TE UVS Steiermark 2006/01/09 20.3-67/2005

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.01.2006
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erich Kundegraber über die Beschwerde der D F, wegen Aufhebung des Betretungsverbotes durch die Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld am 24. Juli 2005 für die Liegenschaft des Objektes W inklusive Zufahrtsstraße in F gemäß §§ 67a Abs 1 Z 2, 67c Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), §§ 38a, 88 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) und Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) wie folgt entschieden:

Die Aufhebung des Betretungsverbotes war rechtswidrig. Gemäß § 79a AVG in Verbindung mit der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II 2003/334, hat der Bund (Bundesminister für Inneres) der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens in der Höhe von ?

1.521,60 binnen 14 Tagen ab Zustellung des Bescheides bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

I. 1. In der Beschwerde vom 8. September 2005 bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass die einschreitenden Beamten der Polizeiinspektion F das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des § 38a Abs 1 SPG richtig bewertet hätten. Der geschiedene Ehemann habe am 24. Juli 2005 eine schwere Körperverletzung und damit einen gefährlichen Angriff gemäß § 16 Abs 2 SPG begangen (Nasenbeinbruch, schmerzhafte Beeinträchtigung des Gehörs). Das Bezirksgericht F habe gegen C F eine einstweilige Verfügung gemäß § 382b Exekutionsordnung (EO) erlassen. Die belangte Behörde habe entscheidungsvorbereitende Sachverhaltserhebungen rechtswidrigerweise unterlassen und die Erhebungsergebnisse bei Überprüfen des Verbotes falsch gewürdigt, sodass die Aufhebung des Betretungsverbotes die Beschwerdeführerin in ihrer Sicherheit vor weiteren gefährlichen Angriffen gefährdet habe. Zudem wurde ein Kostenantrag gestellt und als Beilagen Nachfolgendes vorgelegt:

EV-Beschluss gemäß § 382 b EO des BG F vom10.8.2005 zu Kopie des Akten der BH F vom 8.8.2005 zu incl. - Aktenvermerk F C Betretungsverbot - Aufhebung vom 1.8.2005 - Scheiben an die Polizeiinspektion Betretungsverbot - Aufhebung 30.7.2005 - Polizeiliche Dokumentation des Betretungsverbotes vom 25.7.2005 - Ambulanzkarte des LKH, Hals-Nasen-Ohren-Universitätsklinik vom 26.7.2005 - Kriminalpolizeilicher Aktenindex - Dienstbericht vom 24.7.2005 - Strafanzeige wegen des Verd. D. Verg. N. § 83 StGB vom 26.7.2005 der Polizeiinspektion F - Niederschrift der BH F mit Frau F D vom 27.7.2005 - Niederschrift der BH F mit Herrn F C vom 27.7.2005 - Niederschrift der BH F mit Herrn F C vom 30.7.2005 - Niederschrift der Polizeiinspektion F mit Frau E R, 29.7.2005 - Behördenanfrage aus dem Zentralen Melderegister - Aktenvermerk der BH F vom 29.7.2005 - Scheiben an die Polizeiinspektion Betretungsverbot - Aufhebung vom 30.7.2005 - Dokumentation der Streitschlichtung des Gendarmerieposten F vom 14.7.2004 - Dienstbericht vom 24.7.2005 - BH-Auftrag - Bescheid - Kopie mit Unterschriften vom 31.7.2005 - Gedächtnisprotokoll von C F vom 26.7.2005 2. Die Bezirkshauptmannschaft F erstattete am 18. November 2005 eine Gegenschrift, in der sie ausführt, dass auf Grund aller erhobenen Fakten nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Tatsache in Form eines vor Verhängung des Betretungsverbotes erfolgten gefährlichen Angriffes des Herrn F C gegen seine Ex-Gattin, Frau F D, vorliegt und die Gefahrenprognose ebenfalls auf