TE UVS Salzburg 2007/03/21 3/16232/5-2007nu

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Veröffentlicht am 21.03.2007
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg erlässt durch das Einzelmitglied Mag. Peter Nußbaumer über die Berufung von Herrn Martin G., Weiherbühel 7, H., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 26.7.2006, Zahl 30308/369-1942-2006, folgendes

Erkenntnis :

Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass im Tatvorwurf die näheren Angaben zu lauten haben:

"Der seitliche Abstand zum Fußgänger betrug bei einer Geschwindigkeit von ca. 40 km/h höchsten 50 cm. Es handelt sich um eine enge, schneeglatte Straße."

Der Beschuldigte hat gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG neben dem Beitrag zum Verfahren erster Instanz einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von ? 24,-- zu leisten.

Text

Begründung :

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten

Folgendes vorgeworfen

"Angaben zur Tat:

Zeit der Begehung: 5.1.2006, 20:05 Uhr

Ort der Begehung: H., Einleitenweg, zwischen Schulstraße

    u. Abzweigung Weiherbühel, Richtung

Eugendorf

Fahrzeug:   KKW, SL-222EN (A)

Sie haben als Fahrzeuglenker beim Vorbeifahren am Fußgänger keinen der Verkehrssicherheit und Fahrtgeschwindigkeit entsprechenden seitlichen Sicherheitsabstand eingehalten. Nähere Angaben: Der seitliche Abstand betrug zum Fußgänger ca. 30 cm. Es handelt sich um eine enge, glatte Straße.

Sie haben dadurch folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Übertretung gemäß §§ 17(1) zweiter Satz und 15(4) Straßenverkehrsordnung

Deshalb wird gegen Sie folgende Verwaltungsstrafe verhängt:

Strafe gemäß:  § 99(3)a Straßenverkehrsordnung Euro 120,00

Ersatzfreiheitsstrafe: 60 Stunden."

 

Der Beschuldigte hat hiegegen rechtzeitig schriftliche Berufung eingebracht wie folgt:

Die belangte Behörde habe ihre Entscheidung ausschließlich auf die Angaben des Anzeigers gestützt und sei auf die Argumente des Beschuldigten in keinster Weise eingegangen. Der Beschuldigte habe in seinen Stellungnahmen vom 8.5.2006 und vom 14.2.2006 ausreichende Argumente vorgebracht, die die Glaubwürdigkeit des Anzeigers in Frage stellten. Auf das Vorbringen des Beschuldigten sei mit keinem Wort eingegangen worden. Es sei die Vernehmung des namhaft gemachten Mitfahrers, Herrn Gerold L., nicht durchgeführt worden. Dies stelle einen schweren Verfahrensfehler dar. Die Vernehmung dieses Zeugen hätte sicher dazu geführt, dass die vorgebrachten Argumente des Beschuldigten untermauert und die Glaubwürdigkeit des Anzeigers in wesentlichem Umfang erschüttert worden wäre.

 

In der Sache wurde am 28.2.2007 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. In dieser wurde der Beschuldigte als Partei gehört. Zeugenschaftlich einvernommen wurden der Anzeigenleger sowie der Mitfahrer des Beschuldigten.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg hat hiezu gemäß § 51c VStG durch ein Einzelmitglied erwogen:

Der Beschuldigte hat am 5.1.2006 um 20:05 Uhr in der Gemeinde H. auf dem Einleitenweg zwischen Schulstraße und Weiherbühel den PKW mit dem Kennzeichen SL-222EN gelenkt und beim Vorbeifahren an einem Fußgänger nicht den erforderlichen seitlichen Sicherheitsabstand eingehalten.

Zum Tatzeitpunkt herrschte Dunkelheit. Die einspurige Gemeindestraße war schneeglatt, beiderseits der Fahrbahn waren hohe Schneeanhäufungen. Die freie Durchfahrtsbreite für Fahrzeuge betrug zwischen 2,50 m und maximal 3 m. Der Beschuldigte fuhr an einem Fußgänger, der dort mit seinem Hund an der Leine spazieren ging, mit einer Geschwindigkeit von ca. 40 km/h in einem Abstand von höchstens 50 cm vorbei. Der Fußgänger musste sich äußerst an die seitlichen Schneemassen andrücken, seinen Hund aufheben und auf den seitlichen Schnee geben, um diesen außer Gefahr zu bringen. Der Fußgänger, der als Zeuge einvernommen wurde, fühlte sich dadurch erheblich gefährdet.

