TE Vwgh Erkenntnis 2001/10/24 2001/17/0105

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Veröffentlicht am 24.10.2001
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs3;
B-VG Art119a Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des US in Wien, versehen mit der Unterschrift des Dr. Klaus Grösswang, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Sterngasse 13, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 30. März 2001, Zl. BauR- 012703/1-2001-Gut, betreffend Ausnahme von der Vorschreibung eines Aufschließungsbeitrages nach dem Oö. ROG 1994 (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Thalheim bei Wels, vertreten durch Dr. Walter Holme, Rechtsanwalt in 4601 Wels, Dr.-Koss-Straße 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 29. November 1999 als Abgabenbehörde erster Instanz wurde dem Beschwerdeführer ein Verkehrsflächenbeitrag gemäß § 25 ff Oö. ROG 1994 für das Grundstück Nr. 306/16, KG A, im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Marktgemeinde vorgeschrieben. Der Bescheid wurde am 6. Dezember 1999 zugestellt.

Mit Schreiben vom 13. Jänner 2000 erhob der Beschwerdeführer Berufung (er vertrat die Auffassung, dass die Zustellung am 6. Dezember 1999 infolge Ortsabwesenheit nicht wirksam gewesen sei). In dem Schreiben vom 13. Jänner 2000 beantragte der Beschwerdeführer in eventu die Bewilligung einer Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag gemäß § 27 Oö. ROG 1994.

Mit Bescheid vom 5. April 2000 entschied der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde über diesen Antrag und wies den Antrag ab. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit Bescheid des Gemeinderates vom 30. November 2000 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Das Grundstück des Beschwerdeführers stelle ein Baulücke dar (§ 27 Abs. 1 Z 3 ROG); die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Einheit der beiden in seinem Eigentum stehenden, benachbarten Grundstücke (306/9 und 306/16) sei nicht gegeben. Weiters stünden Interessen einer geordneten Siedlungsentwicklung der Ausnahmeerteilung entgegen (§ 27 Abs. 1 Z 2 ROG). Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unzulässig zurück, weil die Vorstellung ausschließlich Einwendungen zur Vorschreibung der Abgabe gemäß § 25 Oö. ROG 1994 enthalte und über die Berufung des Beschwerdeführers in der Abgabensache betreffend die Vorschreibung des Verkehrsflächenbeitrages an sich noch nicht entschieden worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, keinen Aufschließungsbeitrag gemäß § 25 ff Oö. ROG leisten zu müssen, in eventu eine Ausnahme von der Leistung des Aufschließungsbeitrages (§ 37 ff Oö. ROG) zu erlangen, verletzt erachtet.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Verwaltungsgerichtshof geht mit den Gemeindebehörden und der belangten Behörde davon aus, dass über die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Vorschreibung der Abgabe (des Verkehrsflächenbeitrages) mit dem Bescheid vom 29. November 1999 bis zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde über die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid betreffend die Versagung der Ausnahme nach § 27 Oö ROG noch nicht entschieden worden war.

2. Die Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeinderates vom 30. November 2000, die die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid zurückgewiesen hat, enthielt die exakte Bezeichnung des Bescheides, gegen welchen sie gerichtet war (der Beschwerdeführer gab die Geschäftszahl, das Datum und die erlassende Behörde an und führte auch aus, welche Berufung mit der Entscheidung erledigt worden war). Es lag daher eine zulässige und für eine inhaltliche Behandlung ausreichend ausgeführte Vorstellung vor, über die inhaltlich zu entscheiden gewesen wäre.

Die belangte Behörde verkennt, dass eine allenfalls unrichtige Begründung eines Rechtsmittels, welches eine ausreichende und präzise Rechtsmittelerklärung enthält, nicht zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels (hier: der Vorstellung) führt. Gemäß § 109 Abs. 1 Oö Gemeindeordnung 1990 ist im Vorstellungsverfahren das AVG anzuwenden. Abgesehen davon, dass die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Qualifikation des Mangels der ausreichenden Bezeichnung eines mit Vorstellung bekämpften Bescheides als inhaltlicher Mangel, der nicht verbesserungsfähig war, nach der Novelle zum AVG mit BGBl. I Nr. 158/1998, nicht mehr unverändert Gültigkeit besitzt, lag im Beschwerdefall kein Sachverhalt vor, bei dem der bekämpfte Bescheid nicht ausreichend bezeichnet worden wäre. Der Verwaltungsgerichtshof ist in seiner Rechtsprechung davon ausgegangen, dass für das Vorliegen einer zulässigen Vorstellung ausschlaggebend sei, ob für die Vorstellungsbehörde auf Grund der - wenn auch knappen - Angaben in der Vorstellung erkennbar ist, gegen welchen Bescheid sich die Vorstellung richten möchte; vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/06/0226, und vom 2. Juli 1998, Zl. 97/06/0063. Im Beschwerdefall bestand aber auf Grund der Anfechtungserklärung kein Zweifel daran, gegen welchen Bescheid sich die Vorstellung richtete.

3. Ganz abgesehen davon, dass daher die Argumentation der belangten Behörde schon grundsätzlich verfehlt ist, hat die belangte Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Vorstellung auch nicht ausreichend gewürdigt. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er die Ausnahmegenehmigung nach § 27 Oö. ROG nur für den Fall beantragt habe, dass seinem Einwand gegen die Vorschreibung des Verkehrsflächenbeitrages nicht Rechnung getragen werde, beinhaltet nämlich jedenfalls ein Argument, warum nach Auffassung des Beschwerdeführers der Bescheid betreffend die Ausnahmegenehmigung nicht in der Form ergehen hätte dürfen, wie er ergangen war. Selbst auf der Grundlage der von der belangten Behörde zugrunde gelegten Auffassung, dass es darauf ankäme, dass ein (möglicherweise erfolgversprechendes) Argument gegen den angefochtenen Bescheid in der Begründung enthalten sein müsse, wäre die Vorstellung inhaltlich zu behandeln gewesen, da es im Hinblick auf das dargestellte Vorbringen unzutreffend ist, dass sich der Beschwerdeführer in der Vorstellung ausschließlich mit der Frage der Abgabenvorschreibung beschäftigt habe.

4. Die belangte Behörde hat somit die Rechtslage verkannt, wenn sie vermeinte, auf Grund des Inhaltes der Vorstellung das Rechtsmittel dahingehend (um)deuten zu können, es habe sich "in Wahrheit" nicht gegen den präzise bezeichneten Bescheid (betreffend die Ausnahmegenehmigung nach § 27 Oö. ROG 1994) gerichtet.

Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert. Der angefochtene Bescheid war in Folge dessen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den geltend gemachten Schriftsatzaufwand, weil der Beschwerdeführer bei Einbringung der Beschwerde nicht tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten war (§ 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 88/1997).

Wien, am 24. Oktober 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001170105.X00

Im RIS seit

13.03.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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