TE UVS Wien 2006/04/25 07/A/36/1349/2006

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Veröffentlicht am 25.04.2006
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag. Fritz über die Berufung des Herrn Josef F, vertreten durch Herrn Dr. Kilian Sch, c/o S-AG, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 19. Bezirk, vom 23.1.2006, Zl. MBA 19 - S 3148/05, betreffend Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes,  entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

Gemäß § 65 VStG wird dem Berufungswerber kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Text

Der Berufungswerber (Bw) war unbestrittenermaßen zur Tatzeit (neben Herrn Ing. Ernst L) handelsrechtlicher Geschäftsführer der M-Bau-Schlosserei GmbH (in der Folge kurz: M-GmbH) mit dem Sitz in Wien, B-straße.

Nach Lage der Akten des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahrens erstattete die Bundespolizeidirektion Wien am 19.4.2004 Anzeige gegen einen namentlich genannten ungarischen Staatsbürger wegen Verdachtes der Ausübung einer Beschäftigung im Bundesgebiet gemäß § 3 Abs 2 AuslBG. Es sei ? so heißt es in der Sachverhaltsdarstellung - am 19.4.2004 um

10.50 Uhr in Wien, A-straße, unter der Leitung des Finanzamtes für den 12. und 14. Bezirk eine Baustellenkontrolle durchgeführt worden. Dabei hätten Titusz P und Tamas Fr im 4. Stock angetroffen werden können, als sie gerade mit Ausmessungsarbeiten an der Außenseite des Gebäudes

beschäftigt gewesen seien. Sie hätten sinngemäß

übereinstimmend angegeben, bei der Firma ?M", die auch in Ungarn eine Niederlassung habe, angestellt zu sein. Sie hätten von der Firma M aus Österreich einen Auftrag bekommen. Um die angeführten Abmessungen bzw. die Pläne zu überprüfen, seien sie nach Österreich gefahren um selbst nachzumessen. Soviel sie wissen, sei dies erlaubt. Herr Fr habe einen ungarischen Reisepass vorgewiesen; es hätte keinerlei Aufenthalts- oder Arbeitsbewilligung vorgezeigt werden können. Aufgrund dieses Umstandes sei dieser vorläufig festgenommen und auf das Wachzimmer gebracht worden. Von dort sei der Verantwortliche der Firma M (Josef F) erreicht worden, der um 11.50 Uhr in das Wachzimmer gekommen sei. Er habe Gesellschaftsverträge der Firma M vorgelegt und es habe an Ort und Stelle keine eindeutige Klärung durch das Finanzamt vorgenommen werden können. Es werde von der Dienststelle des Finanzamtes (KIAB) geklärt, ob es sich dabei um eine unerlaubte Arbeitsaufnahme handle. Herr Fr sei dann um 12.00 Uhr aus der Haft entlassen worden.

Weitere Erhebungen seitens des Zollamtes, welche Tätigkeiten die beiden Ausländer konkret auf der Baustelle durchgeführt haben bzw. welche Vertragsbeziehungen allenfalls mit einem in Ungarn ansässigen Unternehmen bestanden haben, sind nicht

aktenkundig. So sind offenbar weder die beiden Ausländer niederschriftlich befragt worden noch der Bw, der als ?Verantwortlicher der Firma M" noch am Kontrolltag auf das Wachzimmer gekommen ist.

Wie aus einem Firmenbuchauszug hervorgeht, waren zur Tatzeit Dipl.-Ing. Hugo Konrad M, Ing. Ernst L und Mag. Werner St Vorstandsmitglieder der M-Bau AG (in der Folge kurz: M-AG) mit dem Sitz in Wien, B-straße.

In einer Stellungnahme vom 13.7.2004 wies das Zollamt Wien, Team KIAB, darauf hin, dass zum Zeitpunkt der Kontrolle keine arbeitsmarktähnlichen Arbeitspapiere (Bestätigungen) vorgelegen seien. Da die beiden Ungarn von der Firma M-AG jedenfalls beschäftigt worden seien, habe deren Vertretungsorgan zwei Übertretungen des AuslBG zu verantworten. Die nachträgliche Beantragung und Erteilung von EU-Entsendebestätigungen habe darauf keine Auswirkungen. Da zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mit Sicherheit gesagt werden könne, ob die beiden ausländischen Arbeitskräfte direkt beschäftigt oder bloß in Anspruch genommen worden seien, werde eine alternative Tatanlastung sowohl nach § 28 Abs 1 Z 1 lit a als auch gemäß § 28 Abs 1 Z 1 lit b, jeweils in Verbindung mit § 3 Abs 1, angeregt.

