TE UVS Tirol 2006/03/29 2005/28/1009-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.03.2006
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Mag. Bettina Weißgatterer über die Berufung des Herrn W. D., vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. H. K., Dr. E. S., Dr. E. R. K., Dr. Simon T., XY-Straße, I. gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 02.03.2005, Zahl VK-5352-2004, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung, wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

 

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 20 Prozent der verhängten Strafe, das sind Euro 16,00, zu bezahlen.

Text

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 02.03.2005, GZ VK-5352-2004, wurde dem Berufungswerber spruchgemäß nachstehender Sachverhalt vorgeworfen:

 

?Tatzeit: 19.03.2004, 00.15 Uhr

Tator: A 12, Gemeinde Angath, km 0015.200

Fahrzeug: Personenkraftwagen, XY

 

Sie haben die gem § 1 lit c der Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 02.11.1989, BGBl Nr 527/1989 auf der A-12 Inntalautobahn/A-13 Brennerautobahn in der Zeit von 22.00 Uhr bis 05.00 Uhr für Lenker von Personenkraftwagen und Motorrädern erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h erheblich überschritten.

 

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 99 Abs 3 lit a StVO iVm der zitierten Verordnung

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über ihn folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von Euro, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von, gemäß

1. 80,00, 36 Stunden, § 99 Abs 3 lit a StVO?

 

Dagegen erhob der Berufungswerber fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung und führte in dieser aus wie folgt:

?In umseitiger Rechtssache erhebt der Beschuldigte innerhalb offener Frist von 2 Wochen gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein VK-5352-2004, vom 02.03.2005, zugestellt am 09.03.2005, Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol. Der Bescheid wird vollinhaltlich angefochten. Als Berufungsgründe geltend gemacht werden wesentliche Verfahrensmängel, unrichtige bzw unvollständige Sachverhaltsfeststellungen in Folge unrichtiger Beweiswürdigung, unrichtige rechtliche Beurteilung und inhaltliche Rechtswidrigkeit.

 

Im Einzelnen wird hierzu ausgeführt wie folgt:

1.

Mit Straferkenntnis vom 02.03.2005 wird dem Beschuldigten seitens der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vorgeworfen, er habe am 19.03.2004 um 00:15 Uhr auf der A 12, Gemeinde Angath, bei Km 0015.200 mit dem Personenkraftwagen (D) XY ein Verwaltungsübertretung begangen.

 

Konkret wird dem Beschuldigten vorgeworfen, zur oben genannten Zeit am oben genannten Ort mit oben genanntem Personenkraftwagen die gemäß § 1 lit c der Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 02.11.1989, BGBl Nr 527/1989 auf der A 12 Inntalautobahn/A 13 Brennerautobahn in der Zeit von 22:00 Uhr bis 05:00 Uhr für Lenker von Personenkraftwagen und Motorrädern erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h erheblich überschritten zu haben. Er habe dadurch die Rechtsvorschriften des § 99 Abs 3 lit a StVO in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 527/1989 verletzt.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschuldigten eine Geldstrafe von Euro 80,00, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO verhängt.

 

2.

Die Vorwürfe gegen den Beschuldigten im Straferkenntnis treffen nicht zu. Diese werden bestritten.

Unrichtig ist die Feststellung, der Beschuldigte hätte die erlaubte Höchstgeschwindigkeit erheblich überschritten. Tatsächlich hat der Beschuldigte in der fraglichen Zeit am fraglichen Ort den Tempomat seines Personenkraftwagens eingestellt. Dieser Tempomat war auf eine Höchstgeschwindigkeit von 130 Km/h eingestellt. Allein diese Tatsache macht deutlich, dass der Vorwurf, der Beschuldigte hätte die erlaubte Höchstgeschwindigkeit erheblich überschritten, ins Leere geht. Ein Tempomat begrenzt nämlich die gefahrene Höchstgeschwindigkeit auf den eingestellten Wert.

Beweis: Beschuldigtenvernehmung

ZV A. D., p.A. des Beschuldigten

Gutachten aus dem Bereich Kfz-Technik

Weitere Beweise in Vorbehalt

 

3.

Den Angaben der Exekutivbeamten der Autogendarmerie Wiesing folgend, stellt die Behörde fest, dass der Tiefenabstand zwischen dem Pkw des Beschuldigten und dem Gendarmeriefahrzeug ca 100 Meter betragen habe. Unbeschadet dessen, dass bei dem Vorwurf, der dem Beschuldigten gemacht wird, eine bloß ungefähre Angabe des Tiefenabstandes nicht hinreicht, ist dies auch nicht richtig. Das Gendarmeriefahrzeug näherte sich dem Pkw des Beschuldigten von hinten mit sehr hoher Geschwindigkeit. Dabei ist es selbstverständlich und natürlich, dass sich der Tiefenabstand zwischen den beiden Fahrzeugen in kurzer Zeit erheblich verringert. Dies vor allem deshalb, da der Beschuldigte die mittels seines Tempomaten festgesetzte Geschwindigkeit einhielt. Daher wird der festgestellte Tiefenabstand bestritten.

 

Beweis: Beschuldigtenvernehmung

ZV: A. D.

Weitere Beweise in Vorbehalt

 

4.

Weiters bestritten wird, dass die Strecke, auf der das Gendarmeriefahrzeug dem Pkw des Beschuldigten nachgefahren ist, 500 Meter betragen habe. In Wahrheit war die Strecke wesentlich länger. Dadurch, dass der Beschuldigte mit seiner durch Tempomat festgesetzten Geschwindigkeit den Gendarmeriebeamten über eine längere Strecke vorausgefahren ist und diese ihn schließlich einholten erhellt zusätzlich, dass das Gendarmeriefahrzeug mit einer wesentlich höheren Geschwindigkeit als der Beschuldigte gefahren ist.

Beweis: wie vor

 

5.

Es wird bestritten, dass ohne geeichten Tachometer eine, zumal erhebliche, Geschwindigkeitsübertretung, gemessen werden kann. Dies ist schon aus tatsächlichen Gründen unmöglich. Darauf wird aber noch im Rahmen der Rüge der rechtlichen Beurteilung einzugehen sein.

Beweis: wie vor

 

6.

Dieser wahre Sachverhalt wäre zu Tage getreten, wären diese Beweise aufgenommen, die der Beschuldigte bereits in seinen bisherigen Stellungnahmen angeboten hat, nämlich insbesondere die Vernehmung des Beschuldigten, der Zeugin A. D., sowie ein Kfz-technisches Gutachten.

Dem gegenüber sind die Aussagen der Gendarmeriebeamten aus den geschilderten Gründen nicht verwertbar. Damit bleibt das Straferkenntnis allerdings mangelhaft, da die vorliegenden Beweise einer unrichtigen Würdigung unterzogen wurden.

 

7.

Selbst wenn, was nach wie vor bestritten wird, von dem durch die Behörde festgestellten Sachverhalt auszugehen wäre, stellt sich die rechtliche Beurteilung als mangelhaft und unrichtig dar:

Nach § 44 Abs 1 StVO sind die im § 43 bezeichneten Verordnungen durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk nach § 16 AVG festzuhalten. Parteien im Sinne des § 8 AVG ist die Einsicht in einen solchen Aktenvermerk und die Abschriftnahme zu gestatten. Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im § 43 bezeichneten Verordnungen kommen unter anderem Vorschriftszeichen in Betracht. Gemäß § 43 Abs 1 StVO hat die Behörde für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen, Maß, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen und dergleichen zu erlassen.

Gemäß § 43 Abs 2 StVO hat die Behörde durch Verordnung für bestimmte Gebiete Straßen oder Straßenstrecken für alle oder für bestimmte Fahrzeugarten oder für die Fahrzeuge mit bestimmten Ladungen dauernde oder zeitweise Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote zur Fernhaltung von Gefahren oder Belästigungen, insbesondere durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe zu erlassen.

Die Zusammenschau der zitierten Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung mit den tatsächlichen Verhältnissen am fraglichen Ort zur fraglichen Zeit ergeben, dass die behauptete Geschwindigkeitsbeschränkung nicht ordnungsgemäß kundgemacht wurde. Die erlaubte Höchstgeschwindigkeit wurde weder durch Straßenverkehrszeichen noch durch Bodenmarkierungen kundgemacht. Ferner ist dem Beschuldigten kein Aktenvermerk über die Anbringung bekannt.

