TE UVS Steiermark 2005/12/28 30.15-32/2005

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Veröffentlicht am 28.12.2005
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Renate Merl über die Berufung des Herrn M N, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg vom 02.12.2004, GZ: 15.1 5772/2004, wie folgt entschieden: Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

Text

Mit Punkt 2.) des angefochtenen Straferkenntnisses (Punkt 1 des Straferkenntnisses wurde mangels Anfechtung rechtskräftig) wurde dem Berufungswerber nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt: 2. Übertretung Sie haben die Beförderungseinheit gelenkt, ohne sich, obwohl es Ihnen zumutbar war, vor Antritt der Fahrt davon zu überzeugen, dass die Vorschriften des Gefahrgutbeförderungsgesetzes (GGBG) eingehalten werden. Sie haben Folgendes Gefahrgut befördert: 1549 1 UN 1202 Diesel, 3, III. Es wurde festgestellt, dass keine gültige schriftliche Weisung gemäß

5.4.3 ADR mitgeführt wurde, obwohl der Lenker bei der Beförderung Begleitpapiere und Ausstattungsgegenstände mitzuführen hat. Wegen dieser Übertretung des § 13 Abs 3 GGBG wurde über den Berufungswerber gemäß § 27 Abs 2 Z 9 GGBG eine Geldstrafe von ?

50,00 verhängt. Aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes ist von nachstehendem entscheidungsrelevantem Sachverhalt auszugehen: In der verfahrensgegenständlichen Anzeige der Verkehrsabteilung Steiermark vom 23.09.2004 findet sich unter Punkt 4.) nachstehende Tatumschreibung: Tatzeit: 20.08.2004 um 14.00 Uhr Sie haben die Beförderungseinheit gelenkt, ohne sich, obwohl es Ihnen zumutbar war, vor Antritt der Fahrt davon zu überzeugen, dass die Vorschriften des Gefahrgutbeförderungsgesetzes (GGBG) eingehalten werden. Sie haben Folgendes Gefahrgut befördert: 1549 1 UN 1202 Diesel, 3, III, obwohl keine schriftliche Weisung gemäß Abschnitt

5.4.3 ADR mitgeführt wurde, obwohl der Lenker bei der Beförderung Begleitpapiere und Ausstattungsgegenstände mitzuführen hat.

Gemeinde: Gemeinde R Straßennummer/Km: 70/35 Tatort:

Bundesstraße-Ortsgebiet (neue Landesstraße) Es wurde nur eine alte nach dem ADR 2001 ausgestellte schriftliche Weisung mit Klasse und Ziffer mitgeführt. Neue Vorschrift ADR 2003!! (s. Beilage) Der Anzeige angeschlossen ist die Kopie des vom Lenker offensichtlich mitgeführten Unfallmerkblattes für den Straßenverkehr, welches vom Meldungsleger mit dem handschriftlichen Vermerk falsch versehen wurde. Dieses Merkblatt enthält unter anderem folgende Angaben:

Bezeichnung des beförderten Stoffes (Dieselkraftstoff flüssig unter Angabe der UN-Nummer 1202, sowie Klasse und Ziffer). Es folgen Ausführungen zur Art der Gefahr, zur persönlichen Schutzausrüstung, den vom Fahrzeugführer zu treffenden allgemeinen Maßnahmen, den vom Fahrzeugführer zu treffenden zusätzlichen und besonderen Maßnahmen, Informationen für den Fahrzeugführer für den Fall eines Brandes und für erste Hilfe. Die als erste Verfolgungshandlung anzusehende Strafverfügung vom 06.10.2004 der belangten Behörde enthält in Punkt 4.) einen Tatvorwurf, welcher hinsichtlich der Tatumschreibung wörtlich gleichlautend ist mit dem Punkt 2.) des nunmehr angefochtenen Straferkenntnisses. Punkt

5.4.3.1 der zur Tatzeit bereits gültigen Fassung ADR 2003 idgF BGBl. 61/2003 enthält folgende Vorschriften für den Inhalt schriftlicher Weisungen: Für das Verhalten bei Unfällen oder Zwischenfällen, die sich während der Beförderung ereignen können, sind dem Fahrzeuglenker schriftliche Weisungen mitzugeben, die Angaben über jeden beförderten Stoff oder Gegenstand oder jede Gruppe Güter mit denselben Gefahren, zu der (denen) der (die) beförderte(n) Stoff(e) oder Gegenstand (Gegenstände) gehört (gehören), in knapper Form enthalten: a) die Bezeichnung des Stoffes oder Gegenstandes oder der Gruppe von Gütern, die Klasse und die UN-Nummer des Gutes oder bei einer Gruppe von Gütern die UN-Nummern der Gütern, für die diese schriftlichen Weisungen bestimmt sind oder gelten; b) die Art der Gefahr, die von diesen Gütern ausgeht, sowie die vom Fahrzeuglenker zu treffenden Maßnahmen und die von ihm zu verwendende Schutzausrüstung; c) die zu treffenden allgemeinen Maßnahmen, wie zB Warnung anderer Verkehrsteilnehmer und Passanten sowie Verständigung von Polizei und/oder Feuerwehr; d) die bei kleineren Leckagen oder Undichtheiten zur Verhinderung größerer Schäden zu treffenden Maßnahmen, sofern diese, ohne jemanden zu gefährden, durchgeführt werden können; e) die gegebenenfalls für spezielle Güter zu treffenden besonderen Maßnahmen; f) die erforderliche Ausrüstung für allgemeinen und/oder besonderen Maßnahmen, sofern zutreffend. § 5.4.3.8 ADR 2003 trifft nähere Regelungen über den Inhalt von schriftlichen Weisungen: Diese Weisungen sind nach folgendem Muster abzufassen: Ladung Angabe der offiziellen Benennung des Stoffes oder Gegenstandes im Beförderungspapier oder die Benennung der Gruppe von Gütern mit denselben Gefahren, der Klasse und der UN-Nummer oder, bei einer Gruppe von Gütern, der UN-Nummer der Gütern, für die diese schriftlichen Weisungen bestimmt sind oder gelten. Beschreibung, beschränkt beispielsweise auf den Aggregatzustand, eventuelle mit Angabe einer Färbung und gegebenenfalls eines Geruchs, um die Erkennung von Leckagen und Undichtheiten zu erleichtern. Art der Gefahr Kurze Aufzählung der Gefahren: Hauptgefahr Zusatzgefahren einschließlich möglicher Langzeitwirkungen und Gefahren für die Umwelt Verhalten bei Brand oder Erwärmung (Zersetzung, Explosion, Entwicklung giftiger Dämpfe usw.) Gegebenenfalls Hinweis darauf, dass die beförderten Güter gefährlich mit Wasser reagieren. Persönliche Schutzausrüstung Angabe der für den Fahrzeuglenker bestimmten persönlichen Schutzausrüstung gemäß den Vorschriften des Abschnitts 8.1.5 (b) und (c). Vom Fahrzeuglenker zu treffende allgemeine Maßnahmen Angabe folgender Maßnahmen: Motor abstellen Keine offenen Flammen, Rauchverbot Warnzeichen auf der Straße aufstellen und andere Verkehrsteilnehmer und Passanten warnen Öffentlichkeit über die Gefahren informieren und darauf hinweisen, sich auf der dem Wind zugewandten Seite aufzuhalten Polizei und/oder Feuerwehr schnellstmöglich verständigen. Vom Fahrzeuglenker zu treffende zusätzliche und/oder besondere Maßnahmen Hierzu gehören geeignete Anweisungen sowie ein Verzeichnis der erforderlichen Ausrüstung (zB Schaufel, Auffangbehälter ...), die es dem Fahrzeuglenker erlaubt, die gemäß der (den) Klassen(n) der beförderten Güter erforderlichen zusätzlichen und/oder besonderen Maßnahmen zu treffen. Es ist zu berücksichtigen, dass Fahrzeuglenker unterwiesen und geschult werden müssen, um zusätzliche Maßnahmen bei kleineren Leckagen oder Undichtheiten zur Verhinderung größerer Schäden ohne eigene Gefährdung durchführen zu können. Es ist zu berücksichtigen, dass jede vom Absender empfohlene besondere Maßnahme eine spezielle Schulung des Fahrzeuglenkers erfordert. Gegebenenfalls gehören hierzu entsprechende Anweisungen sowie ein Verzeichnis der für diese besonderen Maßnahmen erforderlichen Ausrüstung. Feuer Informationen für den Fahrzeuglenker im Falle eines Brandes: Die Fahrzeuglenker sollten bei Ihrer Ausbildung darin geschult werden, kleine Fahrzeugbrände zu bekämpfen. Bei Ladungsbränden dürfen sie nicht eingreifen. Erste Hilfe Informationen