TE UVS Wien 2007/03/25 FRG/46/2014/2007

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Veröffentlicht am 25.03.2007
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Betreff

Illegale Beschäftigung an einem Tag rechtfertigt kein Aufenthaltsverbot gegen einen EU-Bürger

Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag. Schmied über die Berufung des Herrn Fedya B., vertreten durch Rechtsanwalts KEG, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, vom 2.2.2006, Zl. III- 1.223.276/FrB/06, mit welchem gemäß § 60 Abs 1 und Abs 2 Z 8 in Verbindung mit § 63 Abs 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG gegen Herrn Fedya B. ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

Text

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 2.2.2006 wurde über den Rechtsmittelwerber unter Berufung auf § 60 Abs 1 iVm § 60 Abs 2 Z 8 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot verhängt.

Begründend wird ausgeführt, dass der Berufungswerber ? er ist bulgarischer Staatsangehöriger - am 31.1.2006 von Beamten des Hauptzollamtes Wien im Zuge einer Kontrolle auf der Baustelle in Wien, T-gasse, dabei betreten worden sei, wie er ohne die erforderliche Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz Bauarbeiten verrichtet habe. Über den dafür erfoderlichen Aufenthaltstitel habe der Berufungswerber, der seinen eigenen Angaben zufolge am 12.12.2005 mit dem Bus von Ungarn kommend zwecks touristischen Aufenthalts eingereist sei, nicht verfügt. Der Berufungswerber sei ledig und habe keine familiären Bindungen zu Österreich. Eine Interessenabwägung ergebe daher, dass das öffentliche Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes deutlich schwerer wiege als die negativen Auswirkungen eines solchen Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Berufungswerbers. Dies, zumal sich der Berufungswerber erst seit relativ kurzer Zeit im Bundesgebiet aufhalte, keiner legalen Beschäftigung nachgehe, nicht kranken- oder sozialversichert sei und auch keine familiären Bindungen zu Österreich habe, wohingegen ein eminent hohes öffentliches Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens bestehe, das durch die Schwarzarbeit des Berufungswerbers erheblich beeinträchtigt worden sei. In seiner dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung brachte der anwaltlich vertretene Berufungswerber im Wesentlichen vor, die ihm zur Last gelegte Schwarzarbeit sei nicht erwiesen, er beziehe in Bulgarien eine Invalidenrente und sei als arbeitsunfähig anzusehen.

Die Berufung wurde zunächst der Sicherheitsdirektion Wien vorgelegt, die den Stand des Strafverfahrens gegen den Beschäftiger des Berufungswerbers nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz ermittelt hat. Demnach wurde der persönlich haftende Gesellschafter der S-KEG, auf deren Baustelle der Berufungswerber bei Bauarbeiten betreten worden war, mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 16. Bezirk, zur GZ MBA 16 ? S 1740/06 erstinstanzlich bereits bestraft. Am 2.3.2007 wurde die Berufung im Hinblick auf den am 1.1.2007 erfolgten EU-Beitritt Bulgariens dem nunmehr gemäß § 9 Abs 1 Z 1 FPG zuständigen Unabhängigen Verwaltungssenat Wien vorgelegt.

Im kriminalpolizeilichen Aktenindex, abgefragt am 2.3.2007, scheint keine Vormerkung über den Berufungswerber auf. Er ist strafrechtlich bis zu diesem Zeitpunkt in Österreich nicht in Erscheinung getreten.

Eine Anfrage des erkennenden Senats an die erstinstanzliche Behörde vom 8.3.2007 wurde mit Schreiben vom 20.3.2007 dahingehend beantwortet, dass erstinstanzlich ab dem Einbringen der Berufung am 17.2.2006 keine für das gegenständliche Verfahren relevanten Umstände bekannt geworden sind.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs1 Z 1 FPG (Verfassungsbestimmung) entscheiden über Berufungen gegen Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz, sofern nicht anderes bestimmt ist, im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern.

