TE UVS Tirol 2008/04/10 2008/17/0353-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.04.2008
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Felizitas Schiessendoppler-Luchner über die Berufung von Frau F. S., vertreten durch RA Dr. A. R., Rechtsanwältin in XY, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 27.12.2007, Zl. 704-4-459/2007, wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 35 FSG wird die Berufung als unbegründet abgewiesen

Text

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 27.12.2007 wurde der Berufungswerberin die von der BH Kitzbühel für die Kraftfahrzeuge der Klasse B erteilte Lenkberechtigung gemäß § 24 Abs 1 Z 1 und 4 in Verbindung mit § 25 Abs 2 FSG und § 7 Abs 1 FSG-GV bis zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über ihre gesundheitliche Eignung gemäß § 8 FSG 1997 entzogen. Gleichzeitig wurde Frau S. für diese Dauer das Lenken von Motorfahrrädern und vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen verboten und gemäß § 30 Abs 1 FSG das Recht aberkannt von einer allfälligen ausländischen Lenkberechtigung Gebrauch zu machen.

 

Begründet wurde diese Maßnahme damit, dass bei der Berufungswerberin aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens vom 06.12.2007 festgestellt wurde, dass aufgrund einer fehlenden gesundheitlichen Eignung bei vorliegender völlig unbehandelter psychischer Erkrankung, die bereits zu klinisch fassbaren deutlichen kognitiven Einschränkungen geführt habe, die Berufungswerberin zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 nicht geeignet sei. Begründend werde auf das psychiatrische Gutachten vom 04.12.2007 hingewiesen.

 

In der Folge hat die Berufungswerberin durch ihre Rechtsvertreterin Berufung erhoben und in dieser zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, die Berufungswerberin habe sich aufgrund des Verlustes eines Arbeitsplatzes nach jahrzehntelanger Beschäftigung in einem Ausnahmezustand befunden. Die dem Bescheid zu Grunde gelegte Begutachtung habe den Sachverhalt nicht berücksichtigt und sei nicht maßgeblich. Ihr psychischer Zustand hindere nicht in der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Sie sei durch ihre entlegene Wohnung auf ein Fahrzeug angewiesen und trainiert das Fahrzeug zu lenken. Es werde daher beantragt den Bescheid zu beheben.

 

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt. Hier insbesondere in das Gutachten der Frau Dr. H. F., Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, sowie in die Beurteilung durch den Amtsarzt nach § 8 Abs 2 FSG.

 

Im Gutachten von Frau Dr. H. F.  ist Nachstehendes ausgeführt:

 

?Sehr geehrter Herr Kollege,

mit Schreiben vom 07.11.2007 ergeht an mich das Ersuchen zur Beurteilung der Fahrfähigkeit und Fahrtauglichkeit der Frau S. B.

 

Zuweisung/Anamnese:

Schizophrene Störung, anamnestisch Hinweise auf paranoiden Inhalt, nicht gegebene Therapie-Compliance, wirkt verlangsamt.

 

Die Untersuchung findet am 29.11.2007 statt.

 

Es werden der Arztbrief des PKH-Hall und die Befunde des Krankenhauses St. Johann eingeholt.

 

Anamnese:

Im Gespräch berichtet Frau S. dass sie seit ihrem 18. Lebensjahr einen Führerschein besitze. Sie sei in XY aufgewachsen, habe dort Volks- Hauptschule und Polytechnikum besucht, danach den Beruf der Verkäuferin erlernt. Bis Mai 2007 hat sie in ihrem Beruf gearbeitet. Warum sie entlassen wurde, wisse sie nicht. Sie habe 18 Jahre in XY und 2,5 Jahre in Kitzbühel gearbeitet, man habe das Arbeitsverhältnis einvernehmlich gelöst, warum sie versetzt wurde, wisse sie ebenso nicht.

 

Frau S. ist ledig, lebt bei ihren Eltern, hat keine Beziehung.

 

An früheren Krankheiten gibt sie an, eine stationäre Aufnahme Ende September im Krankenhaus St. Johann wegen Kopfschmerzen. Man habe nichts gefunden. Sie sei von Frau Dr. R. untersucht worden, sie brache aber nicht mehr hin gehen, ?weil ja nichts fehle?. Ihre Hausärzte seien Herr Dr. B. und Herr Dr. Z. Sie würde Solian zweimal täglich nehmen und eine Nachttablette, wobei sie den Namen nicht wisse. Sie würde die Medikamente auch nicht regelmäßig einnehmen, und oft vergessen. Sie hätte Stimmungsschwankungen, bewohne ein Zimmer bei ihren Eltern.

 

An Beschwerden beschreibt sie Ängste, zum Beispiel beim Autofahren, wenn Schnee liegt könnte etwas passieren, die Ängste würden zunehmen, es könnte sein, dass es ?nicht gutgeht?, sie habe ein neues Auto.

An Beschwerden habe sie nach wie vor Kopfschmerzen, Phasen von Angst weil sie keinen Job habe.

 

Nochmals auf die Frage warum sie im Krankenhaus gewesen sei gibt sie an, dass sie im Bett gelegen sei und eine Thrombosespritze bekommen habe.

 

Am 04.12. müsse sie zur Gebietskrankenkasse. Sie sei 4 Tage im September im Krankenhaus St. Johann gewesen, danach drei oder viermal bei Frau Dr. R. Sie habe die Medikation nicht eingenommen, die Medikamente würden anders wirken, der Kopfschmerz sei gleich. Nach St. Johann sei sie 4 Tage im Landesnervenkrankenhaus Hall gewesen, man habe sie ?hinaufgeschickt? weil man meinte sie habe etwas Psychisches.

 

Psychopathologischer Status zum Untersuchungszeitpunkt 29.11.2007:

Patientin wach, in allen Qualitäten ausreichen orientiert. Auffassung, Aufmerksamkeit und Konzentration verlangsamt, Gedankenduktus weitschweifig auf einzelne Themen eingeengt. Stimmungslage euthym bis leicht angehoben, lächelnd, affektiv wenig schwingungsfähig. Parathym keine eindeutige Hinweise auf paranoide Reaktionen oder paranoide Reaktionsbereitschat. Keine Depersonalisation oder Derealisation. Keine Selbst- oder Fremdgefährdung zum Untersuchungszeitpunkt.

 

Arztbrief des Psychiatrischen Krankenhauses Hall:

Stationäre Aufnahme 01.10. bis 04.10.2007

Diagnose:

V.a. hebephrene Schizophrenie (F20.1)

 

Beurteilung:

Insgesamt wirkt Frau S. im klinischen Bild deutlich kognitiv eingeschränkt, es sind Merkfähigkeit und Gedächtnis beeinträchtigt, die Gesprächsinhalte sind auf wenige Themen reduziert, sie ist in ihrer Reaktion und in ihrem Duktus verlangsamt und affektstarr.

 

Aufgrund dessen wird Frau S. die Durchführung eines kraftfahrspezifischen Leistungstest an der Klinik Innsbruck nahegelegt, es wird auch meinerseits ein

 

Termin vereinbart, die Untersuchung wird jedoch von Frau S. abgelehnt, da ihr der Amtsarzt nicht gesagt habe, dass sie dies machen müsse.

 

Schizoaffektive Störung, DD: V.a. hebephrene Schizophrenie, Patientin weder krankheuts- noch therapieeinsichtig, zum Untersuchungszeitpunkt aufgrund der Ablehnung der Verifizierung der kognitiven Defizite die Fahrfähigkeit und Fahrtauglichkeit nicht zu beurteilen.

 

Für weitere Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.?

