TE UVS Wien 2007/08/24 07/A/02/6844/2007

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Veröffentlicht am 24.08.2007
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr. Fegerl über die Berufung der H-Baugesellschaft m.b.H. vom 24.7.2007 und die Berufung des Herrn Ing. Gerhard W. vom 26.7.2007, jeweils gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 10. Bezirk, vom 10.7.2007, Zahl MBA 10 - S 2145/07, wegen Übertretung des § 18 Abs 12 iVm § 28 Abs 1 Z 1 lit b [richtig: iVm § 28 Abs 1 Z 5 lit b] Ausländerbeschäftigungsgesetz, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Gemäß § 65 VStG ist kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

1.1. Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 10. Bezirk, erkannte [unter Spruchpunkt I.)] den beschuldigten Berufungswerber mit Straferkenntnis vom 10.7.2007 schuldig, er habe als gemäß § 28a Abs 3 Ausländerbeschäftigungsgesetz verantwortlich Beauftragter der Firma H-Baugesellschaft m.b.H., etabliert in L., J-Straße, zu verantworten, dass die Firma es unterlassen habe, der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservices die Beschäftigung von Ausländern, welche von einem ausländischen Arbeitgeber mit Betriebssitz im Staatsgebiet eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union zur vorübergehenden Dienstleistung in das Bundesgebiet entsandt worden sei, anzuzeigen, obwohl die Beschäftigung von Ausländern, die nicht von § 1 Abs 2 lit l erfasst seien und die von einem ausländischen Arbeitgeber mit Betriebssitz im Staatsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Union zur Erbringung einer vorübergehenden Dienstleistung in das Bundesgebiet entsandt worden seien, der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservices vor der Arbeitsaufnahme anzuzeigen sei. Die Anzeige gemäß Abs 12 sei vom Ausländer oder von dessen Arbeitgeber oder vom inländischen Auftraggeber des Arbeitgebers bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservices, in deren Sprengel die Arbeitsleistungen bzw. die Beschäftigung erbracht worden sei, schriftlich einzubringen. Am 18.4.2006 um

10.20 Uhr sei auf der Baustelle in N., Wohnpark Ha. festgestellt worden, dass die von seiner Firma beauftragte Firma M., etabliert in D-Za., H-straße, auf der oa. Baustelle Betonmischarbeiten durchgeführt habe. Dabei sei nachfolgender tschechische Staatsangehörige beschäftigt worden, für welchen weder eine EU-Entsendebewilligung noch eine Bestätigung vorhanden gewesen sei: MI. Oldrich, geb. am 22.12.1961, Staatsangehörigkeit:

Tschechien, Beschäftigungszeitraum: jedenfalls am 18.4.2006, ab 9.00 Uhr, Beschäftigungsort: Baustelle N., Wohnpark Ha. Wegen Verletzung des § 18 Abs 12 iVm § 28 Abs 1 Z 1 lit b [richtig: Z 5 lit b] Ausländerbeschäftigungsgesetz verhängte die Erstbehörde gemäß § 28 Abs 1 Z 1 lit b erster Satz iVm § 9 VStG 1991 über den Berufungswerber eine Geldstrafe von ? 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Woche 3 Stunden) und schrieb gemäß § 64 VStG einen erstinstanzlichen Verfahrenskostenbeitrag von ? 100,-- vor.

Unter Spruchpunkt II.) des Straferkenntnisses sprach die Erstbehörde aus, dass die H-Baugesellschaft m.b.H. gemäß § 9 Abs 7 VStG zur ungeteilten Hand für die nach Punkt I.) dieses Bescheides über Herrn Ing. Gerhard W. (Beschuldigter und verantwortlicher Beauftragter gem. § 28a Abs 3 AuslBG) verhängte Geldstrafe und die angeführten Verfahrenskosten hafte. Dagegen richten sich die vorliegenden, rechtzeitig eingebrachten Berufungen der haftpflichtigen Ges.m.b.H. und des Beschuldigten.