Anzumerken ist, dass die vom Zollamt angeregte ?alternative Tatanlastung" durchaus Sinn macht (siehe das Erkenntnis des VwGH vom 7.7.1999, Zl. 98/09/0021), wenn erst durch ergänzende Ermittlungen abgeklärt werden soll (kann), ob denn nun eine unmittelbare Beschäftigung von ausländischen Staatsbürgern (nach lit a) oder eine Inanspruchnahme von Arbeitsleistungen betriebsentsandter Ausländer (im Sinne der lit b) anzunehmen ist. Spätestens bei Erlassung eines Straferkenntnisses muss sich die Erstbehörde dann aber entscheiden, ob nun ein Tatvorwurf in die eine oder andere Richtung erhoben wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch schon mehrfach entschieden, dass es sich bei der gemäß § 28 Abs 1 Z 1 lit a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) zu ahndenden Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte und bei der gemäß § 28 Abs 1 Z 1 lit b zu ahndenden Inanspruchnahme betriebsentsandter Ausländer um zwei verschiedene Taten handelt, die nicht ausgewechselt werden dürfen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 23.5.2002, Zl. 2001/09/0187, und die dort zitierte Vorjudikatur). Mit Schreiben der Erstbehörde vom 9.2.2005, Zl. MBA 19 ? S 3372/04, wurde Herr Ing. Ernst L aufgefordert, sich zu folgendem Tatvorwurf zu rechtfertigen:

?Sie haben als Vorstandsmitglied und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der M Bau AG zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeber mit Sitz in Wien, B-straße, am 19.4.2004 um 10:50 Uhr auf der Baustelle in Wien, A-straße, den Ausländer Herrn Tamas Fr, geb. 23.9.1974, Staatsangehörigkeit Ungarn, als Arbeiter zur Durchführung von Ausmessungsarbeiten beschäftigt, obwohl für diesen Ausländer weder eine gültige Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigenbestätigung ausgestellt wurde und der Ausländer weder im Besitz einer für diese Beschäftigung gültigen Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines oder eines Niederlassungsnachweises war. Weiters war auch keine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung für die Inanspruchnahme von Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt wird, erteilt worden.

Verwaltungsübertretung nach:

§ 28 Abs 1 Z 1 lit a und b iVm § 3 Abs 1 und § 18 Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. Nr. 218/1975 in der geltenden Fassung"

In seiner Rechtfertigung vom 2.3.2005 brachte Herr Ing. L im Wesentlichen vor, die M-AG habe Herrn Tamas Fr nicht beschäftigt. Dieser sei Dienstnehmer der M-La Kft. in G, einem ungarischen Schlossereibetrieb. Die M-AG sei betreffend das gegenständliche Bauvorhaben mit der M-La Kft. in keinerlei Vertragsverhältnis gestanden, insbesondere habe auch kein Arbeitskräfteüberlassungsverhältnis oder sonst ein Vertragsverhältnis zu den Dienstnehmern der M-La Kft. bestanden. Eine Beschäftigung im Sinne des § 3 Abs 1 AuslBG des Herrn Tamas Fr durch die M-AG sei daher nicht vorgelegen. Die M-AG habe im vorliegenden Fall der M-GmbH Schlosserleistungen in Auftrag gegeben. Diese habe wiederum einen Teil der beauftragten Schlosserarbeiten an die M-La Kft. in G weitergegeben. Sämtliche Werkleistungen, die in Österreich zu erbringen gewesen seien, seien von der M-GmbH erbracht worden, während die M-La Kft. lediglich vorgefertigte Schlossereiprodukte an die M-GmbH geliefert habe. Herr Tamas Fr habe sich zu dem einzigen Zweck in Österreich befunden, Auftragsgespräche mit dem Architekten und der Bauleitung zu führen und den Abgleich von Maßungenauigkeiten durch Nachvermessung am Rohbau

vorzunehmen. Beides könne baupraktisch nur von jenen Personen durchgeführt werden, die die Arbeitsvorbereitung in Ungarn machten. Die ungarische Gesellschaft könne für ihre Lieferleistung nur garantieren, wenn sie die Nachvermessung durch eigene Mitarbeiter habe erledigen können. Für diese Kontrolle könnten somit ihrer Art nach inländische Arbeitskräfte nicht herangezogen werden.

