TE UVS Wien 2007/09/28 MIX/42/8429/2007

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.09.2007
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied MMag. Dr. Tessar über die Berufung der Verlassenschaft nach Nissen L., vertreten durch RA, gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 64, vom 28.8.2007, Zl. MA 64 - 5643/06, mit welchem I.) gemäß § 18 Abs 1 iVm § 26 Strahlenschutzgesetz iVm AllgStrSchV der Verlassenschaft nach Herrn Nissen L. aufgetragen wurde, die der Behörde erwachsenen Kosten, die anlässlich der Durchführung von zur Beseitigung von infolge Gefahr im Verzug angeordneten strahlenschutzrechtlichen Sofortmaßnahmen auf dem Gelände der Abfallbehandlungsanlage in Wien, G-gasse, am 31.10.2006, in der Höhe von EUR 92.849,53 entstanden sind, zu ersetzen und II.) der Verlassenschaft nach Herrn Nissen L. gemäß § 76 Abs 1 und 2 AVG für die erforderliche Einholung gutachtlicher strahlenschutztechnischer Stellungnahmen der Magistratsabteilung 15 - II/3 (Physikalisch-technische Prüfanstalt für Strahlenschutz) - PTPA EUR 418,56 an Barauslagen vorgeschrieben wurden, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

Text

Der Spruch des angefochtenen Bescheides lautet wie folgt:

?I. Gemäß § 18 Abs 1 i.V.m. § 26 des Strahlenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 227/1969 i.d.g.F. in Verbindung mit der Allgemeinen Strahlenschutzverordnung - AllgStrSchV, BGBl. II Nr. 181/2006 wird der Verlassenschaft nach Herrn Nissen L., geb. am 5.4.1930, gest. am 6.8.2006, vertreten durch die erbserklärten Erben Eduard L., geb. am 12.12.1959, Ruth B., geb. am 20.6.1961, Josef L., geb. am 8.10.1963 und Elisabeth W., geb. am 7.4.1970, alle vertreten durch Rechtsanwalt, aufgetragen die Kosten, die anlässlich der Durchführung von zur Beseitigung von Gefahr im Verzug angeordneten strahlenschutzrechtlichen Sofortmaßnahmen auf dem Gelände der Abfallbehandlungsanlage in Wien, G-gasse am 31.10.2006 in der Höhe von EUR 92.849,53 entstanden sind, zu ersetzen.

Dieser Betrag ist binnen zwei Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides auf das PSK Konto Nr. 5060904, lautend auf BMLFUW - Umwelt, BLZ 60000, bei sonstiger Exekution einzuzahlen. II. Gemäß § 76 Abs 1 und 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), werden der Verlassenschaft nach Herrn Nissen L., geb. am 5.4.1930, gest. am 6.8.2006, vertreten durch die erbserklärten Erben Eduard L., geb. am 12.12.1959, Ruth B., geb. am 20.6.1961, Josef L., geb. am 8.10.1963 und Elisabeth W., geb. am 7.4.1970, für die erforderliche Einholung gutachtlicher strahlenschutztechnischer Stellungnahmen der Magistratsabteilung 15 - II/3 (Physikalisch-technische Prüfanstalt für Strahlenschutz) - PTPA, EUR 418,56 an Barauslagen vorgeschrieben.?

In der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Berufung brachte die Berufungswerberin wörtlich vor wie folgt:

?Mit Bescheid des Landeshauptmanns von Wien vom 28.8.2007, MA 64 ? 5643/2006, uns zugestellt am 3.9.2007, wurde der Verlassenschaft nach Nissen L., vertreten durch die erbserklärten Erben Eduard L., Ruth B., Josef L. und Elisabeth W., aufgetragen, die Kosten, die anlässlich der Durchführung von zur Beseitigung von Gefahr im Verzug angeordneten strahlenschutzrechtlichen Sofortmaßnahmen auf dem Gelände der Abfallbehandlungsanlage in Wien, G-gasse am 31.10.2006 in der Höhe von EUR 92.849,53 entstanden sind, zu ersetzen. Weiters wurden uns gem § 76 Abs 1 und 2 AVG Barauslagen für die Einholung gutachterlicher strahlenschutztechnischer Stellungnahmen der MA 15 in der Höhe von EUR 418,56 zur Zahlung vorgeschrieben. Dagegen erheben wir binnen offener Frist

Berufung:

1. SACHVERHALT

Herr Nissen L. war grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaften EZ 3201 (bestehend aus den Grundstücken Nr 452/7 und 542/11 mit einer Fläche von 3453 m2, Beilage .11: Grundbuchsauszug EZ 3201), Grundbuch 01007 S. (Kaufvertrag vom 28.03.1985) und EZ 3730 (vormals EZ 3105, bestehend aus dem Grundstück Nr 542/12; Beilage .12:

Grundbuchsauszug EZ 3730), Grundbuch 01107 S. (Kaufvertrag vom 01.02.1980).

Herr Nissen L. ist am 06.08.2006 verstorben. Das Verlassenschaftsverfahren ist anhängig. Gesamtrechtsnachfolger nach Herrn Nissen L. ist daher derzeit noch die Verlassenschaft nach Herrn Nissen L..

Auf den genannten Liegenschaften mit der Adresse Wien, G-gasse, befindet sich eine abfallbehördlich genehmigte Anlage zur Behandlung von Abfällen. Die Anlage besteht im wesentlichen aus einer Halle mit verschiedenen Abfallbehandlungseinrichtungen, einem Abwassersammel- und -behandlungssystem und Lagerräumen aus den Freiflächen um die Halle (EZ 3201) sowie aus dem sog Öltanklager (EZ 3730).

Die Ö. Abfallbeseitigungsgesellschaft mbH & Co KG (im Folgenden kurz: Ö.) war aufgrund der Mietverträge vom 28.03.1985 (Zusatz zum Mietvertrag vom 10.02.1988; Hauptobjekt), vom 01.07.1987 (Objekt Tanklager) und vom 01.01.1991 (Objekt Freifläche) Hauptmieterin des Geländes (Hauptobjekt, Objekt Tanklager und Objekt Freifläche) und hat die auf dem Gelände befindliche Abfallbehandlungsanlage betrieben. Dementsprechend wurden die verschiedenen für die Anlage erteilten Genehmigungen auch an die Ö. erteilt.

Für die Mietobjekte waren als Mietentgelt die folgenden Beträge vereinbart:

* Hauptobjekt wertgesichert EUR 2.692,99 (seit 01 .09.1987)

* Objekt Tanklager wertgesichert EUR 1.765,07

* Objekt Freifläche wertgesichert EUR 363,36.

Da die Ö. mit der Bezahlung des Hauptzinses seit mehreren Jahren in Verzug war (für das Hauptobjekt seit November 2002, für das Tanklager seit August 2003, für die Freifläche seit März 2003), hat Herr Nissen L. mit Klage vom 25.06.2004 die Bezahlung der Hauptmietzinse von März 2003 bis einschließlich Februar 2005 und die Räumung des Hauptgebäudes des Mietgegenstands durch de Firma Ö. geltend gemacht (BG Innere Stadt Wien, 42 C 451104t). Mit Teilurteil des BG Innere Stadt Wien vom 14.12.2005 wurde die Ö. schuldig erkannt, einen Betrag von EUR 81.468,38 samt Zinsen zu bezahlen. Die Entscheidung über das Räumungsbegehren sowie die Kostenentscheidung blieb dem Endurteil (noch nicht ergangen) vorbehalten. Es besteht ein offener Mietzinsrückstand im Umfang von EUR 304.755,83. Bis zum Tätigwerden der zuständigen Anlagenbehörde seit 02.08.2006 (siehe dazu unten) befand sich das gesamte Areal der Abfallbehandlungsanlage in einem äußerst bedenklichen Zustand:

* Da die Ö. in den vergangenen Jahren Abfälle offenbar nur mehr

angenommen und eingelagert, nicht jedoch behandelt bzw an befugte Sammler und Behandler weitergegeben hat, befanden sich in den Lagerräumen der Halle der Abfallbehandlungsanlage gewaltige Mengen von gefährlichen und nicht gefährlichen Abfällen.

Eingelagert waren etwa Lösungsmittel, Tenside, Altlacke, Quecksilber, PCB-haltige Abfälle, Filterkuchen, Asbestabfälle, Ameisensäure, diverse Salze und Säuregemische, Schwermetallsulfide, Pflanzenschutzmittel, Düngemittel, Essigsäure, Schwefel, Laborabfälle, Salpetersäure, Buttersäure, Phosphor und Zyanid (!). Wie sich aus dem angefochtenen Bescheid ergibt, waren sogar radioaktive Abfälle eingelagert!