1.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien brachte der Amtspartei (Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart) die Berufungen zur Kenntnis und gab ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme, wobei auf die gemeinschaftsrechtlichen Ausführungen in einem beigelegten Berufungsbescheid des UVS Wien vom 8.1.2007 und auf das darin verwiesene Urteil des EuGH vom 21.9.2006, C 168/04 hingewiesen wurde. Der Amtspartei wurde diesbezüglich mitgeteilt, dass der UVS Wien (vorläufig) davon ausgehe, dass die im vorliegenden Fall anzuwendenden Bestimmungen (§ 18 Abs 12 iVm § 28 Abs 1 Z 5 lit b AuslBG idF BGBl. I Nr. 101/2005) gemeinschaftsrechtswidrig seien und daher das gegenständliche Straferkenntnis infolge des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts bzw. der Verdrängung entgegenstehenden innerstaatlichen Rechts aufzuheben sein werde.

Die Amtspartei führte in ihrer mit Schreiben vom 10.8.2007 erstatteten Stellungnahme aus, dass nach ihrem Dafürhalten der Verweis auf das zu § 18 Abs 12 -16 AuslBG ergangene Urteil des EuGH auch im vorliegenden Fall zutreffe, zumal die (zwischenzeitig) geänderte Fassung des § 18 Abs 12 AuslBG an den materiellen Voraussetzungen für die EU-Entsendung nichts geändert habe. Zu diesem Themenkomplex teilte die Amtspartei weiters mit, dass sich derzeit eine Änderung des AuslBG, mit welcher auch die Bestimmung des § 18 Abs 12 leg. cit. neu gefasst werden soll, im Begutachtungsstadium befinde.

2.0. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

2.1. Das gegenständliche Strafverfahren geht auf eine Anzeige (Strafantrag) des Zollamtes Eisenstadt vom 9.6.2006 wegen Übertretung der (richtig zitierten) Bestimmungen des ?§ 18 Abs 12 iVm § 28 Abs 1 Z 5 lit b AuslBG? zurück. Dem darin beschriebenen Sachverhalt lag eine Kontrolle am 18.4.2006 auf der Baustelle in N., Wohnparkt Ha., zugrunde, bei der die auf der Baustelle tätigen Mitarbeiter der deutschen Firma M. überprüft wurden, unter denen sich (neben drei deutschen Staatsbürgern) auch ein ebenfalls bei der deutschen Firma (mit deutscher Arbeitsgenehmigung) beschäftigter tschechischer Staatsbürger (Herr Oldrich MI.) befand. Die deutsche Firma war als Subauftragnehmer der H-Bauges.m.b.H. auf der Baustelle mit den Pflastersteinverlegungsarbeiten beauftragt und tätig. Das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren wurde zunächst im Hinblick auf den Sitz der Hauptniederlassung der H-Bauges.m.b.H. von der Bezirkshauptmannschaft L. geführt. Auf Anfrage beim Zollamt wurde eine Bestellungsurkunde vom 15.5.2003 übermittelt, mit welcher Herr Ing. Gerhard W. von der H-Bauges.m.b.H. für den Hoch- und Tiefbau für Wien und Burgenland und für den Tiefbau für Niederösterreich bis auf Widerruf zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 28a Abs 3 AuslBG bestellt worden war.

Mit Schreiben vom 11.6.2007 trat die BH L. das Strafverfahren unter Bezugnahme auf eine aktenkundige Entscheidung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit zu einem (hinsichtlich der Frage der örtlichen Zuständigkeit) ähnlich gelagerten Strafverfahren (Baustelle in NÖ) gegen Ing. W. (als verantwortlicher Beauftragter der H-Bauges.m.b.H.) gemäß § 27 VStG an den Magistrat der Stadt Wien ab. In der genannten Entscheidung (gemäß § 5 Abs 1 AVG iVm § 24 VStG) des BMWA vom 25.5.2007 wurde ausgesprochen, das der Magistrat der Stadt Wien (MBA 10) zur Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens gegen den verantwortlichen Beauftragten der H-Bauges.m.b.H., Herrn BM Ing. Prok. Gerhard W. wegen des Vorwurfs der bewilligungslosen Beschäftigung eines näher bezeichneten jugoslawischen Staatsbürgers vom 30.11.2004 bis 7.12.2004 in E. (NÖ) örtlich zuständig sei.