 

In der Folge hat auch der Amtsarzt Dr. W. v. eine weitere Ergänzung zur ärztlichen Untersuchung nach § 8 Führerscheingesetz vom 06.12.2007 vorgenommen. In diesem Gutachten hat der Amtsarzt ausgeführt, dass die Berufungswerberin nicht geeignet sei für die Gruppe 1 und als Begründung eine fehlende gesundheitliche Eignung bei vorliegender völlig unbehandelter psychischer Erkrankung die bereits zu klinisch fassbaren deutlichen Kognitiven Einschränkungen geführt habe (zB Beeinträchtigung der Merkfähigkeiten des Gedächtnisses) angeführt. In seiner Ergänzung vom 14.01.2008 hat der Amtsarzt Nachstehendes festgehalten:

 

Wie dem Gutachten zu entnehmen ist, wurde die Obg. am 07.11.2007 amtsärtzlich untersucht. Die Anamnese dabei war nicht sehr ergiebig, bezüglich vorliegender stattgehabter KH-Aufenthalte wird lediglich ein KH-Aufenthalt in St. Johann/T. berichtet, genauere Details darüber waren nicht eruierbar. Bezüglich allfällig eingenommener Medikamente wurde Solian und Dominal angegeben, diese würden aber nur gelegentlich eingenommen, es gehe ihr ja gut.

 

Bei der klinischen Untersuchung ist der auffälligste Befund im Bereich des psychopathologischen Status zu finden, im Gutachtensformular entsprechend kurz erwähnt. Auffällig war die deutliche Verlangsamung, auch Schwierigkeiten, den Gedankenfluss (Gedankenductus) zu halten. Unspezifische Äußerungen im Rahmen des Untersuchungsgespräches erweckten auch den Verdacht auf eine paranoide Verarbeitung. Der restliche körperliche Befund kann dem Gutachtensformular entnommen werden.

 

Aufgrund der im Vordergrund stehenden psychischen Symptomatik mit bereits klinisch auffälliger Verringerung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit wurde der Obg. aufgetragen, eine fachärztlich psychiatrische Stellungnahme beizubringen, die auch eine Mitbeurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit umfasst. In der als Anlage beigelegten fachärztlichen Stellungnahme vom 04.12.2007 wird auf die Zuweisung verwiesen, diese darf ebenfalls der Vollständigkeit halber als Anlage beigelegt werden. Im zitierten fachärztlichen Gutachten wird ausgeführlich die Anamnese wiedergegeben, ebenso das Ergebnis der Erhebung des psychopathologischen Status zum  Untersuchungszeitpunkt am 29.11.2007. Darin werden als deutliche kognitive Einschränkungen eine Verlangsamung bei Auffassung, Aufmerksamkeit und Konzentration festgestellt, weiters Auffälligkeiten beim Gedankenfluss (Gedankenductus). Ebenso werden noch andere psychische Phänomene, ua hinsichtlich der Stimmungslage beschrieben. Aus einem der Fachärztin vorliegenden Arztbrief des psychiatrischen

 

Krankenhauses in Hall über eine stationäre Aufnahme vom 01.10. bis 04.10.2007 wird die Diagnose eines Verdachtes auf hebephrene Schizophrenie angeführt.

 

Die gesamte Beurteilung der zitierten fachärztlichen Stellungnahme wurde im amtsärztlichen Formulargutachten unter dem Punkt ?Ergebnis der Befunde? wörtlich wiedergegeben, es darf darauf verwiesen werden.

 

Beurteilung bzw Begründung:

Bei der Obg. liegt eine psychische Erkrankung vor, entsprechend der fachärztlichen Beurteilung eine schizoaffektive Störung (wobei differenzialdiagnostisch auch der Verdacht auf eine hebephrene Schizophrenie besteht.) Klinisch eindeutig, sowohl feststellbar im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung als auch der fachärztlichen Untersuchung, besteht eine erhebliche Einschränkung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit, die Reaktion ist vom klinischen Eindruck her verlangsamt, die Merkfähigkeit und das Gedächtnis sind entsprechend der klinischen Beurteilung beeinträchtigt. Eine Austestung der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen wurde von der Patientin, wie im fachärztlichen Gutachten zitiert, abgelehnt. Weiters findet sich keine Krankheits- bzw Therapieeinsichtigkeit.