Grund der Fakten lautete, dass kein gefährlicher Angriff gegen Frau F D zu befürchten ist, weshalb das Betretungsverbot gegen Herrn F C am 31.07.2005 aufgehoben wurde. Es wurde der Antrag gestellt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und namentlich genannte Zeugen in einer Verhandlung zu vernehmen. Beigegeben wurde der dortige Akt. II. 1. Nach Durchführung einer Verhandlung am 20. Dezember 2005, wobei die Beschwerdeführerin, die Zeugen Dr. K H, C F, AI J L, AI J B, RI A D, N R und E R einvernommen wurden sowie dem vorliegenden Akteninhalt, wird nachfolgender, entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt: Die Beschwerdeführerin bewohnte mit ihrem geschiedenen Gatten C F und ihrer Tochter das Haus F, W. Am 23. Juli 2005 abends feierte die Beschwerdeführerin mit ihrem geschiedenen Gatten und zwei weiteren Bekannten im Haus. Am 24. Juli 2005 um ca 04.30 Uhr verließen beide Bekannte die Wohnung. Zu dem Zeitpunkt war C F, als auch die Beschwerdeführerin mittelgradig bis stark alkoholisiert. C F forderte die Beschwerdeführerin zum Tanz auf und kam diese der Aufforderung nach. Nach dem Tanz warf C F die Beschwerdeführerin auf die Couch und bekundete sein Verlangen nach Geschlechtsverkehr verbal, als auch indem er sich auszog. Die Beschwerdeführerin teilte ihm mit, dass sie kein Interesse an einem Geschlechtsverkehr hätte, wobei sie nicht das gemeinsame Schlafzimmer aufsuchen konnte, da C F zuerst neben ihr stand bzw danach auf ihrem Bauch kniete. Er hielt mit beiden Händen die Hände der Beschwerdeführerin auf ihrer Brust und versuchte mit den Ellbogen ihren Kopf bzw ihre Schulter zu treffen. Dies gelang teilweise, danach versuchte er mit der Stirn auf den Kopf der Beschwerdeführerin zu stoßen. Während die Beschwerdeführerin ihren Kopf zur Seite zu drehen versuchte, wurde sie zumindest einmal an der Nase getroffen und verspürte hiebei Schmerzen. Zwischenzeitig schrie sie laut nach Hilfe. C F hielt ihr vor, sein Leben zerstört zu haben und konnte nach längerem Einreden insoweit beruhigt werden, als er von der Beschwerdeführerin abließ. Die Beschwerdeführerin gab sodann an, die Toilette aufsuchen zu müssen, und nahm die Gelegenheit wahr, das Haus zu verlassen und ihre Freundin E R - die ca 10 Gehminuten entfernt wohnt - aufzusuchen. Die Beschwerdeführerin erzählte N und E R in weinerlichem und hysterischem Ton, dass sie von C F geschlagen worden sei. Da sich ihre 16 Jahre alte Tochter noch im Hause W aufhielt, wurde N R ersucht, sie zu holen. Dieser fuhr sofort zum Haus der Beschwerdeführerin und als er sich eine Zeitlang nicht mittels Handy meldete, hat E R um 06.07 Uhr des 25. Juli 2005 die Notrufnummer der Polizei betätigt. Sie teilte der Polizeiinspektion F mit, dass C F aggressiv geworden sei und ihr Mann soeben die Tochter der Beschwerdeführerin abhole und hiebei sein Telefon nicht abhebe. Nach Angabe der Adresse ersuchte sie die Polizei, im Haus vorbeizuschauen. Kurz nach dem Gespräch erschien N R mit der Tochter der Beschwerdeführerin und veranlasste daher E R um 06.12 Uhr, dass die Intervention der Polizei unterbleibe, da das Kind jetzt auch bei uns ist. Da die Nase der Beschwerdeführerin immer mehr anschwoll, suchte sie am 24. Juli 2005 um ca 08.00 Uhr das Landeskrankenhaus F auf und wurde dort ein Nasenbeinbruch diagnostiziert (siehe Ambulanzkarte). Im weiteren Verlauf des Tages nahm die Beschwerdeführerin auf Grund starker Schmerzen - auch im Gehörgang - Tabletten und hielt sich bei der Familie R auf. E R sprach