2.2. Im hier gegenständlichen Fall besteht nach dem Akteninhalt und der Tatumschreibung im Straferkenntnis kein Zweifel daran, dass es bei der vorliegenden und angelasteten Tat um die Inanspruchnahme der Arbeitsleistungen eines Ausländers (durch die H-Bauges.m.b.H.) geht, der von einem deutschen Arbeitgeber beschäftigt und von diesem zur Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wurde, ohne dass für diesen zuvor eine EU-Entsendebestätigung ausgestellt worden wäre. Die passenden Strafbestimmungen zu den Übertretungen des § 18 Abs 12 AuslBG finden sich in der (gegenüber dem von der Erstbehörde fälschlich herangezogenen § 28 Abs 1 Z 1 lit b - welcher entsendende Arbeitgeber außerhalb der EU meint - speziellen) Norm des § 28 Abs 1 Z 5 lit a und b AuslBG, sodass die angelastete Übertretung richtig unter § 28 Abs 1 Z 5 lit b (iVm § 18 Abs 12) AuslBG zu subsumieren wäre. Angemerkt sei, dass hinsichtlich der von einem Unternehmen mit Sitz in der EU betriebsentsandten Arbeiter mit Staatsangehörigkeit eines neuen EU-Mitgliedsstaates (hier eines tschechischen Staatsbürgers) auch die Übergangsbestimmung des § 32a Abs 7 AuslBG mitzulesen ist, welche die Anwendung des § 18 Abs 12 AuslBG insofern erweitert.

Zu den Vorbringen in den Berufungen ist festzuhalten, dass diese nicht zu überzeugen vermögen. Das Vorbringen der H-Bauges.m.b.H., dass sie nicht als Beschuldigte und damit nicht als Bescheidadressatin zu betrachten sei, übersieht, dass die H-Bauges.m.b.H. gemäß § 9 Abs 7 VStG für die Geldstrafe und die Kosten haftet und darüber unter Punkt II.) des angefochtenen Bescheides auch abgesprochen wurde. Die H-Bauges.m.b.H. ist daher Partei des gegen ihren verantwortlichen Beauftragten (den Beschuldigten) geführten Strafverfahrens. Wenngleich der angefochtene Bescheid in seinem Spruchpunkt I.) mit dem Personalpronomen ?Sie? beginnt, ist doch bei verständlicher Würdigung des Inhaltes unzweifelhaft erkennbar, dass damit als Beschuldigter der als erster Bescheidadressat genannte Herr Ing. Gerhard W. (als verantwortlicher Beauftragter der H-Bauges.m.b.H.) gemeint ist.

In der Berufung des beschuldigten Herrn Ing. W. wird im Wesentlichen die örtliche Unzuständigkeit der Erstbehörde geltend gemacht und überdies vorgebracht, dass für die gegenständliche Baustelle nicht mehr der Beschuldigte, sondern Herr Ing. B. als verantwortlicher Beauftragter verantwortlich gewesen sei. Zur Unzuständigkeitseinrede ist darauf hinzuweisen, dass der verfahrensgegenständliche Auftrag der H-Bauges.m.b.H. betreffend die Pflasterungsarbeiten Wohnpark Ha. N. von der (eingetragenen) Zweigniederlassung der H-Bauges.m.b.H. in Wien, Pu-platz, an die deutsche Firma vergeben und ausgefertigt wurde. Auch der Gesamtauftrag (Ortskanalisation Wohnpark Ha.) der Stadtgemeinde N. war an die H-Bauges.m.b.H., Wien,

