TE UVS Tirol 2006/09/12 2006/17/1906-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.09.2006
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Felizitas Schiessendoppler-Luchner über die Berufung der Frau C. S., B. bei J., vertreten durch RA Mag. J. K., I., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 01.06.2006, Zahl VK-11021-2005, wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG zur Einstellung gebracht.

Text

Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde der Beschuldigten spruchgemäß nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:

 

?Tatzeit: 07.11.2005, um 23.57 Uhr

Tatort,: Gemeinde Stans, auf der A-12 Inntalautobahn, Höhe StrKm 46,400, in Fahrtrichtung Kufstein

Fahrzeug: Personenkraftwagen, mit dem Kennzeichen XY (A)

 

Sie haben als Lenkerin eines Fahrzeuges die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 56 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen. Sie haben diese Verwaltungsübertretung jedenfalls unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen, da Sie die im dortigen Bereich zulässige Höchstgeschwindigkeit im dortigen Baustellenbereich mit eingeschränkter Fahrbahnbreite (4/0 Führung ohne Pannenstreifen und ohne Mittelleitschiene zwischen den beiden Richtungsfahrbahnen) und bei ungünstigen Sichtverhältnissen (Dunkelheit), massiv (um 93,3 Prozent) überschritten haben.?

 

Der Berufungswerberin wurde eine Übertretung nach § 99 Abs 2 lit c StVO iVm § 52 lit a Z 10a StVO zur Last gelegt und wurde ihr gemäß § 99 Abs 2 lit c StVO eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 500,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens aufgetragen.

 

Gegen dieses Straferkenntnis hat die Berufungswerberin durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht Berufung erhoben und in dieser zusammengefasst im wesentlichen ausgeführt, es sei richtig, dass sich die Beschuldigte am 7.11.2005 gegen Mitternacht auf dem in der Anzeige angeführten Straßenstück befunden habe und dort die Höchstgeschwindigkeit überschritten habe. Tatsächlich sei jedoch die Beschilderung mit der 60 km/h-Zone nicht ausreichend bzw nicht vorliegend bzw nicht im erkennbaren Umfang gegeben gewesen. Beim Einfahrtsbereich in den Baustellenbereich habe zuerst eine 100 km/h Beschränkung bestanden, in der Folge sei eine 80 km/h Beschränkung gegeben gewesen und sei die Beschuldigte von dieser 80 km/h Beschränkung ausgegangen es sei ihr die Beschränkung von 60 km/h nicht ersichtlich gewesen. Zum Vorfallszeitpunkt sei kein Verkehrsaufkommen gewesen, sodass auch keine besonders gefährlichen Verhältnisse vorgelegen hätten. Die Beschuldigte habe daher mangels entsprechender Beschilderungen lediglich die Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h überschritten, dies unter Berücksichtigung einer Messtoleranz. Im genannten Bescheid der BH Schwaz vom 11.08.2005 würden sich keinerlei Hinweise darauf finden, welche Geschwindigkeitsbeschränkungen im Baustellenbereich anzusetzen wären. Weiters werde im Schreiben der BMVIT vom 17.08.2005 angeführt, dass die beiden Richtungsfahrbahnen im Bereich km 45,9 bis 48,3 jene Verkehrsbeschränkungen, Verkehrsgebote und Verkehrsverbote erlassen werden würden, die aus dem Bescheid der BH Schwaz vom 11.08.2005 zur Zahl VEB 40-31/1-05 sowie den beigeschlossenen Planunterlagen ersichtlich wären.

 

Aus dem genannten Bescheid der BH Schwaz würden sich jedoch keinerlei Geschwindigkeitsbeschränkungen ergeben. Die Geschwindigkeitsbeschränkungen seien daher nicht ordnungsgemäß kundgemacht bzw ergebe sich dies nicht aus den genannten Bescheiden. Die Verordnung sei mangelhaft. Die Beschuldigte habe beantragt die entsprechenden Planunterlagen beizuschaffen und zur Einsicht vorzulegen. Im genannten Bescheid der die Geschwindigkeitsbeschränkungen zugrunde gelegt haben solle, werde ausgeführt, dass die Verkehrsbeschränkungen und Verkehrsge- und verbote sich aus dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 11.08.2005 ergeben würden, ebenso aus den beigeschlossenen Planunterlagen. Diese Planunterlagen seien jedoch nicht zur Einsicht zur Verfügung gestellt worden und sei das gegenständliche Verfahren mangelhaft geblieben.

 

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt sowie durch Einholung einer Stellungnahme der Autobahnpolizeiinspektion Wiesing, Insp. K. P.

 

Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens steht fest, dass der Berufung Berechtigung zukommt.

 

Der Anzeige vom 08.11.2005 zu Zahl A1/92581/01/2005 der Autobahnpolizeiinspektion Wiesing ist zu entnehmen, dass die Berufungswerberin am 07.11.2005 um 23.57 Uhr die durch Straßenverkehrszeichen im Bereich der A 12, Straßenkilometer 46,400, im Gemeindegebiet von Stans die dort kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 56 km/h überschritten habe. Die in Betracht kommende Messtoleranz sei bereits zu Gunsten der Berufungswerberin abgezogen worden. Beim Tatort habe es sich um einen Baustellenbereich mit einer 4/0 Führung ohne Mittelleitschiene mit einer 60 km/h Beschränkung gehandelt. Zum Tatzeitpunkt sei geringes Verkehrsaufkommen gewesen.

 

In der Folge brachte die Berufungswerberin im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren vor, dass die Beschilderung mit der 60 km/h-Zone nicht ausreichend bzw nicht vorliegend bzw nicht im erkennbaren Umfang gegeben gewesen sei. Beim Einfahrtsbereich in den Baustellenbereich habe zunächst eine 100 km/h Beschränkung und in der Folge dann eine 80 km/h Beschränkung bestanden und sei die Beschuldigte von einer Beschränkung von 80 km/h ausgegangen. Die Beschränkung von 60 km/h sei ihr nicht ersichtlich gewesen.

 

In der Folge hat die Polizeiinspektion Wiesing (Insp. P.) ausgeführt, dass die Beschilderung wie im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz zu Zahl VEB-40-31/1-05 vom 11.08.2005 festgelegt worden und am 11.08.2005 auch verhandelt worden sei. Der Einfahrtsbereich bei Kilometer 48,180 sowie in der Baustelle bei Kilometer 47,920 sei ein Verkehrszeichen mit einer 60 km/h Beschränkung aufgestellt gewesen. Die Messung sei bei 46,400 erfolgt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol ersuchte in der Folge dann die Polizeiinspektion Wiesing neuerlich um Auskunft, auf Grund welcher Verordnung man auf die Geschwindigkeitsbeschränkungen gekommen sei. Es stellte sich dann heraus, dass Insp. P. nach Rücksprache mit der Bezirkshauptmannschaft Schwaz (Verkehrsreferat Herr W.) ausfindig gemacht habe, dass die Firma Wieser die Beschilderung irrtümlicherweise auf beiden Richtungsfahrbahnen aufgestellt habe, und nicht wie im Bescheid festgelegt nur für die Richtungsfahrbahn Innsbruck. Dadurch sei die 60 km/h Beschränkung für die RFB Kufstein zum Zeitpunkt der Übertretung nicht ordnungsgemäß verordnet und die Beschränkung mit 80 km/h gültig gewesen.

 

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

Gemäß § 43 Abs 1 lit b StVO hat die Behörde für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung, wenn und insoweit die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder in Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,

1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,

2. den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben, insbesondere bestimmte Gruppen von der Benützung einer Straße oder eines Straßenteiles auszuschließen oder sie auf besonders bezeichnete Straßenteile zu verweisen;

 

Gemäß § 44 Abs 1 StVO sind die im § 43 StVO bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft.

 

Kundmachungsmängel haben nach der Judikatur differenzierte Rechtsfolgen: Wird eine Verordnung überhaupt nicht kundgemacht, erlangt sie also keine Publizität, so ist sie nicht erlassen (absolut nichtig: VfSlg 7375; VwSlgNF 8877A; VwGH 21.12.1992, 92/10/0189; 25.1.1995, 94/12/0242). Wird eine Verordnung gesetzwidrig kundgemacht, so ist sie von den Gerichten und den UVS nicht anzuwenden, dh als nicht existent zu betrachten, da sie keine Rechtswirkung entfalten konnte (Art 89 Abs 1 iVm Art 129a Abs 3 und Art 135 abs 4 B-VG; VwSlgNF 9283 A; VwGH 21.51996, 96/05/0109). Lediglich für den VfGH ergibt sich nach Art 139 Abs 3 lit c B-VG eine Ausnahme. Dieser hat nämlich gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen aufzuheben; dies jedoch auch nur, wenn diese wenigstens ein Mindestmaß an Publizität erlangt hat (VfGH 17.6.1995, V 169/94).

 

In Anbetracht dieser Grundsätze kommt der gegenständlichen Berufung auf Grund der Stellungnahme der Polizeiinspektion Wiesing, dass die 60 km/h Beschränkung nicht ordnungsgemäß verordnet worden war, Berechtigung zu. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz zu Zahl VEB-40-31/2-05 war demnach nicht ordnungsgemäß kundgemacht, konnte sohin gegenüber der Berufungswerberin keine Rechtswirkung entfalten und war daher auch nicht vom Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol anzuwenden. Das angefochtene Straferkenntnis war demzufolge zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren zur Einstellung zu bringen.

Schlagworte
Die, Verordnung, der, Bezirkshauptmannschaft, Schwaz, VEB-40-31/02-05, war, nicht, ordnungsgemäß. kundgemacht
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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