 

Daraus folgt aber, dass der Beschuldigte nicht einmal fahrlässig im Sinne des § 5 VStG gehandelt hat. Zum einen kann ihm kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass die Verordnung BGBI 527/1989 nicht dem § 44 Abs 1 StVO entsprechend ordnungsgemäß kundgemacht wurde, zum anderen wurden die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht eines ausländischen Fahrzeuglenkers durch die Behörde I. Instanz erheblich überspannt. Es ist einem solchen nämlich nicht zuzumuten, jede Verordnung im österreichischem Rechtsbestand zu kennen, zumal wenn diese nicht einmal ordnungsgemäß kundgemacht wurde.

 

Zur Frage des Ausmaßes der objektiven Sorgfaltspflicht hat der VwGH bereits wiederholt ausgesprochen, dass der hierfür geltende Maßstab ein objektiv normativer ist. Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig hat der Täter folglich nur dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte (VwGH 12.06.1989 SIg 12947 A-25, 1996, 95/17/0168).

 

Diesem Rechtssatz folgend kann der Verkehrskreis, dem der Handelnde im konkreten Fall angehört, wohl nicht ein Fahrzeuglenker schlechthin sein, sondern eben ein ausländischer Fahrzeuglenker. Es lag auch keine atypische Situation vor, in welcher die Rechtsprechung ein erhöhtes Maß an Sorgfalt verlangt. Die Tatsache, dass auf heimischen Autobahnen in der Zeit zwischen 22:00 und 5:00 Uhr eine erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 110 Km/h gilt, ist für einen ausländischen Fahrzeuglenker, der die objektive Sorgfaltspflicht walten lässt, nicht ohne weiteres ersichtlich. Hierzu spricht der Verwaltungsgerichtshof (Erk v 12.06.1989, SIg 12947 A) aus, dass nicht schon die Versäumung bloßer Sorgfaltsmöglichkeiten, sondern die Verletzung solcher Sorgfaltpflichten, die die Rechtsordnung nach den gesamten Umständen des Falles vernünftigerweise auferlegen darf, das Wesen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit ausmacht. Im konkreten Fall handelt es sich eben nicht um eine Verletzung solcher Sorgfaltspflichten, die die Rechtsordnung nach den gesamten Umständen des Falles vernünftigerweise auferlegen darf.

 

8.

Des weiteren ist aus dem Spruch des Straferkenntnisses nicht ersichtlich, die Übertretung welcher konkreten Vorschrift der Verordnung BGBl Nr 527/1989, welche aus drei Paragraphen besteht, dem Beschuldigten vorgeworfen wird. Diesbezüglich ist das Straferkenntnis nicht nachvollziehbar und inhaltlich rechtswidrig

 

9.

Der Spruch eines Straferkenntnisses muss, um den Anforderungen des § 44 a VStG zu genügen, die materiell-rechtliche Grundlage, auf Grund derer eine Verordnung erlassen wird, anführen. Diesfalls führt der Spruch des Straferkenntnisses aber weder § 43 noch § 44 StVO an, auf welchen die Verordnung BGBI 527/1989 beruht.

Es ist primär jene Gesetzesstelle zu zitieren, die die Nichtbefolgung unter Strafe stellt. Auch die Nennung einer bloßen Blankettnorm , die Zuwiderhandeln gegen ein bestimmtes Gesetz oder eine aufgrund dieses Gesetzes erlassene Verordnung unter Strafe stellt, kann nicht genügen, es ist die entsprechende Gebots- oder Verbotsnorm mitzuzitieren. Es ist notwendig, jene Bestimmung, die das Verhalten ausdrücklich als Übertretung erklärt, als verletzte Verwaltungsvorschrift anzuführen. Demgegenüber wurde im Straferkenntnis als verletzte Rechtsvorschrift lediglich § 99 (3) lit a StVO zitiert. Bei § 99 (3) lit a StVO handelt es sich aber lediglich um eine Blankostrafvorschrift, die selbst keinen Tatbestand enthält, sondern auf andere Vorschriften verweist.