 

Zur Beweiswürdigung:

Die freie, für den Verkehr nutzbare Fahrbahnbreite am Tatort betrug unbestrittener Maßen nur eine gute Schneepflugbreite, zumal die einspurige Straße selbst im Sommer eine Fahrbahnbreite von maximal 3,50 m aufweist. Die von den Schneepflügen erzeugten Schneeanhäufungen neben der Fahrbahn waren so hoch, dass sie nur mit Anstrengung erklommen werden konnten (die extreme Schneesituation im Jänner 2006 in der nördlichen Umgebung der Stadt Salzburg ist dem erkennenden Senatsmitglied aus eigener Wahrnehmung noch gut in Erinnerung).

 

Bezüglich der gefahrenen Geschwindigkeit hat der Beschuldigte in der Berufungsverhandlung selbst angegeben, an dem Fußgänger mit 30 bis 40 km/h bei einem Abstand von 50 bis 75 cm vorbeigefahren zu sein. Der von diesem Verhalten betroffene Fußgänger hat als Zeuge diese Geschwindigkeit ? auf Grund seiner subjektiven Wahrnehmung - höher eingeschätzt und auch den Abstand geringer, nämlich mit ca 30 bis maximal 50 cm, eingestuft. Er habe sich erheblich gefährdet gefühlt.

Zur Glaubwürdigkeit ist festzuhalten, dass die Aussage des Anzeigenlegers schlüssig und nachvollziehbar war. Der Zeuge wurde ferner über die strafrechtlichen Folgen eine Falschaussage belehrt. Es würde zudem jeder Lebenserfahrung widersprechen, wenn ein Passant, der unbestrittener Maßen fremd zum Beschuldigten ist, die Mühen einer Anzeige auf sich nimmt, ohne sich tatsächlich in einer subjektiv bedrohlichen Situation befunden zu haben. Damit war die Aussage des Anzeigers glaubwürdig und grundsätzlich der Entscheidung zugrunde zu legen. Zu berücksichtigen war aber, dass die freie Einschätzung von Geschwindigkeiten und Abständen fehlerbehaftet ist und daher relativ große Sicherheitsreserven zugunsten des Beschuldigten anzurechnen waren.

 

Bei der Ermittlung des Abstandes während der Vorbeifahrt ist von den gegebenen Distanzen auszugehen - nämlich einer freien Fahrbahnbreite von unter 3 m (höchstwahrscheinlich um 2,80 m), der Breite des Fahrzeuges des Beschuldigten von 1,70 m und der Standbreite eines Fußgängers von etwa 40 bis 50 cm. Dazu musste der Beschuldigte bei 40 km/h einen Sicherheitsabstand zum gegenüber liegenden Fahrbahnrand einhalten (mit ca 30 cm angenommen). Die Differenz aus Fahrbahnbreite und Summe der anderen Distanzen ergibt den möglichen Platz für den seitlichen Sicherheitsabstand ? nämlich etwa  40 cm [280 ? (30 + 40 + 170) = 40 cm]. Ein Abstand zum Fußgänger von mehr als 50 cm, wie vom Beschuldigten und seinem Beifahrer behauptet, erscheint daher unrealistisch.

 

Bezüglich der Aussage des Zeugen Gerald L. hat sich ergeben, dass dieser die Tatsituation zwar nicht als gefährlich empfunden hat; er hat dieser offensichtlich auch keine besondere Aufmerksamkeit beigemessen. Seine Angaben können, insbesondere was den Sicherheitsabstand zum Fußgänger betrifft, der mit 75 cm unrealistisch groß dargestellt wurde (sogar größer als es der Beschuldigte selbst eingestanden hat), nicht als richtig angesehen werden. Es musste daher davon ausgegangen werden, dass die Werte zumindest in dem Bereich gelegen sind, wie sie der Beschuldigte selbst ? sein Verhalten offenbar bagatellisierend - als maximal möglich zugegeben hat.

 

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 17 Abs 1 StVO ist das Vorbeifahren nur gestattet, wenn dadurch andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, weder gefährdet noch behindert werden. Für die Anzeige des Vorbeifahrens, die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes und das Vorbeifahren an Schienenfahrzeugen gelten die beim Überholen zu beachtenden Vorschriften

(§ 15).