In diesem Zusammenhang müsse des Weiteren ausgeführt werden, dass Herr Tamas Fr sich für die genannte Tätigkeit lediglich tagsüber und nur wenige Stunden in Österreich aufzuhalten gehabt habe. Er bestreite, dass Herr Fr Arbeitsleistungen beim Ausmessen erbracht habe. Nach seiner Sicht handle es sich dabei um keinerlei produzierende oder ausführende Tätigkeit, die als Arbeitsleistung verstanden werde. Vielmehr sei das Maßnehmen nach seiner Ansicht ein Teil des Bestellvorganges und der Übernahme der Auftragsinformationen. Er bestreite auch entschieden, dass im vorliegenden Fall die M-AG die Tätigkeiten des Herrn Tamas Fr ?in Anspruch genommen" hätte. Sie hätten von dessen Anwesenheit in Österreich gar nichts gewusst. Wie bereits angeführt, sei Herr Fr Dienstnehmer der M-La Kft., die ihre Werklieferleistungen der M-GmbH aufgrund des zwischen beiden bestehenden Auftragsverhältnisses erbracht habe. Die M-AG habe diese Tätigkeit des Sub-Subunternehmers selbst nicht in Anspruch genommen, sondern lediglich Leistungen des direkten Subunternehmers M-GmbH. Des Weiteren wäre auf den gegenständlichen Fall die Ausnahmebestimmung des § 18 Abs 2 AuslBG anzuwenden. Eine Entsendebewilligung sei daher auch aus diesem Grund nicht erforderlich gewesen.

Diese Rechtfertigung des Herrn Ing. Ernst L wurde dem Zollamt Wien übermittelt und es wurde ihm Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen. In seiner Äußerung vom 15.6.2005 wies das Zollamt Wien darauf hin, es könnte durchaus sein, dass die gegenständlichen Arbeitsleistungen nicht vom Generalunternehmer (M-AG), sondern von deren Auftragnehmer (M-GmbH) in Anspruch genommen worden sein könnten. Von der zweitgenannten Gesellschaft seien am 17.6.2004 für die beiden ungarischen Arbeiter Titusz P und Tamas Fr Anträge auf Erteilung von EU-Entsendebestätigungen eingebracht worden, die ihnen mit einem zeitlichen Geltungsbereich vom 5.7.2004 bis 4.1.2005 auch erteilt worden seien (also nach dem Tatzeitpunkt). Die Bedeutung der Zuordnung der überprüften Arbeiten zu einem bestimmten Unternehmen sei aber insoferne lediglich von untergeordneter Bedeutung, als der Beschuldigte Ing. L zum Tatzeitpunkt in beiden Unternehmen das zur Vertretung nach außen berufene Organ gewesen sei. Die Einsichtnahme in den Firmenbuchauszug zeige, dass Herr F die M-GmbH seit dem 30.1.2004 als handelsrechtlicher Geschäftsführer ebenfalls nach außen vertrete. Auf die gesetzliche Bestimmung des § 32 Abs 3 VStG dürfe hingewiesen werden. Da die Verfolgungshandlung auch als gegen Herrn F gesetzt gelte, werde die Einleitung (Fortführung) eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen der beiden Verwaltungsübertretungen gemäß § 28 Abs 1 Z 1 lit b iVm § 3 Abs 1 und § 18 AuslBG gegen diesen beantragt. Aufgrund der Aktenlage stehe fest, dass sowohl Herr P als auch Herr Fr Arbeitsleistungen im österreichischen Bundesgebiet zu verrichten gehabt haben, die dem Auftraggeber ihres Arbeitgebers zugute gekommen seien. Sie seien von diesem Unternehmen ? der M-GmbH ? somit in Anspruch genommen worden. Eine erhebliche Indizwirkung gehe auch von der nachträglichen Einholung der EU-Entsendebestätigungen durch diese Gesellschaft aus. Mit Schreiben der Erstbehörde vom 16.12.2005 wurde der Bw zur Rechtfertigung aufgefordert, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der M-GmbH zu verantworten habe, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin am 19.4.2004 um 10:50 Uhr auf der Baustelle in Wien, A-straße, den ungarischen Staatsbürger Tamas Fr, geb. 23.9.1974, als Arbeiter zur Durchführung von Ausmessungsarbeiten beschäftigt habe, obwohl keine entsprechenden arbeitsmarktbehördlichen Bewilligungen vorhanden gewesen seien. Weiters sei auch keine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung für die Inanspruchnahme von Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt werde, erteilt worden. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs 1 Z 1 lit a und b iVm § 3 Abs 1 und § 18 Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. Nr. 218/1975 idgF. begangen.