 

Damit hat die Behörde I. Instanz das Straferkenntnis aber mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

 

§ 99 (3) lit a StVO lautet:

Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu Euro 726,00, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs 1, la, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.

 

Aus dem Spruch des Straferkenntnisses geht nicht hervor, aufgrund welcher Eigenschaft dem Beschuldigten die Verwaltungsübertretung vorgeworfen wurde. Diese bildet aber ein wesentliches Tatbestandsmerkmal des § 99 (3) lit a StVO.

 

In einem ähnlich gelagerten Fall führte der UVS dazu kürzlich aus:

Gemäß § 44 a Z 1 VStG ist die als erwiesen angenommenen Tat im Spruch anzuführen. Ein wesentliches Tatbestandsmerkmal der Verwaltungsübertretung (hier: nach § 20 Abs 2 StVO ist, dass der Beschuldigte die Geschwindigkeitsübertretung in seiner Eigenschaft als Lenker eines Fahrzeuges begangen hat. Dies wurde dem Berufungswerber aber zu keinem Zeitpunkt vorgeworfen. Im Zusammenhang mit gegenständlicher Verwaltungsübertretung muss eine Verfolgungshandlung jedoch den Vorwurf an den Beschuldigten umfassen, die Übertretung in seiner Eigenschaft als Lenker begangen zu haben (UVS, 08.03.2005, uvs - 2004/15/126-3).

 

Auch für eine Bestrafung aufgrund einer Übertretung der VO BGBI 527/1998 ist die Lenkereigenschaft des Beschuldigten Voraussetzung und ist diese Tatbestandsmerkmal:

 

§ 1. Zur Sicherung des Verkehrs und zur Fernhaltung von Gefahren ...wird für den Bereich der nachstehend angeführten Autobahnen in der Zeit von 22:00 Uhr bis 05:00 Uhr, die erlaubte Höchstgeschwindigkeit ...

...

c) für die Lenker der übrigen Kraftfahrzeuge mit 110 km/h festgesetzt:....

 

Aus obigen Gründen wird gestellt der Antrag:

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol möge eine Berufungsverhandlung anberaumen,

2.

die angebotenen Beweise aufnehmen, sowie

3.

das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschuldigten gem § 45 VStG einstellen.?

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat in der gegenständlichen Angelegenheit erwogen wie folgt:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den gesamten erstinstanzlichen Akt und die dagegen erhobene Berufung, auf Grund des Schreibens des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 27.04.2005, auf Grund Einsichtnahme in das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 02.03.2005 samt Beilagen, auf Grund Einsichtnahme in das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 24.05.2005, auf Grund Einsichtnahme in die Verwaltungsvorstrafen des Berufungswerbers, auf Grund Einsichtnahme in die Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 02.11.1989 sowie auf Grund Durchführung einer öffentlich mündlichen Berufungsverhandlung vom 22.03.2006 und auf Grund Einsichtnahme in die Mitteilung des Berufungswerbers vom 14.03.2006.

 

Der Berufung kommt aus folgenden Gründen keine Berechtigung zu:

Aus der Anzeige der Verkehrsabteilung, Außenstelle Wiesing vom 22.03.2004 geht zusammengefasst hervor, dass der Berufungswerber mit seinem Fahrzeug, Audi 4 B, Personenkraftwagen, mit dem behördlichen Kennzeichen XY am 19.03.2004 um 00.15 Uhr auf der A 12 im Gemeindegebiet von Angath, Autobahnfreiland, Strkm 15,200 in Fahrtrichtung Innsbruck unterwegs war. Dabei lenkte der Berufungswerber sein Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 150 km/h (nach Abzug der Verkehrsfehlergrenze), wobei lediglich eine Geschwindigkeit von 110 km/h erlaubt ist. Dies im Bereich von km 15,200 bis km 17,300. Die Geschwindigkeitsübertretung wurde mit dem Dienstfahrzeug VW Sharan, XY, festgestellt. Der Lenker des Dienstfahrzeuges war der Zeuge GI L. Weiters im Dienstfahrzeug befand sich RI B.