Gemäß § 60 Abs 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.

die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.

anderen im Art. 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs 1 hat gemäß § 60 Abs 2 Z 8 FPG insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem Organ der Zollbehörde, der regionalen Geschäftsstelle oder der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht ausüben hätte dürfen. Gemäß § 86 Abs 1 FPG ist gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes ihren Hauptwohnsitz ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

Die Berufungswerber ist bulgarischer Staatsbürger. Als solcher ist er seit 1.1.2007 gemäß Artikel 17 Abs 1 EGV Bürger der Europäischen Union und daher auch zum Aufenthalt in Österreich berechtigt (Artikel 18 Abs 1 und Artikel 43 erster Satz EGV). Der gegenständlich in Berufung gezogene Bescheid wurde am 2.2.2006 erlassen. Zum damaligen Entscheidungszeitpunkt war Bulgarien noch nicht Mitglied der Europäischen Union und wurde das Aufenthaltsverbot zu Recht auf § 60 FPG gestützt.

Der hinsichtlich der Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Sachverhalt hat sich jedoch seit der Bescheiderlassung insofern maßgeblich geändert, als mittlerweile Bulgarien der Europäischen Union beigetreten ist und somit dem Berufungswerber als bulgarischem Staatsangehörigen die im FPG verankerten gemeinschaftsrechtlichen Vorteile zukommen.

Im Berufungsverfahren war somit die Rechtmäßigkeit des über den Berufungswerber verhängten Aufenthaltsverbotes anhand der zwischenzeitlich für EU-Bürger maßgeblichen Rechtsvorschriften des 10. Hauptstückes des FPG zu prüfen.

Nach der die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EU-Bürger regelnden Rechtsvorschrift des § 86 FPG ist ein solches Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, wobei das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Die Bestimmungen des § 60 Abs 2 Z. 8 und Abs 5 FPG sind bei der Beurteilung der Frage, ob gegen einen EU-Bürger oder einen begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, ungeachtet der Sonderbestimmungen des 10. Hauptstückes des FPG insofern von Bedeutung, als der Katalog des § 60 Abs 2 FPG als Orientierungsmaßstab heranzuziehen ist (vgl. zur Rechtslage nach dem FrG 1997 VwGH 14.11.2000, 2000/18/0096; 6.11.2002, 98/18/0293 u.a.).

Dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, dass in § 60 Abs 2 FPG Parameter für das Vorliegen der in Abs 60 Abs 1 FPG genannten Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aufgezählt werden, denen bei der im Sinne des § 86 Abs 1 FPG zu beantwortenden Frage, ob das Verhalten des Fremden eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr darstellt, unterschiedliche Relevanz zukommt.

So wird die Feststellung der Ausübung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit ohne die entsprechende arbeitsmarktbehördliche Bewilligung für sich genommen im Regelfall eine Gefährdungsprognose im Sinne des § 86 Abs 1 FPG, die die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen EU-Bürger rechtfertigt, nicht tragen (siehe dazu bereits die Berufungsentscheidungen des UVS Wien vom 19.2.2007, UVS-FRG/55/658/2007, sowie vom 20.2.2007, UVS-FRG/4/578/2007). Außer der in der Begründung des angefochtenen Bescheides erwähnten, arbeitsmarktrechtlich nicht bewilligten Erwerbstätigkeit des Berufungswerbers an einem einzigen Tag im Jänner 2006 ergeben sich weder aus dem Verwaltungsakt noch aus dem von der Berufungsbehörde abgefragten kriminalpolizeilichen Index Sachverhaltselemente, die ein von der Berufungswerberin ausgehendes, Gefährdungspotenzial im Sinne des § 86 Abs 1 FPG 2005 indizieren.

Da sohin zum Zeitpunkt der Entscheidung der Berufungsbehörde keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass vom Berufungswerber eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr ausgeht, war das angefochtene Aufenthaltsverbot spruchgemäß zu beheben.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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