In seinem Schreiben vom 3.1.2006 schilderte der Bw seinen beruflichen Werdegang (so habe er im Jahr 1976 als Schlosserlehrling bei der M-AG begonnen) und brachte vor, er sei im November 2002 aus Gründen der vorzeitigen Pensionierung des vorigen Geschäftsführers zum Geschäftsführer der M-GmbH bestellt worden. Man habe ihm mitgeteilt, dass man die Schlosserei zusperren würde, sollte er die Geschäftsführung nicht annehmen. Er habe begonnen nachzuforschen, ob die Tätigkeit der ungarischen Techniker auch gesetzlich gedeckt sei. Seitens der Firmenleitung sei ihm bei Gesprächen mitgeteilt worden, dass alles ordnungsgemäß ablaufen würde. Trotzdem habe er sich beim AMS und bei der Arbeiterkammer erkundigt, aber man habe ihm diesbezüglich auch keine genauen Angaben geben können. Daraufhin habe er sich nochmals an die Firmenleitung gewandt und habe man ihm nochmals versichert, dass alles gesetzlich gedeckt sei, weil ja die Techniker keine manuellen Arbeiten, sondern nur Ausmesstätigkeiten verrichten würden.

Mit dem nunmehr beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien angefochtene Straferkenntnis der Erstbehörde vom 23.1.2006 wurde der Bw schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der M-GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin mit Sitz in Wien, B-straße, am 19.4.2004 um 10:50 Uhr auf der Baustelle in Wien, A-straße, den ungarischen Staatsbürger Tamas Fr, geb. 23.9.1974, als Arbeiter zur Durchführung von Ausmessungsarbeiten beschäftigt habe, obwohl für diesen Ausländer weder eine gültige Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt worden sei und der Ausländer weder im Besitz einer für diese Beschäftigung gültigen Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines oder eines Niederlassungsnachweises gewesen sei. Weiters sei auch keine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung für die Inanspruchnahme von Arbeitsleistungen eines Ausländer, der von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt werde, erteilt worden. Der Bw habe dadurch § 28 Abs 1 Z 1 lit a und b iVm § 3 Abs 1 und § 18 AuslBG verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Bw gemäß § 28 Abs 1 AuslBG eine Geldstrafe von 1.750,-- Euro, falls diese uneinbringlich sei, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Woche, 4 Tagen und 5 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurden die vom Bw zu ersetzenden Verfahrenskosten mit 175,-- Euro bestimmt. Die M-GmbH hafte gemäß § 9 Abs 7 VStG zur ungeteilten Hand für die über den Bw verhängte Geldstrafe und die angeführten Verfahrenskosten sowie weiters für die Kosten eines allenfalls erforderlichen Strafvollzuges.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Bw innerhalb offener Frist Berufung.

In seiner Stellungnahme (vom 22.3.2006) zu dieser Berufung wies das Zollamt Wien darauf hin, es bestehe kein Einwand gegen eine Einstellung, weil die einjährige Verjährungsfrist der Verfolgung dieses Sachverhaltes gemäß § 31 Abs 2 iVm § 28 Abs 2 AuslBG abgelaufen sei.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

In Verkennung der Rechtslage hat es die Erstbehörde unterlassen, sich mit der Frage der Subsumtion des Verhaltens des Bw unter § 28 Abs 1 Z 1 lit a oder b AuslBG auseinanderzusetzen, wobei sie in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses jegliche konkrete Feststellungen unterlassen hat, ob die Tatbestandsvoraussetzung des ?Beschäftigens" nach § 28 Abs 1 Z 1 lit a AuslBG oder die der ?Inanspruchnahme betriebsentsandter Ausländer" nach § 28 Abs 1 Z 1 lit b AuslBG sachverhaltsmäßig gegeben gewesen ist.

In seiner gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung brachte der Bw vor, er sei erstmals mit Schreiben der Behörde vom 16.12.2005 zur Rechtfertigung aufgefordert worden. Der Sachverhalt sei schon damals mehr als eineinhalb Jahre zurückgelegen, weswegen die einjährige Verjährungsfrist der Verfolgung dieses Sachverhaltes abgelaufen sei und somit die Tat nicht weiterverfolgt werden könne.