P-platz, erteilt worden. Da die Verfügungen hinsichtlich der übernommenen Arbeiten auf der gegenständlichen Baustelle faktisch also offenbar von der Wiener Zweigniederlassung aus getroffen wurden, ist auch vor dem Hintergrund der aktenkundigen Bestellungsurkunde und des aktenkundigen Dienstvertrages des Beschuldigten davon auszugehen, dass die Entsendung von der Wiener Zweigniederlassung aus anzuzeigen gewesen wäre, dass also der Tatort iSd § 27 VStG am Standort der im Firmenbuch eingetragenen Zeigniederlassung in Wien gelegen ist (so auch das BMWA in der oben zitierten Zuständigkeitsentscheidung vom 25.5.2007; der Hinweis auf den Hauptsitz in L. wäre daher durch die Anführung der Zweigniederlassung der haftpflichtigen Berufungswerberin in Wien zu ersetzen). Dass der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt (entsprechend der aktenkundigen Bestellungsurkunde samt Zustimmung des Beschuldigten mit seiner Unterschrift neben dem Zusatz ?Wien, 21.5.2003?) auch für die gegenständliche Baustelle noch wirksam bestellter verantwortlicher Beauftragter iSd § 28a Abs 3 AuslBG war, vermag der Beschuldigte auch nicht mit den von ihm vorgelegten Unterlagen zu entkräften. Die vom Beschuldigten vorgelegte Bestellung des Herrn Elmar B. durch die H-Bauges.m.b.H. (Zweigniederlassung Wien) für die Einhaltung des AuslBG vom 28.3.2006 erfolgte nämlich ausdrücklich nur (räumlich beschränkt) für die Baustelle ?Stadtgemeinde N./See ? We-siedlung K-berg?. Diese Baustelle (südöstlich des Zentrums nahe der Kaserne Richtung We.) ist jedoch nicht ident und nicht einmal in der Nähe der gegenständlichen Baustelle Wohnpark Ha. (nordwestlich des Zentrums Richtung Eisenstadt). Schon deshalb würde auch diese Bestellung des Ing. B. (ihr Einlangen und ihre Rechtswirksamkeit vorausgesetzt) nichts daran ändern, dass der Beschuldigte für die gegenständliche Baustelle im Burgenland weiterhin (rechtwirksam bestellter) verantwortlicher Beauftragter war. Dass seine Bestellung bei der zuständigen Behörde widerrufen wurde oder die Bestellung eines anderen verantwortlichen Beauftragten für die gegenständliche Baustelle Ha. bei der zuständigen Zollbehörde eingelangt ist (vgl. § 28a Abs 3 und 4 AuslBG), kann den vorgelegten Unterlagen nicht entnommen werden.

Das angefochtene Straferkenntnis war jedoch aus anderen, in den Berufungen nicht erwähnten (gemeinschaftsrechtlichen) Gründen, die im Folgenden erläutert werden sollen, aufzuheben.

2.3. § 18 Abs 12 Ausländerbeschäftigungsgesetz in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 101/2005 lautet:

?(12) Für Ausländer, die von einem Arbeitgeber mit Betriebssitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union zur Erbringung einer vorübergehenden Dienstleistung in das Bundesgebiet entsandt werden, ist keine Entsendebewilligung erforderlich. Die beabsichtigte Entsendung ist jedoch vom Ausländer oder von dessen Arbeitgeber oder vom inländischen Auftraggeber des Arbeitgebers vor der Arbeitsaufnahme bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice, in deren Sprengel die Arbeitsleistungen erbracht werden, anzuzeigen. Die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat die Anzeige binnen zwei Wochen zu bestätigen (EU-Entsendebestätigung). Sie hat die Entsendung zu untersagen, wenn

1. der Ausländer im Staat des Betriebssitzes nicht ordnungsgemäß und dauerhaft seit mindestens einem Jahr in einem direkten Arbeitsverhältnis zum entsendenden Arbeitgeber steht oder mit diesem keinen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hat oder nicht über die entsprechenden Bewilligungen des Entsendestaates für die Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen verfügt oder

2. die österreichischen Lohn- und Arbeitsbedingungen, insbesondere gemäß § 7b Abs 1 und 2 des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG), BGBl. Nr. 459/1993, oder die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen nicht eingehalten werden.?