 

Der Berufungswerber gab vor Ort an, dass ?er lediglich eine Geschwindigkeit von maximal 140 km/h gelenkt hat und ihm seine Frau, welche Tirolerin ist, gesagt hätte, dass er in Österreich auf der Autobahn 130 km/h fahren dürfe.?

 

In den seitens der Erstbehörde eingeholten Stellungnahmen bei den amtshandelnden Polizeibeamten wurde ausgeführt, dass diese dem PKW-Lenker auf einer Strecke von ca 500 m mit einer Geschwindigkeit von 165 km/h nachgefahren sind. Weiters wurde in der Stellungnahme vom 21.11.2004 ausgeführt, dass der Tiefenabstand ca 100 m betrug und hat sich der Abstand in diesem Bereich zum gemessenen Fahrzeug nicht verringert. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt das Nachfahren mit einem Dienstfahrzeug in gleich bleibenden Abstand von ca 50 m auf einer Wegstrecke von mindestens 300 m grundsätzlich ein taugliches und zulässiges Beweismittel zur Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung dar, wobei es ohne Bedeutung ist, dass der Tachomat des Streifenwagens nicht geeicht ist, insbesondere wenn es sich um eine beträchtliche Geschwindigkeitsüberschreitung handelte.

 

Ferner geht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon aus, dass bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 20 km/h bis 40 km/h, auch bei Einrechnung einer allgemein üblichen Toleranz für ungeeichte Tachometer jedenfalls eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit als gegeben anzusehen. Eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ? wie im gegenständlichen Fall - von 40 km/h ist jedenfalls eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung.

 

Der Antrag auf Einholung eines KFZ-technischen Gutachtens konnte abgewiesen werden, zumal der gestellte Antrag einen Erkundungsbeweis darstellt, bei welchem die Behörde nicht verpflichtet ist, diesen Erkundungsbeweis aufzunehmen.

Aus der Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 02.11.1989 über Geschwindigkeitsbeschränkungen auf bestimmten Autobahnen zur Nachtzeit geht hervor wie folgt:

Auf Grund des § 43 Abs 1 und 2 lit a StVO 1960, BGBl Nr 159, wird verordnet:

 

§ 1. Zur Sicherheit des Verkehrs und zur Fernhaltung von Gefahren und Belästigungen, insbesondere durch Lärm und Schadstoffe, wird für den Bereich der nachstehend angeführten Autobahnen in der Zeit von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr die erlaubte Höchstgeschwindigkeit

a) für die Lenker von Lastkraftfahrzeugen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t mit 60 km/h,

b)

für die Lenker von Omnibussen mit 90 km/h und

c)

für die Lenker der übrigen Kraftfahrzeuge mit 110 km/h festgesetzt:

1.

Innkreisautobahn A 8 im gesamten Bereich;

2.

Pyhrnautobahn A 9 im gesamten Bereich,

ausgenommen Bosruck- und Gleinalmtunnel;

3.

Tauernautobahn A 10 im gesamten Bereich,

ausgenommen Tauern- und Katschbergtunnel;

4.

Inntalautobahn A 12 im gesamten Bereich;

5.

Brennerautobahn A 13 im gesamten Bereich;

6.

Rheintalautobahn A 14 im gesamten Bereich.

 

§ 2. Rechtsvorschriften, mit denen geringere als die oben angeführten Fahrgeschwindigkeiten angeordnet werden, bleiben unberührt.

 

§ 3. Diese Verordnung tritt mit 1. Dezember 1989, 22.00 Uhr, in Kraft. Mit diesem Zeitpunkt wird die Verordnung vom 22. November 1988, Zl 610.800/4-I/6-1988, über eine Geschwindigkeitsbeschränkung für bestimmte Kraftfahrzeuge während der Nacht auf der Inntalautobahn und der Brennerautobahn aufgehoben.

 

Gemäß §44 Abs 1 StVO sind die im §43 bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit der Anbringung dieser Zeichen in Kraft. .....