* ? Über den tatsächlichen Inhalt der Lagergebinde, Mulden und Becken waren (laut Auskunft der zuständigen Anlagenbehörde) nur mehr unzureichende Informationen verfügbar. Auch die für die Anlage zuständige Behörde kannte den tatsächlichen Inhalt der Lagergebinde nicht, sondern konnte sich nur an den nur teilweise vorhandenen Beschriftungen orientieren.

* Mittlerweile (seit der amtswegigen Durchführung der Räumung der Liegenschaft durch die Behörde, siehe dazu unten) ist klar, dass die Ö. Abfallbehandlungen und Abfalllagerungen durchgeführt hat, die vom bestehenden anlagenrechtlichen Konsens nicht gedeckt waren (etwa durch Überschreiten der zulässigen Lagerdauer oder Lagerung auf nicht genehmigten Freiflächen oder Einlagerung nicht genehmigter Abfallarten). Die Lagerung und/oder Behandlung radioaktiver Abfälle war jedenfalls nicht genehmigt! * Dieser Zustand hat schon lange so bestanden. Trotzdem die zuständige Anlagenbehörde offenbar mehrmals Überprüfungen durchgeführt hat, wurde eine Beseitigung des konsenslosen Zustands von der Behörde nie angeordnet. Gegenstand behördlicher Anordnungen waren immer nur Mängel geringeren Ausmaßes.

Am 10.08.2005 wurde über die Ö. der Konkurs eröffnet (Handelsgericht Wien, 6 S 88/05s). Zum Masseverwalter wurde Herr RA Dr. Richard P. bestellt. Mit Beschluss des Konkursgerichts vom 02.09.2005 wurde die Schließung des Unternehmens angeordnet.

Trotzdem erklärte der Masseverwalter bei einer Überprüfung der Anlage am 13.09.2005 gegenüber der Anlagenbehörde, dass an eine Schließung des Betriebs nicht gedacht sei (1); dies, obwohl das Konkursgericht mit Beschluss vom 02.09.2005 bereits die Schließung des Unternehmens angeordnet hatte. Tatsächlich aber war die Anlage spätestens seit 02.09.2005 nicht mehr in Betrieb: Es wurden keine Abfälle angenommen, gelagerte Abfälle wurden auch nicht mehr weggebracht. Die verschiedenen Behandlungseinrichtungen waren nicht mehr aktiv, In der Anlage befanden sich auch keine Mitarbeiter mehr, die einen Betrieb hätten führen können. Spätestens seit 02.09.2005 wurde die Anlage daher mit allen eingelagerten Abfällen einfach zurückgelassen.

Mit Schreiben vom 10.03.2006 hat der Masseverwalter der Ö. die mit dem von Herrn Nissen L. geltend gemachten Räumungsbegehren verbundene Auflösungserklärung betreffend die Mietrechte der Ö. am Bestandobjekt Wien, G-gasse, anerkannt. Eine Räumung des Bestandobjekts durch die Konkursmasse bzw durch die Ö. ist jedoch nicht erfolgt. Eine Übergabe eines Schlüsselsatzes (von mehreren vorhandenen) durch den Masseverwalter erfolgte erst am 27.04.2006, und nur deshalb, weil Herr Nissen L. den Masseverwalter kurz davor um Übergabe eines Schlüsselsatzes gebeten hatte, damit die von der belangten Behörde angekündigte behördliche Begehung am 27.04.2006 stattfinden konnte.

Mit Beschluss des Konkursgerichts vom 27.04.2006 wurde der Konkurs vom Konkursgericht nach Verteilung der Masse an die Massegläubiger aufgehoben (sog ?Konkurs im Konkurs?). Die Aufhebung des Konkurses wurde mit 15.05.2006 rechtskräftig. Mit Eintragung vom 05.07.2006 wurde die Ö. aus dem Firmenbuch des Handelsgerichts Wien gelöscht. Mit Schreiben vom 02.05.2006 wurde Herrn Nissen L. von der Anlagenbehörde (Landeshauptmann von Wien ? MA 22) mitgeteilt, dass er nunmehr als Anlageninhaber der Abfallbehandlungsanlage zu qualifizieren sei, weil er seit Einbringung der Mietzins- und Räumungsklage die vollständige Verfügungsbefugnis über die gegenständliche Liegenschaft hätte. Gleichzeitig wurde Herr Nissen L. aufgefordert, entweder die Auflassung der Abfallbehandlungsanlage anzuzeigen oder ? im Falle eines Weiterbetriebs ? die Erfüllung der berufsrechtlichen Erfordernisse ( 25 AWG 2002) nachzuweisen. Mit Schreiben vom 05.05.2006 wurde Herr Nissen L. von der Behörde abermals aufgefordert mitzuteilen, welche Maßnahmen er zu setzen beabsichtige.

Am 24.05.2006 hat die Anlagenbehörde unter Beiziehung verschiedener Sachverständiger der MA 26, der MA 30, der MA 45 und der MA 22 eine Revision der Abfallbehandlungsanlage durchgeführt. Im Zuge der Revisionsverhandlung wurde von der Anlagenbehörde gemäß 62 Abs 4 AWG 2002 gegenüber Herrn Nissen L. als Liegenschaftseigentümer und Anlageninhaber verschiedene Maßnahmen im Wege unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls und Zwangsgewalt unmittelbar angeordnet. Die angeordneten Maßnahmen betrafen die Vermeidung des Betretens unbefugter Personen durch Schaffung einer vollständigen Umzäunung und Absperren des Einfahrtstores, die Umlagerung von im Freien in Fässern gelagerten Abfällen an der Ostseite der Abfallbehandlungsanlage sowie die Entsorgung des in der Auffangwanne beim Öltanklager angesammelten Öl-Wasser-Gemisches. Die am 24.05.2006 angeordneten Maßnahmen wurden am 30.05.2006 und am 31.05.2006 im Auftrag der Anlagenbehörde durchgeführt. Gegen die Anordnung der Maßnahmen vom 24.05.2006 hat Herr Nissen L. Maßnahmenbeschwerde an den UVS erhoben. Mit Bescheid des UVS vom 11.1.2007, UVS-02/13/5729!2006, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Gegen diesen Bescheid haben wir Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Das Verfahren ist zur ZI B-340!07-4 noch anhängig.

Am 25.07.2006 und am 27.07.2006 wurde das Gelände der Abfallbehandlungsanlage bzw die Abfallbehandlungsanlage selbst von Mitgliedern der Umweltschutzorganisation Global 2000 ohne Zustimmung von Herrn Nissen L. und daher illegal betreten. Am 27.07.2006 hat Global 2000 medienwirksam auf die Abfallbehandlungsanlage und die darin befindlichen gefährlichen Abfälle aufmerksam gemacht. Infolge der Medienaktion von Global 2000 haben auch verschiedene österreichische Tageszeitungen sowie verschiedene österreichische TV-Sender über die Abfallbehandlungsanlage berichtet. Auf Grund dieses medialen Interesses hat die Anlagenbehörde am 28.07.2006 und am 31 .07.2006 abermals eine behördliche Begehung des Anlagengeländes durchgeführt. Mit der Begründung, dass auf Grund der medialen Berichterstattung nicht auszuschließen sei, dass unbefugte Personen mit den in- und außerhalb der Anlage gelagerten Abfällen hantieren oder die Abfälle an andere Orte verbringen und dadurch bei weiterem Zuwarten einerseits Personen gesundheitlichen Schaden nehmen und anderseits Beeinträchtigungen der Umwelt entstehen könnten, hat die Anlagenbehörde das Vorliegen von Gefahr im Verzug angenommen. Auf Grund dieser Annahme von Gefahr im Verzug hat die Anlagenbehörde am 2.8.2006 gem § 62 Abs 4 AWG 2002 gegenüber Herrn Nissen L. als Liegenschaftseigentümer und Anlageninhaber die folgenden Maßnahmen im Wege unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt angeordnet:

?Sämtliche auf der Liegenschaft befindlichen gefährliche Abfälle sowie jene Abfälle, die eine Gefahr im oben beschriebenen Sinn darstellen können, sind unverzüglich zu entfernen und einem befugten Abfallsammler- bzw -behandler zu übergeben. Dies gilt jedenfalls für jene Fässer und Gebinde, wo auf Grund einer entsprechenden Beschriftung der begründete Verdacht besteht, dass sie leicht lösliches Zyanid wie zB Natriumzyanid beinhalten. Während der gesamten Zeit der Räumung ist sicherzustellen, dass Unbefugte die Liegenschaft bzw die Anlage weder bei Tag noch bei Nacht betreten oder sich gewaltsam Zutritt zu den gelagerten Abfällen verschaffen können, zB durch Beschäftigung eines Wachdienstes.?

Da die am 02.08.2006 anwesenden Vertreter von Herrn Nissen L. gegenüber der Anlagenbehörde erklärt haben, dass dem behördlichen Auftrag nicht nachgekommen werden wird, hat die Anlagenbehörde seit 02.08.2006 die Durchführung der beauftragten Maßnahmen veranlasst. Soweit für uns ersichtlich, wurde einerseits ein privater Wachdienst beauftragt und andererseits eine Totalräumung aller auf der Liegenschaft vorhandenen Abfälle veranlasst.

Gegen die Anordnung der Maßnahmen am 02.08.2006 hat die Verlassenschaft nach Herrn Nissen L. als Gesamtrechtsnachfolger Beschwerde an den UVS Wien erhoben. Mit Bescheid vom 1.8.2007, UVS- 02/11/7363/2006-13, hat der UVS Wien die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Gegen diesen Bescheid erheben wir Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Zur Abrundung des Bildes ist noch auf Folgendes hinzuweisen:

Mit Bescheid des Landeshauptmanns von Wien vom 23.4.2007, MA 22- 1668/2007, wurde der Verlassenschaft aufgetragen, die in der Höhe von EUR 15.416,62 entstandenen Kosten für die am 30.5.2006 und am 31.5.2006 durchgeführten Maßnahmen zu ersetzen. Dagegen haben wir Berufung erhoben. Mit Bescheid des Landeshauptmanns von Wien vom 10.5.2007, MA 22-1669/2007, wurde der Verlassenschaft aufgetragen, die in der Höhe von EUR 1.157.550,85 entstandenen Kosten für die von 2.8.2006 bis 31.10.2006 durchgeführten Maßnahmen zur Entfernung der Abfälle zu ersetzen. Dagegen haben wir Berufung erhoben. Beide Verfahren sind derzeit noch beim UVS Wien anhängig. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28.8.2007, MA 64-5643/2006, wurden der Verlassenschaft die Kosten für am 31.10.2006 durchgeführte strahlenschutzrechtliche Sofortmaßnahmen inkl Barauslagen vorgeschrieben. Gegen diesen Bescheid erheben wir Berufung.

2. BEGRÜNDUNG

Die strahlenschutzrechtlichen Bestimmungen, auf die sich die Behörde bei ihrer Kostenvorschreibung stützt, ermächtigen tatsächlich nicht dazu, dem Eigentümer einer Liegenschaft, auf der zu Unrecht radioaktive Abfälle zurückgelassen wurden, die Kosten für die amtswegige Entfernung dieser radioaktiven Abfalle vorzuschreiben. Überhaupt enthält das StrSchG keine Rechtsgrundlage, die eine Kostenvorschreibung, wie sie im angefochtenen Bescheid enthalten ist, auch nur ansatzweise gesetzlich decken würde. Auch die Vorschreibung der Barauslagen ist rechtswidrig, weil die Voraussetzungen des § 76 Abs 1 oder 2 AVG im konkreten Fall keinesfalls vorzulegen. Der angefochtene Bescheid leidet überdies an erheblichen formellen Mängeln. im Einzelnen:

2.1. Keine Verpflichtung zum Kostenersatz nach § 18 StrSchG

Im angefochtenen Bescheid stützt sich die belangte Behörde zum einen auf § 18 Abs 1 StrSchG, wonach in Fällen unmittelbar drohender Gefahr, bedingt durch den Umgang mit Strahlenquellen, die Behörde alle geeigneten Maßnahmen zu veranlassen hat, um diese Gefahr abzuwenden. Die Behörde ist ermächtigt, zu diesem Zweck einstweilige Verfügungen zu erlassen sowie nach den Bestimmungen des VVG über die Ersatzvornahme vorzugehen.

Aus folgenden Erwägungen kommt eine Kostenvorschreibung an die Verlassenschaft als Eigentümer der Liegenschaft, auf der zu Unrecht radioaktive Abfälle zurückgelassen wurden, nicht in Betracht:

* Selbst bei genauer und selbstkritischer Lektüre der Bestimmung

des § 18 StrSchG ist nicht ersichtlich, dass der Eigentümer einer Liegenschaft, auf der vom Mieter radioaktive Abfälle zurückgelassen wurden, nach dieser Rechtsgrundlage zu irgendwelchen Maßnahmen verpflichtet werden kann.

Aus dem Zusammenhang des § 18 StrSchG mit den Bestimmungen der § 5 bis 17 StrSchG ergibt sich, dass sich allfällige einstweilige Verfügungen und sonstige bescheidmäßige Anordnungen nur an den Betreiber einer Anlage für den Umgang mit Strahlenquellen oder an denjenigen richten können, der in bewilligungspflichtiger Weise mit Strahlenquellen umgeht. Weder betreibt die Verlassenschaft eine Anlage für den Umgang mit Strahlenguellen noch hat die Verlassenschaft je einen Umgang mit Strahlenguellen iSd § 2 Abs 45 StrSchG geübt.

Die belangte Behörde übersieht ganz offenbar, dass die radioaktiven Abfälle eben nicht von der Verlassenschaft bzw von Herrn Nissen L. eingelagert wurden. Die belangte Behörde übersieht offenbar weiters, dass der Besitz an einer Sache voraussetzt, diese Sache auch besitzen zu wollen ( 309 ABGB). Da die Ö. (Betreiberin der Abfallbehandlungsanlage) die radioaktiven Abfälle gegen den Willen des Liegenschaftseigentümers auf der Liegenschaft zurückgelassen hat, kann nicht davon gesprochen werden, dass der Liegenschaftseigentümer den Willen hat, die radioaktiven Abfälle als die Seinigen zu behalten. Weder Herr Nissen L. noch die Verlassenschaft waren jemals Besitzer der Strahlenquellen. Da der angefochtene Bescheid auch überhaupt keine Begründung in diesem Punkt enthält, bleibt völlig rätselhaft, warum § 18 StrSchG zu etwaigen Anordnungen gegenüber dem Eigentümer einer Liegenschaft ermächtigen sollte.

§ 18 StrSchG ermächtigt nicht zur Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. § 18 Abs 1 2. Satz StrSchG konkretisiert die für die Behörde möglichen Handlungsformen nämlich dadurch, dass zur Erlassung einstweiliger Verfügungen und zur Anwendung des VVG ermächtigt wird. Einstweilige Verfügungen sind als Bescheide zu qualifizieren (vgl Lit und Rspr zu § 122 WRG). § 18 Abs 1 StrSchG ermächtigt daher nur zur Erlassung von Bescheiden, mit denen die Durchführung geeigneter Maßnahmen aufgetragen wird, nicht aber zur unmittelbaren Anordnung von Maßnahmen verbunden mit der bescheidmäßigen Kostenvorschreibung an die möglichen Verpflichteten.

* Selbst wenn § 18 Abs 1 StrSchG zur Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigen sollte, ist die Behörde mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung jedenfalls nicht ermächtigt, die Kosten für die unmittelbar veranlassten Maßnahmen den allfällig Verpflichteten vorzuschreiben. Entsprechend dem Legalitätsprinzip des Art 18 B-VG kommt eine Kostenvorschreibung nur in Betracht wenn im Gesetz eine entsprechende Grundlage enthalten ist. Aus § 18 Abs 1 StrSchG ergibt sich keine Ermächtigung zur Kostenvorschreibung nach Anwendung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls und Zwangsgewalt. * Selbst wenn (was nicht der Fall ist) nach § 18 StrSchG die Ausübung unmittelbarer Befehls und Zwangsgewalt und die bescheidmäßige Vorschreibung der dabei entstandenen Kosten an die Verpflichteten möglich sein sollte, würde eine Kostenvorschreibung nach dem StrSchG voraussetzen, dass zuvor eine entsprechende strahlenschutzrechtliche Anordnung ergangen ist. Gegenüber Herrn Nissen L. wurden verschieden abfallpolizeiliche Maßnahmen gem § 62 Abs 4 AWG 2002 angeordnet. Eine strahlenschutzrechtliche Anordnung ist gegenüber Herrn Nissen L. bzw der Verlassenschaft nie ergangen . Überdies scheint die Entfernung der radioaktiven Abfälle von der nicht zuständigen abfallrechtlichen Anlagenbehörde (LH von Wien - MA 22) und nicht von der zuständigen Strahlenschutzbehörde (Magistrat der Stadt Wien - MA 64) veranlasst worden zu sein. Auch aus diesem Grund kommt keine Kostenvorschreibung an die Verlassenschaft in Betracht.

* Schließlich wird aus dem angefochtenen Bescheid in keiner Weise ersichtlich, worin die strahlenschutzrechtlich relevante Gefahr im Verzug hätte gelegen sein sollen: Im angefochtenen Bescheid zitiert die belangte Behörde die Begründung der MA 22 für Gefahr im Verzug für die am 24.05.2006 angeordneten Maßnahmen. Was dies mit der Entsorgung der radioaktiven Abfälle zu tun haben soll, bleibt völlig rätselhaft. Offenbar verwechselt die belangte Behörde die Anordnung vom 24.05.2006 mit der Anordnung vom 02.08.2006. Die in der Anlage von der Ö. eingelagerten radioaktiven Abfälle haben sich jedenfalls schon mehrere Jahre in der Anlage befunden. Es ist nicht erkennbar, aufgrund welcher Umstände eine sofortige Entfernung plötzlich für erforderlich erachtet wurde. Jedenfalls enthält der Bescheid keine nachvollziehbare Begründung für das Vorliegen von Gefahr im Verzug.

2.2. Keine Verpflichtung zum Kostenersatz nach § 26 Abs 1 StrSchG

Die belangte Behörde stützt sich im angefochtenen Bescheid weiters auf die Rechtsgrundlage des § 26 Abs 1 StrSchG. Danach hat die Strahlenschutzbehörde herrenlose radioaktive Stoffe zu beschlagnahmen und entweder eine Wiederverwertung oder eine Entsorgung als radioaktiver Abfall zu veranlassen. Die anfallenden Kosten können von einem etwaigen Besitzer im Regressweg eingefordert werden.

Auf Basis des § 26 Abs 1 StrSchG kommt eine Kostenvorschreibung an den Liegenschaftseigentümer aus folgenden Erwägungen nicht in Betracht:

* Zwar handelt es sich bei den gegenständlichen radioaktiven Abfällen tatsächlich um herrenlose radioaktive Stoffe (die radioaktiven Abfälle wurden rechtswidrig von der Ö. als Besitzerin der radioaktiven Abfälle auf der Liegenschaft zurückgelassen). Wenn es sich bei den radioaktiven Stoffen aber um herrenlose radioaktive Stoffe handelt, dann gibt es definitionsgemäß auch keinen Besitzer, dem die Kosten für die Entsorgung der radioaktiven Stoffe aufgetragen werden könnten.

* Sollte die belangte Behörde jedoch davon ausgegangen sein, dass die radioaktiven Abfälle im Besitz des Liegenschaftseigentümers stehen, ergibt sich daraus, dass § 26 Abs 1 StrSchG bei Zutreffen dieser Annahme eben nicht anwendbar ist.

* Eine Kostenvorschreibung nach § 26 Abs 1 StrSchG scheitert aber jedenfalls daran, dass der Lieqenschaftseigentümer nicht Besitzer der von der Mieterin rechtswidrig zurückgelassenen radioaktiven Abfälle ist. Besitz setzt nach der eindeutigen Regelung des § 309 ABGB voraus, die besessene Sache behalten zu wollen (Besitzwille). Weder Herr Nissen L. noch die Verlassenschaft haben jemals zu irgendeinem Zeitpunkt den Willen gebildet, die radioaktiven Abfälle behalten zu wollen. Ein solcher Besitzwille kann dem Liegenschaftseigentümer nicht einfach unterstellt werden. Der angefochtene Bescheid enthält keine nachvollziehbare Begründung, warum die Verlassenschaft als Liegenschaftseigentümerin auch als Besitzerin der radioaktiven Stoffe zu qualifizieren sein sollte, die rechtswidrig auf der Liegenschaft zurückgelassen wurden.

2.3. Keine Verpflichtung zum Kostenersatz nach § 26 Abs 3 und 4

StrSchG

Die belangte Behörde stützt sich schließlich auf die Bestimmung des § 26 Abs 3 StrSchG, wonach radioaktive Stoffe oder radioaktiv kontaminierte Stoffe in zur Wiederverwertung vorgesehenen Materialien vom Eigentümer oder vom Käufer auf dessen Kosten vom nicht kontaminierten Material auszusondern, ordnungsgemäß zu verpacken, zu kennzeichnen und an den Absender zurückzusenden, ansonsten als radioaktiver Abfall zu entsorgen sind. Nach § 26 Abs 4 StrSchG sind die radioaktiven Stoffe oder radioaktiv kontaminierten Stoffe von der Behörde als radioaktiver Abfall entsorgen zu lassen, wenn die Verpflichteten nach § 26 Abs 3 StrSchG nicht feststellbar sind oder zur Rücksendung oder Entsorgung aus rechtlichen oder sonstigen Gründen nicht herangezogen werden können. Die anfallenden Kosten können von den gem § 26 Abs 3 StrSchG Verpflichteten im Regressweg eingefordert werden.

Eine Kostenvorschreibung an den Liegenschaftseigentümer nach § 26 Abs 3 und 4 StrSchG kommt aus folgenden Erwägungen nicht in Betracht:

* § 26 Abs 3 StrSchG regelt offenbar den Fall, dass jemand radioaktive Stoffe oder radioaktiv kontaminierte Stoffe im Zusammenhang mit dem Kauf nicht radioaktiver Stoffe erwirbt, ohne zu einem Besitz oder Umgang mit radioaktiven Stoffen berechtigt zu sein. Es ist nicht nachvollziehbar, inwiefern eine nach § 26 Abs 3 StrSchG einschlägige Sachverhaltskonstellation im vorliegenden Fall vorliegen soll. Die Verlassenschaft als Liegenschaftseigentümer bzw Herr Nissen L. als Liegenschaftseigentümer hat die radioaktiven Stoffe von niemandem gekauft oder ins Eigentum übertragen bekommen; die radioaktiven Stoffe wurden zu Unrecht von der Mieterin auf der Liegenschaft zurückgelassen. Die Verlassenschaft ist daher kein Eigentümer oder Käufer iSd § 26 Abs 3 und 4 StrSchG * Selbst wenn § 26 Abs 3 StrSchG im vorliegenden Fall anwendbar

sein sollte (was nicht zutrifft), ist die Verlassenschaft jedenfalls nicht als Eigentümer oder Käufer der radioaktiven Abfälle zu qualifizieren. Mangels Kaufvertrag kann die Eigenschaft als Käufer wohl nicht ernstlich behauptet werden. Eine Qualifikation als Eigentümer setzt voraus, dass es einen Titel für den Eigentumserwerb gibt und eine Übergabe der Stoffe vom vorherigen Eigentümer stattgefunden hat (Modus). Im konkreten Fall liegt weder Titel noch Modus vor. Die Verlassenschaft hat die radioaktiven Stoffe nicht mit Kaufvertrag erworben und auch nicht vom bisherigen Eigentümer auf Basis eines solchen Titels übergeben bekommen. Es widerspricht allen Grundsätzen des Zivilrechts, wenn die belangte Behörde der Verlassenschaft das Eigentum an den radioaktiven Abfällen unterstellen will.

2.4. Wirtschaftliche Unzumutbarkeit

Unabhängig davon, dass die strahlenschutzrechtlichen Rechtsgrundlagen ohnedies nicht ausreichen, um die angefochtenen Kostenvorschreibung tragen zu können, übersieht die belangte Behörde offenbar weiters, dass die Inanspruchnahme des Liegenschaftseigentümers für einen nicht von ihm herbeigeführten Zustand aus verfassungsrechtlichen Gründen nur unter ganz eingeschränkten Voraussetzungen in Betracht kommt. Im Einzelnen:

Im Zusammenhang mit der wasserrechtlichen Haftung eines Liegenschaftseigentümers für einen nicht von ihm herbeigeführten konsenslosen Zustand hat der VfGH festgestellt, dass eine Haftung des Liegenschaftseigentümers (sogenannte Zustandstörerhaftung) mit dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie mit dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Schutz des Eigentums nur dann vereinbar ist, wenn der Eingriff der Behörde in die genannten Grundrechte auch die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen beachtet, unter denen derartige Eingriffe zulässig sind (VfSlg 13587/1993, VfSIg 14489/1996).

Dabei ist der VfGH davon ausgegangen, dass auch im besonderen öffentlichen Interesse gelegene Verpflichtungen, die mit einer erheblichen Vermögensbelastung verbunden sind, einem Liegenschaftseigentümer unabhängig von seinem persönlichen, die Verpflichtung auslösenden Verhalten nur auferlegt werden dürfen, wenn ihm dies unter Bedachtnahme auf das Prinzip der Verhältnismäßigkeit wirtschaftlich zumutbar ist. Auch unter Berücksichtigung der im öffentlichen Interesse verfassungsrechtlich zugelassenen und gesetzlich vorgesehenen Schranken des Liegenschaftseigentums dürfen daher von Verfassungs wegen dem Eigentümer von hoher Hand keine Lasten auferlegt werden, die ihn mit Rücksicht auf ihre Schwere einerseits und seinem aus dem Eigentum gezogenen Nutzen anderseits unverhältnismäßig treffen und ihm daher wirtschaftlich nicht zumutbar sind.

In VfSIg 13587/1993 hat der VfGH außerdem dargelegt, dass diese Voraussetzung der Zumutbarkeit von an den Grundeigentümer gerichteten wasserpolizeilichen Aufträgen durch § 138 Abs 4 WRG (eingefügt durch die WRG-Novelle 1990) entsprechend konkretisiert wurde. Zumutbarkeit sei daher nur gegeben, wenn der Liegenschaftseigentümer die eigenmächtige Neuerung, dass Unterlassen der Arbeit oder die Bodenverunreinigung ausdrücklich gestattet hat oder wenn er der Ablagerung zugestimmt oder sie freiwillig geduldet Lind ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat. Die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgende Inanspruchnahme des Liegenschaftseigentümers für die Kosten der durchgeführten strahlenschutzrechtlichen Maßnahmen ist aus folgenden Gründen unverhältnismäßig und daher verfassungswidrig:

* Dem anordnungsgegenständlichen Zustand (nämlich der konsenslosen Lagerung von radioaktiven Abfällen) wurde vom Liegenschaftseigentümer nie zugestimmt; der Zustand wurde auch nicht geduldet. Als Abwehrmaßnahme wurde eine Räumungsklage eingebracht. Die Kriterien, die der VfGH als erforderlich erachtet, um von einer wirtschaftlichen Zumutbarkeit einer verwaltungspolizeilichen Anordnung auszugehen, liegen daher nicht vor.

* In Verbindung mit den weiteren vom Landeshauptmann von Wien in

der gegenständlichen Sache ergangenen Kostenvorschreibungen übersteigen die vorgeschriebenen Kosten ? auch ungeachtet der nicht vorhandenen Zustimmung oder Duldung ? die vom Eigentümer lukrierten Mietzinseinnahmen ? insb, weil der Eigentümer bereits seit Jahren keine Mietentgelt von der Mieterin mehr bezogen hat (gesamter Mietzinsrückstand EUR 304.755,83) - deutlich. Die Summe der Mietzinseinnahmen ist aber weiters auch mit dem aus dem Eigentum gezogenen Nutzen nicht gleichzusetzen. Von der Summe der tatsächlichen Mietzinseinnahmen müssen die für die Einnahmen geleisteten Steuern, der für den Erwerb des Areals geleistete Kaufpreis, der getätigte Erhaltungsaufwand, die Abnutzung der Gebäude (tatsächlich befinden sich die Gebäude nach dem jahrelangen Betrieb der Ö. in einem vollkommen unbrauchbaren und dringend sanierungsbedürftigen Zustand), der Aufwand für die anwaltliche Vertretung in den vielen Gerichtsverfahren gegen die Ö., der Mieteinnahmenentgang seit Konkurseröffnung Ö. (das Areal ist aufgrund der zurückgelassenen Abfälle und des Gebäudezustands nicht vermietbar) und der laufende Betriebskostenaufwand (der nicht an einen Mieter weiterverrechnet werden kann) abgezogen werden. Tatsächlich ist aus diesen Erwägungen nur von einem sehr geringen wirtschaftlichen Nutzen auszugehen.

* Der anordnungsgegenständliche Zustand war konsenslos der Eigentümer hat aus dem anordnungsgegenständlichen Zustand keinerlei Nutzen gezogen.

* Die Behörde hätte der Mieterin die Beseitigung des konsenslosen Zustands längst auftragen müssen und können. Die Behörde hat mit wirksamen Maßnahmen so lange zugewartet, bis der eigentliche Verursacher (nämlich die Ö.) nicht mehr greifbar war. Lediglich deshalb, weil die Behörde zugewartet hat und die Ö. inzwischen in Konkurs gegangen ist, wurde eine Verantwortung des Eigentümers in Betracht gezogen. Schon aufgrund der der Behörde anzulastenden Versäumnisse muss die Verhältnismäßigkeit gegenüber dem Grundstückseigentümer verneint werden.

Der Kostenbescheid ist daher rechtswidrig, weil die Behörde aus verfassungsrechtlichen Gründen hätte prüfen müssen, ob eine Inanspruchnahme für die Kosten für die Verlassenschaft wirtschaftlich zumutbar ist. Hätte die Behörde dies geprüft, hätte sie den angefochtenen Kostenbescheid nicht erlassen dürfen.

2.5. Untätigkeit der Behörde

Hätte die zuständige Anlagenbehörde (LH von Wien) ? in Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Verpflichtung ? die Einhaltung des Konsenses für die Anlage regelmäßig vollständig überprüft und bei Feststellung der Nichteinhaltung Vollzugsmaßnahmen gesetzt, wäre eine amtswegige Entsorgung der radioaktiven Abfälle und daher auch die vorgeschriebenen Kosten nicht erforderlich geworden. Der anordnungsgegenständliche Zustand bestand schon seit langer Zeit und nicht erst seit der letzten Behördenüberprüfung. Klar ist jedenfalls, dass radioaktive Abfälle nach den für die Anlage erteilten Genehmigungen in der Anlage weder gelagert bzw behandelt werden durften.

2.6. Keine Verpflichtung zum Ersatz von Barauslagen nach § 76 Abs 1 und 2 AVG

Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür gem § 76 Abs 1 AVG, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von amtswegen zu tragen sind, die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat. Wenn eine Amtshandlung durch das Verschulden eines anderen Beteiligten verursacht wurde, sind die Auslagen gem § 76 Abs 2 AVG von diesem zu tragen. Wurde die Amtshandlung von amtswegen angeordnet, so belasten die Auslagen den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind.

Eine Vorschreibung der Kosten für die Einholung gutachterlicher strahlenschutztechnischer Stellungnahmen der MA 15 ist aus folgenden Gründen rechtswidrig:

* Bei den Kosten für die Einholung gutachterlicher strahlenschutztechnischer Stellungnahmen der MA 15 handelt es sich nicht um Barauslagen iSd 76 AVG. Der allgemeine Verwaltungsaufwand ist von der Behörde zu tragen. Gutachten, die von Amtsachverständigen erstatten werden, fallen nicht unter den Begriff der Barauslagen. Die belangte Behörde hat sich des Amtsachverständigenapparats der Stadt Wien bedient; dieser Aufwand kann nicht als Barauslage geltend gemacht werden.

* Herr Nissen L. oder die Verlassenschaft haben zu keinem Zeitpunkt einen Antrag gestellt oder um eine Amtshandlung angesucht. Eine Vorschreibung von Barauslagen nach § 76 Abs 1 AVG scheitert mangels Vorliegens eines Antrags bzw Ansuchens.

* Eine Kostenvorschreibung nach § 76 Abs 2 AVG setzt schließlich

das Vorliegen von Verschulden voraus. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Verschulden iSd § 76 Abs 2 vorliegt, ist nach der ständigen Rspr des VwGH vom Verschuldensbegriff des § 1294 ABGB auszugehen. Ein Verschulden wäre daher nur dann anzunehmen, wenn die Verlassenschaft der Vorwurf träfe, sie habe es an der gehörigen Aufmerksamkeit oder dem gehörigen Fleiß fehlen lassen.

Es ist nicht ersichtlich, worin ein Verschulden der Verlassenschaft gelegen sein soll. Die radioaktiven Abfälle, die von der Behörde amtswegig entsorgt wurden, wurden von der Verlassenschaft nicht selbst eingelagert; die radioaktiven Abfälle wurden von der Mieterin der Liegenschaft rechtswidrig auf der Liegenschaft zurückgelassen. Der Verlassenschaft oder Herrn Nissen L. kann nicht ernsthaft Verschulden vorgeworfen werden. Die implizite Behauptung eines Verschuldens der Verlassenschaft ist geradezu absurd.

2.7. Verfahrensmängel

Der angefochtene Bescheid leidet an mehrfachen Verfahrensmängeln:

* Wie bereits oben ausgeführt hat die Behörde nicht ermittelt, ob überhaupt die strahlenschutzrechtlichen Voraussetzungen für eine Kostenvorschreibung vorliegen. Der angefochtene Bescheid enthält zu den relevanten Haftungsvoraussetzungen auch keinerlei nachvollziehbare Begründung.

* Zudem wurde unser Recht auf Parteiengehör krass verletzt: Zu den tatsächlich von der Partei beauftragten Leistungen und zur Höhe der aufgelaufenen Kosten wurde uns bislang keinerlei Parteiengehör gewährt. Wir wissen nicht, welche konkreten Abfälle in welcher Menge im Auftrag der Behörde zur Entsorgung abtransportiert wurden. Wir können zur Erforderlichkeit und Angemessenheit der Kosten im Detail erst Stellung nehmen, wenn uns die von den Auftragnehmern der Behörde erbrachten Leistungen und der dafür verrechnete Aufwand im Detail aufgeschlüsselt werden.

3. ANTRAG

Aus den dargelegten Gründen stellen wir somit den Antrag,

die Berufungsbehörde möge den angefochtenen Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 28.8.2007, MA 64 ? 5643/2006, ersatzlos aufheben.?

Seitens des erkennenden Senates wurde Einsicht genommen in den Parallelakt MIX/42/5457/2007 und die darin erliegenden weiteren

Akten des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 22, Zlen:

MA 22-1668/2007 und MA 22-1669/2007 und des Unabhängigen

Verwaltungssenats Wien, Zlen: UVS-02/13/5729/2006 und UVS- 02/11/7363/2006.

Zusammengefasst ist aus diesen Akten zu erschließen:

Aufgrund einer am 24.5.2007 durchgeführten Kontrolle des gegenständlichen Grundstücks ist durch die Erstbehörde im Bericht bezüglich dieser Kontrolle ausgeführt worden wie folgt:

?1) Der Zaun an der rückwärtigen, d.h. ostseitigen Grundstückgrenze fehlte auf einigen Metern; das Betreten des Anlagenareals war dort daher ohne Überwindung eines Hindernisses möglich.

Des weiteren bestand auch an der Südseite des Grundstücks die Möglichkeit, das Areal zu betreten, da die dort vorhandenen Tore geöffnet waren und nach Auskunft des Liegenschaftseigentümers auch geöffnet bleiben mussten, da diese Tore auch vom Mieter des Nachbarhauses als Zugang zu dem von ihm gemieteten Haus genützt werden.

2) Die im Freien in Fässern gelagerten Abfälle, die an der Ostseite der Abfallbehandlungsanlage in vier Lagen auf teilweise bereits schadhaften Holzpaletten übereinander gestapelt waren, wiesen eine derartige Schräglage auf, dass ein Umstürzen der Fässer, z.B. durch Wind oder Durchbrechen von Paletten, nicht ausgeschlossen werden konnte. Im Fall des Umstürzens konnte auch ein Bruch der Fässer und damit ein Austreten des Inhaltes dieser Fässer nicht ausgeschlossen werden. Die Fässer waren teilweise beschriftet; nach dieser Beschriftung handelt es sich bei dem Inhalt der Fässer um ?Schmutzfarbe zum Entsorgen?, somit um Lack- und Farbabfälle.

3) Die Übernahmestelle sowie die darunter situierte Auffangwanne im Zufahrtsbereich des rechts der Grundstückseinfahrt gelegenen Öltanklagers waren nicht gegen Niederschlag geschützt ausgestaltet. In diesem Bereich konnten Verschmutzungen von Öl-Wasser-Emulsionen festgestellt werden.?

Aufgrund des Fehlens eines Zaunes, der Schräglage der Fässer, der Beschädigung der zugehörigen Holzpaletten und des Umstand, dass die Übernahmestelle sowie die darunter situierte Auffangwanne im Zufahrtsbereich des Öltanklagers nicht gegen Niederschlag geschützt ausgestaltet war, wurde seitens der Erstbehörde das Vorliegen einer unmittelbaren Gefahr von Verunreinigen des Bodens und von Gewässern und von Verletzungen oder gesundheitlichen Schäden, somit Gefahr im Verzug, angenommen und wurden diese Missstände beseitigende Maßnahmen angeordnet.

Aus dem in den obangeführten erstinstanzlichen Akten erliegenden Protokoll des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 22, vom 2.8.2006 geht hervor, dass am 28.7.2006 und am 31.7.2006 Begehungen der gegenständlichen Liegenschaft durch die Anlagenbehörde (Magistratsabteilung 22) erfolgt sind. Aufgrund der Erhebungen anlässlich dieser Begehungen wurden in einem am 2.8.2006 aufgenommenen Protokoll die auf dieser Liegenschaft befindlichen Abfälle und die eine Gefährdung für Menschen bzw. die Umwelt darstellenden Mängel der gegenständlichen Abfallbehandlungsanlage dokumentiert. Außerdem wurde durch dieses Protokoll dokumentiert, dass zu dieser Protokollaufnahme insbesondere Herr Nissen L. geladen worden war und dass an dieser Verhandlung eine Vertreterin von Herrn L. teilgenommen hatte. In dieser Verhandlung wurde gemäß § 62 Abs 4 AWG die unverzügliche Beseitigung aller gefährlichen Abfälle und aller eine Gefahr darstellenden sonstigen Abfälle auf der gegenständlichen Liegenschaft angeordnet. Da die Vertreterin des Liegenschaftseigentümers angab, dass der Liegenschaftseigentümer den behördlichen Auftrag keinesfalls durchführen werde, wurde durch die Behörde sofort der Auftrag zur unverzüglichen Durchführung der entsprechenden Maßnahmen durch die Magistratsabteilung 68 erteilt. Mit Schriftsatz vom 2.1.2007 teilte der mit der Verlassenschaftsabhandlung betraute Notar Dr. Günther F. der Erstbehörde mit, dass ihm vom rechtsfreundlichen Vertreter der gesetzlichen Erben zur Kenntnis gebracht worden sei, dass sich die Gattin von Herrn Nissen L., Frau Jehudit L., ihres Erbes entschlagen werde und dass die übrigen gesetzlichen Erben, nämlich Eduard L., Ruth B., Josef L. und Elisabeth W. jeweils eine bedingte Erbserklärung abgeben würden.

Aus dem im erstinstanzlichen Akt erliegenden Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien vom 11.1.2007, Zl. UVS- 02/13/5729/2006, ist ersichtlich, dass die im Berufungsschriftsatz angeführte Maßnahmenbeschwerde von Herrn Nissen L. vom 4.7.2006 durch diesen Bescheid als unbegründet abgewiesen worden ist. Diesem Verfahren lag die Beschwerde von Herrn Nissen L. vom 4.7.2006 zugrunde, in welcher dieser gemäß Art. 129a Abs 1 Z 2 B-VG i.V.m.

§ 67c Abs 3 AVG die am 24.5.2006 erfolgte Anordnung von Maßnahmen gemäß § 62 Abs 4 AWG betreffend die auf der Liegenschaft des Einschreiters in Wien, G-gasse, befindliche Abfallbehandlungsanlage bekämpfte.

In diesem Verfahren brachte die Erstbehörde insbesondere vor, dass bereits am 2.9.2005 und am 13.9.2005 jeweils eine Begehung der Liegenschaft durch die Magistratsabteilung 22 erfolgt sei. Aufgrund der Zusage des Masseverwalters, dass der Sicherheitsbetrieb aufrechterhalten werde, sei zu diesem Zeitpunkt nicht vom Vorliegen einer Gefahr in Verzug ausgegangen worden. Mit Mandatsbescheid vom 8.9.2005 sei gemäß § 51 Abs 2 AWG i.V.m. § 57 Abs 1 AVG die vollständige Absperrung des Geländes und die Entfernung der im Freien gelagerten Fässer und Mulden angeordnet worden. Aufgrund eines Einspruchs des Masseverwalters sei dieser Mandatsbescheid am 29.9.2005 gemäß § 57 Abs 3 AVG wieder außer Kraft getreten. In weiterer Folge seien dem Masseverwalter als Vertreter der Konkursmasse mit Bescheid vom 14.12.2005, Zl. MA 22 - 325672005, Auflagen gemäß § 62 Abs 3 AWG (Kontrollgänge, regelmäßige Entsorgung der in die Anlage zurückfließenden, kontaminierten Niederschlagswässer) vorgeschrieben worden. Vom Masseverwalter sei in weiterer Folge mit einem am 10.4.2007 bei der Erstbehörde eingelangten Schriftsatz mitgeteilt worden, dass das Mietverhältnis an der gegenständlichen Liegenschaft am 24.3.2006 gelöst worden sei und seitdem die Ö. nicht mehr Bestandnehmerin sei. Im Zuge einer Kontrolle am 27.4.2006 und einer Kontrolle am 18.5.2006 sei festgestellt worden, dass die Liegenschaft neuerlich frei zugänglich sei, und seien einige mittlerweile eingetretene Gefahrensituationen (Schräglage von Fässern etc.) wahrgenommen worden.

Aus dem verlesenen Akt des erkennenden Senats, Zl. UVS- 02/11/7363/2006, ist ersichtlich, dass diesem Verfahren die Beschwerde der Verlassenschaft nach Nissen L. vom 12.9.2006 zugrunde gelegen war. In dieser Beschwerde wurde gemäß Art. 129a Abs 1 Z 2 B-VG i.V.m. § 67c Abs 3 AVG die am 2.8.2006 erfolgte Anordnung von Maßnahmen gemäß § 62 Abs 4 AWG betreffend die auf der Liegenschaft von Herrn Nissen L. in Wien, G-gasse, befindliche Abfallbehandlungsanlage bekämpft. Diese Beschwerde ist mit Bescheid vom 1.8.2007 abgewiesen worden.

Seitens des erkennenden Senats wurden zudem von der Verlassenschaft Grundbuchsauszüge des Bezirksgerichts Innere Stadt betreffend die Katastralgemeinde S. eingeholt. Demnach war Herr Nissen L. jedenfalls bis zum 2.8.2006 grundbücherlicher Eigentümer der in Wien, G-gasse situierten Liegenschaften 1) EZ 3201, Grundbuch 01007

S. (Kaufvertrag vom 28.3.1985) mit einer als Baugrund gewidmeten Gesamtfläche von 3453m2 und einer verbauten Fläche von 1689m2 sowie

2) EZ 3730 (vormals EZ 3105) Grundbuch 01007 S. (Kaufvertrag vom 1.2.1980) mit einer als Baugrund gewidmeten Gesamtfläche von 1162m2 und einer verbauten Fläche von 302 m2 gewesen.

Außerdem wurde der Konkursakt betreffend die Ö. vom Handelsgericht Wien zur Zl. 6 S 88/05s (hiermit verbunden 6 S 90/05k) beigeschafft. Die Aktenlage dieses Aktes deckt sich mit den das Konkursverfahren und die Bestandvertragsauflösung betreffenden Sachverhaltsannahmen der Erstbehörde und des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien in den beiden obzitierten Verfahren und dem entsprechenden Vorbringen des Berufungswerbers.

Weiters wurde der Verlassenschaftsakt nach Nissen L. vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien, Zl. 1A 88/06x, beigeschafft. Aus diesem geht hervor, dass Herr Nissen L. am 6.8.2006 verstorben ist. Mit Schriftsatz vom 23.1.2007 entschlug sich die im Testament als Universalerbin eingesetzte Jehudit L. ihres Erbsanspruches. In demselben Schriftsatz sowie mit Schriftsatz vom 8.2.2007 gaben alle (weiteren) gesetzlichen und testamentarischen Erben, nämlich die Kinder des Erblassers Eduard L., Ruth B., Josef L. und Elisabeth W., jeweils eine bedingte Erbserklärung ab.

In dem verfahrensgegenständlich vorgelegten Akt der Magistratsabteilung 64, Zl. MA 64 - 5643/2006 erliegt eine Stellungnahme des Herrn Dr. G. zu den radioaktiven Funden vom 24.8.2006 bei der Firma Ö.. Dieser ist zu entnehmen wie folgt:

?Es wurden bei der Firma Ö. insgesamt 36 Fässer gefunden, welche radioaktives Material beinhalten.

Die Nuklididentifikationsmessung ergab, dass sich in allen Fässern Ra-226 und Th-232 mit unterschiedlichen Aktivitäten befinden. Laut Angaben aus dem Bericht von Se. mit dem Berichtsdatum 4.9.2006 wird als Minimalgewicht der Fässer 1-34, 100 kg angenommen. Gemäß Allgemeiner Strahlenschutzverordnung Anlage 1 Tabelle 1 kann dass radioaktive Nuklid Ra-226 bei einer Aktivitätskonzentration von 0,1 Bq/g und das radioaktive Nuklid Th-232 bei einer Aktivitätskonzentration von 1Bq/g eingeschränkt freigegeben werden. Dies entspricht einer Aktivitätskonzentration von 100 Bq/g für Ra-226 und 1000 Bq/kg für Th-232.

Unter der Annahme eines Fassgewichtes von 100 kg beträgt daher der eingeschränkte Freigabewert für Ra-226 10.kBg/Fass bzw 100kBq/Fass für Th-232. Die Ergebnisse der In Situ und der Labormessungen zeigen, dass die Messwerte folgender Fässer unterhalb der eingeschränkten Freigabewerte liegen.

1, 2, 8, 9, 10, 11, 22, 23, 24, 25

Unter Anwendung der Anlage 1 angegebenen Quotientenregel werden bei den Fässern 7 und 33 die Werte für eingeschränkten Freigabe überschritten.

Wie aus dem Ergänzungsbericht ersichtlich , liegen die Labormesswerte der Fässer 35 und 36 über den Werten welche eine eingeschränkte Freigabe gemäß Allgemeiner Strahlenschutzverordnung erlauben würden.

Zusammenfassung:

Gemäß § 79 Abs 2 der Allgemeinen Strahlenschutzverordnung wird vorgeschlagen die Fässer 1, 2, 8, 9, 10, 11, 22, 23, 24, 25 als inaktiver Abfall zu entsorgen.

Gemäß § 78 wird vorgeschlagen die Fässer, 7, 33, 35, und 36 zu entsorgen.?

Weiters erliegt in diesem Akt ein Bericht der Se. GmbH vom 4.9.2006.

Dieser lautet wie folgt:

?Am 24. August 2006 wurde von Herrn DI Fr. der Firma Fernwärme Wien die Messung, Identifikation und Aktivitätsbestimmung von kontaminierten Chemikalien bei der Fa. Ö. in Auftrag gegeben. Nach Eintreffen von Herrn DI Jakob Fe. und Herrn Markus K. am 29. August 2006 um 08:30 Uhr bei der Firma Ö., G-gasse, Wien, wurde der Sachverhalt von Herrn M. der Fernwärme Wien geschildert. In einer Lagerhalle wurden unter anderem 34 Fässer gelagert, bei denen der Verdacht auf aktives Füllmaterial herrschte. Die Fässer wurden durchlaufend nummeriert und ins Freie befördert, um sowohl die Hintergrundstrahlung als auch den Einfluss der Fässer untereinander auf das Messergebnis möglichst gering zu halten. Mittels des Messgerätes ?MKC02? Nuklididentifikation und Aktivitätsbestimmung erfolgte mittels hochauflösender Gammaspektrometrie teils direkt vor Ort (in situ), teils nach Probeentnahme im Radionuklidlabor der Se. GmbH (siehe Tabelle 1).

Nach erster Durchsicht konnte aufgrund der Messwerte bei 22 Fässern ein erhöhtes radioaktives Inventar ausgeschlossen werden. Bei den verbleibenden Fässern wurden teils in situ Messungen und teils Probennahmen durchgeführt.

Bis zur Freigabe zur Entsorgung durch Herrn Dr. G. werden die Fässer vor Ort gelagert.

Des weiteren wurden drei aus dem Altchemikalienbestand sichergestellte Gebinde mit Uranylacetat bzw. Thoriumnitrat abtransportiert und der Firma N. Se. zur Entsorgung übergeben.?

Mit Schriftsatz vom 30.10.2006 erteilte der Magistrat der Stadt Wien als Bezirksverwaltungsbehörde (vermittels der Magistratsabteilung 64) der Se. GmbH den Auftrag zum ehestmöglichen Abtransport und zur Entsorgung der auf dem Betriebsgelände der Firma Ö. in Wien, G-gasse befindlichen Fässer Nr. 7, 33, 35 und 36 mit den darin enthaltenen radioaktiven Materialien. Die Nuklididentifikationsmessung habe ergeben, dass sich in allen Fässern Rh-226 und Th-232 mit unterschiedlichen Aktivitäten befinde.

Die Se. GmbH legte mit Schreiben vom 24.11.2006 an die Magistratsabteilung 64 eine Rechnung in der Höhe von EUR 92.849,53 (für Abfallkosten, Vorsorgeentgelt, Stunden/Fahrer und km-Geld) für den Abtransport und die Entsorgung der auf dem Betriebsgelände der Firma Ö. in Wien, G-gasse, befindlichen Fässer Nr. 7, 33, 35 und 36 mit den darin enthaltenen radioaktiven Materialien am 31.10.2006. Die Magistratsabteilung 15 legte eine Rechnung vom 28.8.2006 und eine Rechnung vom 2.11.2006 jeweils in der Höhe von EUR 209,28, zusammen EUR 418,56, für Überprüfungen am 8.8.2006 und 25.10.2006 bezüglich der Fa. Ö. vor.

Daraufhin erging der in Berufung gezogene Bescheid vom 28.8.2007.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

Hinsichtlich Spruchpunkt I.) ist auszuführen:

Gemäß § 18 Abs 1 Strahlenschutzgesetz hat die Behörde, in Fällen unmittelbar drohender Gefahr, bedingt durch den Umgang mit Strahlenquellen, alle geeigneten Maßnahmen zu veranlassen, um diese Gefahr abzuwenden. Sie kann zu diesem Zweck einstweilige Verfügungen erlassen sowie nach den Bestimmungen des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991, BGBl. Nr. 53/1991, über die Ersatzvornahme vorgehen.

§ 26 Abs 1 bis 4 Strahlenschutzgesetz lautet wie folgt:

?(1) Der Verlust von radioaktiven Stoffen, deren Besitz zumindest eine Meldepflicht gemäß § 25 nach sich zieht, oder der Fund von herrenlosen radioaktiven Stoffen ist unverzüglich dem nächsten Sicherheitsorgan anzuzeigen. Im Falle eines Fundes von herrenlosen radioaktiven Stoffen ist nach Durchführung der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen die zuständige Strahlenschutzbehörde zu informieren. Diese hat herrenlose radioaktive Stoffe zu beschlagnahmen und entweder eine Wiederverwertung oder eine Entsorgung als radioaktiven Abfall zu veranlassen. Die anfallenden Kosten können von einem etwaigen Besitzer im Regressweg eingefordert werden. Über die näheren Umstände des Auffindens herrenloser radioaktiver Stoffe sind Aufzeichnungen zu führen. Eine Kopie dieser Aufzeichnungen ist dem Zentralen Strahlenquellen-Register zu übermitteln.

(2) Die Bestimmungen des Abs 1 gelten nicht für den örtlichen Betriebsbereich von Betrieben, die einer Bewilligungspflicht gemäß §§ 6, 7 oder 10 unterliegen, sofern es sich um den Verlust oder Fund radioaktiver Stoffe handelt, auf deren Umgang sich die behördliche Bewilligung erstreckt. In diesem Fall sind der Strahlenschutzbeauftragte und die Behörde unverzüglich zu verständigen.

(3) Radioaktive Stoffe oder radioaktiv kontaminierte Stoffe in zur Wiederverwertung vorgesehenen Materialien sind vom Eigentümer oder vom Käufer auf dessen Kosten vom nichtkontaminierten Material auszusondern, ordnungsgemäß zu verpacken, zu kennzeichnen und an den Absender zurückzusenden, wenn für diese radioaktiven Stoffe oder radioaktiv kontaminierten Stoffe keine Einfuhrgenehmigung vorliegt, ansonsten als radioaktiver Abfall zu entsorgen. Eigentümer und Käufer haften für alle Verbindlichkeiten aus der ordnungsgemäßen Rücksendung zur ungeteilten Hand.

(4) Sind die gemäß Abs 3 Verpflichteten nicht feststellbar oder können diese zur Rücksendung oder Entsorgung aus rechtlichen oder sonstigen Gründen nicht herangezogen werden, sind die radioaktiven Stoffe oder radioaktiv kontaminierten Stoffe nach Abs 3 zunächst von den örtlich zuständigen Behörden ordnungsgemäß als radioaktiver Abfall entsorgen zu lassen. Die anfallenden Kosten können von den gemäß Abs 3 Verpflichteten im Regressweg eingefordert werden. Dazu kann das jeweilige Transportmittel zur Sicherstellung herangezogen werden.?

Aus keiner dieser Normen kann eine Kostenersatzverpflichtung der Berufungswerberin abgeleitet werden:

Unabhängig von der Frage, ob auf die gegenständlichen Entsorgungsmaßnahmen radioaktiver Abfälle überhaupt § 18 Abs 1 Strahlenschutzgesetz Anwendung zu finden vermag, scheidet eine Vorschreibung der Entsorgungskosten schon aus dem Umstand aus, dass einer Kostenvorschreibung i.S.d. § 18 Abs 1 Strahlenschutzgesetz stets eine Ersatzvornahme i.S.d. Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vorausgegangen sein muss. Eine solche ist aber im gegenständlichen Verfahren, mangels Vorschreibung eines Entsorgungsauftrages oder einer einstweiligen Verfügung an die Berufungswerberin niemals erfolgt.

Aufgrund des gegenständlichen Sachverhaltes könnte mit gutem Grund davon ausgegangen werden, dass die gegenständlichen radioaktiven Abfälle in niemandes Eigentum standen. Da diesen Abfällen zweifelsohne nicht die rechtliche Qualifikation eines Zugehörs zukommt, bewirkt der Umstand, dass die Berufungswerberin Eigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft ist, nicht, dass diese Abfälle aus diesem Grunde ebenfalls im Eigentum der Berufungswerberin stehen. Auch muss davon ausgegangen werden, dass die Berufungswerberin niemals einen Besitzwillen über diese Abfälle ausüben wollte bzw. ausgeübt hat, sodass dieser allenfalls der Status einer Inhaberin der gegenständlichen Abfälle zukam. Bei Zugrundelegung dieser Ableitung wäre davon auszugehen, dass diese Abfälle als herrenlos zu qualifizieren gewesen sind. Sollte man nun aber die gegenständlichen Entsorgungsmaßnahmen auf § 26 Abs 1 StrahlenschutzG stützen, wären diese Kosten aber nicht der Berufungswerberin vorschreibbar; können doch die Kosten nur einem ?etwaigen Besitzer? vorgeschrieben werden. Schon die reine Wortinterpretation der Wortfolge ?etwaigen Besitzer? muss nämlich zum Schluss führen, dass damit weder der Finder noch derjenige Grundeigentümer, auf dessen Grundstück die jeweilige herrenlose Sache gefunden worden ist, verstanden werden kann. In beiden Fällen würde nämlich stets der Sachbesitzer im Sinne dieser Bestimmung mit Gewissheit eruierbar sein, und daher das beigefügte Wort ?etwaigen? keinen Sinn machen. Vielmehr wird man § 26 Abs 1 StrahlenschutzG dahingehend auszulegen haben, dass immer dann, wenn nach dem äußeren Anschein nach eine Sache als herrenlos einzustufen ist, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 26 Abs 1 StrahlenschutzG diese zu beschlagnahmen und einer Wiederverwertung oder Entsorgung zuzuführen ist. Wenn sich aber in weiterer Folge herausstellt, dass diese Sache nicht herrenlos gewesen ist, und wenn zudem der Sachbesitzer ermittelt wird, sind dieser Person die angelaufenen Kosten vorzuschreiben. Da nun aber aus dem gesamten Akt kein Indiz hervorgekommen ist, dass die Berufungswerberin bzw. Herr Nissen L. jemals einen Besitzwillen über die gegenständlichen Abfälle gebildet hatte, scheidet die Annahme, dass die Berufungswerberin bzw. Herr Nissen L. Sachbesitzer i.S.d. § 26 Abs 1 StrahlenschutzG, daher sachenrechtliche Besitzer, gewesen ist bzw. war, aus.

§ 26 Abs 3 StrahlenschutzG findet dagegen schon aus dem Umstand, dass weder die Berufungswerberin noch Herr Nissen L. die gegenständlichen radioaktiven Abfälle gekauft hatten und diese auch nicht als Sachbesitzer (und somit auch nicht als Sacheigentümer) einstufbar sind, keine Anwendung.

Da auch sonst keine Norm existiert, durch welche jemand zum Ersatz der Kosten einer von einer Bezirksverwaltungsbehörde in Auftrag gegebenen Entsorgung radioaktiver Materialien verpflichtet werden kann, ist die gegenständliche Kostenvorschreibung daher ohne Rechtsgrundlage erfolgt.

Hinsichtlich Spruchpunkt II.) ist auszuführen:

Gemäß § 76 Abs 1 AVG hat, wenn der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen erwachsen, dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen. Kosten, die der Behörde aus ihrer Verpflichtung nach § 17a erwachsen, sowie die einem Gehörlosendolmetscher zustehenden Gebühren gelten nicht als Barauslagen. Im Falle des § 52 Abs 3 hat die Partei für die Gebühren, die den nichtamtlichen Sachverständigen zustehen, nur soweit aufzukommen, als sie den von ihr bestimmten Betrag nicht überschreiten.

Gemäß § 76 Abs 2 AVG sind jedoch, wenn die Amtshandlung durch das Verschulden eines anderen Beteiligten verursacht wurden, die Auslagen von diesem zu tragen. Wurde die Amtshandlung von Amts wegen angeordnet, so belasten die Auslagen den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind.

Dem gegenständlichen Entsorgungsauftrag radioaktiver Abfälle bzw. dem diesem zugrunde liegenden Administrativverfahren lag kein Antrag einer Verfahrenspartei zugrunde. Bereits aus diesem Grund kann daher die Vorschreibung von im gegenständlichen Verfahren der Behörde erwachsenen Kosten (?Barauslagen?) nicht auf § 76 Abs 1 AVG gestützt werden.

Da auch kein Indiz hervorgekommen ist, wonach aufgrund des Verschuldens von Herrn Nissen L. bzw. der Berufungswerberin es erforderlich geworden war, die gegenständliche Entsorgungsmaßnahmen zu setzen, kann die gegenständliche Kostenvorschreibung auch nicht auf § 76 Abs 2 AVG gestützt werden.

Folglich sind die gegenständlichen Barauslagen gemäß § 75 Abs 1 AVG von der Behörde zu tragen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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