TE Vwgh Beschluss 2001/11/8 2001/21/0112

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.11.2001
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §45 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über den Antrag der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark auf Wiederaufnahme des durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 2001, Zl. 97/21/0893, abgeschlossenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens über die Beschwerde des am 18. September 1976 geborenen A, vertreten durch Dr. Robert Miklauschina, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 18 und 26, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 4. September 1997, Zl. Fr 194/1997, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Antrag auf Wiederaufnahme wird gemäß § 45 VwGG stattgegeben.

Begründung

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit seinem Erkenntnis vom 22. Juni 2001, Zl. 97/21/0893, den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 4. September 1997, Zl. Fr 194/1997, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass insofern ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung des angefochtenen Bescheides bestehe, als im Spruch der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 54 Abs. 1 FrG abgewiesen, in der Begründung jedoch ausgeführt werde, dass über diesen Antrag erst in den nächsten Tagen entschieden werde.

Mit Schriftsatz vom 30. Juli 2001 begehrte die antragstellende Sicherheitsdirektion die "Überprüfung" dieser Entscheidung. Im Rahmen der Beschwerdebehandlung sei dem Verwaltungsgerichtshof offensichtlich ein Irrtum unterlaufen. Die Aussage, dass über den Antrag gemäß § 54 Abs. 1 FrG erst in den nächsten Tagen entschieden werde, sei im aufgehobenen Bescheid nämlich nicht enthalten. Vielmehr sei vom Verwaltungsgerichtshof offensichtlich die Begründung eines "parallel" am 4. September 1997 unter derselben Geschäftszahl von der belangten Behörde erlassenen Berufungsbescheides betreffend die Ausweisung des Beschwerdeführers herangezogen worden. Die Antragstellerin habe eindeutig feststellen können, dass der der Beschwerde gegen den Bescheid über den Antrag gemäß § 54 Abs. 1 FrG vom Beschwerdevertreter angeschlossene Bescheid falsch zusammengestellt bzw. kopiert worden sei. Bloß die Seiten 1 und 2 seien richtig kopiert worden, im Anschluss daran seien jedoch die Seiten 3 bis einschließlich 5 des Ausweisungsbescheides dazu kopiert worden. Eine genaue Überprüfung der Aktenlage ergebe aber eindeutig, dass der mit der Beschwerde angefochtene Berufungsbescheid über den Antrag gemäß § 54 Abs. 1 FrG insgesamt zwölf Seiten umfasse.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag erwogen:

§ 45 Abs. 1 VwGG lautet:

     "§ 45. (1) Die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder

Beschluss abgeschlossenen Verfahrens ist auf Antrag einer Partei

zu bewilligen, wenn

     1.        das Erkenntnis oder der Beschluss durch eine

gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie

erschlichen worden ist oder

     2.        das Erkenntnis oder der Beschluss auf einer nicht

von der Partei verschuldeten irrigen Annahme der Versäumung einer

in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Frist beruht oder

     3.        nachträglich eine rechtskräftige gerichtliche

Entscheidung bekannt wird, die in dem Verfahren vor dem

Verwaltungsgerichtshof die Einwendung der entschiedenen Sache

begründet hätte, oder

     4.        im Verfahren vor dem Gerichtshof den Vorschriften

über das Parteiengehör nicht entsprochen wurde und anzunehmen ist,

dass sonst das Erkenntnis oder der Beschluss anders gelautet hätte

oder

     5.        das Verfahren vor dem Gerichtshof wegen

Klaglosstellung oder wegen einer durch Klaglosstellung veranlassten Zurückziehung der Beschwerde eingestellt, die behördliche Maßnahme, die die Klaglosstellung bewirkt hatte, jedoch nachträglich behoben wurde."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss eines verstärkten Senates vom 24. November 1998, Zl. 96/08/0406, darauf hingewiesen, dass er - in seiner bisherigen Rechtsprechung - sowohl einen als Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezeichneten Antrag als einen solchen auf Wiederaufnahme des Verfahrens beurteilt (Beschluss vom 7. Juli 1987, Zl. 87/07/0063) als auch Wiederaufnahmeanträge, die durch Anführung einer bestimmten Ziffer des § 45 Abs. 1 VwGG ausdrücklich auf einen bestimmten Wiederaufnahmegrund gestützt worden waren, (auch) hinsichtlich des Vorliegens anderer in § 45 Abs. 1 leg. cit. genannter Gründe geprüft habe (vgl. die Beschlüsse vom 14. März 1988, Zlen. 88/10/0024, 0028, vom 15. September 1992, Zl. 92/04/0185, vom 15. Dezember 1992, Zl. 92/11/0249, vom 10. Oktober 1995, Zl. 95/20/0402, und vom 21. Mai 1996, Zlen. 96/04/0076, 0077). Er hat in dieser Entscheidung ausgesprochen, dass die Prüfung eines Wiederaufnahmeantrages durch den Verwaltungsgerichtshof nicht auf jene Ziffern des § 45 Abs. 1 VwGG beschränkt sei, auf die sich der Antrag ausdrücklich stützt; vielmehr seien gegebenenfalls auch andere der im § 45 Abs. 1 Z. 1 bis 5 VwGG genannten Wiederaufnahmegründe zu berücksichtigen, sofern ein solcher Wiederaufnahmegrund nach den im Antrag behaupteten Umständen erkennbar ist und eine solche Prüfung daher angezeigt erscheint.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass auch das von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark mit Schriftsatz vom 30. Juli 2001 gestellte "Ersuchen um Überprüfung der vorliegenden Entscheidung des Höchstgerichts" zur Prüfung der Voraussetzungen der im § 45 Abs. 1 Z. 1 bis 5 VwGG genannten Wiederaufnahmegründe zu untersuchen ist. Es kommt nach den im Antrag behaupteten Umständen der Wiederaufnahmegrund des § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG in Betracht. Die antragstellende Sicherheitsdirektion bringt nämlich erkennbar ihre Auffassung zum Ausdruck, dass ihr im Verfahren zur Zl. 97/21/0893 kein rechtliches Gehör zur Frage eingeräumt worden sei, ob die Begründung des angefochtenen Bescheides - wobei es, wie klarstellend angemerkt sei, nicht auf seine Urschrift, sondern auf den gegenüber dem Beschwerdeführer erlassenen Text ankommt - tatsächlich jenen Wortlaut hatte, den der Verwaltungsgerichtshof seinem Erkenntnis vom 22. Juni 2001 zu Grunde legte.

Da der Antragstellerin zur Frage, ob die Begründung des dem Beschwerdeführer zugestellten angefochtenen Bescheides die Formulierung enthielt, "dass über diesen Antrag erst in den nächsten Tagen entschieden werde", entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 8. Oktober 2001 kein Parteiengehör gewährt wurde, und das Erkenntnis vom 22. Juni 2001 auf einer die Entscheidung tragenden Sachverhaltsannahme beruht, deren Unrichtigkeit im Falle der Gewährung von Parteiengehör sich hätte herausstellen können, war der antragstellenden Partei im Sinne der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in dem angeführten Erkenntnis eines verstärkten Senates gemäß § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG die Wiederaufnahme des Verfahrens zu bewilligen.

Die Entscheidung über die Beschwerde wird vorbehalten. Wien, am 8. November 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001210112.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten