TE UVS Tirol 2005/12/28 2005/25/3414-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.12.2005
beobachten
merken
Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alexander Hohenhorst über die Berufung von Frau G. O., O. Nr XY, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei O., S., O., XY-Platz, T., vom 06.12.2005, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 23.11.2005, Zl 3.1-2224/04-A-19, betreffend Vorschreibung gemäß § 79 Abs 1 Gewerbeordnung nach § 67h in Verbindung mit § 66 Abs 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz wie folgt:

 

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck zurückverwiesen wird.

Text

Mit dem bekämpften Bescheid wurde Frau G. O. als Betreiberin des am Standort O., HNr XY, zuletzt mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 14.12.2004, Zl 3.1-2224/04-A-6, genehmigten Restaurants samt Kegelbahn im Keller folgende zusätzliche bzw geänderte Auflage vorgeschrieben:

?Der Betrieb der drei Kegelbahnen ist mit 22.00 Uhr einzustellen?.

 

Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Berufung, in der Frau O. durch ihre Rechtsvertreter im Wesentlichen vorbringt, dass sich aus dem amtsärztlichen Gutachten ergebe, dass die maximalen Pegel zur Sicherung des Nachtschlafes von 45 dB nicht überschritten werden. Aufgrund des subjektiven Höreindruckes müsse jedoch mit unterschwelligen Störungen, die in Summe das Einschlafen behindern oder zu Aufwachreaktionen führen, nach 22.00 Uhr gerechnet werden. Diese Ausführungen seien völlig unzureichend zum festzustellen, dass eine Gesundheitsgefährdung vorliege. Die vom Amtssachverständigen angeführten unterschwelligen Störungen beruhten lediglich auf seinem subjektiven Höreindruck; es widerspreche den Grundsätzen eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens, Feststellungen auf subjektive Empfindungen zu stützen sondern sind die entsprechenden Ausführungen zu objektivieren. Da sich der Betrieb im Dorfzentrum von Oberhofen befinde, spiele sich das kulturelle Leben in diesem Bereich ab. Im Sommer fänden zahlreiche Dorffeste bzw Musikveranstaltungen statt, die weit über Mitternacht andauern und der Geräuschpegel im Zuge dieser Veranstaltungen bei weitem den maximalen Pegel zur Sicherung des Nachtschlafes von 45 dB überschreite. Es sei deshalb nicht verständlich, dass der Betrieb der Rechtsmittelwerberin, der die Grenze von 45 dB nicht überschreite, mit 22.00 Uhr einzustellen ist. Verkehrsgeräusche und die Kirchturmglocken würden höhere Schallpegelspitzen aufweisen als das eigentliche Störgeräusch der Kegelbahn. Es sei das ortsübliche Maß der Lärmentwicklung zu berücksichtigen, wozu Feststellungen fehlten. Bei Berücksichtigung dieser Umstände wäre die Erstbehörde zum Schluss gekommen, dass das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß der Geräuschkulisse durch die Kegelbahn bei weitem nicht überschritten wird. Bei Umsetzung vorgeschriebener Auflage drohe eine Schließung der Betriebsstätte der Betroffenen. Die Berufungswerberin habe bereits freiwillig im Interesse der Nachbarschaft Investitionen in der Höhe v

on ca Euro 4.000,00 getätigt und die Vorgaben des Lärmschutztechnikers DI Fiby umgesetzt. Diese vorverlegte Sperrstunde sei unverhältnismäßig und es drohe deshalb die Schließung des gesamten Gastbetriebes. Es sei auch unterlassen worden, durch die Erstellung eines bauakustischen Gutachtens Alternativmöglichkeiten zu prüfen, wie etwa eine zusätzliche Dämmung. Die Behörde hat in ihrer Entscheidung unter möglichster Schonung der Reche der Betroffenen vorzugehen. Eine Sperrzeit der Kegelbahn mit 22.00 Uhr sei unverhältnismäßig und des fehlte die Prüfung von Alternativmöglichkeit auf ihre Eignung zur besseren Unterdrückung der Störgeräusche. Es werde deshalb ersatzlose Bescheidbehebung beantragt in eventu Bescheidbehebung und Zurückverweisung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Erstbehörde.

 

Die Berufungsbehörde hat hiezu wie folgt erwogen:

Gemäß § 77 Abs 1 GewO 1994 ist eine Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinn des § 74 Abs 2 Z 1 GewO vermieden werden und Belästigungen, Beeinträchtigungen und nachteilige Einwirkungen im Sinn des § 74 Abs 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

 

Gemäß § 79 Abs 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, dass die gemäß § 74 Abs 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs 1) vorzuschreiben.

 

Kann jedoch der hinreichende Schutz der gemäß § 74 Abs 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen nach Abs 1 oder 2 leg cit nur durch die Vorschreibung solcher anderer oder zusätzlicher Auflagen erreicht werden, durch die die genehmigte Betriebsanlage in ihrem Wesen verändert würde, so hat die Behörde gemäß § 79 Abs 3 GewO dem Inhaber der Anlage mit Bescheid aufzutragen, zur Erreichung des hinreichenden Interessenschutzes innerhalb einer dem hiefür erforderlichen Zeitaufwand angemessenen Frist ein Sanierungskonzept für die Anlage zur Genehmigung vorzulegen.