Der Bw ist schon damit im Recht:

Gemäß § 3 Abs 1 AuslBG in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung gemäß BGBl. I Nr. 126/2002 darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein oder einen Niederlassungsnachweis besitzt. Gemäß § 18 Abs 1 AuslBG bedürfen Ausländer, die von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt werden, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, einer Beschäftigungsbewilligung. Dauern diese Arbeiten nicht länger als sechs Monate, bedürfen Ausländer einer Entsendebewilligung, welche längstens für die Dauer von vier Monaten erteilt werden darf.

Gemäß § 28 Abs 1 Z 1 AuslBG begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer

a) entgegen § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§§ 4 und 4c) oder Zulassung als Schlüsselkraft (§ 12) erteilt noch eine Anzeigebestätigung (§ 3 Abs 5) oder eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§§ 15 und 4c) oder Niederlassungsnachweis (§ 24 FrG) ausgestellt wurde, oder

b) entgegen dem § 18 die Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt wird, in Anspruch nimmt, ohne dass für den Ausländer eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung erteilt wurde, oder

?

bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 1.000,-- Euro bis zu 5.000,-- Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 2.000,-- Euro bis zu 10.000,-- Euro, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 2.000,-- Euro bis zu 10.000,-- Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 4.000,-- Euro bis zu 25.000,-- Euro. Verfolgungshandlung ist nach § 32 Abs 2 VStG jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u.dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs 2 und 3) vorgenommen worden ist. Die Verjährungsfrist des § 31 Abs 2 VStG beträgt nach § 28 Abs 2 AuslBG für Verwaltungsübertretungen gemäß § 28 Abs 1 AuslBG ein Jahr. Diese Frist ist nach § 31 Abs 2 VStG von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt an.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gelten als verjährungsunterbrechende Verfolgungsschritte alle Handlungen der Behörde, die nach Art und Bedeutung die Absicht der Behörde zum Ausdruck bringen, den gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat bestehenden Verdacht auf eine im Verwaltungsstrafgesetz vorgeschriebene Weise zu prüfen, wobei eine Verfolgungshandlung nur dann die Verjährung unterbricht, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (vgl. z.B. das Erkenntnis des VwGH vom 29.9.1997, Zl. 96/17/0099). Mit der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 wurde dem § 32 Abs 2 folgender Abs 3 angefügt:

Eine Verfolgungshandlung, die gegen einen zur Vertretung nach außen Berufenen (§ 9 Abs 1) gerichtet ist, gilt auch als Verfolgungshandlung gegen die anderen zur Vertretung nach außen Berufenen und die verantwortlichen Beauftragten. Eine Verfolgungshandlung, die gegen den Unternehmer (§ 9 Abs 3) gerichtet ist, gilt auch als Verfolgungshandlung gegen die verantwortlichen Beauftragten.

In den Erläuternden Bemerkungen (1167 BlgNR XX. GP, 42) heißt es, in der Verwaltungspraxis sei die Bestrafung verantwortlicher Beauftragter nicht selten daran gescheitert, dass sich zunächst ein zur Vertretung nach außen Berufener (oder der Unternehmer) auf das Strafverfahren einließ und erst in einem fortgeschrittenen Verfahrensstadium einen verantwortlichen Beauftragten ins Spiel brachte, welcher wegen inzwischen eingetretener Verjährung nicht mehr verfolgt werden konnte. Dem soll durch die Ergänzung des § 32 VStG um einen Abs 3 begegnet werden.

Im vorliegenden Fall ist aufgrund einer Anzeige der Bundespolizeidirektion Wien vom 19.4.2004 gegen Herrn Ing. Ernst L als Vorstandsmitglied der M-AG ein Verwaltungsstrafverfahren (wegen Verdachtes einer Übertretung nach ?§ 28 Abs 1 Z 1 lit a und b iVm § 3 Abs 1 und § 18 Ausländerbeschäftigungsgesetz") eingeleitet worden (siehe die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 9.2.2005). Herr Ing. Ernst L hat mit Schreiben vom 2.3.2005 eine Rechtfertigung abgegeben, zu der dann auch das Zollamt Wien mit Schreiben vom 15.6.2005 eine Stellungnahme erstattet hat. So wies das Zollamt Wien darauf hin, Herr Ing. Ernst L sei zum Tatzeitpunkt in beiden Unternehmen (also der M-AG und der M-GmbH) das zur Vertretung nach außen berufene Organ gewesen, sodass die Zuordnung der überprüften Arbeiten zu einem bestimmten Unternehmen nur von untergeordneter Bedeutung sei. Der Bw sei seit dem 30.1.2004 handelsrechtlicher Geschäftsführer der M-GmbH; es werde auf die gesetzliche Bestimmung des § 32 Abs 3 VStG hingewiesen. Da die Verfolgungshandlung auch als gegen den Bw gesetzt gelte, werde die Einleitung (Fortführung) des Verwaltungsstrafverfahrens gegen diesen beantragt.

Das Zollamt Wien ist insofern im Recht, als der Umstand, ob der Beschuldigte die Tat in eigener Verantwortung oder als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer Gesellschaft oder als verantwortlicher Beauftragter zu verantworten hat, nicht Sachverhaltselement der ihm zur Last gelegten Übertretung, sondern ein die Frage der Verantwortlichkeit der von Anfang an als Beschuldigten angesprochenen Person betreffendes Merkmal ist, das aber auf die Vollständigkeit der Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 VStG ohne Einfluss ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des VwGH vom 16.5.2001, Zl. 98/09/0314). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist etwa die Berufungsbehörde verpflichtet, das die Verantwortlichkeit des Beschuldigten konstituierende Merkmal im Rahmen der von ihr zu treffenden Entscheidung richtig und vollständig anzugeben, was eine Richtigstellung des von der Erstbehörde angesprochenen, von der Berufungsbehörde aber nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens als unzutreffend erkannten Verantwortlichkeitsmerkmals einschließt. Dies gilt z.B. auch für die Änderung vom handelsrechtlichen Geschäftsführer einer GmbH auf Inhaber eines Einzelunternehmens und die Änderung der Gesellschaft (vgl. z.B. die Erkenntnisse des VwGH vom 24.8.2001, Zl. 2001/02/0146 und vom 14.11.2002, Zl. 2001/09/0099). Wie bereits oben näher dargelegt, wurde innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist nur eine Verfolgungshandlung gegen Herrn Ing. L als Vorstandsmitglied der M-AG gesetzt. Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass der Bw zur fraglichen Zeit jedenfalls nicht (auch) Vorstandsmitglied der M-AG gewesen ist. Gemäß § 32 Abs 3 erster Satz VStG gilt eine Verfolgungshandlung, die gegen einen zur Vertretung nach außen Berufenen gerichtet ist, auch als Verfolgungshandlung gegen die anderen zur Vertretung nach außen Berufenen und die verantwortlichen Beauftragten. Das Zollamt Wien hat aber bei seinem Vorbringen (in der Stellungnahme vom 15.6.2005) übersehen, dass die Verfolgungshandlung gegen einen zur Vertretung nach außen Berufenen als Verfolgungshandlung nur gegen die anderen zur Vertretung nach außen Berufenen dieser juristischen Person (hier: also der M-AG) gilt. Die Verfolgungshandlung, die ? rechtzeitig ? z. B. gegen einen zur Vertretung nach außen Berufenen einer bestimmten juristischen Person gerichtet worden ist, gilt nämlich nicht auch als Verfolgungshandlung gegen andere zur Vertretung nach außen Berufene einer anderen juristischen Person, bei der der ursprünglich Verfolgte ebenfalls eine Organfunktion innehat. Nach der Aktenlage wurde dem Bw erstmals im Schreiben vom 16.12.2005 zur Last gelegt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der M-GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin zur Tatzeit auf der gegenständlichen Baustelle den namentlich genannten ungarischen Staatsbürger ohne arbeitsmarktbehördliche Bewilligung beschäftigt bzw. dessen Arbeitsleistungen in Anspruch genommen habe. Entgegen der vom Zollamt Wien in seiner Äußerung vom 15.6.2005 vertretenen Auffassung kann daher die gegen Herrn Ing. L (in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied der M-AG) fristgerecht gesetzte Verfolgungshandlung nicht auch als gegen den Bw gesetzt gelten, kann doch nur nochmals betont werden, dass die Verfolgungshandlung vom 9.2.2005, die rechtzeitig gegen Herrn Ing. L gerichtet gewesen ist, diesen als Vorstandsmitglied der M-AG betroffen hat.

Ausgehend von der von der Erstbehörde angenommenen Tatzeit mit 19.4.2004 (um 10:50 Uhr) wurde die von der Strafbehörde erster Instanz an den Bw (als handelsrechtlicher Geschäftsführer der M-GmbH) gerichtete Aufforderung zur Rechtfertigung vom 16.12.2005 außerhalb der einjährigen Verjährungsfrist erlassen, weshalb in Ansehung des hier in Rede stehenden Tatvorwurfs Verfolgungsverjährung im Sinne des § 31 Abs 1 VStG eingetreten ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 65 VStG.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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