die Beschwerdeführerin darauf an, sich an die Polizei zu wenden, jedoch suchte die Beschwerdeführerin erst am 25. Juli 2005 um ca 10.00 Uhr die Polizeiinspektion F auf. Sie schilderte AI J B und RI A D das Vorgefallene und erstattete Anzeige wegen Körperverletzung. Daraufhin verhängte AI J B das Betretungsverbot für C F für die gesamte Liegenschaft des Objektes W, inklusive Zufahrtsstraße. C F wurde daraufhin im Haus W nicht angetroffen und suchte erst nach fernmündlicher Kontaktaufnahme am 25. Juli 2005 um 16.30 Uhr die Polizeiinspektion F auf, wo er vom Betretungsverbot Kenntnis erlangte. Er wurde von AI J B mit dem Vorhalt konfrontiert und seine Stellungnahme niederschriftlich festgehalten. C F bestritt die Körperverletzung begangen zu haben, wobei er im Wesentlichen angab, nach dem Tanz mit der Beschwerdeführerin schlafen gegangen zu sein. Er vermeinte, dass die Beschwerdeführerin auf Grund ihres alkoholisierten Zustandes möglicherweise zu Sturz gekommen sei. Am 25. Juli 2005 suchte die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Schmerzen am Gehörgang noch ihren Hausarzt auf. Am nächsten Tag begab sie sich in das Landeskrankenhaus G, HNO-Abteilung, wo festgestellt wurde, dass sich eine Perle im Gehörgang befand. Sohin konnte die Beschwerdeführerin im Nachhinein feststellen, dass während der Auseinandersetzung mit C F auf der Couch ihr Perlenarmband auseinander gerissen wurde und eine Perle dadurch in den Gehörgang kam. Sie verglich die Perlen miteinander. Die Beschwerdeführerin hielt sich weiterhin bei der Familie R auf und zog erst am 27. bzw 28. Juli 2005 in ihr Haus. Am Abend des 25. Juli 2005 wurde Dr. K H, Beamtin der belangten Behörde, vom Betretungsverbot verständigt. Dr. K H nahm Einsicht in die Niederschriften der Polizei und vernahm auch selbst die beteiligten Personen. Auf Grund der langen Zeitspanne zwischen dem Vorfall und dem Aufsuchen der Polizei von Seiten der Beschwerdeführerin (Vorfall am 24. Juli 2005 um ca 05.00 Uhr, Aufsuchen der Polizei 25. Juli 2005, ca 10.00 Uhr) waren für Dr. H die Voraussetzungen für ein Betretungsverbot von Seiten der Exekutive nicht mehr gegeben. Zusätzlich gab Dr. H an, dass sie mit dem behandelnden Arzt des Landeskrankenhaus F gesprochen habe, der ihr sinngemäß mitteilte, dass der Nachweis der Verursachung des Nasenbruches nicht mit 100%iger Sicherheit von einem Schlag herrühren müsse. Es könnten auch andere Ursachen, wie zum Beispiel Anstoß an eine Türe, in Frage kommen. Der Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft F wurde nicht kontaktiert. Dr. K H verständige sodann am 30. Juli 2005 die Polizeiinspektion F von der Aufhebung des Betretungsverbotes mit sofortiger Wirkung und ersuchte, die Beschwerdeführerin hievon zu verständigen. Die Beschwerdeführerin gab den Hausschlüssel von C F bei der Polizeiinspektion F ab und zog mit ihrer Tochter wiederum zur Familie R, da sie Angst hatte. Danach betrat sie das Haus W nur in Begleitung mit N R und als sie bis zum 3. bzw 4. August 2005 sich vergewisserte, dass C F nicht mehr dort wohnte, begab sie sich in das Haus W zurück. Beim Bezirksgericht F wurde ein Antrag auf einstweilige Verfügung gemäß § 382b Abs 1 und 2 EO gestellt. Am 10. August 2005 wurde dem Antrag mit Beschluss des Bezirksgerichtes F, stattgegeben und dem C F das Verlassen der Wohnung F, W, und des umliegenden Gartens aufgetragen und die Rückkehr an diese Örtlichkeit für die Dauer von drei Monaten verboten. Die beantragte Maßnahme wurde sofort in Vollzug gesetzt.