 

Im § 79 Abs 3 ist zur Anpassung von sanierungsbedürftigen, rechtskräftig genehmigten Betriebsanlagen für jene Fälle, in denen der hinreichende Schutz der gemäß § 74 Abs 2 wahrzunehmenden Interessen nur durch die Vorschreibung von das Wesen der Betriebsanlage verändernder (und damit unzulässiger) Auflagen erreicht werden könnte, ein mehrstufiges amtswegiges Verfahren vorgesehen. Die erste Stufe ist der bescheidmäßige Auftrag zur Vorlage eines Sanierungskonzeptes. Die nächste Stufe ist die Vorlage

des Sanierungskonzeptes durch den Anlageninhaber. Sodann ist von der Behörde in einer dritten Stufe bei Vorliegen der Voraussetzungen mit Bescheid die Sanierung der Betriebsanlage unter allenfalls erforderlichen Auflagen zu genehmigen. Schließlich sind in der letzten Stufe die Sanierungsmaßnahmen durchzuführen bzw erforderlichenfalls in einem Vollstreckungsverfahren durchführen zu lassen.

 

Eine Wesensänderung läge vor, wenn die Auflage nach § 79 in die Substanz des verliehenen Rechts eingreift. Ein in so einem Fall ausgesprochener Auftrag zur Vorlage eines Sanierungskonzeptes hat jene betrieblichen Sanierungsziele möglichst genau zu umschreiben, die mit Hilfe des vorzulegenden Sanierungskonzeptes erreicht werden müssen. Hiebei hat die Behörde bereits den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. In der Vorschreibung eines Sanierungskonzeptes sind zwar die Sanierungsziele möglichst genau zu umschreiben, dem Anlageninhaber muss es jedoch frei gestellt werden, auf welchem Weg er diese Sanierungsziele zu erreichen gedenkt. Das Sanierungsziel wird daher in der Regel nicht bereits die detaillierte Form der Ausführung einer Maßnahme zu enthalten haben, weil dessen Bestimmung dem Anlagenbetreiber im Sanierungskonzept zusteht. Dabei ist auch auf die Eigenart der Betriebsanlage Bedacht zu nehmen.

 

Die Vorlage des Sanierungskonzeptes zur Genehmigung ist die in Erfüllung des diesbezüglichen bescheidmäßigen Auftrages erfolgte Mitwirkung des Genehmigungsinhabers am laufenden amtswegigen Sanierungsverfahren. Diese Mitwirkung ist unverzichtbar, weil sie eine Wesensänderung der Anlage betrifft und diese Änderung daher einen entsprechenden Willensakt des Anlageninhabers voraussetzt. Wird innerhalb der bescheidmäßig festgesetzten Frist kein oder nur ein unzureichendes Sanierungskonzept vorgelegt, so ist dieses Verhalten des Anlageninhabers als Verwaltungsübertretung (§ 367 Z 25) zu bestrafen und sind erforderlichenfalls auch einstweilige Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen nach § 360 Abs 4 zu treffen.

 

Zutreffend ist die Rüge in der Berufung, dass das amtsärztliche Gutachten vom 02.11.2005 keine Aussage darüber trifft, ob von den Immissionen eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Nachbarn ausgeht. Die dortigen Ausführungen sind auch nicht ausreichend, damit im Falle des Nichtvorliegens einer Gesundheitsgefährdung die Zumutbarkeit im Sinn des § 77 Abs 2 GewO beurteilt werden kann. Das amtsärztliche Gutachten ist somit nicht ausreichend, dass darauf aufbauend die entsprechenden rechtlichen Beurteilungen getroffen werden können und Bedarf daher einer entsprechenden Ergänzung.

 

In der Berufung wird ausgeführt, dass das Schutzziel nicht nur mit einem vorverlegten Betriebsschluss der Kegelbahn sondern auch mit einer zusätzlichen Dämmung hergestellt werden könnte. Die Behörde hat grundsätzlich das für den Betriebsinhaber gelindeste Mittel zur Erreichung des gewünschten Erfolges vorzuschreiben. Da argumentiert wird, dass ein Betriebsschluss der Kegelbahnen um 22.00 Uhr den gesamten Gastbetrieb unter die Rentabilitätsgrenze führen würde und somit der gesamte Betrieb in seiner Existenz gefährdet wäre, ist anzunehmen, dass eine allfällige zusätzliche Dämmung für den Betriebsinhaber ein gelinderes Mittel wäre.

 

Die Erstbehörde hat im Hinblick darauf keinerlei Erhebungen durchgeführt, ob eine solche Dämmung ein geeignetes Mittel zur Abschirmung der Schallimmissionen darstellen kann und in welchem Verhältnis der Aufwand für deren Herstellung mit dem Ausmaß an Schutz zu erwarten ist. Aufgrund der fehlenden Erhebungen ist die Berufungsbehörde daher nicht im Stande zu beurteilen, ob die Vorschreibung von zusätzlichen Dämmungsmaßnahmen als ebenso taugliches aber gelinderes Mittel in Betracht gezogen werden könnte. Der Sachverhalt ist somit nicht entscheidungsreif geklärt, weshalb eine neuerliche mündliche Verhandlung erforderlich sein wird.

 

Die Erstbehörde wird dort mit den Sachverständigen die Ziele der Schutzmaßnahmen zu definieren haben und dann wird zu beurteilen sein, welche Maßnahme vorgeschrieben wird oder ob es sich dabei um eine wesensändernde Auflage handeln würde und in diesem Fall der Betriebsinhaberin die Vorlage eines Sanierungskonzeptes vorzuschreiben wäre.

Schlagworte
Die, Erstbehörde, hat, keinerlei, Erhebungen, durcheführt, ob, eine, solche, Dämmung, ein, geeignetes, Mittel, zur, Abschirmung, der, Schallimmissionen, darstellen, kann
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten