TE Vfgh Beschluss 1998/12/5 B1241/98

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Veröffentlicht am 05.12.1998
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung
62/01 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Gegenstandslosigkeit
AlVG §79 Abs40
AlVG §79 Abs47
VfGG §86
VfGG §88
AlVG §33, §34

Leitsatz

Einstellung des Beschwerdeverfahrens gegen einen - den Antrag eines ausländischen Staatsangehörigen auf Gewährung der Notstandshilfe abweisenden - Bescheid infolge Wegfall des Beschwerdegegenstandes aufgrund einer Novellierung des AlVG nach aufhebendem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs; kein Kostenzuspruch

Spruch

Das Verfahren wird eingestellt.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, beantragte die Gewährung von Notstandshilfe (als Pensionsvorschußleistung). Dieser Antrag wurde mangels Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zum berechtigten Personenkreis gemäß §33 Abs2 lita iVm §34 Abs4 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste vom 29. Oktober 1997 abgewiesen.

Mit Bescheid vom 26. Mai 1998 wies die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien (Ausschuß für Leistungsangelegenheiten) die dagegen erhobene Berufung als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte, am 31. Juli 1998 beim Verfassungsgerichtshof eingelangte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. a) Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis G363-365/97 ua. vom 11. März 1998 §33 Abs2 lita AlVG sowie §34 Abs3 und 4 leg.cit. als verfassungswidrig aufgehoben und u. a. ausgesprochen, daß diese Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind. Diese Aussprüche wurden vom Bundeskanzler gemäß Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VerfGG iVm §2 Abs1 Z4 BGBlG in dem am 1. April 1998 ausgegebenen BGBl. I 54/1998 kundgemacht.

b) Mit der Novelle BGBl. I 78/1997 war §33 Abs2 und §34 AlVG neu gefaßt worden. Hinsichtlich ihres Inkrafttretens hatte der mit dieser Novelle dem §79 angefügte Abs40 bestimmt:

"... Die §§33 Abs2 und 34 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 78/1997 treten mit 1. Jänner 2000 in Kraft und gelten für Fälle, deren Arbeitslosengeld- oder Karenz(urlaubs)geldanspruch frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 1999 erschöpft war. Für die übrigen Fälle sind diese Bestimmungen weiterhin in der am 31. Dezember 1999 geltenden Fassung anzuwenden. ..."

Diese Inkrafttretensregelung wurde durch das Bundesgesetz BGBl. I 55/1998 (ausgegeben gleichfalls am 1. April 1998) dahingehend geändert, daß der Ausdruck "1. Jänner 2000" durch den Ausdruck "1. April 1998" und der Ausdruck "31. Dezember 1999" jeweils durch den Ausdruck "31. März 1998" ersetzt wurde.

c) Mit Bundesgesetz BGBl. I 167/1998 (ausgegeben am 10. November 1998) wurde sodann dem §34 AlVG (idF BGBl. I 78/1997) ein Abs3 und dem §79 folgender Abs47 angefügt:

"(47) §34 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 167/1998 tritt mit 1. April 1998 in Kraft und gilt bei erstmaliger Zuerkennung von Notstandshilfe nach Erschöpfung des Anspruches auf Arbeitslosengeld, Karenz(urlaubs)geld oder Notstandshilfe gemäß §34 Abs4 in der Fassung vor dem 1. April 1998. §33 Abs2 lita in der Fassung vor dem 1. April 1998 ist in diesen Fällen nicht anzuwenden. Wurde die Gewährung von Notstandshilfe auf Grund des Abs40 versagt, hat auf Antrag eine neuerliche Beurteilung zu erfolgen."

II. Das Verfahren wird eingestellt.

1. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung damit, daß sie bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer dem zum Bezug der Notstandshilfe zugelassenen Personenkreis zuzurechnen sei, "an die gesetzliche Bestimmung des §34 Abs3 und 4 AlVG in der geltenden Fassung gebunden" sei. Diese knüpften an die österreichische Staatsbürgerschaft an und stellten bestimmte Personengruppen österreichischen Staatsbürgern gleich. Da der Beschwerdeführer weder österreichischer Staatsbürger sei noch zu einer der gleichgestellten Personengruppen, die in §34 Abs3 und 4 AlVG geregelt sind, zähle, sei die erstinstanzliche Entscheidung zu Recht erfolgt. Ergänzend wies die belangte Behörde darauf hin, daß der Beschwerdeführer als Inhaber eines Befreiungsscheines bereits 364 Tage Notstandshilfe als Pensionsvorschuß bezogen habe.

Obgleich §79 Abs40 AlVG von der belangten Behörde nicht ausdrücklich erwähnt wird, ist angesichts des Zeitpunktes der Erlassung des angefochtenen Bescheides und im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. März 1998, G363-365/97 ua., dennoch davon auszugehen, daß der angefochtene Bescheid seine Rechtsgrundlage auch in §79 Abs40 AlVG idF BGBl. I 55/1998 findet.

2. Für Fälle, in denen die Gewährung der Notststandshilfe aufgrund des §79 Abs40 AlVG versagt wurde, sieht nun §79 Abs47 AlVG idF BGBl. I 167/1998 vor, daß auf Antrag eine neuerliche Beurteilung zu erfolgen hat, wobei §33 Abs2 lita AlVG idF vor dem 1. April 1998, also jene Bestimmung, die den Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft als Anspruchsvoraussetzung für die Notstandshilfe normierte, nicht mehr anzuwenden ist.

Der Verfassungsgerichtshof versteht diese Bestimmung dahin, daß ein abweislicher, auf §79 Abs40 AlVG gestützter Bescheid seine Wirkung ex lege verliert und eine neuerliche Beurteilung der Rechtssache nur über neuerlichen Antrag zu ergehen hat. Eine solche Regelung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Der angefochtene, den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Notstandshilfe abweisende Bescheid gehört sohin seit 11. November 1998 nicht mehr der Rechtsordnung an. Solcherart aber wurde das von der Beschwerde angestrebte Ziel (nämlich die Beseitigung des angefochtenen Bescheides) - wenngleich anders als im Wege der Behebung durch den Verfassungsgerichtshof - erreicht; der Beschwerdegegenstand ist weggefallen. Damit ist im Ergebnis Klaglosstellung eingetreten. Das Verfahren ist deshalb gemäß §19 Abs3 Z3 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung einzustellen (vgl. zB VfSlg. 13002/1992).

3. Da es sich nicht um eine förmliche Klaglosstellung iSd §88 VerfGG handelt, sind Kosten nicht zuzusprechen (vgl. zB VfSlg. 9427/1982, 13002/1992).

Schlagworte

VfGH / Gegenstandslosigkeit, VfGH / Klaglosstellung, Arbeitslosenversicherung, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B1241.1998

Dokumentnummer

JFT_10018795_98B01241_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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