 

Die Voraussetzung für die Erteilung oder Belassung einer Lenkerberechtigung ist, dass eine psychiatrisch fachärztliche Stellungnahme vorgelegt wird, die die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit mitbeurteilt und naturgemäß die Eignung bestätigt (sh dazu auch die Bestimmungen der FSG-GV § 13 Abs 1 und 2). Das amtsärztliche Gutachten, das die fachärztliche Stellungnahme zu berücksichtigen und in eigener Weise zu beurteilen hat, erkennt im ggstdl Fall eine ausgeprägte psychische Erkrankung i. e. eine schizoaffektive Störung, die bei wesentlichen kraftfahrspezi. Leistungsfunktionen wie Aufmerksamkeit, Konzentration, Gedächtnis und Reaktion im Rahmen der klinischen Untersuchung deutliche Defizite fassbar macht. Unter diesen Umständen wird aus amtsärztlicher Sicht keine Eignung zum Lenken eines KFZ gesehen, zumindest solange nicht der eindeutige Nachweis einer ausreichenden, aber auch sicher andauernden kraftfahrspezifischen Leistungsbescheid hätte zwar unter Umständen im Rahmen einer zusätzlichen Austestung hinterfragt werden können, als nächstes wäre aber auch die Prognose über den weiteren Verlauf im Sinne der Vorgaben an ein ärztliches Gutachten erforderlich gewesen. Eine derartige Prognose über einen Krankheitsverlauf ist aber bei fehlender Therapie- und Krankheitseinsicht bei einer vorliegenden psychischen Erkrankung im Sinne einer positiven sicheren Prognose eines länger andauernden stabilen Verlaufes oder jedenfalls keiner deutlichen Verschlechterung nicht möglich, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt aus amtsärztlicher Sicht keine ausreichende Eignung gesehen wurde.

 

Im gegenständlichen Fall hat sich der Amtsarzt unter ?Beurteilung bzw Begründung? ausgiebig inhaltlich auseinandergesetzt, weshalb er diese fachärztliche Stellungnahme für richtig und schlüssig hält. Er hat sich dieser Beurteilung angeschlossen und in weiterer Folge die fehlende gesundheitliche Eignung wegen einer vorliegenden unbehandelten psychischen Erkrankung begründet.

 

Wenn die Rechtsvertreterin nunmehr ausführt, dass sich die Berufungswerberin aufgrund des Verlustes des Arbeitsplatzes nach jahrzehntelanger Beschäftigung sich in einem Ausnahmezustand befunden habe, ist dem entgegenzuhalten, dass jeder Durchschnittsmensch Schicksalsschläge hinnehmen muss, die zu Ausnahmezuständen führen, wobei trotzdem der psychische Allgemeinzustand dermaßen stabil sein muss, dass die Eignung zum Lenken aufrecht erhalten geblieben sein müsste.

 

Insgesamt hat sich aus dem erstinstanzlichen Verfahren nicht ergeben, dass die Eignung der Berufungswerberin falsch beurteilt worden wäre und liegt für die Berufungsbehörde auch kein Grund vor, ein neuerliches psychiatrisches Gutachten aufzunehmen, zumal das alte erst knappe vier Monate alt ist.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Hinweis:

Für die Vergebührung des Berufungsantrages (samt Beilagen) sind Euro 13,20 bei der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel zu entrichten. Dieser Betrag ist binnen zwei Wochen nach Erhalt des Zahlscheines einzuzahlen.

Schlagworte
schizoaffektive, Störung, Prognose, über, einen, weiteren, Krankheitsverlauf, bei, fehlender, Therapie- und Krankheitseinsicht, bei, einer, vorliegenden, psychischen, Erkrankung, nicht, möglich, so, dass, aus, amtsärztlicher, Sicht, keine, ausreichende, Eignung, gesehen, wurde
Zuletzt aktualisiert am
15.10.2008
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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