe an und verzichte auf die Berufung?.

 

Darunter befinden sich die Unterschriften des Leiters der Amtshandlung und der Berufungswerberin.

 

Mit Eingabe vom 5.4.2004, bei der Erstbehörde eingelangt am 6.4.2004, hat die Berufungswerberin sowohl Einspruch ? und zwar vollen Einspruch ? gegen die bereits angeführte Strafverfügung als auch gegen das mündlich verkündete Straferkenntnis erhoben; die Berufungswerberin hat dazu vorgebracht, sie habe sich offenbar ungeschickt ausgedrückt, hätte aber in Wahrheit nicht nur gegen die Strafhöhe sondern auch dem Grunde nach Einspruch erheben wollen.

 

Das Vorliegen eines Berufungsverzichtes ist besonders streng zu prüfen (VwGH ua 94/19/0601).

 

Ein anlässlich der Unterzeichung eines Berufungsverzichtes vorliegender Willensmangel ist, wenn er tatsächlich bestandet hat, zu Gunsten des Rechtsmittelwerbers zu beachten (VwGH 81/02/0058).

 

Ist die Muttersprache eines Fremden nicht Deutsch, so berechtigt der Umstand, dass der Fremde sich im normalen Leben hinreichend verständigen kann, nicht zu dem Schluss, er sei auch in der Lage, ihm gegenüber mündlich gebrauchte verfahrensrechtliche Ausdrücke wie ?Rechtsmittelverzicht?, ?schriftliche Bescheidausfertigung? und ?Einbringung einer Berufung? zu verstehen und die Auswirkungen insbesondere eines Verzichtes auf seine künftige prozessrechtliche Situation zu begreifen (VwGH 11.1.1989, 88/01/0188 ua).

 

Das angefochtene Straferkenntnis wurde innerhalb der Einspruchsfrist gegen die Strafverfügung erlassen; ein zunächst auf Strafe beschränkter Einspruch kann, solange die Einspruchsfrist noch nicht abgelaufen ist, auf die Frage der Schuld erweitert werden (so auch VwGH 30.1.1987, 86/18/0185).

 

Die Berufungswerberin ist nigerianische Staatsangehörige; sie hat den Berufungsverzicht ohne Beiziehung eines Dolmetsch abgegeben; ein Willensmangel bei der Abgabe dieses Verzichtes war daher insbesondere auch unter Bedachtnahme auf die Erweiterung des Einspruches auf die Frage der Schuld anzunehmen. Dementsprechend war es der Erstbehörde versagt, von der Rechtskraft des Schuldspruches auszugehen und nur noch über Strafe und Kosten zu entscheiden, weil sie damit eine Entscheidungsbefugnis in Anspruch genommen hat, die ihr nicht zugekommen ist.

 

Aus den angeführten Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Schlagworte
Vorliegen, Berufungsverzichtes, besonders, streng, zu prüfen
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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