für den Fahrzeuglenker für den Fall, dass er mit dem (den) beförderten Stoff(en) in Berührung gekommen ist. Zusätzliche Hinweise Beispiel eines Formulars für die multimodale Beförderung gefährlicher Güter Beispiel eines Formulars, das für die multimodale Beförderung gefährlicher Güter als kombiniertes Dokument für die Erklärung gefährlicher Güter und das Container-Packzertifikat verwendet werden darf. Die Vorschriften des ADR 2003 enthalten kein von den Normadressaten des ADR zwingend zu verwendendes Formularmuster für schriftliche Weisungen. Daraus folgt, dass schriftliche Weisungen gemäß § 5.4.3.1 individuell abgefasst sein können. Wesentlich ist lediglich, dass sie den gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt im Sinne des oben wiedergegebenen Textes des ADR 2003 enthalten. Aufgrund der verfahrenseinleitenden Anzeige und den angeschlossenen Beilagen ist evident, dass der Meldungsleger offensichtlich lediglich beanstandete, dass der Berufungswerber zum Kontrollzeitpunkt ein altes Formular gemäß ADR 2001 verwendet hat. Es geht jedoch weder aus der Anzeige, noch aus dem übrigen Akteninhalt hervor, welche inhaltlichen Erfordernisse für schriftliche Weisungen gemäß Punkt 5.4.3.1 ADR 2003 durch das verwendete Formular nicht erfüllt sein sollen. Nach Auffassung der Berufungsbehörde sind alle wesentlichen Angaben (UN-Nummer, Klasse, Ziffer, Beschreibung der Art der Gefahr und der im Unglücksfall zu treffenden Maßnahmen) enthalten. Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Hiezu sind entsprechende, in Beziehung zur vorgeworfenen Straftat stehende wörtliche Ausführungen erforderlich. Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG wird somit dann Rechnung getragen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmal zur Verantwortung gezogen zu werden (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3.10.1985, Slg. NF 11894/A). Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses entspricht somit nicht den Konkretisierungserfordernissen des § 44a VStG. Der Vorwurf, der Berufungswerber habe keine gültige schriftliche Weisung gemäß § 5.5.3 ADR mitgeführt, lässt nicht erkennen, welche gesetzlich vorgesehenen Angaben im Sinne der zitierten Bestimmungen des ADR in dem vom Berufungswerber verwendeten Formular fehlen. Weder die Bestimmungen des ADR, noch jene des GGBG enthalten eine Regelung dahingehend, dass der Lenker eines Gefahrguttransportes ein bestimmtes Formularmuster für schriftliche Weisungen verwenden muss. Ausschlaggebend ist lediglich, dass die im Anlassfall verwendete schriftliche Weisung alle inhaltlichen Erfordernisse der zur Tatzeit geltenden Fassung des ADR erfüllt. Der von der belangten Behörde gewählte Tatvorwurf lässt somit nicht erkennen, welche inhaltlichen Mängel die vom Berufungswerber verwendete schriftliche Weisung aufweist. Der Berufungswerber wurde dadurch massiv in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt. Da überdies die als erste Verfolgungshandlung anzusehende Strafverfügung vom 06.10.2004 die gleiche mangelhafte Umschreibung des Sachverhaltes aufweist und daher bereits Verfolgungsverjährung im Sinne der §§ 31 und 32 VStG eingetreten ist, war der Berufungsbehörde eine Verbesserung des Spruches verwährt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 23.03.1984, 83/02/0159; 22.01.1994, 91/07/0009 uva.) darf dem Berufungswerber nämlich nach Ablauf der Verjährungsfrist kein anderer Sachverhalt zur Last gelegt werden. Änderungen der rechtlichen Qualifikation sind hingegen auch außerhalb dieser Frist zulässig. Es war daher der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis zu beheben und das gegen den Berufungswerber eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. Da bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte die bereits anberaumte Berufungsverhandlung gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG abgesagt werden.

Schlagworte
Weisungen Formular Formvorschrift inhaltliche Erfordernisse Konkretisierung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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