 

Gemäß § 15 Abs 4 StVO ist beim Überholen ein der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit entsprechender seitlicher Abstand vom Fahrzeug, das überholt wird, einzuhalten. Beim Vorbeifahren an Fußgängern, die sich entweder knapp neben der Fahrbahn oder am Fahrbahnrand befinden, ist selbst bei optimalen Straßen- und Sichtverhältnissen ein Sicherheitsabstand von zumindest 1 m einzuhalten (vgl. OGH 12.1.1982, 2 Ob 214/81). Im vorliegenden Fall herrschte Dunkelheit und war die Fahrbahn schneeglatt. Unter den gegebenen Verhältnissen muss sogar mit dem Sturz eines Fußgängers gerechnet werden. Eigentlich hätte daher bei der Vorbeifahrt ein größerer Sicherheitsabstand als 1 m eingehalten werden müssen. Nachdem für einen solchen Abstand nicht ausreichend Platz war (freie Fahrbahnbreite um 2,80 m), hätte eine Vorbeifahrt nur unter besonderer Vorsicht erfolgen dürfen. Dies bedeutet: Aufnahme von Blickkontakt mit dem Fußgänger, um sich zu vergewissern, dass dieser das herannahende Fahrzeug bemerkt und an geeigneter Stelle stehen bleibt. Anschließend Vorbeifahrt mit höchstens Schrittgeschwindigkeit (ca. 5 km/h). Damit wäre zweifelsfrei auch bei Zugrundelegung des vom Beschuldigten behaupteten Abstandes und der ebensolchen Geschwindigkeit das Tatbild des § 17 Abs 1 StVO erfüllt.

 

Im vorliegenden Fall hat der Beschuldigte das diesbezügliche Gebot des § 17 Abs 1 StVO ? offenbar auf Grund seiner Unerfahrenheit ? in eindeutiger Weise verletzt. In der beschriebenen Situation wird das Vorbeifahren eines Fahrzeuges mit ca. 40 km/h in einem Abstand von 50 cm, von einem Fußgänger zu Recht als gefährdend empfunden. Der Beschuldigte hat somit die ihm angelastete Verwaltungsübertretung begangen. An Verschulden war zumindest Fahrlässigkeit anzulasten.

Die Tatkonkretisierung war im Sinne des Ermittlungsergebnisses der Berufungsbehörde zu präzisieren.

 

Zur Strafhöhe:

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Nach Abs 2 dieser Norm sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und ist auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden und die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Wegen der angelasteten Verwaltungsübertretung kann gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO Geldstrafe bis zu ? 726,--, im Fall der Uneinbringlichkeit Arrest bis zu zwei Wochen, verhängt werden. Über den Beschuldigten wurde sohin eine Geldstrafe im unteren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens verhängt. Der Beschuldigte hat das Gebot des § 17 Abs 1 iVm § 15 Abs 4 StVO in eindeutiger Weise verletzt. Es kann durchaus von einer Gefährdung des beteiligten Fußgängers ausgegangen werden. Im Verhältnis zum erheblichen Unrechtsgehalt der Tat ist das Ausmaß der Strafe zweifelsfrei angemessen. Derartige Übertretungen dürfen nicht leichtfertig abgetan werden, weil die Rücksichtnahme auf die "schwachen" Verkehrsteilnehmer, die im Fall der Kollision mit Kraftfahrzeugen wenig Chance haben unverletzt davonzukommen, nicht nur ein besonderes Anliegen des Gesetzgebers ist, sondern auch eine Selbstverständlichkeit für jeden Lenker sein müsste.

 

Strafmildernd wurde von bisheriger verwaltungsstrafrechtlicher Unbescholtenheit ausgegangen. Besondere weitere erschwerende oder mildernde Umstände sind nicht hervorgekommen.

Bezüglich der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten war von einer etwa durchschnittlichen Situation auszugehen (monatliches Nettoeinkommen ? 1.100,--, Besitz eines älteren Pkws, keine Sorgepflichten).

 

Auch wenn sich im Berufungsverfahren der Unrechtsgehalt der Tat weniger dramatisch dargestellt hat, als dies von der Erstbehörde offenbar angenommen wurde (sie ging von einer Vorbeifahrt mit einer Geschwindigkeit von ca. 50 bis 70 km/h aus bei einem Seitenabstand von ca. 30 cm), musste es vorliegend nicht zu einer Herabsetzung der Strafe kommen, weil sich im Berufungsverfahren deutlich bessere wirtschaftliche Verhältnisse beim Beschuldigten ergeben haben (damals war er als Zivildiener einkommenslos) und die Bewertung des Unrechtsgehaltes eine Milderung nicht zuließ. Eine Strafe in der genannten Höhe war insbesondere auch aus Gründen der General- und Spezialprävention geboten. Der Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens war gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG mit 20 % der verhängten Geldstrafe zu bemessen.

Schlagworte
Sicherheitsabstand, Vorbeifahren an Fußgänger
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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