TE UVS Steiermark 2005/11/09 41.9-1/2005

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Veröffentlicht am 09.11.2005
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Christian Erkinger über die Berufung der Frau N Z, vertreten durch Dr. M P, Mag. H P, Rechtsanwälte in G, F, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 08.09.2005, GZ.: 11.1-1817/2005, wie folgt entschieden: Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 71 Abs 1 AVG sowie §§ 4 Abs 3 bzw 4 c Abs 2 Führerscheingesetz 1997 (im Folgenden FSG) wird die Berufung abgewiesen.

Text

Mittels Bescheides der belangten Behörde vom 19.07.2005, wurde angeordnet, dass die Berufungswerberin die für die Absolvierung der Mehrphasenausbildung der Klasse B fehlenden Stufen innerhalb von vier Monaten ab Zustellung dieses Bescheides zu absolvieren habe. Die Probezeit verlängere sich dadurch um ein Jahr. Gegen diesen Bescheid stellte die Berufungswerberin einen Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs 1 AVG und erhob gleichzeitig Berufung mit der wesentlichen Begründung, dass aufgrund massiver gesundheitlicher Beeinträchtigungen ihr die Fristeinhaltung nicht möglich gewesen sei und legte sie bezughabende medizinische Atteste vor. Mittels Bescheides vom 08.09.2005, wies die belangte Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück und begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass nach herrschender Lehre und ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Wiedereinsetzung nur bei Versäumung verfahrensrechtlicher Fristen, nicht aber bei Versäumung materiellrechtlicher Fristen in Betracht komme. Dabei zitierte sie Thienel (Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, Seite 130), wonach materiellrechtliche Fristen solche seien, die für die Setzung von Handlungen mit materiellrechtlichen Folgen bestimmt seien, deren Versäumung oder Einhaltung, also Wirkungen für das materielle Recht selbst hätten. Die erkennende Behörde hat hiezu wie folgt erwogen: Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Gemäß § 71 Abs 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn: 1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder 2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei. Gemäß § 4 c Abs 2 FSG ist, wenn eine oder mehrere der in § 4 b leg cit genannten Stufen unbeschadet der Bestimmungen des Abs 3 nicht innerhalb von zwölf Monaten (neun Monaten im Fall der Klasse A) nach Erteilung der Lenkberechtigung absolviert werden, der Führerscheinbesitzer zwölf Monate (neun Monate im Fall der Klasse A) nach Erteilung der Lenkberechtigung darüber zu verständigen. In diesem Schreiben ist auf die Verlängerung der Probezeit hinzuweisen, wenn die Absolvierung der fehlenden Stufe(n) nicht innerhalb von vier Monaten nachgewiesen wird, sowie auf die Entziehung der Lenkberechtigung, wenn die Absolvierung der fehlenden Stufe(n) nicht innerhalb einer weiteren Frist von vier Monaten nachgewiesen wird. Werden die fehlenden Stufe(n) nicht innerhalb von vier Monaten nach Ablauf der im ersten Satz genannten Fristen absolviert, hat die Behörde dem Betreffenden ausschließlich die Absolvierung dieser Stufe(n) anzuordnen. Mit der Anordnung der Absolvierung der fehlenden Stufe(n) verlängert sich die Probezeit unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 4 Abs 3 zweiter bis vierter Satz. Kommt der Besitzer der Lenkberechtigung der Anordnung der Absolvierung der fehlenden Stufe(n) nicht innerhalb von weiteren vier Monaten nach, ist gemäß § 24 Abs 3 sechster Satz vorzugehen. Die Behörde kann auf Antrag für eine angemessene Zeit von der Entziehung der Lenkberechtigung absehen, wenn die betreffende Person besonders berücksichtigungswürdige Gründe nachweist, aus denen hervorgeht, dass sie innerhalb der festgesetzten Frist den oder die fehlenden Teil(e) nicht absolvieren konnte (FSG idF der 7. FSG-Novelle, BGBl I 2005/15). Unbeschadet der letztgenannten Novellierung des § 4 c Abs 2 FSG in der Fassung der zitierten Novelle kann der von der belangten Behörde vorgenommenen rechtlichen Beurteilung hinsichtlich der Unterscheidung verfahrensrechtlicher bzw materiellrechtlicher Fristen aus folgenden Überlegungen nicht widersprochen werden. Verfahrensrechtliche Fristen sind von materiellrechtlichen Ausschlussfristen zu unterscheiden. Gesetzliche Regelungen, die eine Frist für eine Antragstellung bei sonstigem Verlust oder bei sonstigem Anspruchsverlust vorsehen, normieren materiellrechtliche Fristen, auf welche die Vorschriften des AVG für die Fristberechnung nicht anzuwenden sind (vgl. Erkenntnis vom 3. März 1950, Zl. 877/49, VwSlg 1291 A/1950, oder Erkenntnis vom 24. Juni 1993, Zl. 93/06/0053, zu § 34 Abs 5 Stmk. Raumordnungsgesetz; weitere Beispiele für als materiellrechtlich qualifizierte Fristen bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, E 1b und 1c zu § 71 AVG). In ähnlicher Weise hat etwa zuletzt der Verfassungsgerichtshof die Frist zur Antragstellung nach § 115 Abs 4 Bundesvergabegesetz 1997 für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen als materiellrechtliche Frist qualifiziert (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 2002, B 1426/99). Im Übrigen spricht auch die Länge der gemäß § 4 c Abs 2 FSG normierten Frist gegen die Annahme einer formellrechtlichen Frist und ist auch die Konsequenz der Versäumnis einer solchen - Verlängerung der Probezeit - als materiellrechtliche Verfügung der Behörde und nicht als prozessuale Verfahrenshandlung zu sehen. Der Umstand, dass § 4c FSG mit Zweite Ausbildungsphase - Verfahren betitelt ist, ändert nichts am materiellrechtlichen Charakter der Frist, weil die Bestimmungen des § 4a bis c StVO über die zweite Ausbildungsphase, offensichtlich lediglich aus Gründen der Übersichtlichkeit (Allgemeines - § 4a, Konkrete Inhalte - § 4b, sowie Verfahren - § 4c), gegliedert sind. Damit werden lediglich die einzelnen Verfahrensschritte für die Behörden im Rahmen der zweiten Ausbildungsphase zusammengefasst (vgl. auch sinngemäß VwGH vom 11.04.2000, Zl.: 2000/11/0081). Somit war unbeschadet der zitierten 7. FSG-Novelle, die unter anderem § 4 c Abs 2 FSG betraf, aus den angeführten Erwägungen wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Schlagworte
Mehrphasenausbildung materiellrechtliche Frist verfahrensrechtliche Frist Wiedereinsetzung Unzulässigkeit
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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