2. Die getroffenen Feststellungen gründen sich im Wesentlichen auf die übereinstimmenden Aussagen der Zeugen, als auch der Beschwerdeführerin. Einzig der Zeuge C F gibt einen anderen Ablauf des Geschehens wieder. Seine Aussage ist nicht glaubwürdig, da der Nasenbeinbruch der Beschwerdeführerin zum Einen unbestritten ist und zum Anderen es äußerst unwahrscheinlich ist, dass die Beschwerdeführerin, nachdem sie das Haus verlassen hat, sich selbst eine derartige Verletzung zufügte. Zudem gibt die Beschwerdeführerin selbst an, dass sie weder hingefallen, noch wo angestoßen sei. Auch liegt es außerhalb der Lebenserfahrung, dass die Beschwerdeführerin spontan um 05.30 Uhr zu einem befreundeten Ehepaar läuft, dort weinerlich und hysterisch die Gewalttätigkeiten des Zeugen C F schildert, um letztendlich ihren geschiedenen Ehegatten damit zu belasten. Dass bei der Beschwerdeführerin im Landeskrankenhaus G, HNO-Abteilung, eine Perle im Gehörgang vorgefunden wurde, lässt sich ebenfalls auf Grund ihrer Schilderung nachvollziehen - sie trug ein Perlenarmband, welches während ihrer Gegenwehr zerriss. Dabei mag der Umstand, dass sie vorerst gegenüber der Polizei angab, die Perle hätte mit dem Vorfall nichts zu tun, nichts an ihrer Glaubwürdigkeit zu ändern. Auf Grund des ungewöhnlichen Vorganges konnte die Beschwerdeführerin vorerst den Zusammenhang mit den stattgefundenen Gewalttätigkeiten nicht herstellen. Ebenso spricht für die Darstellung der Beschwerdeführerin, dass sie angab, dass es zwischen ihrem geschiedenen Mann und ihr bis zu dem Vorfall noch keine derartigen Handlungen gegeben hat und es höchst unwahrscheinlich ist, dass sie plötzlich ohne Motivation derartige schwerwiegende Vorwürfe erhebt. Wenn die belangte Behörde einen Widerspruch darin sieht, dass die Zeugin E R angab, dass ihr die Beschwerdeführerin nicht alkoholisiert vorkam, so stellt dies nicht die Glaubwürdigkeit der beiden Aussagen in Frage, da zum Zeitpunkt, als die Beschwerdeführerin die Familie R aufsuchte, sie sicherlich auf Grund des Vorgefallenen unter einem gewissen Schock stand und daher einen nüchternen Eindruck erweckte. Dass die zum Zeitpunkt des Vorfalls im Haus schlafende Tochter A J nicht durch den Lärm gestört wurde, ist nachvollziehbar, da sie offensichtlich zuvor Alkohol konsumierte und tief schlief (siehe auch Beschluss des Bezirksgerichtes F, erster Absatz). Dass der Zeuge C F mutmaßte, dass die Beschwerdeführerin dies alles inszeniert habe, um sich des Hauses W zu bemächtigen, ist wohl sehr weit hergeholt, da die vermögensrechtliche Aufteilung in keinem unmittelbaren Konnex zu dem Vorfall steht und von Seiten der Beschwerdeführerin durchaus rechtliche Schritte gesetzt werden können, um ihre Ansprüche zu befriedigen. Dass die Zeugin E R bei ihrem Notruf zur Polizei nur ihren Mann erwähnte und von der Verletzung der Beschwerdeführerin keine Mitteilung machte, ist durchaus verständlich, da ihr primäres Anliegen ihrem Mann galt, der die Tochter der Beschwerdeführerin aus dem Haus W abholte. Im Übrigen hatte die Beschwerdeführerin zu dem Zeitpunkt den Vorfall noch nicht in allen Einzelheiten geschildert und wurde der Nasenbeinbruch auch erst später diagnostiziert. Dass ein Nasenbeinbruch auch auf andere Art als durch Gewaltanwendung - wie die belangte Behörde nach Rücksprache mit Dr. O vom Landeskrankenhaus F ausführt - zu Stande kommen kann, bedarf keiner weiteren Erörterung. Daraus jedoch die Schlussfolgerung zu ziehen, dass der Nasenbeinbruch ohne Gewalteinwirkung bei der Beschwerdeführerin hervorgerufen wurde, ist bei den vorliegenden Indizien mit den logischen Denkgesetzen nicht mehr vereinbar. Die belangte Behörde geht fehl, wenn sie nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Verletzung auf eine Gewalteinwirkung durch den Zeugen C F zurückführen konnte und daher von keinem vorangegangenen gefährlichen Angriff im Sinne des § 38a Abs 1 SPG ausging. Im Rahmen einer Beweiswürdigung ist eine Tatsache nicht erst dann als erwiesen anzunehmen, wenn sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erweislich ist. Es genügt, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. In Anbetracht sämtlicher der der belangten Behörde zur Verfügung stehenden Unterlagen kann wohl nur davon ausgegangen werden, dass der Nasenbeinbruch durch die Gewalteinwirkung von C F herrührte. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beschwerdeführerin keine anderen Verletzungen als den Nasenbeinbruch und die Perle im Ohr hatte. Gerade in Anbetracht der Schilderung der Tätlichkeiten des C F von Seiten der Beschwerdeführerin hätte die belangte Behörde hierüber keine Zweifel haben müssen. Letztendlich ist das Argument, dass C F weder vor der Polizei, noch während des gesamten Überprüfungsverfahrens jemals aggressiv war bzw aggressive Äußerungen von sich gegeben hat, noch kein Indiz, das den Schluss zulässt, dass er gegenüber seiner geschiedenen Frau nicht gewalttätig gewesen wäre. III. Die Rechtsbeurteilung ergibt Folgendes: 1. Gemäß § 88 Abs 1 SPG erkennen die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art. 129a Abs 1 Z 2 B-VG). Gemäß Abs 2 leg cit erkennen die Unabhängigen Verwaltungssenate außerdem über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark entscheidet gemäß § 88 Abs 4 SPG über die Beschwerden gemäß Abs 1 oder Abs 2 durch eines seiner Mitglieder. Im Übrigen gelten die §§ 67c bis 67g und 79a AVG. Die Beschwerde wegen Aufhebung des Betretungsverbotes langte am 9. September 2005 (persönliche Einbringung) beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark ein, wodurch die sechswöchige Beschwerdefrist gemäß § 67c Abs 1 AVG gewahrt wurde. Auch ist die örtliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark gegeben, da die von der Beamtin der Bezirkshauptmannschaft F vorgenommene Handlung im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark durchgeführt wurde. 2. Vorab ist die Frage zu klären, ob der Beschwerdeführerin als gefährdete Person im Verfahren gemäß § 38a SPG ein Beschwerderecht zusteht. Die Beschwerdeführerin war zwar nicht unmittelbare Adressatin des sicherheitsbehördlichen Befehls, sodass sich die Beschwerde auf die Generalklausel des § 88 Abs 2 SPG stützt. Die Aufhebung des Betretungsverbotes greift sehr wohl in die Privatsphäre der Beschwerdeführerin im Sinne des Art. 8 EMRK ein. Durch die Mitteilung an die Beschwerdeführerin am 30. Juli 2005 um 21.00 Uhr durch Beamte der Polizeiinspektion F, dass das Betretungsverbot aufgehoben wurde und die Ausfolgung der Hausschlüssel an C F am 31. Juli 2005, wurde die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Achtung des Familienlebens gestört. Durch die Rückkehrmöglichkeit des gewaltbereiten Mitbewohners C F in das Haus der Beschwerdeführerin war es wohl offenkundig, dass es zu einer Störung des Familienlebens gekommen ist und hat die Beschwerdeführerin noch am 30. Juli 2005 ihre Wohnstätte W in F verlassen, um nicht einen möglichen weiteren gefährlichen Angriff zu begegnen. Somit steht außer Zweifel, dass durch die Aufhebung des Betretungsverbotes die Beschwerdeführerin in ihren Rechten verletzt worden ist (§ 88 Abs 2 SPG). Gemäß § 38 Abs 1 SPG ist auf Grund bestimmter Tatsache, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen, es stehe ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevor, so sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Menschen, von dem Gefahr ausgeht, aus seiner Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, und deren unmittelbarer Umgebung wegzuweisen. Sie haben ihm zur Kenntnis zu bringen, auf welchen räumlichen Bereich sich die Wegweisung bezieht; dieser Bereich ist nach Maßgabe der Erfordernisse eines wirkungsvollen vorbeugenden Schutzes zu bestimmen. Gemäß § 38a Abs 6 leg cit ist die Anordnung eines Betretungsverbotes der Sicherheitsbehörde unverzüglich bekannt zu geben und von dieser binnen 48 Stunden zu überprüfen. Hiezu kann die Sicherheitsbehörde alle Einrichtungen und Stellen