Die mit BGBl. I Nr. 101/2005 neu gefassten Bestimmungen ersetzten jene des § 18 Abs 12 bis 16 AuslBG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 101/2005, deren Inhalt Gegenstand der Prüfung durch den EuGH war. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 21.9.2006, in der Rechtssache C-168/04, Kommission gegen Republik Österreich, zunächst den Inhalt dieser Vorgängerbestimmungen wie folgt zusammengefasst:

?... Für den Fall, dass ein Unternehmen mit Betriebssitz in einem Mitgliedstaat Drittstaatsangehörige zur Erbringung einer Dienstleistung in Österreich entsendet, sieht § 18 Abs 12 bis 16 AuslBG ein besonderes Verfahren vor. Danach wird die Bewilligung durch eine EU-Entsendebestätigung ersetzt, die unter bestimmten Voraussetzungen erteilt wird.

In § 18 Abs 12 AuslBG heißt es u.a.:

?Die Beschäftigung von Ausländern, die nicht von § 1 Abs 2 lit m erfasst sind und die von einem ausländischen Arbeitgeber mit Betriebssitz im Staatsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Union zur Erbringung einer vorübergehenden Dienstleistung in das Bundesgebiet entsandt werden, ist der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vor der Arbeitsaufnahme anzuzeigen. Die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat binnen sechs Wochen eine Anzeigebestätigung (EU-Entsendebestätigung) auszustellen.?

Die Voraussetzungen für die Erteilung der EU-Entsendebestätigung sind in § 18 Abs 13 AuslBG festgelegt. Danach wird diese Bestätigung erteilt, wenn

-

der entsendete drittstaatsangehörige Arbeitnehmer bei dem Unternehmen, das ihn im Herkunftsmitgliedstaat beschäftigt, ordnungsgemäß und dauerhaft seit mindestens einem Jahr in einem direkten Arbeitsverhältnis steht oder einen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hat und

-

die österreichischen Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen während der Entsendung eingehalten werden.?

Der Europäische Gerichtshof hat in dem bezeichneten Urteil im Rahmen der Prüfung dieser Bestimmungen des AuslBG auf die Übereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts u. a. Folgendes ausgeführt (RN 48 ff.):

"(48) Die EU-Entsendebestätigung, wie sie in § 18 Abs 12 bis 16 AuslBG geregelt ist, kann jedoch nicht als geeignetes Mittel zur Erreichung des geltend gemachten Zieles (Sicherstellung des Arbeitnehmerschutzes im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit) angesehen werden.

(49) Zum einen berücksichtigt nämlich ein solches Verfahren, das auf die systematische Einhaltung der österreichischen Lohn-und Beschäftigungsbedingungen abstellt, nicht die sozialen Schutzmaßnahmen, insbesondere im Bereich der Arbeitsbedingungen und der Entlohnung, denen das entsendende Unternehmen nach dem im Herkunftsstaat geltenden Recht oder einem gegebenenfalls zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem betreffenden Drittstaat geschlossenen Kooperationsabkommen unterliegt und deren Anwendung geeignet ist, eine ernste Gefahr der Ausbeutung von Arbeitnehmern sowie der Verfälschung des Wettbewerbs zwischen den Unternehmen auszuschalten (vgl. Urteil Vander Elst, Randnr. 25, und Kommission/Luxemburg, Randnr. 35).

(50) Zum anderen geht die Bedingung, die die Erteilung der EU-Entsendebestätigung vom Bestehen von Arbeitsverträgen mit einer Laufzeit von mindestens einem Jahr oder von unbefristeten Arbeitsverträgen abhängig macht, über das hinaus, was im Namen des Zieles des sozialen Schutzes als notwendige Voraussetzung für die Erbringung von Dienstleistungen mittels Entsendung drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer verlangt werden kann (Urteile Kommission/Luxemburg, Randnrn. 32 und 33, und Kommission/Deutschland, Randnr. 58).

(51) Auch kann sich die österreichische Regierung nicht auf die vom Gerichtshof in Randnummer 26 des Urteils Vander Elst verwendete Formulierung berufen, wenn sie geltend macht, dass aufgrund dieses Erfordernisses kontrolliert werden könne, ob der entsandte drittstaatsangehörige Arbeitnehmer über eine ordnungsgemäße und dauerhafte Beschäftigung im Niederlassungsstaat seines Arbeitgebers verfüge. Der Gerichtshof hat nämlich den Begriff der 'ordnungsgemäßen und dauerhaften Beschäftigung' nicht mit der Bedingung eines Wohnsitzes oder einer Beschäftigung im Niederlassungsstaat des Dienstleistungsunternehmens von bestimmter Dauer verbunden (Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 55).

(52) Insoweit stellt die nach dem AVRAG bestehende Verpflichtung für ein Dienstleistungsunternehmen, den örtlichen Behörden vor einer Entsendung die bevorstehende Anwesenheit eines oder mehrerer zu entsendender Arbeitnehmer, die vorgesehene Dauer dieser Anwesenheit und die durch die Entsendung veranlasste(n) Dienstleistung(en) mitzuteilen, eine ebenso wirksame, aber weniger einschneidende Maßnahme als die streitige Bedingung dar. Durch sie sind die betreffenden Behörden nämlich in der Lage, die Einhaltung der österreichischen sozialrechtlichen und Lohnregelung während der Dauer der Entsendung zu kontrollieren und dabei die Verpflichtungen zu berücksichtigen, denen das Unternehmen bereits nach den im Herkunftsmitgliedstaat geltenden arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften unterliegt.

(53) Daraus folgt, dass das Verfahren der EU-Entsendebestätigung über das hinausgeht, was zur Verfolgung des Zieles des Schutzes der Arbeitnehmer erforderlich ist. ....

(56) Zwar darf ein Mitgliedstaat kontrollieren, ob ein Unternehmen, das in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und von dort Arbeitnehmer aus einem Drittstaat entsendet, den freien Dienstleistungsverkehr nicht zu einem anderen Zweck als dem der Erbringung der betreffenden Dienstleistung nutzt, beispielsweise dazu, sein Personal kommen zu lassen, um Arbeitnehmer zu vermitteln oder Dritten zu überlassen (vgl. Urteile Rush Portuguesa, Randnr. 17, und Kommission/Luxemburg, Randnr. 39). Das Verfahren der EU-Entsendebestätigung kann jedoch nicht als geeignetes Mittel zur Erreichung des von der österreichischen Regierung genannten Zieles [Störung des nationalen Arbeitsmarktes verhindern] angesehen werden.

(57) Die Auskünfte, die aufgrund des Anmeldeverfahrens nach dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz erteilt werden müssen und in Randnummer 52 des vorliegenden Urteils erwähnt worden sind, sowie die Auskünfte, die im Verfahren zur Gewährung der Aufenthaltserlaubnis erteilt werden müssen, versetzen die österreichischen Behörden in die Lage, sich zu vergewissern, dass die betreffenden Arbeitnehmer in dem Mitgliedstaat, in dem sie von dem Unternehmen beschäftigt werden, legalen Status haben, insbesondere, was Aufenthalt, Arbeitserlaubnis und soziale Absicherung angeht, und garantieren diesen Behörden auf genauso wirksame, aber weniger einschneidende Art und Weise als die streitigen Bedingungen, dass diese Arbeitnehmer legal beschäftigt werden und dass sie ihre Haupttätigkeit in dem Mitgliedstaat ausüben, in dem das Dienstleistungsunternehmen ansässig ist.

(58) Das Verfahren der EU-Entsendebestätigung kann daher nicht mit dem Zweck der Verhinderung einer Störung des nationalen Arbeitsmarktes gerechtfertigt werden und ist folglich im Hinblick auf

die von der Republik Österreich angestrebten Ziele als unverhältnismäßig anzusehen.?

Der EuGH kam in seinem Urteil zu folgendem Ergebnis (Tenor, vgl. auch das diesbezügliche Erkenntnis des VwGH vom 9.10.2006, Zl. 2002/09/0092):

"Die Republik Österreich hat gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 49 EG verstoßen, indem sie ... die Entsendung drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer durch ein in einem anderen Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen von der Einholung der 'EU-Entsendebestätigung' nach § 18 Abs 12 bis 16 Ausländerbeschäftigungsgesetz abhängig macht, die nur erteilt wird, wenn erstens der betreffende Arbeitnehmer seit mindestens einem Jahr bei dem betreffenden Unternehmen beschäftigt ist oder mit diesem einen unbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen hat ..."

2.4. Durch die Novelle BGBl. I Nr. 101/2005 wurde die Betriebsentsendung durch Unternehmen, denen das Recht auf Dienstleistungsfreiheit gemäß Art 49 EGV zukommt, mit eher geringfügigen Änderungen neu geregelt. Die bisherigen Abs 12 bis 16 des § 18 AuslBG wurden durch den neuen Abs 12 ersetzt. Dadurch sollte laut den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (RV 948 BlgNR XXII. GP) der Kritik der Kommission im damals noch offenen Vertragsverletzungsverfahren Rechnung getragen werden. Es sollte ?daher die Pflicht zur Einholung der EU-Entsendebestätigung durch eine administrativ weniger aufwändige Anzeigepflicht ersetzt werden. An den materiellen Voraussetzungen für die EU-Entsendung selbst soll sich nichts ändern. Für die Entsendung ist nach wie vor notwendig, dass die zu entsendende drittstaatsangehörige Arbeitskraft in einem ordnungsgemäßen und dauerhaften Arbeitsverhältnis zum entsendenden Unternehmen steht und die österreichischen Lohn- und Arbeitsbedingungen eingehalten werden.?

Die am 1.1.2006 in Kraft getretene Regelung des § 18 Abs 12 AuslBG ist hinsichtlich ihrer Gemeinschaftsrechtskonformität als bloß kosmetisch-terminologischer Anpassungsversuch zu bezeichnen, der nur geringfügige bzw. im gegebenen

Zusammenhang unwesentliche Änderungen gebracht hat. Vor dem Hintergrund der zitierten Ausführungen des EuGH insbesondere zur Unverhältnismäßigkeit der materiellen Bedingungen bzw. Voraussetzungen für die Ausstellung der EU-Entsendebestätigung, welche mit der Novelle BGBl. I Nr. 101/2005 unverändert in § 18 Abs 12 Z 1 und 2 AuslBG übernommen wurden, besteht kein Zweifel, dass auch die mit 1.1.2006 in Kraft getretene Bestimmung gegen Art 49 EGV verstoßen. Angemerkt sei auch, dass § 28 Abs 1 Z 5 AuslBG idF BGBl. I Nr. 101 und 103/2005 nach wie vor die (lit a: Beschäftigung und lit b) Inanspruchnahme der Arbeitsleistungen eines (aus dem EU-Raum) betriebsentsandten, drittstaatsangehörigen Ausländers, ?ohne dass für diesen eine EU-Entsendebestätigung ausgestellt wurde?, unter Strafe stellt. Die Amtspartei ist in ihrer Stellungnahme der ihr zuvor mitgeteilten rechtlichen Beurteilung des erkennenden Senates beigetreten.

2.5. Dem BW wurde - wie bereits oben ausgeführt - im gegenständlichen Strafverfahren und im angefochtenen Straferkenntnis inhaltlich die Verletzung des § 18 Abs 12 [iVm § 28 Abs 1 Z 5 lit b] AuslBG zur Last gelegt. Da er somit wegen der Verletzung gemeinschaftsrechtswidriger Vorschriften bestraft wurde, war infolge des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts und der Verdrängung entgegenstehenden innerstaatlichen Rechts spruchgemäß zu entscheiden (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 9.10.2006, Zl. 2002/09/0092).

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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