§44 Abs 2 StVO besagt: Lässt sich der Inhalt einer Verordnung (§ 43) des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr (nunmehr: für Verkehr, Innovation und Technologie) durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen nicht ausdrücken oder bezieht sich auf das ganze Bundesgebiet, so gelten für die Kundmachung die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften. Das gleiche gilt für Verordnungen (§ 43) einer Landesregierung sinngemäß. Die gegenständliche Verordnung trat daher mit Verlautbarung im Bundesgesetzblatt in Kraft.

 

Zum Einwand des Berufungswerbers, dass als Tatbestandsmerkmal ?der Lenker? angeführt werden hätte müssen, wird ausgeführt wie folgt:

Aus dem gegenständlichen Straferkenntnis ist ersichtlich, dass es sich um einen Personenkraftwagen handelte und des Weiteren, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung ausschließlich für Lenker von Personenkraftwagen anzuwenden ist. Es war daher jedenfalls davon auszugehen, dass der Berufungswerber als Lenker des gegenständlichen Personenkraftwagens gemeint war und es sich weder um einen Fußgänger noch um einen Reiter noch um einen Treiber von Vieh handeln hat können.

 

Was die innere Tatseite anbelangt ist festzuhalten, dass es sich bei der dem Berufungswerber angelasteten Verwaltungsübertretung um ein sogenanntes ?Ungehorsamsdelikt? handelt, weil zum Tatbestand der betreffenden Verwaltungsübertretung weder der Eintritt eines Schadens noch der Eintritt einer Gefahr gehören. Für derartige Delikte sieht § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG vor, dass Fahrlässigkeit anzunehmen ist, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Glaubhaftmachung bedeutet dabei, dass die Richtigkeit einer Tatsache wahrscheinlich gemacht wird. Der Beschuldigte hat initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Er hat also ein geeignetes Tatsachenvorbringen zu erstatten und entsprechende Beweismittel vorzulegen oder konkrete Beweisanträge zu stellen. Diese Glaubhaftmachung ist dem Berufungswerber nicht gelungen.

 

Wenn der Berufungswerber ausführt, dass er sich in diesem Zusammenhang auf die Aussage seiner Frau verlassen hat, so ist für ihn damit nichts zu gewinnen.

 

Nach § 5 Abs 2 VStG ist nämlich die Unkenntnis der übertretenen Verwaltungsvorschrift nur dann unbeachtlich, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Wie nun aber der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, muss sich ein Fahrzeuglenker über die Vorschriften, die er bei der Teilnahme am Straßenverkehr in Österreich zu beachten hat, ausreichend informieren, was der Berufungswerber offensichtlich unterlassen hat.

 

Insgesamt geht die Berufungsbehörde daher davon aus, dass der Berufungswerber die ihm vorgeworfene Tat sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht zu verantworten hat.

 

Nach § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Nach § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Mildernd war die bisherige Unbescholtenheit des Berufungswerbers zu werten; erschwerend kam kein Umstand hinzu. Der Berufungswerber ist selbständiger Tischlermeister und bezieht aus seinem Unternehmen monatlich ca Euro 4.000,00. Er ist sorgepflichtig für zwei Kinder und hat Schulden in der Höhe von ca Euro 350.000,00. Die einschlägige Strafbestimmung sieht eine Bestrafung bis zu einem Betrag von Euro 726,00 vor, weshalb die über den Berufungswerber verhängte Geldstrafe ohnehin im untersten Bereich angesiedelt und daher nach Ansicht der Berufungsbehörde tat- und schuldangemessen ist.

 

Die Voraussetzung des § 20 VStG liegen bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des zur Last gelegten Verhaltens nicht vor. Für die Anwendung des § 21 Abs 1 VStG fand sich kein Raum, zumal nicht davon gesprochen werden kann, dass das Verschulden des Berufungswerbers geringfügig im Sinne dieser Gesetzesbestimmung gewesen wäre und die Folgen der Übertretung unbedeutend waren.

Insgesamt war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ferner, geht, die, Rechtsprechung, davon, aus, dass, bei, einer Geschwindigkeitsüberschreitung, von, 20 km/h, bis 40 km/h, auch, bei, Einrechnung, einer, allgemein, üblichen, Toleranz, für, ungeeichte, Tachometer, jedenfalls, eine, Überschreitung, der, zulässigen, Höchstgeschwindigkeit, als, gegeben, anzusehen
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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