beiziehen, die zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beitragen können. Die Bezirksverwaltungsbehörde als Sicherheitsbehörde kann überdies die im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Ärzte heranziehen. Stellt die Sicherheitsbehörde fest, dass die Voraussetzungen für die Anordnung des Betretungsverbotes nicht bestehen, so hat sie dieses dem Betroffenen gegenüber unverzüglich aufzuheben; der Gefährdete ist unverzüglich darüber zu informieren, dass das Betretungsverbot aufgehoben werde; die Aufhebung des Betretungsverbotes sowie die Information des Gefährdeten haben nach Möglichkeit mündlich oder telefonisch durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder schriftlich durch persönliche Übergabe zu erfolgen. Die nach Abs 2 abgenommenen Schlüssel sind mit der Aufhebung des Betretungsverbotes dem Betroffenen auszufolgen, im Fall eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO bei Gericht zu erlegen. Eine Wegweisung nach § 38a Abs 1 SPG hat die Voraussetzung, dass eine bestimmte Tatsache vorliegt, wonach man von einer Prognose eines bevorstehenden, gefährlichen Angriffes auf Leben, Gesundheit oder Freiheit der gefährdeten Person ausgehen kann. Die Polizisten der Polizeiinspektion F stellten, nachdem die Beschwerdeführerin eine Schilderung des Vorfalles abgab, den Verdacht eines gefährlichen Angriffes im Sinne des § 16 Abs 2 Z 1 SPG fest und mündete dies in der Erlassung eines Betretungsverbotes nach dem SPG am 25. Juli 2005 gegenüber C F. C F wurden die Schlüssel abgenommen. Zudem wurde eine Strafanzeige, an das Bezirksgericht F wegen Verdachtes eines Deliktes nach § 83 StGB am 26. Juli 2005 erstattet. Der belangten Behörde wurde das Betretungsverbot am 25. Juli 2005 unverzüglich mitgeteilt. Die Kontrollpflicht der Sicherheitsbehörde im Sinne des § 38a Abs 6 SPG führt nicht zur Einleitung eines Bescheidverfahrens - inklusive Ermittlungspflicht -, sondern soll sich auf die Kommunikation zwischen den Behörden beschränken. Überprüft werden die für die Anordnung normierten Voraussetzungen, deren Vorliegen zu jedem Zeitpunkt Voraussetzung für ein gesetzmäßiges Weitergelten des Betretungsverbotes ist. Insbesondere ist bei der Überprüfung davon auszugehen, ob von einer vertretbaren Annahme einer Gefahrensituation ausgegangen wurde bzw dass die Sicherheitsbehörde unter Nutzung der ihr offen stehenden Informationsquellen die getroffene Gefahrenprognose der einschreitenden Beamten teilt. Der Sicherheitsbehörde stand es frei, dass die nachprüfende Kontrolle nicht nur innerhalb der ersten 48 Stunden, sondern auch danach eine Aufhebung des Betretungsverbotes zur Folge hatte. Die in § 38a Abs 1 SPG bestimmten Tatsachen müssen bestimmte Annahmen rechtfertigen, das heißt, auf Grundlage des bekannten Vorfalles müssen plausible und nachvollziehbar bestimmte künftigen Verhaltensweisen erwartet werden können. Es ist also eine Prognose (auf Grundlage der allgemeinen Lebenserfahrung und der besonderen Erfahrungswerte der Polizeibehörden) vorzunehmen, wobei ein gefährlicher Angriff in der Vergangenheit alleine daher noch nicht ausreicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0003). Auf Grund der Tatsachen muss mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass ein gefährlicher Angriff (§ 16 Abs 2 und 3 SPG) auf Leben, Gesundheit oder Freiheit (nicht auch andere Rechtsgüter) durch den Gefährder bevorstehe. Nur die Gefahr eines gefährlichen Angriffes rechtfertigt die Befugnisausübung, insbesondere drohende, bloße Belästigungen, unter der Schwelle eines gefährlichen Angriffes reichen daher nicht aus (VwGH 24.02.2004, 2002/01/0280; Hauer - Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, 3. Auflage. S. 402). Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin erst einen Tag nach dem bereits erfolgten gefährlichen Angriff die Anzeige erstattete, hindert nicht die Anwendung der Befugnisse nach § 38a SPG. Einer verspäteten Anzeigenerstattung kommt zwar wesentliche Bedeutung zu, jedoch ist auf die bis dorthin gegebenen Lebensumstände der betroffenen Person Rücksicht zu nehmen. Es wäre darauf Augenmerk zu legen, ob die betroffene Person mit dem Gefährder zwischenzeitig zusammengelebt hat und auch realistisch die Möglichkeit hatte, eine Polizeiintervention zu erwirken. Oftmals ist es so, dass sich die gefährdete Person nach der erlittenen Gewalt deshalb nicht sofort an die Exekutive wendet, da sie unmittelbar nach der Tat oft nicht in der Lage ist, externe Hilfe zu suchen. In der ersten Phase nach der Tat dominieren Angst, Verwirrung und Lethargie. Erst wenn sich sozusagen die Emotionen legen, können in der gefährdeten Person Einsicht und Entschluss reifen, dass es so nicht weitergeht und dass es Hilfe der Exekutive bedarf. In der Literatur wird auch darauf hingewiesen, dass das emotionale Erleben von Frauen, die Opfer männlicher Gewalt geworden sind, Ähnlichkeiten mit der Reaktion von Katastrophenopfern aufweisen, die für eine Dauer von bis zu 48 Stunden einen emotionalen Kollaps erleiden und in Teilnahmslosigkeit, Depression und Gefühle der Hilflosigkeit verfallen. In gleicher Weise fehlt Frauen unmittelbar nach einer schweren Gewalttat ein Zugang zu ihren Gefühlen und erst recht der Glaube, es könne ihnen jemand helfen. Daher kann eine Verzögerung der Anzeige von einem Tag gerade ein Indiz für die Schwere der erlittenen Gewalt sein (siehe auch Dearing/Haller, Schutz vor Gewalt in der Familie, Juristische Schriftenreihe Band 210, S. 117f). Zu dem kommt noch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin am 25. Juli 2005 nach dem Aufsuchen des Landeskrankenhaus F auf Grund der Schmerzen Medikamente einnahm und - wie sie selbst angibt - fast den ganzen Tag im Bett verbrachte. Diese Überlegungen hat die belangte Behörde überhaupt nicht in Betracht gezogen. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Betretungsverbotes (§ 38a SPG) ist auch eine ex ante Sichtweise des Organs der belangten Behörde für die Gefährlichkeitsprognose heranzuziehen. Die belangte Behörde war am 30. Juli 2005 neben dem bereits diagnostizierten Nasenbeinbruch auch in Kenntnis bzw hätte die Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Perle im Gehörgang gehabt (dies war bereits zu dem Augenblick durch die Behandlung im Landeskrankenhaus G geklärt), welche durch den Kampf herrührte. Somit lag ein vorangegangener gefährlicher Angriff vor und lag wohl die Prognose nahe, dass bei Rückkehr des

C F in die gemeinsame Wohnung ein neuerlicher gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit der Beschwerdeführerin bevorstehen könnte. Es liegt im Bereich der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine gewalttätige Person im Familienkreis zu neuerlicher Ausübung von körperlicher Gewalt neigt. Gerade dieser Gefahr wollte der Gesetzgeber durch die Maßnahmen des § 38a SPG begegnen. Die Beschwerdeführerin hat auch, nachdem dem C F wiederum die Schlüssel am 30. Juli 2005 ausgehändigt wurden, das Haus W verlassen und anderweitig Unterkunft genommen. Die Aufhebung des Betretungsverbotes am 30. Juli 2005 durch die Bezirkshauptmannschaft F in der Art und Weise, dass C F von der Polizeiinspektion F von der Aufhebung des Betretungsverbotes in Kenntnis gesetzt wurde und er am 31. Juli 2005 die Hausschlüssel übernahm, entbehrt jeglicher Grundlage und war rechtswidrig. Hiebei war bei der ex ante Beurteilung der Beschluss des Bezirksgerichtes F vom 10. August 2005, ohne Relevanz. IV. Als Kosten wurden gemäß § 79a AVG in Verbindung mit der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II 2003/334, der Beschwerdeführerin ein Betrag von ? 1.521,60 zugesprochen. Der Beschwerdeführerin gebührt ? 660,80 als Schriftsatzaufwand, ?

826,00 als Verhandlungsaufwand und ? 34,80 als Stempelgebührenersatz.

Schlagworte
Betretungsverbot Aufhebung Familienleben Beweiswürdigung gefährlicher Angriff
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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